Ein unbenutztes Kraftfahrzeug verliert allein durch eine Tages- oder Kurzzulassung auf den Autohändler nicht die Eigenschaft „fabrikneu“.

BGH, Urteil vom 12.01.2005 – VIII ZR 109/04

Sachverhalt: Der Kläger begehrt von den Beklagten aus abgetretenem Recht seiner Leasinggeberin die Rückzahlung des Kaufpreises für einen Pkw.

Am 03.07.2001 erwarb die R-GmbH & Co. OHG von der Beklagten einen Pkw, den der Kläger an diesem Tag ausgesucht und mit Vertrag vom 03.07.2001 von der R-GmbH & Co. OHG geleast hatte. Das als Neuwagen mit einem erheblichen Preisnachlass gegenüber dem Listenpreis angebotene Fahrzeug war von der Beklagten – ohne es im Straßenverkehr zu benutzen – im Wege der sogenannten Tageszulassung/Kurzzeitzulassung für ein Wochenende, nämlich vom 28.06. bis zum 02.07.2001, auf sich zugelassen, am 02.07.2001 stillgelegt und am 09.07.2001 auf den Kläger zugelassen worden.

Die Parteien streiten darum, ob ein Pkw mit Kurzzulassung noch als „Neuwagen“ anzusehen ist. Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug sei als Neuwagen ohne Hinweis auf die Tageszulassung verkauft worden; der deutliche Preisnachlass sei mit einer Werbe-/Rabattaktion begründet worden. Die Beklagten haben behauptet, auf dem Verkaufsschild habe sich der Hinweis auf die Tageszulassung befunden, ihr Verkäufer habe ebenfalls darauf hingewiesen.

Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagten auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 12.423,04 € abzüglich 621,15 € für mit dem Fahrzeug zurückgelegte 10.000 km in Anspruch.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Auch die Revision hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Dem Kläger stehe kein Wandelungs- oder Schadensersatzanspruch wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft gemäß §§ 462, 463, 459 II BGB a.F. zu. Das tatsächliche Vorbringen des Klägers zu den Kaufumständen als wahr unterstellt, komme es allein darauf an, ob einem als Neuwagen verkauften Kraftfahrzeug diese Eigenschaft fehle, wenn es eine Tages-/Kurzzulassung aufweise. Das sei zu verneinen.

Soweit mit der Erstzulassung die Fristen für eine Neuwertentschädigung im Rahmen einer Vollkaskoversicherung, für die Hauptuntersuchung als auch für die Abgassonderuntersuchung und die Herstellergarantie zu laufen begonnen haben sollten, seien diese verkürzten Fristen jedenfalls in den Fällen zu vernachlässigen und unerheblich, in denen der Verkauf – wie hier – kurze Zeit nach der Tageszulassung erfolgt sei, weil die Verkürzung sich dann nur auf wenige Tage beschränkt habe.

Soweit der Kläger die Auffassung vertrete, bei einer Tageszulassung werde das Fahrzeug im wirtschaftlichen Wert gemindert, die Zahl der Halter bzw. Vorbesitzer spiele bei dem Verkauf eines Gebrauchtwagens eine erhebliche Rolle, bei zwei Vorbesitzern sei das Fahrzeug im wirtschaftlichen Wert gemindert, weil es bei einem Weiterverkauf nicht mehr als Fahrzeug aus erster Hand bezeichnet werden könne, erscheine dies zweifelhaft, denn mittlerweile sei allgemein bekannt, was eine Tages- oder Kurzzulassung bedeute; entscheidend sei allein, dass das Fahrzeug nicht gefahren, also vom Händler in keiner Weise, insbesondere nicht als Vorführwagen, genutzt worden und deshalb technisch ohnehin ein Neuwagen sei.

II. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Wandelungs- oder Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft gemäß §§ 462, 463, 465, 459 II BGB a.F. verneint.

1. Auf das vor dem 01.01.2002 entstandene Schuldverhältnis der Parteien sind die Vorschriften des BGB in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anwendbar (Art. 229 § 5 EGBGB). Zu Recht geht das Berufungsgericht von einer Zusicherung der Beklagten aus, dass das von ihr verkaufte Auto fabrikneu sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats liegt im Verkauf eines Neuwagens durch einen Kfz-Händler grundsätzlich die Zusicherung, dass das verkaufte Fahrzeug die Eigenschaft hat, „fabrikneu“ zu sein (Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160 [unter II 1]; Urt. v. 16.07.2003 – VIII ZR 243/02, NJW 2003, 2824 [unter II 1]; Urt. v. 22.03.2000 – VIII ZR 325/98, NJW 2000, 2018 [unter II 2]; Urt. v. 18.06.1980 – VIII ZR 185/79, NJW 1980, 2127 [unter II 3]).

2. Entgegen der Auffassung der Revision ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Personenkraftwagen als fabrikneu angesehen hat. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist ein unbenutztes Kraftfahrzeug fabrikneu, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, wenn es keine durch eine längere Standzeit bedingte Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen (Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160 [unter II 3]).

Tageszulassungen sind eine besondere Form des Neuwagengeschäfts. Der Kunde erwirbt auch in diesen Fällen ein fabrikneues Fahrzeug (ebenso u. a. MünchKomm-BGB/Westermann, 4. Aufl., § 434 Rn. 57; a. A. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rn. 203; OLG Dresden, Urt. v. 14.10.1998 – 8 U 1665/98, NJW 1999, 1036). Die kurzfristige Zulassung auf den Händler dient, anders als bei sogenannten Vorführwagen, nicht der Nutzung des Fahrzeugs. Tageszulassungen erfolgen im Absatzinteresse beider Seiten. Der Händler kommt durch die Steigerung der Abnahmemenge in den Genuss höherer Prämien, die er, ohne den Beschränkungen des – damals noch geltenden – Rabattgesetzes zu unterliegen, an den Endkunden weitergeben kann. Der Hersteller wird in die Lage versetzt, gezielt zu bestimmten Stichtagen mit höheren Zulassungszahlen zu werben (Senat, Urt. v. 05.06.1996 – VIII ZR 7/95, NJW 1996, 2302 [unter B II 1 b]). Das ist dem potenziellen Autokäufer bewusst, der weiß, dass eine Tageszulassung aus den genannten Gründen nur rein formal erfolgt, ohne dass sich die Beschaffenheit des Fahrzeugs als Neufahrzeug dadurch ändert, es insbesondere nicht benutzt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.2000 – I ZR 253/97, NJW 2000, 2821 [unter II 2 b aa]).

Die Annahme der Revision, der Käufer eines wenige Tage zugelassenen Fahrzeugs erziele bei der Weiterveräußerung in der Regel einen geringeren Erlös als der Käufer eines nur auf sich zugelassenen Kraftwagens, findet in der allgemeinen Lebenserfahrung keine Stütze. Entscheidend ist für den durchschnittlich informierten und verständigen Autokäufer, dass er ein unbenutztes Neufahrzeug erwirbt (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.2000 – I ZR 253/97, NJW 2000, 2821 [unter II 2 b bb]).

Dies kann er bei einem Weiterverkauf im Allgemeinen durch Vorlage des Kaufvertrags auch nachweisen, sodass die von der Revision befürchtete Benachteiligung des Käufers, der ein Neufahrzeug mit einer nur wenige Tage umfassenden Zulassung erworben hat, als verhältnismäßig gering einzuschätzen ist (BGH, Urt. v. 13.01.2000 – I ZR 253/97, NJW 2000, 2821 [unter II 2 b bb]; vgl. auch EuGH, Slg. 1992, I-131 Rn. 14).

Schließlich ist das Berufungsgericht auch zutreffend der Auffassung, dass die durch die Erstzulassung bedingte Verkürzung der Herstellergarantie und der Fristen für eine Neuwertentschädigung im Rahmen einer Vollkaskoversicherung als auch für die nach § 29 StVZO vorgeschriebene Fahrzeuguntersuchung nicht von wesentlicher Bedeutung ist, wenn der Verkauf – wie hier – kurze Zeit nach der Erstzulassung erfolgt ist, sich auf nur wenige Tage beschränkt und die Herstellergarantie um nicht mehr als zwei Wochen verkürzt ist (vgl. auch BGH, Urt. v. 15.07.1999 – I ZR 44/97, NJW 1999, 3267 [unter II 3]).

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