Eine Kfz-Werkstatt macht sich schadensersatzpflichtig, wenn sie den Kunden beim Einbau einer Autogasanlage nicht darauf hinweist, dass der Motor seines Fahrzeugs spätestens nach jeweils 15.000 gefahrenen Kilometern gewartet werden muss, weil ansonsten die Ventile verbrennen können.

LG Stendal, Urteil vom 20.01.2009 – 23 O 437/07

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz für den nicht wartungsgerechten Einbau einer Autogasanlage in seinen VW Phaeton V6.

Das Fahrzeug hatte der Kläger im Januar 2004 gekauft; es wurde erstmals am 13.01.2003 zum Verkehr zugelassen. Um das Fahrzeug auf bivalenten Betrieb – wahlweise mit Benzin oder Flüssiggas – umrüsten zu können, suchte der Kläger nach geeigneten Fachwerkstätten und fand so die Beklagte. Diese sandte dem Kläger am 12.07.2004 ein Angebot zum Einbau einer Flüssiggasanlage zum Preis von 2.940 € brutto. In diesem Preis sollten der Einbau eines Muldentanks mit einem Fassungsvermögen von 61 Litern und die Abnahme durch den DEKRA e. V. enthalten sein.

Der Kläger übergab sein Fahrzeug der Beklagten Anfang September 2004 mit einem Kilometerstand von 23.330. Nachdem die Beklagte eine Autogasanlage in das Fahrzeug eingebaut hatte, nahm der Kläger seinen Wagen am 11.09.2004  in Empfang. Die Rechnung über 2.741,19 € bezahlte er bar. Er fuhr den Wagen für die Dauer von knapp zwei Jahren mit Autogas und legte etwa 35.000 km zurück. Unregelmäßigkeiten fielen dem Kläger nicht auf. Die erste Inspektion nach dem Einbau der Gasanlage erfolgte durch die Beklagte; die folgende Inspektion führte der „Bosch Car Service“ in D. durch.

Etwa Mitte des Jahres 2006 bemerkte der Kläger, dass der Motor vorübergehend unruhig lief. Dies wiederholte sich In Phasen bis Anfang 2007. Als der Kläger seinen Wagen am 23.04.2007 in einer Autowerkstatt vorstellte, wurde dort ein Schaden am sechsten Zylinder festgestellt; an diesem Zylinder war keine Kompression mehr vorhanden. Eine andere Werkstatt stellte einen Ventilschaden am sechsten Zylinder fest. Für die Reparatur berechnet das Autohaus A 8.238,31 €.

Der Kläger behauptet, da Autogas bei der Verbrennung höhere Temperaturen erzeuge als Benzin, seien die nicht gasfesten Ventilsitze bzw. Ventilsitzringe in seinem Fahrzeug verbrannt bzw. überlastet und thermisch verschlissen. Dieser Schaden sei mithin ursächlich auf den Betrieb mit Autogas zurückzuführen. Sein Pkw sei für eine Umrüstung auf Autogas nicht geeignet gewesen; der Umbau hätte nicht erfolgen dürfen.

Die Klage hatte in Höhe von 8.545,25 € nebst Zinsen Erfolg; außerdem wurden dem Kläger Ersatz seiner außergerichtlichen Kosten in Höhe von 637,36 € zugesprochen.

Aus den Gründen: Der Kläger hat gemäß §§ 631, 280 BGB einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der dadurch entstanden ist, dass ihm die Beklagte die Autogasanlage in den Motor seines Wagens einbaute. Einen Mangel des Werkvertrags an sich verursachte die Beklagte mit dem Einbau der Gasanlage nicht, weshalb das Gewährleistungsrecht des Werkvertrags nach § 634 BGB nicht angewandt wird.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Beklagte mit dem Einbau der Autogasanlage eine Pflicht i. S. des § 280 BGB verletzte, indem sie den Kläger nicht auf die erforderliche Wartung des Motors nach jeweils gefahren 10.000–15.000 Kilometern hinwies. Der Sachverständige S stellte in seinem Gutachten fest, dass die Ventile wegen der höheren Verbrennungstemperaturen durch den Gasbetrieb beschädigt wurden. Um den höheren Verbrennungstemperaturen vorzubeugen, muss im Flüssiggasbetrieb mit einem Luftmangel/Gasüberschuss (sog. „fettes Gemisch“) gefahren werden. Der Nachteil des Autogases als Treibstoff ist unter anderem die fehlende Schmierfähigkeit des Gases; durch das „fette Gemisch“ werden die Ventile besser geschmiert, da in dem Fall durch den Gasüberschuss mehr Gas in das Ventil gelangt. Die entsprechenden Daten für die Menge des Gasüberschusses werden bei dem Einbau auf einem Notebook gespeichert, bei regelmäßigen Wartungen muss das „fettes Gemisch“ mit dem erforderlichen Anteil des Gasüberschusses kontrolliert werden. Der Sachverständige bezeichnete den Vorgang als ständige Korrektur, er erläuterte auch, gasfeste Ventilsitze gebe es in Deutschland nicht. Eine andere Möglichkeit, den thermischen Überlastungsschaden zu verhindern, sei eben das „fettes Gemisch“ oder das Zuführen von Benzin im Hochlastbereich. Der Sachverständige hält eine Kontrolle nach 10.000–15.000 Kilometern für erforderlich. Hierauf hat die Beklagte den Kläger pflichtwidrig nicht hingewiesen, eine Wartung nach jeweils 15.000 gefahrenen Kilometern erfolgte nicht. Folge war, dass die Ventile am 23.04.2007 nach 53.043 gefahrenen Kilometern verbrannt waren. Die Beklagte hatte eine Hinweispflicht, da sie als autorisierte Fachwerkstatt gegenüber dem insoweit unkundigen Kläger über ein Fachwissen verfügte.

Unerheblich ist, ob die Betreiber der gängigen Autogasanlagen vor dem Einbau einer solchen Anlage in den Wagen des Klägers warnten oder nicht. Die Beklagte hat mit dem Einbau der Anlage in das Gefüge des Motors eingegriffen, dadurch oblag es ihr, den veränderten Zustand zu überwachen. Zudem ist der Hersteller auch nicht gehalten, vor dem Einbau einer Autogasanlage zu warnen. Umgekehrt könnte sich die Beklagte allenfalls auf eine Freigabe seitens des Herstellers VW berufen, die jedoch unstreitig nicht vorliegt (OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 17.03.2006 – 8 U 211/05).

Die Kammer hat sich dem Gutachten nach kritischer Würdigung angeschlossen. Der Sachverständige ist nach seinen Angaben für Autogasanlagen zertifiziert. Zudem bildet er Firmen, die Autogasanlagen einbauen, fort. Die Ursache der thermischen Überlastung hat er nachvollziehbar erläutert, er verfügt auch über die erforderliche Fachkenntnis. Er konnte zur Geschichte der Autogasanlagen Angaben machen; wusste auch, dass im hiesigen Fall versäumt worden war, die Daten bzgl. des Einbaus computermäßig zu sichern.

Die Anspruchshöhe hinsichtlich des Schadensersatzes beläuft sich nach § 249 BGB auf insgesamt 8.545,25 €.

Wegen der Reparatur des Motors kann der Kläger von der Beklagten eine Summe von 8.036,13 € verlangen. Von der Rechnung … waren die Kosten für die Steuerkette in Höhe von 36,65 € und die der Wasserpumpe von 118,50 € abzuziehen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen S stehen das Auswechseln der Steuerkette und der Wasserpumpe nicht mit der schadensbedingten Reparatur in Zusammenhang. Ferner waren anteilig der Kühlzusatz … und das Hydrauliköl … abzuziehen. Die Werkstatt ist in der Lage, einen Teil der Flüssigkeiten aufzufangen und wiederzuverwenden. Nach § 287 ZPO schätzt die Kammer den wiederverwendbaren Teil auf die Hälfte, sodass wegen des Kühlzusatzes und des Öls eine Summe von 14,75 € … abzuziehen war. Netto ergibt dies einen Betrag von 169,90 €, brutto (inkl. 19 % Umsatzsteuer) eine Summe von 202,18 €. Die übrigen Positionen aus der Rechnung … waren nach dem Gutachten schadenursächlich und damit auch zu ersetzen, das ergibt eine Summe von 8.036,13 € brutto.

Ebenfalls hat der Kläger Anspruch auf Ersatz der entgangenen Nutzungen in Höhe von 4.277,00 €, da der den Wagen für die Dauer von 47 Tagen nicht nutzen konnte …

Jedoch muss sich der Kläger im Wege des Vorteilsausgleichs die ersparten Benzinkosten nach § 249 BGB anrechnen lassen. Der Vorteilsausgleich wird im Wege einer Saldierung ermittelt, einer Aufrechnung der Beklagten bedarf es dazu nicht. Der Einbau der Autogasanlage ist auch für den ersparten Treibstoff ursächlich. Ohne das Autogas hätte der Kläger für die gefahrenen Kilometer eben mehr Benzin kaufen müssen. Bei der Kausalität im Rahmen des Vorteilsausgleichs ist nicht auf den eingetretenen „Erfolg“, den Motorschaden, abzustellen, sondern auf die Handlung der Beklagten, das ist der Einbau der Gasanlage. Die Kosten des ersparten Benzins hat die Beklagte mit 4.492 € dargelegt, die den Anspruch des Klägers auf 7.821,13 € mindern …

Der Anspruch des Klägers ist durchsetzbar, da er gemäß § 195 BGB noch nicht verjährt ist. Das Gewährleistungsrecht des Werkvertrags wird nicht angewandt, sodass es bei der regelmäßigen Verjährung bleibt. Diese begann nach § 199 I Nrn. 1 und 2 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Kläger vom Schaden Kenntnis erlangte. Kenntnis erlangte der Kläger erst im Jahr 2007; die im Oktober 2007 eingegangene Klage hat die Verjährung nach § 204 I Nr. 1 BGB rechtzeitig gehemmt …

Nach § 280 I BGB hat die Beklagte auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu ersetzen, soweit er den Schaden aufgrund eines Gegenstandswerts in Höhe des tenorierten Betrages begehrt. Bei einem Gegenstandswert von bis zu 8.000 € kann der Kläger … insgesamt 637,36 € geltend machen …

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