Eine Kfz-Werkstatt muss einen Kunden darauf hinweisen, dass sein Fahrzeug nicht für einen Betrieb mit Autogas geeignet ist. Bleibt unsicher, ob ein Betrieb mit Autogas problemlos möglich ist, muss der Kunde auf diese Unsicherheit und die mit dem Einbau einer Autogasanlage verbundenen Risiken hingewiesen werden.
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 17.03.2006 – 8 U 211/05
Sachverhalt: Zwischen den Parteien ist im Streit, ob die Beklagte im Zusammenhang mit dem Einbau einer Autogasanlage Schadensersatz zu leisten hat.
Die Beklagte baute im Januar 2003 für 2.520 € eine Autogasanlage in das als Taxi genutzte Fahrzeug des Klägers ein. Nachdem der Kläger das Fahrzeug etwa 14.000 km gefahren hatte, ohne Beeinträchtigungen des Fahrbetriebs zu beklagen, ließ er am 26.02.2003 turnusgemäß eine Inspektion bei einer Vertragswerkstatt durchführen. Unmittelbar darauf traten Betriebsstörungen auf. Versuche seitens der Vertragswerkstatt, diese Störungen zu beheben, blieben ohne Erfolg. Am 17.03.2003 stellte ein Techniker der Vertragswerkstatt fest, dass drei von vier Zylindern des Motors keine Kompression hatten und der Motor repariert oder ausgetauscht werden müsse. Der Kläger erklärte daraufhin den Rücktritt von dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag.
Er hat in erster Instanz vor allem vorgebracht, sein Fahrzeug sei aufgrund der Beschaffenheit des Motors nicht zum Einbau einer Autogasanlage geeignet gewesen. Darüber habe die Beklagte ihn aufklären bzw. den Einbauauftrag ablehnen müssen. Die Beklagte sei deswegen – gegen Rückgabe der Autogasanlage – verpflichtet, ihm das Entgelt für den Einbau zu erstatten und Ersatz für im Einzelnen dargelegte Schäden in Höhe von 14.230,66 € zu leisten.
Das Landgericht hat die Beklagte im Wesentlichen verurteilt, an den Kläger 2.520 € Zug um Zug gegen Rückgabe der Autogasanlage sowie 11.906,44 € nebst Zinsen als Sachschadensersatz zu zahlen. Es hat angenommen, die Beklagte habe ihre Pflicht verletzt, den Kläger darüber aufzuklären, dass sein Fahrzeug für den Einbau der Autogasanlage ungeeignet war (§ 241 II BGB). Wäre der Kläger hierüber aufgeklärt worden, hätte er den Auftrag zum Einbau nicht erteilt. Daher sei er zum Rücktritt berechtigt, der zu den zuerkannten Ansprüchen führe.
Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Auf die Gründe der landgerichtlichen Entscheidung kann … im Wesentlichen verwiesen werden. Vor dem Hintergrund der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist klarzustellen bzw. zu ergänzen:
1. Das klägerische Fahrzeug war aufgrund der Materialbeschaffenheit der Ventilsitzringe ungeeignet zum Betrieb mittels einer Autogasanlage. Dies hat der Sachverständige S in Rahmen der mündlichen Anhörung zweifelsfrei klargestellt. Er hat erläutert, dass die Ventilsitzringe nicht ausreichend hitzebeständig sind, um den bei Gasbetrieb erhöhten Verbrennungstemperaturen unter Einschluss der technisch erforderlichen Sicherheitsreserven dauerhaft zu widerstehen. Der Senat schließt sich seiner Bewertung an, dass es für die technische Eignung zum Betrieb einer Autogasanlage nicht genügt, wenn die Hitzebeständigkeit der Ventilsitzringe unter idealen sonstigen Betriebsbedingungen unter Ausnutzung der gegebenen Sicherheitsreserven gerade noch genügen könnte, diesen erhöhten Verbrennungstemperaturen – auch dauerhaft – zu widerstehen. Dann nämlich stehen keine weiteren Sicherheitsreserven für die im Betrieb eines Kraftfahrzeugs nicht ungewöhnlichen Fälle zur Verfügungen, in denen die sonstigen Betriebsbedingungen nicht ideal sind, sondern ihrerseits zu erhöhten Belastungsspitzen (etwa auch aufgrund von hinzutretenden Zünd- oder Verbrennungsstörungen durch nicht optimal eingestellte Elektrodenabstände der Zündkerzen) führen.
Der Sachverständige hat bei der mündlichen Anhörung auch klargestellt, dass er die Nichteignung des klägerischen Fahrzeugs zum Einbau der Autogasanlage aufgrund dieser technischen Zusammenhänge sieht und nicht etwa daraus ableitet, dass der Hersteller des Fahrzeugs oder des Motors keine Freigabe erklärt hat. Dass eine solche Freigabe nicht erklärt war, folgt eindeutig aus Mitteilung der Firma X … vom 19.02.2004. Die insofern darlegungsbelastete Beklagte hat es an weiterem Vortrag mangeln lassen, der Zweifel an der Richtigkeit dieser Mitteilung hätte wecken können. Die überreichte und in Bezug genommene Kopie eines Zeitungsausschnitts genügt dazu nicht. Ungeachtet ihres Beweiswerts enthält sie keinerlei konkrete Angaben dazu, wie es sich mit dem Motor verhält, der im Fahrzeug des Klägers eingebaut war, bzw. mit dem Fahrzeug selbst.
In dem unstreitig eingetretenen Motorschaden hat sich das damit begründete Risiko verwirklicht. Dabei ist es im Verhältnis zwischen den Parteien nicht entscheidend, ob erste Schädigungen der Ventilsitzringe schon vor der Inspektion … eingetreten sind oder erst danach, sodass es auch nicht entscheidend ist, dass der Sachverständige zum Entstehungszeitpunkt der (ersten und sich später ausweitenden) Schäden keine Aussage treffen konnte. Wenn eine Veränderung des Benzinmotormanagements (oder hinsichtlich der Zündkerzeneinstellung) … ausschlaggebend gewesen sein sollte dafür, dass im Gegensatz vorherigen Zustand nun keine idealen Betriebsbedingungen mehr vorlagen, so hat dies genau den Bereich betroffen, in dem nunmehr keine Sicherheitsreserven mehr gegeben waren, um die Leistungsfähigkeit des Motors dennoch dauerhaft zu erhalten.
Der Sachverständige S hat sich auch mit der Äußerung des Herrn H befasst, der (im Auftrag des Sachverständigen S) die Daten des Gassteuergeräts ausgewertet hatte und bei dieser Gelegenheit geäußert hat, die Überhitzungsschäden könnten unmöglich beim Gasbetrieb eingetreten sein. Der Sachverständige S hat für den Senat überzeugend ausgeführt, dass und warum Herr H eine solche Aussage allein aufgrund der Daten des Gassteuergeräts nicht fundiert treffen konnte. Der Sachverständige S ist demgegenüber aufgrund eingehender Untersuchung sämtlicher verfügbarer Motorteile und Lichtbilder zu seinen Feststellungen zum konkreten Schadensfall gelangt. Angriffe gegen die Anknüpfungstatsachen, auf die sich der Sachverständige S gestützt hat, oder gegen seine Sachkunde werden letztlich auch von der Berufung … nicht geführt.
Der Sachverständige S hat schließlich nachvollziehbar und überzeugend auch erklärt, dass und warum eine gegenüber dem Benzinbetrieb erhöhte und für die Standfestigkeit der Ventilsitzringe kritische bzw. schädliche Betriebstemperatur nicht zwangsläufig zu einer Warnanzeige wegen Motorüberhitzung führen muss. Dem entspricht der Vortrag des Klägers, eine solche Warnanzeige nicht wahrgenommen zu haben. Ob und zu welchem Zeitpunkt und zu wessen Erkenntnis andere Diagnosesysteme im Zeitraum nach der Inspektion … Fehlermeldungen abgegeben haben (in diese Richtung geht die Argumentation im Schriftsatz der Beklagten vom 10.02.2006), ist nicht entscheidungserheblich.
Die Beklagte war verpflichtet, den Kläger auf die Ungeeignetheit seines Fahrzeugs zum Betrieb mittels einer Autogasanlage hinzuweisen bzw. auf die Risiken, die mit einem Einbau verbunden waren. Sie nimmt für sich in Bezug auf Autogasanlagen die besondere Sachkunde eines Spezialisten in Anspruch, die sie einem Kunden gegenüber dann auch einzubringen hat. Dazu gehört es, dass sie sich selbst über die Eignung eines Kundenfahrzeugs Sicherheit verschafft bzw. auf das Risiko hinweist, wenn solche Sicherheit nicht besteht. Zumindest Letzteres hat die Beklagte zweifelsfrei schuldhaft versäumt. Soweit sie sich ferner darauf beruft, dass bei entsprechenden Veränderungen – wie sie im Rahmen einer Inspektion eintreten können – eine Abstimmung zwischen Benzin- und Autogas-Management stattzufinden habe, hat sie selbst nicht vorgetragen, den Kläger auf diese Notwendigkeit hingewiesen zu haben. Dass die Mitarbeiter der [Vertragswerkstatt] diese Notwendigkeit selbst hätten erkennen können oder müssen, entlastet die Beklagte im Verhältnis zum Kläger nicht, der über solches Wissen nicht verfügte und zu Recht davon ausgehen durfte, dass die Beklagte ihn gegebenenfalls über derart wichtige Zusammenhänge beim Betrieb der Autogasanlage informieren würde. Dass der Großhändler oder der Hersteller der Autogasanlage seinerseits Anlass gehabt haben könnte, die Beklagte auf die Ungeeignetheit hinzuweisen, entbindet die Beklagte nicht von ihren Pflichten gegenüber dem Kläger.
Es ist zwischen den Parteien schließlich nicht im Streit, dass der Kläger von dem Einbau der Autogasanlage bei gehöriger Aufklärung Abstand genommen hätte.
Die Höhe der von der Kammer zuerkannten Beträge war in der Berufung nicht streitig. Gegenstand der Berufung war auch nicht die – zutreffende – Auffassung des Landgerichts, dass die Klageforderung nicht verjährt ist …