1. Das Baujahr eines gebrauchten Kraftfahrzeugs kann Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung i. S. von § 434 I 1 BGB sein (vgl. BGH, Urt. v. 17.05.1995 – VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159, 2160).
  2. Ein Gebrauchtwagen, der älter ist als vertraglich i. S. § 434 I 1 BGB vereinbart, leidet an einem nicht geringfügigen Mangel. Denn das Baujahr eines Kraftfahrzeugs gehört zu dessen verkehrswesentlichen Eigenschaften (im Anschluss an BGH, Urt. v. 26.10.1978 – VII ZR 202/76, BGHZ 72, 252 = NJW 1979, 160, 161) und beeinflusst den Wert des Fahrzeugs nicht nur ganz unerheblich.
  3. Die in § 377 I HGB statuierte Obliegenheit des Käufers, die Kaufsache unverzüglich zu untersuchen und dem Verkäufer entdeckte Mängel unverzüglich anzuzeigen, setzt erst mit der Ablieferung der Kaufsache ein. Diese liegt erst dann vor, wenn die Kaufsache so in den Machtbereich des Käufers gelangt, dass dieser sie ohne Weiteres auf Mängel untersuchen kann. Vor diesem Zeitpunkt läuft selbst dann keine Rügefrist, wenn der Käufer einen Mangel der Kaufsache bereits vor der Ablieferung erkannt hat. In einem solchen Fall kann der Käufer den Mangel bereits vor der Ablieferung rügen; er muss es aber nicht.

LG Hamburg, Urteil vom 01.04.2004 – 322 O 54/04
(nachfolgend: OLG Hamburg, Urteil vom 28.12.2005 – 14 U 85/04)

Sachverhalt: Der Kläger betreibt ein Taxi- und Mietwagenunternehmen. Der Beklagte handelt mit Gebrauchtwagen und ist darauf spezialisiert, bundesweit gebrauchte Taxifahrzeuge anzukaufen und diese weiterzuveräußern.

Er kaufte von dem Kläger, der mehrere Gebrauchtfahrzeuge und verunfallte Taxifahrzeuge zum Kauf angeboten hatte, am 25.09.2003 zwei Fahrzeuge zum Preis von insgesamt 27.000 €, und zwar einen Mercedes-Benz E 200 CDI, dessen „Baujahr“ mit „12/2000“ bezeichnet worden war, sowie einen Mercedes-Benz E 220 CDI, dessen dessen „Baujahr“ mit „02/2003“ bezeichnet worden war. Der Kläger übersandte dem Beklagten noch am 25.09.2003 per Telefax eine „Verbindliche Kaufbestätigung“, die den Inhalt des telefonisch geschlossenen Kaufvertrags bestätigte, und eine Liste der zum Kauf angebotenen Fahrzeuge. Diese wies für den Mercedes-Benz E 200 CDI einen Angebotspreis von 13.900 € brutto und für den Mercedes-Benz E 220 CDI – einen Angebotspreis von 15.000€ brutto aus. Die Parteien vereinbarten, dass die beiden Pkw dem Beklagten, der die Fahrzeuge abholen sollte, bis zum 20.10.2003 gegen Barzahlung des Kaufpreises übergeben und übereignet werden sollten.

Der Kläger hatte keine eigene Kenntnis darüber, ob der Mercedes-Benz E 220 CDI tatsächlich erst im Jahr 2003 oder schon im Jahr 2002 hergestellt worden war. Diesen Umstand hatte er dem Beklagten indes bei Abschluss des Kaufvertrags nicht mitgeteilt.

Der Beklagte beauftragte in der Folgezeit seinen Mitarbeiter M damit, den Mercedes-Benz E 200 CDI bei dem Kläger abzuholen. M besichtigte bei der Abholung des Pkw auch den Mercedes-Benz E 220 CDI. Er ließ sich den dazugehörigen Fahrzeugbrief vorlegen, stellte fest, dass dieser bereits am 26.11.2002 ausgestellt worden war, und nahm schließlich – nach Rücksprache mit dem Beklagten – keines der Fahrzeuge mit.

Der Kläger forderte den Beklagten nachfolgend wiederholt auf, die gekauften Fahrzeuge abzunehmen und den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. Dem kam der Beklagte nicht nach.

Mit seiner Klage hat der Kläger den Beklagten dementsprechend auf Zahlung von 27.000 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung der beiden Pkw, in Anspruch genommen. Außerdem hat er die Feststellung begehrt, dass der Beklagte mit der Annahme der Fahrzeuge in Verzug sei.

Der Kläger hat geltend gemacht, dass sich der Beklagte seit dem 21.10.2003 sowohl im Schuldner- als auch im Gläubigerverzug befinde, da er die streitgegenständlichen Fahrzeuge nicht wie vereinbart spätestens am 20.10.2003 abgeholt und bezahlt habe. Er, der Kläger, sei davon ausgegangen, dass der Mercedes-Benz E 220 CDI im Jahr 2003 hergestellt worden sei. Über die Baureihe sei bei den Vertragsverhandlungen nicht gesprochen worden; insbesondere habe der Beklagte nicht erklärt, es komme ihm darauf an, ein im Jahr 2003 gebautes Fahrzeug erwerben zu wollen. Jedenfalls aber sei ein Modellwechsel in der E-Klasse nicht schon Ende 2002/​Anfang 2003, sondern erst im März 2003 vollzogen worden, und als Taxi sei der Mercedes-Benz E 220 CDI dann erst ab Juli 2003 ausgeliefert worden.

Daraus, dass auf der dem Beklagten übersandten Liste für jedes Fahrzeug in der Rubrik „Baujahr“ nicht lediglich eine Jahreszahl, sondern eine Kombination aus Monats- und Jahresbezeichnung (z. B. „12/2000“) notiert sei, ergebe sich im Übrigen, dass tatsächlich nicht Angaben zum Baujahr, sondern zur Erstzulassung gemacht würden. Denn eine Monatsangabe sei bei der Angabe des Baujahrs nicht üblich; vielmehr würden auf diese Weise üblicherweise Angaben zur Erstzulassung gemacht. Gerade im Bereich des Gebrauchtwagenhandels sei es sogar üblich, die Begriffe „Baujahr“ und „Erstzulassung“ synonym zu verwenden.

Der Kläger hat dem Beklagten vorgehalten, er habe als Fachmann ohne Weiteres der Fahrzeug-Identifizierungsnummer entnehmen können, dass der Mercedes-Benz E 220 CDI kein im Jahr 2003 hergestelltes Fahrzeug sein könne. Jedenfalls aber – so hat der Kläger geltend gemacht – habe der Beklagte die ihn als Kaufmann treffenden Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten verletzt, indem er zunächst nichts unternommen habe, nachdem bei ihm Zweifel hinsichtlich des Baujahrs aufgekommen seien. Der Beklagte habe sich vielmehr grob treuwidrig verhalten, indem er erst am 06.01.2004 – also lange nach Rechtshängigkeit der Klage – eine Bestätigung der Fahrzeugherstellerin bezüglich der Erstauslieferung des Fahrzeugs eingeholt habe.

Der Beklagte hat nach Klageerhebung den Rücktritt von dem mit dem Kläger geschlossenen Kaufvertrag erklärt und – gestützt auf eine Auskunft der Fahrzeugherstellerin – geltend gemacht, der Mercedes-Benz E 220 CDI sei entgegen dem kaufvertraglich Vereinbarten schon im Jahr 2002 hergestellt worden. Für ihn, den Beklagten, seien die Baujahre der gekauften Fahrzeuge von besonderer Bedeutung gewesen, weil sie maßgeblich den Wert und insbesondere die Wiederverkäuflichkeit der Fahrzeuge bestimmten und weil es in der E-Klasse einen Modellwechsel gegeben habe. Zwar sei ihm bewusst gewesen, dass der Mercedes-Benz E 220 CDI kein Fahrzeug der Baureihe 211, sondern ein solches der Baureihe 210 sei. Dem Fahrzeug fehle indes gleichwohl eine vereinbarte Beschaffenheit, sodass es mangelhaft sei (§ 434 I 1 BGB).

Diesbezüglich hat der Kläger eingewandt, dass der von dem Beklagten erklärte Rücktritt jedenfalls teilweise ins Leere gehe. Denn selbst wenn man bezüglich des Mercedes-Benz E 220 CDI einen Mangel annehme, sei der – gesondert abgeschlossene – Kaufvertrag über das andere Fahrzeug, den Mercedes-Benz E 200 CDI, nicht rückabzuwickeln. Nehme man an, dass die Parteien nicht zwei selbstständige, sondern einen einheitlichen Kaufvertrag geschlossen hätten, dann habe dieser eine teilbare Leistung zum Gegenstand, sodass er nur nur hinsichtlich des möglicherweise mangelhaften Pkw rückabzuwickeln sei.

Die Klage hatte nur hinsichtlich des Mercedes-Benz E 220 CDI Erfolg.

Aus den Gründen: Indem die Parteien am 25.09.2003 einen wirksamen Kaufvertrag hinsichtlich der beiden jetzt streitbefangenen Fahrzeuge vom Typ Mercedes-Benz E 200 CID und Mercedes-Benz E 220 CDI schlossen, ist auf Klägerseite ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 27.000 € entstanden. Auf der Seite des Beklagten ist ein Anspruch gegen den Kläger auf Übergabe und Übereignung der beiden Fahrzeuge entstanden.

Hinsichtlich des Fahrzeugs Mercedes-Benz E 220 CDI sind die gegenseitigen Ansprüche aus diesem Kaufvertrag jedoch am 23.01.2004 wieder erloschen. Der Beklagte ist hinsichtlich des Mercedes-Benz E 220 CDI wirksam von dem streitbefangenen Kaufvertrag zurückgetreten.

Dem Beklagten stand gemäß § 437 Nr. 2 Fall 1, § 434 I 1, §§ 323, 326 V BGB ein Recht zum Rücktritt vom Vertrag hinsichtlich des Mercedes-Benz E 220 CDI zu. Der Mercedes-Benz E 220 CDI ist mit einem Mangel gemäß § 434 I 1 BGB behaftet, da er die in dem streitbefangenen Kaufvertrag vereinbarte Beschaffenheit nicht aufweist.

Zu den in einem Kaufvertrag vereinbarungsfähigen Eigenschaften eines Kraftfahrzeugs gehört unter anderem dessen Baujahr (vgl. BGH, Urt. v. 17.05.1995 – VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159, 2160). Die Parteien haben vertraglich vereinbart, dass der Mercedes-Benz E 220 CDI das Baujahr 2003 aufweisen soll. Tatsächlich ist das Fahrzeug bereits im Jahr 2002 hergestellt worden ist. Das ergibt sich daraus, dass als Ausstellungsdatum des Fahrzeugbriefs des Mercedes-Benz E 220 CDI der 26.11.2002 angegeben ist. Der Fahrzeugbrief wird erst nach Herstellung eines Fahrzeugs ausgestellt.

Gegen die festgestellte Mangelhaftigkeit des Mercedes-Benz E 220 CDI spricht nicht, dass das Datum der Erstzulassung des Mercedes-Benz E 220 CDI im Fahrzeugbrief mit „18.03.2003“ angegeben wird. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Begriffe „Erstzulassung“ und „Baujahr“ nicht – wie vom Kläger vorgetragen – im Gebrauchtwagenhandel üblicherweise synonym verwendet werden. Das Datum der Erstzulassung kann erheblich von dem Herstellungsdatum abweichen. Zwischen Produktion und Erstzulassung im Sinne der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) können Monate, zuweilen Jahre liegen (Reinking/​Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl. [2003], Rn. 1662).

Der Beklagte hat den Mercedes-Benz E 220 CDI des Weiteren nicht gemäß § 377 II, III HGB genehmigt, indem er nichts unternahm, obwohl bei ihm Zweifel an der Richtigkeit der vertraglichen Angaben zu dem Baujahr des Fahrzeugs Mercedes-Benz E 220 CDI aufkamen. Die Rügeobliegenheit des § 377 I HGB beginnt erst mit Ablieferung des Kaufgegenstands beim Käufer (BGH, Urt. v. 30.01.1995 – VIII ZR 238/83, BGHZ 93, 338 = NJW 1985, 1333, 1334). Die Rügefrist läuft dabei selbst dann nicht, wenn der Käufer den Mangel bereits zuvor erkannt hatte. Er kann, muss den Mangel aber nicht vor Ablieferung rügen (BGH, Urt. v. 04.11.1992 – VIII ZR 165/91, NJW 1993, 461, 462). Ablieferung gemäß § 377 I HGB setzt dabei voraus, dass der Kaufgegenstand dergestalt in den Machtbereich des Käufers gelangt, dass dieser ohne Weiteres den Kaufgegenstand auf dessen Mangelhaftigkeit untersuchen kann (BGH, Urt. v. 24.11.1995 – V ZR 234/94, NJW 1996, 586, 587). Die hier fragliche Kaufsache selbst – der streitbefangene Mercedes-Benz E 220 CDI – ist indes zu keinem Zeitpunkt in den Machtbereich des Beklagten gelangt. Der erforderlichen Ablieferung steht es diesbezüglich auch nicht gleich, dass einem Mitarbeiter des Beklagten Gelegenheit gegeben worden war, den Mercedes-Benz E 220 CDI bei dem Kläger zu besichtigen.

Die Rücktrittserklärung erfolgte mit Schriftsatz vom 15.01.2004, der dem Beklagten am 23.01.2004 zugestellt worden ist.

Diese Rücktrittserklärung, die nach dem Willen des Beklagten den gesamten Vertrag erfassen sollte, entfaltet nur Wirkung, soweit der Vertrag den Kauf des Fahrzeugs vom Typ Mercedes-Benz E 220 CDI betrifft. Von der Rücktrittserklärung des Beklagten unberührt geblieben sind hingegen die aus dem streitbefangenen Kaufvertrag folgenden Pflichten hinsichtlich des anderen verkauften Fahrzeugs vom Typ Mercedes-Benz E 200 CDI. Ein Rücktrittsrecht stand dem Beklagten hinsichtlich dieses Fahrzeugs nicht zu.

Indem der streitbefangene Kaufvertrag den Verkauf von zwei Fahrzeugen vorsieht, umfasst er eine teilbare Leistung i. S. des § 323 V 1 BGB. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass anlässlich des gemeinsamen Verkaufs der beiden Fahrzeuge ein Gesamtpreis vereinbart worden ist, der geringer ist als die Summe der Einzelpreise, die in der Verkaufsliste des Klägers für die jeweiligen Fahrzeuge vorgesehen waren. Der vereinbarte Gesamtkaufpreis war anteilig in demselben Verhältnis aufzuteilen, in dem seinerzeit die ursprünglichen Einzelverkaufspreise zueinander gestanden hatten. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass das mangelfrei erworbene Fahrzeug zu einem höheren (Einzel-)Preis erworben worden wäre. Ausgehend von dem Verhältnis beider Angebotspreise aus der Verkaufsliste des Klägers für die streitbefangenen Fahrzeuge errechnet sich für das mangelfreie Fahrzeug der der Urteilssumme entsprechende Kaufpreis.1Das sind 13.000 € nebst Zinsen. Die danach noch zu erbringende Teilleistung – Übergabe und Übereignung des Mercedes-Benz E 200 CDI – hat für den Beklagten auch Interesse. Das Fahrzeug kann durch den Beklagten unabhängig von dem Fahrzeug Mercedes-Benz E 220 CDI ohne Weiteres im Rahmen seiner Tätigkeit als Gebrauchtwagenhändler weiterveräußert werden. Nach anteiliger Kaufpreisbemessung sind weitere Umstände, die gegen das Interesse des Beklagten sprechen könnten, nicht vorgetragen oder ersichtlich.

Die Pflichtverletzung des Klägers bei der unzutreffenden Angabe des Baujahrs des Mercedes-Benz E 220 CDI ist auch nicht gemäß § 323 V 2 BGB unerheblich. Das Baujahr gehört zu den verkehrswesentlichen Eigenschaften eines Kraftfahrzeugs (BGH, Urt. v. 26.10.1978 – VII ZR 202/76, BGHZ 72, 252 = NJW 1979, 160, 161). Der Beklagte hatte damit zu rechnen, dass der Mercedes-Benz E 220 CDI des Baujahrs 2002 einen spürbar niedrigeren Weiterverkaufspreis erbringen würde als ein Fahrzeug, das vereinbarungsgemäß im Jahr 2003 produziert worden war. Dass der Mercedes-Benz E 220 CDI nicht aus dem Baujahr 2003 stammt, geht auch für jeden potenziellen Käufer aus dem Fahrzeugbrief des Mercedes-Benz E 220 CDI hervor. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass im heutigen Gebrauchtwagenhandel bereits das formelle Baujahr eines Fahrzeugs dessen Kaufpreis nicht nur ganz unerheblich beeinflussen kann.

Indem der Beklagte den Kaufpreis für den Mercedes-Benz E 200 CDI nicht zu dem vertraglich vereinbarten Zeitpunkt, am 20.10.2003, zahlte, geriet er mit dieser Zahlung gemäß § 286 I, II Nr. 1 BGB ab dem 21.10.2003 in Verzug. Als Geldschuld ist die Kaufsumme von diesem Datum an gemäß § 288 I BGB mit einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB zu verzinsen.

Indem der Beklagte den Mercedes-Benz E 200 CDI nach dem kaufvertraglich vereinbarten Abholdatum nicht abholte, geriet er insoweit gemäß § 296 Satz 1 BGB in Annahmeverzug. …

Hinweis: Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Berufung hat der Kläger erreichen wollen, dass seiner Klage vollumfänglich stattgegeben wird. Er hat geltend gemacht, der Kläger habe – entgegen der Auffassung des Landgerichts – hinsichtlich des Mercedes-Benz E 200 CDI kein Rücktrittsrecht gehabt, weil der Pkw tatsächlich nur drei Monate früher hergestellt worden sei als angegeben und darin kein zum Rücktritt berechtigender Mangel liege. Außerdem habe das Landgericht ihm, dem Kläger, mit Blick darauf, dass der Beklagte kein Verbraucher sei, zu geringe Zinsen zugesprochen.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung des Beklagten, das aus seiner Sicht mangelhafte Fahrzeug sei mit Blick auf seinen Herstellungszeitpunkt mindestens 6.000 € weniger wert als ein Pkw, der zum angegebenen Zeitpunkt hergestellt worden sei. Anschließend hat es der Berufung stattgegeben, und zwar mit folgender Begründung:

„Zu Unrecht hat das Landgericht im angefochtenen Urteil die Klage hinsichtlich des zweiten Kraftfahrzeugs abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers ist das Urteil deshalb abzuändern und der Klage vollen Umfangs stattzugeben. Das gilt auch hinsichtlich der geltend gemachten Nebenforderungen.

Der Kläger hat einen Anspruch aus § 433 II BGB auf Bezahlung und Abnahme beider mit Vertrag vom 26.09.2003 verkauften Fahrzeuge des Herstellers Mercedes-Benz. Dieser Vertrag ist wirksam; er ist nicht durch den in der Klagerwiderung vom 15.01.2004 erklärten Rücktritt des Beklagten beseitigt worden.

Zu Unrecht hat das Landgericht festgestellt, dass dem Beklagten ein Rücktrittsrecht wegen der Abweichung der Beschaffenheit des zweiten Fahrzeugs von der im Vertrag vereinbarten Beschaffenheit hinsichtlich des Alters zustehe. Diese Feststellung ist der Senatsentscheidung nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO zugrunde zu legen.

Nach § 529 I Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Aus dieser durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.07.2001 (BGBl. 2001 I 1887) eingeführten Bestimmung ergibt sich nicht, dass die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts hinsichtlich der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung nur auf Verfahrensfehler und damit auf den Umfang beschränkt wäre, in dem eine zweitinstanzliche Tatsachenfeststellung der Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt. Dennoch kommt in § 529 I Nr. 1 ZPO eine grundsätzliche Bindung des Berufungsgerichts an die erstinstanzliche Tatsachenfeststellung zum Ausdruck; eine erneute Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht ist nach der Formulierung der Bestimmung erkennbar als Ausnahme (‚soweit nicht …‘) vorgesehen. Dies entspricht der Absicht des Gesetzgebers (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/4722, S. 100). Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich aber, dass die zur Entlastung des Berufungsgerichts vorgesehene – grundsätzliche – Bindung an die erstinstanzliche Tatsachenfeststellung auf solche Tatsachen beschränkt sein soll, die die erste Instanz bereits ‚vollständig und überzeugend‘ getroffen hat (BT-Drs. 14/4722, S. 61). Denn die Aufgabe der Berufungsinstanz als zweite – eingeschränkte – Tatsacheninstanz besteht auch nach der Reform des Zivilprozesses in der Gewinnung einer ‚fehlerfreien und überzeugenden‘ und damit ‚richtigen‘, das heißt der materiellen Gerechtigkeit entsprechenden Entscheidung des Einzelfalls (BT-Drs. 14/4722, S. 59 f.; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/6036, S. 118, 124; BGH, Urt. v. 14.07.2004 – VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83 = NJW 2004, 2751 unter II 1 b; Urt. v. 18.11.2004 – IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138 = WM 2005, 99 = NJW 2005, 291 unter II 2 b cc).

Dieser Zielsetzung entsprechend ist mit dem BGH davon auszugehen, dass die Anforderungen an die Voraussetzungen einer erneuten Tatsachenüberprüfung durch das Berufungsgericht im Interesse einer zutreffenden Tatsachenfeststellung und einer materiell gerechten Entscheidung nicht überspannt werden dürfen (BT-Drs. 14/6036, S. 118, 124; BGH Urt. v. 09.03.2005 – VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 313 = FamRZ 2005, 972 = NJW 2005, 1583, 1584 m. w. Nachw.). Daraus folgt, dass vernünftige Zweifel genügen, um das Berufungsgericht zu neuen Tatsachenfeststellungen zu berechtigen und zu verpflichten (BT-Drs. 14/6036, S. 124). Diese Erwägungen haben zu der Regelung geführt, dass das Berufungsgericht – anders als das Revisionsgericht (§ 559 II ZPO) – an die vorinstanzliche Tatsachenfeststellung bereits dann nicht mehr gebunden ist, wenn ‚konkrete Anhaltspunkte‘ Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen (näher zum Gesetzgebungsverfahren: BGH, Urt. v. 14.07.2004 – VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83 = NJW 2004, 2751 unter II 1 b). Für die Bindung des Berufungsgerichts an die Tatsachenfeststellung des erstinstanzlichen Gerichts genügt es – im Gegensatz zur revisionsrechtlichen Regelung (§ 559 II ZPO) – somit nicht, dass die vorinstanzliche Tatsachenfeststellung keine Verfahrensfehler aufweist; denn auch verfahrensfehlerfrei getroffene Tatsachenfeststellungen sind für das Berufungsgericht nach § 529 I Nr. 1 ZPO nicht bindend, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Feststellungen unvollständig oder unrichtig sind (BGH, Urt. v. 14.07.2004 – VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83 = NJW 2004, 2751 unter II 1 b; vgl. auch BGH, Urt. v. 12.03.2004 – V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, 275).

Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich bereits auch aus der Möglichkeit einer unterschiedlichen Wertung ergeben (BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 12.06.2003 – 1 BvR 2285/02, NJW 2003, 2524 unter II 1 b; BVerfG [3. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 22.11.2004 – 1 BvR 1935/03, juris Rn. 11). Wenn sich das Berufungsgericht von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung nicht zu überzeugen vermag, ist es an die erstinstanzliche Feststellung, die es aufgrund konkreter Anhaltspunkte nicht für richtig hält, nicht gebunden, sondern zu einer erneuten Tatsachenfeststellung nach der gesetzlichen Neuregelung berechtigt, ja verpflichtet (BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 12.06.2003 – 1 BvR 2285/02, NJW 2003, 2524 unter II 1 b; BVerfG [3. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 22.11.2004 – 1 BvR 1935/03, juris Rn. 11; BGH Urt. v. 09.03.2005 – VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 313 = FamRZ 2005, 972 = NJW 2005, 1583, 1584).

Vorliegend bestehen Zweifel an der landgerichtlichen Feststellung, dass die Abweichung des Alters von maximal drei Monaten eine Abweichung der tatsächlichen von der vereinbarten Beschaffenheit darstellt, die den Beklagten zum Rücktritt vom Vertrag (§ 437 Nr. 2 Fall 1, § 434 I 1, §§ 323, 326 V BGB] berechtigt.

Eine Sache ist mangelhaft, wenn sie nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat (§ 434 Í 1 BGB).

Vorliegend haben die Parteien vereinbart, dass der Pkw das Baujahr ‚02/2003‘ haben sollte. Dies ergibt sich aus der Beschreibung des Klägers, die der Beklagte als Anlage B 2 vorgelegt hat. Diese Angabe stellt eine Beschaffenheitsangabe des Verkäufers dar und wurde Vertragsinhalt. Unstreitig ist der zweite verkaufte Pkw aber schon im Dezember 2002 hergestellt worden.

Das Baujahr ist eine Eigenschaft der Kaufsache, dessen Unrichtigkeit zu einem Sachmangel führen kann. Es handelt sich um eine Eigenschaft des Fahrzeugs, auch wenn es im Fahrzeugbrief nicht mehr angegeben wird. Das Baujahr tritt keineswegs vollständig hinter die Angabe der freilich vom Verkehr als wichtiger eingestuften Erstzulassung zurück. Gleichwohl ist vorliegend angesichts der Abweichung des tatsächlichen vom vereinbarten Baujahr um lediglich drei Monate kein Sachmangel des Gebrauchtwagens im Rechtssinne festzustellen.

Es hat sich in der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats herausgestellt, dass die Abweichung des Alters des Pkw um maximal drei Monate nach der maßgeblichen Auffassung der beteiligten Verkehrskreise keinen Sachmangel i. S. des § 434 I 1 BGB BGB darstellt und dass in den Augen des Verkehrs daraus kein Minderwert des Fahrzeugs resultiert. Der Senat folgt insoweit dem sachkundigen, sorgfältigen, widerspruchsfreien und gut dokumentierten Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen vom 06.11.2005 und macht sich die tatsächlichen Feststellungen des Gutachtens vollumfänglich zu eigen. Der Gutachter stellt überzeugend fest, dass ein nach Oktober des Vorjahrs hergestellter Pkw nach der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise aufgrund verschiedener Umstände, die in den typischen Produktionszyklen und Vertriebswegen der Kfz-Hersteller und des Handels begründet sind, das Baujahr des folgenden Jahres zugewiesen bekommt (so auch Reinking/​Eggert, der Autokauf, 6. Aufl., Rn. 453). Damit steht vorliegend fest, dass der Mercedes-Benz E 220 CDI zu Recht die Baujahrsangabe ‚2003‘ erhalten hat, sodass vorliegend lediglich zu entscheiden ist, ob ein Fahrzeug, dass im selben Jahr wie angegeben produziert, aber drei Monate älter als angegeben ist, mangelhaft i. S. des § 434 I 1 BGB ist.

Diese Frage ist mit dem Gutachter aufgrund der von ihm überzeugend ermittelten Auffassung der beteiligten Verkehrskreise zu verneinen. Dabei stellt der Senat ausdrücklich klar, dass dies jedenfalls gilt, wenn das Baujahr dasselbe ist und lediglich der Monat abweicht; es bleibt ausdrücklich unentschieden, ob dies auch zu gelten hat, wenn die Abweichung des Alters um drei Monate zu einem anderen Baujahr führen würde. Schließlich ist mit dem Gutachter festzustellen, dass dies hier auch deshalb und jedenfalls so lange unerheblich ist, wie noch kein Nachfolgemodell zum angegebenen Herstellungsmonat auf dem Markt war und deshalb keine weitere Abweichung der Qualität als nur dieses um drei Monate höhere Alter zu konstatieren ist. Da es sich vorliegend um einen Gebrauchtwagen handelt, spielt die in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Baujahr verschiedentlich aufgeworfene Frage der Berechtigung des Epithetons ‚Fabrikneuheit‘ eines Neuwagens (BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160; OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.05.1992 – 22 U 226/91, NJW-RR 1993, 57 f.; OLG Zweibrücken, Urt. v. 05.05.1998 – 5 U 28/97, NJW-RR 1998, 1211, 1212; OLG Frankfurt a.  M., Urt. v. 17.12.1997 – 23 U 42/97, NJW-RR 1998, 1213; Urt. v. 09.06.2000 – 24 U 158/98, NJW-RR 2001, 166 f.) vorliegend keine Rolle.

Misst der maßgebliche Verkehr im Gebrauchtwagenhandel einer solchen Abweichung keinen Wert bei, stellt sie keine Abweichung der tatsächlichen von der vereinbarten Beschaffenheit und somit keinen Sachmangel i. S. des § 434 I 1 BGB dar. Somit war der Beklagte nicht zum Rücktritt berechtigt und bleibt der in der Klagerwiderung erklärte Rücktritt ohne rechtliche Wirkung. Der Beklagte ist an den geschlossenen Vertrag gebunden und hat gemäß § 433 II BGB auch den zweiten Pkw abzunehmen und zu bezahlen. …“

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