1. Die rechtmäßige Beschlagnahme eines Kraftfahrzeugs in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren begründet jedenfalls dann einen Rechtsmangel, der den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, wenn sie nicht oder nicht mehr der Beweissicherung dient, sondern das Fahrzeug dem (vermeintlich) wahren Eigentümer herausgegeben werden soll und der Sachverhalt, aufgrund dessen die Beschlagnahme erfolgte, bereits bei Gefahrübergang bestand.
  2. Manipulationen an der eingeschlagenen oder eingeprägten Fahrzeug-Identifizierungsnummer können einen Sachmangel i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB begründen.
  3. Nach einem Rücktritt vom Kaufvertrag ist ein Käufer zwar – über die in § 346 II 1 BGB aufgezählten Fälle hinaus – grundsätzlich zum Wertersatz verpflichtet, wenn ihm die Rückgabe der Kaufsache faktisch oder rechtlich unmöglich ist. Das gilt aber nicht, wenn die Unmöglichkeit der Rückgewähr gerade auf dem das Rücktrittsrecht begründenden Rechts- oder Sachmangel beruht.

OLG Hamm, Urteil vom 09.04.2015 – 28 U 207/13

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen gebrauchten Toyota Land Cruiser, weil dieses Fahrzeug gestohlen worden sein soll.

Er behauptet, das am 20.04.2007 erstzugelassene Fahrzeug habe zunächst im Eigentum einer spanischen Autovermieterin gestanden und sei am 31.07.2008 in Gandia, Spanien, gestohlen worden. Anschließend sei die Fahrzeug-Identifikationsnummer verändert und das Fahrzeug nach Polen verbracht worden.

Nach Darstellung der Streithelferin der Beklagten ist der Land Cruiser in den Besitz ihres in Polen lebenden Bruders gelangt. Dieser sei am 01.02.2009 verstorben und von seinen Eltern beerbt worden. Dabei – so meint die Streithelferin – sei auch das Eigentum an dem Fahrzeug auf die Eltern übergegangen. Die Streithelferin will das Fahrzeug am 05.01.2010 für 36.000 € von ihren Eltern gekauft und dann nach Deutschland verbracht haben.

Am 04.04.2011 verkaufte die Streithelferin den Land Cruiser zum Preis von 29.750 € an die Beklagte, die gewerblich mit Kraftfahrzeugen handelt. Die Beklagte nutzte das Fahrzeug zunächst selbst und bot es dann zum Kauf an, woraufhin der in Weißrussland lebende Kläger auf den Land Cruiser aufmerksam wurde. Er reiste nach Deutschland, um das Fahrzeug zu besichtigen, und kaufte es am 30.05.2011 für 27.000 € netto. Nach Zahlung des Kaufpreises überführte der Kläger das Fahrzeug nach Weißrussland.

Der Kläger behauptet, er habe den Land Cruiser zwar beanstandungsfrei nach Weißrussland überführen können. Als er dann aber am 29.07.2011 die Grenze von Weißrussland nach Polen habe überqueren wollen, sei einem polnischen Zollbeamten aufgefallen, dass die beim Öffnen der Fahrertür sichtbare Kodierung mit den Fahrzeugdaten nicht gestanzt, sondern kopiert und aufgeklebt worden sei. Deshalb sei der Wagen beschlagnahmt und gegen ihn, den Kläger, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Dieses sei zwar eingestellt worden, nachdem er den polnischen Behörden den Kaufvertrag vom 30.05.2011 vorgelegt habe. Allerdings habe die zuständige Staatsanwaltschaft beschlossen, dass der Land Cruiser beschlagnahmt bleibe und an die spanische Autovermieterin als Eigentümerin zurückzugeben sei.

Der Kläger wandte sich daraufhin telefonisch und mit Schreiben vom 16.11.2011 an die Beklagte, um diese über den Sachverhalt zu informieren und Schadensersatz in Höhe von insgesamt 38.468 € zu fordern. Weil die Beklagte dieser Forderung nicht nachkam, ließ der Kläger sie durch Anwaltsschreiben vom 02.02.2012 auffordern, ihm ein typengleiches Fahrzeug zu verschaffen. Nachdem eine Reaktion der Beklagten ausgeblieben war, ließ der Kläger durch Anwaltsschreiben vom 28.02.2012 seinen Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und die Beklagte auffordern, an ihn insgesamt 34.919,10 € zu zahlen.

Klageweise hat der Kläger – jeweils nebst Zinsen – die Zahlung von 31.319,10 € sowie die Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten (1.099 €) verlangt.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger – jeweils nebst Zinsen – 29.457,81 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.005,40 € zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei zu Recht vom Kaufvertrag zurückgetreten, weil die Beklagte ihm nicht das Eigentum an dem verkauften Fahrzeug verschafft habe. Die Beklagte sei weder Eigentümerin des Toyota Land Cruiser noch sonst zu dessen Veräußerung berechtigt gewesen. Aufgrund der Aussage der als Zeugin vernommenen polnischen Staatsanwältin N sei vielmehr anzunehmen, dass das Fahrzeug in Spanien gestohlen worden sei. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass die Streithelferin den Land Cruiser gutgläubig erworben habe.

Die Beklagte müsse dem Kläger deshalb den Kaufpreis von 27.000 € erstatten, ohne dass der Kläger im Gegenzug zur Rückgabe des Fahrzeugs verpflichtet sei. Die Rückgabe sei ihm nämlich wegen der Beschlagnahme unmöglich. Der Kläger schulde auch keinen Wertersatz, weil der Schaden bei der Beklagten gleichfalls eingetreten wäre (§ 346 III 1 Nr. 2 BGB). Dem Kläger stehe ferner ein Anspruch auf Ersatz folgender Aufwendungen zu:

Reisekosten N. – C. 155,55 €
Übernachtungskosten 75,00 €
Kosten für Devisenerwerb 50,00 €
Anmeldung/Zulassung in Deutschland zur Überführung 175,00 €
Kraftstoff für die Überführung 150,00 €
Einfuhrzoll 1.799,20 €
Inspektionskosten 73,61 €
Versicherungskosten für den Toyota Land Cruiser 30,00 €

Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises für den Toyota Land Cruiser und die Erstattung getätigter Aufwendungen in zuerkannter Höhe verlangen kann.

1. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Kaufvertrag fällt grundsätzlich unter die Regelungen des internationalen Privatrechts, weil die Vertragsparteien ihren Wohnsitz bzw. ihre Niederlassung in unterschiedlichen Staaten (Deutschland und Weißrussland) haben.

In Ermangelung einer von den Parteien getroffenen Rechtswahl ist der abgeschlossene Vertrag gemäß Art. 4 Ia Rom-I-VO nach deutschen Recht zu beurteilen, weil die Beklagte als Verkäuferin hier ihre Niederlassung hat.

Zum deutschen Privatrecht zählen auch die Regelungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG). Dieses Übereinkommen ist prinzipiell auf den streitgegenständlichen Kaufvertrag anwendbar, weil sowohl Deutschland als auch Weißrussland (Belarus) diesem Übereinkommen beigetreten sind. Im Streitfall greift allerdings der Ausschlusstatbestand des Art. 2a CISG, nach dem das Übereinkommen keine Anwendung findet, wenn Ware gekauft wird, die für den persönlichen Gebrauch bestimmt ist, es sei denn, dass der Verkäufer vor Vertragsschluss weder wusste noch wissen musste, dass die Ware für einen solchen Gebrauch gekauft wurde. Auf entsprechende Anfrage des Senats haben die Parteien übereinstimmend vorgetragen, dass dieser Ausschlusstatbestand erfüllt und dementsprechend kein UN-Kaufrecht anzuwenden sei. Der Kläger trägt dazu vor, den Toyota Land Cruiser ausschließlich für den persönlichen Gebrauch erworben zu haben. Umgekehrt bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen, dass der Erwerb seitens des Klägers für berufliche/geschäftliche Zwecke stattgefunden habe.

2. Im Rahmen des demnach anzuwendenden deutschen Rechts kann ein Rückzahlungsanspruch des Klägers allerdings nicht ohne Weiteres auf den vom Landgericht angenommenen Grund gestützt werden, die Beklagte habe dem Kläger kein Eigentum an dem behauptetermaßen gestohlenen Toyota verschafft und damit ihre Hauptleistungspflicht aus dem Kaufvertrag nicht erfüllt (§§ 433 I 1, 323 I, 346 BGB). Denn selbst wenn man es für gegeben erachtet, dass das Fahrzeug im Jahre 2008 in Spanien gestohlen wurde, hätte dem von der Beklagten übernommenen Einwand der Streithelferin nachgegangen werden müssen, der Toyota sei zuvor in Polen von ihrem Bruder an ihre Eltern vererbt worden und eine solche Gesamtrechtsnachfolge erlaube im polnischen Recht den gutgläubigen und lastenfreien Erwerb auch gestohlener Sachen. Auf die Klärung dieser tatsächlichen und rechtlichen Umstände kam es aber letztlich nicht an.

3. Denn der Kläger kann die Rückzahlung des Kaufpreises von 27.000 € schon deshalb verlangen, weil für den von ihm am 28.02.2012 erklärten Rücktritt ein gesetzlicher Rücktrittsgrund im Sinne eines Rechts- und Sachmangels vorlag (§ 437 Nr. 2 Fall 1 BGB i. V. mit §§ 433 I 2, 434, 435, 323, 440346 BGB).

a) Das verkaufte Fahrzeug wies einen Rechtsmangel i. S. des § 435 BGB auf, weil es der Beschlagnahme der polnischen Ermittlungsbehörden unterlag.

Es ist im Grundsatz anerkannt, dass die öffentlich-rechtliche Belastung der Kaufsache durch eine Beschlagnahmeanordnung einen Rechtsmangel ausmachen kann (RGZ 96, 77 [80]; BGH, Urt. v. 05.12.1990 – VIII ZR 75/90, NJW 1991, 915; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 435 Rn. 32; MünchKomm-BGB/H. P. Westermann, 6. Aufl. [2012], § 435 Rn. 10; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl. [2015], § 435 Rn. 12; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl. [2014], Rn. 4655). Dabei wird im Einzelnen verlangt, dass die Beschlagnahme tatsächlich ausgeübt wird, zu Recht erfolgt ist und den Verfall oder die Einziehung der Sache zur Folge haben kann (BGH, Urt. v. 18.02.2004 – VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802). In Abgrenzung dazu wird bisweilen eine Einschränkung dahin gehend vorgenommen, dass eine lediglich vorübergehende, zu Beweiszwecken erfolgte Beschlagnahme i. S. des § 94 StPO keinen der Kaufsache anhaftenden Rechtsmangel ausmachen soll, zumal eine solche Beeinträchtigung unter das allgemeine Lebensrisiko falle (OLG Köln, Urt. v. 25.07.2001 – 11 U 201/00; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.02.2003 – 3 U 135/02; LG Bonn, Urt. v. 23.11.1976 – 2 O 87/76, NJW 1977, 1822; Palandt/Weidenkaff, a. a. O., § 435 Rn. 13; offenlassend BGH, Urt. v. 18.02.2004 – VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802; Senat, Urt. v. 20.01.2011 – 28 U 139/10, und Urt. v. 29.03.2012 – 28 U 150/11).

Im Streitfall verhielt es sich nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen der polnischen Ermittlungsbehörden so, dass im Zuge des Grenzübertritts von Weißrussland nach Polen eine polizeiliche Sicherstellung des Fahrzeugs erfolgt ist, weil die polnischen Behörden einen Diebstahlsverdacht für gegeben erachteten. Dies zog eine vorübergehende Beschlagnahme des Fahrzeugs zu Beweiszwecken nach sich, die inhaltlich der Regelung des § 94 StPO entsprach und von der – wie dargestellt – streitig ist, ob sie einen Rechtsmangel ausmacht.

Auf die Klärung dieser offenen Rechtsfrage kommt es im Streitfall nicht an, denn in der Folgezeit trat eine Verfestigung der Beschlagnahme ein, die zum Vorliegen eines – dauerhaften – Rechtsmangels führte:

Vom Verfahrensablauf verhielt es sich nach den vorgelegten Unterlagen so, dass zunächst der seinerzeit ermittelnde polnische Polizeibeamte Stabsfeldwebel T am 18.10.2011 den Beschluss fasste, die Ermittlungen gegen den Kläger einzustellen. Er ging davon aus, dass die Fahrzeug-Identifikationsnummer des Toyota Land Cruiser nach dem im Jahre 2008 in Spanien stattgefundenen Diebstahl verändert worden sei. Dem Kläger sei allerdings eine Beteiligung an einer strafbaren Handlung nicht nachzuweisen, nachdem er den Kaufvertrag vom 30.05.2011 vorgelegt habe. Im weiteren Fortgang nahm dann die zuständige Staatsanwältin diesen Einstellungsbeschluss zum Anlass, am 07.11.2011 einen auf den Art. 230 und Art. 323 § 1 der polnischen Strafprozessordnung beruhenden Beschluss über die Herausgabe der sichergestellten Gegenstände zu fassen. Dieser Beschluss sah vor, dass der Kläger zwar die Fahrzeugpapiere und das Nummernschild zurückerhalten sollte; der Toyota Land Cruiser sollte hingegen an die … Fahrzeugeigentümerin herausgegeben werden.

Die weiter fortbestehende Beschlagnahme diente also ab dem 07.11.2011 einerseits nicht mehr einer Beweissicherung. Sie sollte aber andererseits auch nicht i. S. des § 111b I StPO der Vorbereitung einer Einziehung oder des Verfalls dienen. Die Konstellation verhielt sich vielmehr so, dass Einziehung bzw. Verfall nicht in Betracht kamen, weil aus Sicht der Staatsanwältin die Eigentümerin des Fahrzeugs … feststand.

In dieser Situation war nach den im Beschluss vom 07.11.2011 angeführten Regelungen in Art. 230 und Art. 323 der polnischen Strafprozessordnung … die Staatsanwaltschaft gehalten, nach Abschluss der Ermittlungen mittels Beschluss über die Rückgabe der Beweismittel an den Berechtigten zu befinden.

Dieser Rechtszustand – nämlich die Fortdauer der Beschlagnahme zum Zwecke der späteren Herausgabe an die durch die Straftat verletzte Person – ist vergleichbar mit Beschlagnahmen i. S. des § 111b V StPO oder § 111k StPO. Auch sie führen aus Sicht des von der Beschlagnahme betroffenen Besitzers zu einem endgültigen Rechtsverlust. Deshalb hat der BGH in einer solchen Konstellation einen Rechtsmangel bejaht (BGH, Urt. v. 18.02.2004 – VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802), sofern die Beschlagnahme als solche rechtmäßig erfolgt ist.

Die Rechtmäßigkeit wird zwar von der Beklagten mit Nichtwissen bestritten. Dieses Bestreiten ist allerdings unbeachtlich:

Sowohl aus dem vom Kläger vorgelegten in die deutsche Sprache übersetzten Beschluss der Staatsanwaltschaft Bia?a Podlaska vom 07.11.2011 als auch aus der Aussage der am 07.05.2013 … zeugenschaftlich vernommenen Staatsanwältin N ergibt sich, dass bei der Herausgabeentscheidung der Staatsanwaltschaft die Untersuchungsergebnisse des Polizeisachverständigen vorlagen und die Information, dass die Firma X das Fahrzeug in Spanien als vermisst gemeldet hatte, sodass eine Sachfahndung durch Eintragung in die Datenbank für vermisste Fahrzeuge erfolgt war.

Der Kläger hat in diesem Zusammenhang als Bestandteil seines qualifizierten Parteivortrags (vgl. dazu BeckOK-ZPO/Scheuch, Stand: 15.09.2014, § 402 Rn. 6) das Gutachten des kriminalistischen Labors … vom 27.09.2011 vorgelegt, auf das sich Staatsanwältin N bei ihrer Vernehmung bezogen hat.

In diesem Gutachten hat Oberkommissar Mag. Ing. H die Feststellung getroffen, dass im Nummernfeld der Karosserie zunächst die FIN JTEBZ… erkennbar gewesen sei. Der Gutachter hat sodann die Oberfläche mittels einer magnetischen Defektoskopie, einer Messung der Lackstärke sowie einer Betrachtung durch Vergrößerungsgeräte untersucht und einer chemischen Ätzung unterzogen. Danach wurde erkennbar, dass statt der Ziffern „J3“ vorher „J8“ eingestanzt war und statt der Endziffern … die Ziffern … Die entsprechenden Feststellungen sind durch Lichtbilder dokumentiert, die als Ablichtungen zur Akte gereicht wurden.

Vor dem Hintergrund dieser detaillierten Feststellungen nimmt es sich als unbeachtlich aus, wenn die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, dass die tatsächliche FIN JTEBZ… gewesen sei. Der Senat teilt vielmehr die Einschätzung des Landgerichts, dass die vorgelegten Unterlagen – insbesondere die Ablichtungen der Lichtbilder – im Zusammenhang mit der kommissarischen Vernehmung der zuständigen Staatsanwältin die Überzeugungsbildung erlauben, dass das Fahrzeug tatsächlich zuvor gestohlen worden ist und … zurückgegeben werden musste.

Soweit die Beklagte mit der Berufungsbegründung anführt, dass der Toyota Land Cruiser ebenso gut Gegenstand eines Versicherungsbetrugs gewesen sein könne, weil die Firma X ihn womöglich wahrheitswidrig als gestohlen gemeldet habe, wird dadurch die den Kläger belastende Beschlagnahmeanordnung ebenso wenig rechtswidrig wie durch den weiteren von der Beklagten übernommenen Vortrag der Streithelferin, sie habe das Fahrzeug wegen der Gesamtrechtsnachfolge gutgläubig lastenfrei von ihren Eltern erworben.

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass den Kläger die Obliegenheit traf, den Versuch zu unternehmen, eine Auslösung des beschlagnahmten Fahrzeugs bei den polnischen Behörden zu erreichen, ist nicht ersichtlich, dass er dies mit Erfolg hätte tun können:

Was die von der Beklagten angeführte Alternative des Versicherungsbetrugs anbelangt, so verfügt der Kläger über keine tatsächlichen Anhaltspunkte, die einen solchen Geschehensablauf untermauern könnten und die er etwa zum Gegenstand einer Beschwerde gegen die Beschlagnahmeanordnung hätte machen können. Allein der Umstand, dass sich die Firma X auf die spätere Anfrage der polnischen Staatsanwaltschaft nicht an einer Rückerlangung des Fahrzeugs interessiert zeigte, weist jedenfalls nicht auf eine Verstrickung dieses Unternehmens in das Abhandenkommen des Fahrzeugs hin. Denn es ist naheliegend und dem Senat auch aus anderen Fällen bekannt, dass die Auszahlung der in Anspruch genommenen Diebstahlsversicherung zu einem Übergang des Herausgabeanspruchs auf den Versicherer führt, während der entschädigte Versicherungsnehmer regelmäßig kein Interesse daran hat, ein jahrelang abgestelltes Fahrzeugs auf eigene Kosten quer durch Europa transportieren und sodann instandsetzen zu lassen.

Soweit – angeblich – ein gutgläubiger Erwerb des Fahrzeugs durch die Eltern der Streithelferin stattgefunden haben soll, sodass das Fahrzeug nicht an die Firma X herausgegeben werden durfte, verfügte der Kläger im Zeitpunkt seines am 28.02.2012 erklärten Rücktritts vom Kaufvertrag nicht über die notwendigen Informationen und Urkunden, um eine entsprechende Gesamtrechtsnachfolge gegenüber den polnischen Behörden nachzuweisen. Vielmehr verhielt es sich so, dass die Beklagte nach der am 16.11.2011 erfolgten ersten schriftlichen Rückmeldung des Klägers über die Problemlage und auch nach dem Anwaltsschreiben vom 02.02.2012 keine Anstrengungen unternahm, sich mit der Streithelferin in Verbindung zu setzen, um den – vermeintlichen – Gutglaubenserwerb nachzuweisen.

Damit lag letztlich im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ein Rechtsmangel vor, der auch bereits bei Übergabe des Fahrzeugs am 30.05.2011 angelegt war.

Für die Fälle, in denen eine Kaufsache durch eine staatliche Beschlagnahme belastet wird, kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Beschlagnahmeanordnung an, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die tatsächlichen Umstände gegeben waren, die Anlass für diese Maßnahme boten (BGH, Urt. v. 18.02.2004 – VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802; BeckOK-BGB/Faust, Stand: 01.08.2014, § 435 Rn. 5; Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 4655).

Die Anordnung der Staatsanwältin N vom 07.11.2011, den Toyota für die Herausgabe an die Eigentümerin in Beschlag zu halten, beruhte auf der von der Polizeibehörde festgestellte Manipulation an der Fahrzeug-Iidentifikationsnummer. Insofern muss aber die Entfernung der ursprünglichen Fahrzeug-Identifikationsnummer mit der Endung … bereits längere Zeit vor der Fahrzeugübergabe am 30.05.2011 erfolgt sein, denn sowohl in dem streitgegenständlichen Kaufvertrag als auch in dem Kaufvertrag zwischen der Beklagten und der Streithelferin ist eine Nummer mit der Endung … angegeben.

b) Der Kläger konnte sich bei seiner Rücktrittserklärung nicht nur auf den gesetzlichen Rücktrittsgrund des Rechtsmangels stützen, sondern das gekaufte Fahrzeug wies auch einen Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf.

Die Beklagte war verpflichtet, das verkaufte Gebrauchtfahrzeug in einer Beschaffenheit zu übergeben, die der vergleichbarer Fahrzeuge entspricht. Dabei ist im internationalen Warenverkehr zur Beurteilung, ob eine Ware der Normalbeschaffenheit entspricht, auf den im Land des Verkäufers herrschenden Standard abzustellen (OLG Hamm, Urt. v. 30.11.2010 – I-19 U 147/09, IHR 2012, 186).

Im deutschen Fahrzeughandel – wie allerdings auch in anderen Ländern – kommt der Authentizität der eingestanzten Fahrzeug-Identifikationsnummer eine maßgebliche Bedeutung zu, weil diese Kennzeichnung in Verbindung mit den Fahrzeugpapieren dem Nachweis der Eigentumsverhältnisse dient. Umgekehrt deutet die Veränderung der ursprünglich eingeprägten Fahrzeug-Identifikationsnummer regelmäßig darauf hin, dass das Fahrzeug gestohlen wurde. Eine solche Manipulation macht deshalb einen Sachmangel aus (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 2698 ff.).

Bei dem streitgegenständlichen Toyota Land Cruiser ist eine solche Negativabweichung von der Normalbeschaffenheit auf Grundlage des Gutachtens des kriminalistischen Labors … vom 27.09.2011 anzunehmen. Die Beklagte ist diesen gutachterlichen Feststellungen, die der Kläger zum Gegenstand seines qualifizierten Parteivortrags gemacht hat, nicht durch nähere Einwendungen entgegengetreten. Aus ihrem Bestreiten mit Nichtwissen ergibt sich nicht, weshalb die – auch fotografisch festgehaltenen – Feststellungen des Polizeisachverständigen inhaltlich unzutreffend sein sollen.

Die als Sachmangel zu wertenden Manipulationen waren – wie dargestellt – bereits vor Fahrzeugübergabe vorhanden.

c) Die Beklagte und die Streithelferin führen auch keine Umstände an, nach denen dem Kläger der mangelhafte Zustand des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrages bekannt war oder als Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist (§ 442 I BGB).

d) Der Kläger hat die Beklagte auch gemäß § 439 I BGB durch Anwaltsschreiben vom 02.02.2012 unter Hinweis auf die Beschlagnahme und die vorhandenen Manipulationen an der Fahrgestellnummer – erfolglos – zur Nacherfüllung aufgefordert, wobei er sein Wahlrecht dahin gehend ausgeübt hat, dass die Beklagte ihm ein typengleiches Fahrzeug liefern möge.

Beim Kauf von Gebrauchtfahrzeugen ist ein solches Ersatzlieferungsverlangen zwar nicht von vornherein auf einen unmöglichen Leistungsinhalt gerichtet (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, NJW 2006, 2839 Rn. 19; Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 3435). Allerdings wird der Wille der Vertragsparteien regelmäßig dahin gehen, dass die erworbene gebrauchte Kaufsache wegen der Unterschiede hinsichtlich der Ausstattung und Abnutzung nicht gegen eine gleichartige und gleichwertige austauschbar sein soll (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, NJW 2006, 2839 Rn. 23; Senat, Urt. v. 10.02.2005 – 28 U 147/04, NJW-RR 2005, 1220). Dieser Umstand kann dann zur Folge haben, dass der Käufer im Rahmen seines Nacherfüllungsverlangens nicht die Alternative der Ersatzlieferung wählen kann, sondern sich für die Nachbesserung entscheiden muss.

Allerdings verhielt es sich im Streitfall so, dass die Alternative einer Nachbesserung aus Sicht des Klägers nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden konnte. Für ihn war nach der Erfolglosigkeit seines vorherigen Anschreibens vom 16.11.2011 nicht ersichtlich, dass die Beklagte Anstalten unternehmen würde, um eine Freigabe des beschlagnahmten Toyota Land Cruiser bei den polnischen Behörden zu erreichen oder gar eine Rückveränderung der Fahrgestellnummer bei dem in Beschlag genommenen Fahrzeug zu veranlassen. Umgekehrt konnte der Kläger davon ausgehen, dass der Beklagten als gewerblicher Kfz-Händlerin die Lieferung eines vergleichbaren Toyota Land Cruiser durch entsprechenden Ankauf über das Internet möglich sein würde. Zumindest wird die vom Landgericht für unbedenklich gehaltene Ersatzlieferung in prozessualer Hinsicht weder von der Beklagten noch von der Streithelferin in dem Sinne angegriffen, dass ebendiese Ersatzlieferung wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen gewesen sei.

e) Die Beklagte und die Streithelferin wenden – zu Recht – auch nicht ein, dass die Rückabwicklung des Kaufvertrages ausgeschlossen sei, weil lediglich eine unwesentliche Pflichtverletzung i. S. des § 323 V 2 BGB vorgelegen habe, denn von einem bloß unerheblichen Mangel kann schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Kläger das Fahrzeug wegen der Beschlagnahme ab dem 30.07.2011 nicht mehr nutzen konnte.

f) Das Landgericht ist in der Rechtsfolge zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger von der Beklagten gemäß § 346 I BGB die ungekürzte Rückzahlung des Kaufpreises von 27.000 € verlangen kann.

Der mit der Berufung vertiefte Einwand der Beklagten, dass der Kläger seinerseits gemäß § 346 II BGB Wertersatz leisten müsse, weil er den Toyota Land Cruiser nicht zurückgeben könne, greift nicht durch.

Die in § 346 II 1 BGB vorgesehenen Tatbestände sind ihrem Wortlaut nach nicht einschlägig. So scheidet eine Wertersatzpflicht nach Nr. 1 aus, weil die Rückgewähr des Fahrzeugs nicht dessen Natur nach ausgeschlossen ist. Auch Nr. 2 greift nicht ein, weil es nicht der Kläger gewesen ist, der den Toyota weiterveräußert hat, sondern die polnische Staatsanwaltschaft. Und das Fahrzeug ist auch nicht im Sinne der Nr. 3 „untergegangen“, weil darunter nur die Zerstörung der Kaufsache zu verstehen ist (MünchKomm-BGB/Gaier, 6. Aufl. [2012], § 346 Rn. 41).

Allerdings ist der Käufer anerkanntermaßen auch über den Wortlaut des § 346 II BGB hinaus zum Wertersatz verpflichtet, wenn ihm die Rückgabe der Kaufsache faktisch oder rechtlich unmöglich ist (BGH, Urt. v. 20.02.2008 – VIII ZR 334/06, NJW 2008, 2028 Rn. 22; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl. [2015], § 346 Rn. 7; MünchKomm-BGB/Gaier, a. a. O., § 346 Rn. 43). Eine Wertersatzpflicht des Käufers besteht aber in den Fällen nicht, in denen die Unmöglichkeit der Herausgabe gerade auf dem die Rücktrittsberechtigung auslösenden Rechts- oder Sachmangel beruht (MünchKomm-BGB/Gaier, a. a. O., § 346 Rn. 51). So hat der BGH bereits nach alter Rechtslage entschieden, dass die zunächst Zug um Zug bestehende Rückgabepflicht des Käufers dann entfällt, wenn das erworbene Fahrzeug infolge eines Diebstahlsverdachts ohne dessen Verschulden beschlagnahmt wird (BGH, Urt. v. 07.05.1997 – VIII ZR 253/96, NJW 1997, 3164).

Auch im Streitfall verhält es sich so, dass der zum Rücktritt berechtigte Kläger entsprechend § 346 III Nr. 3 BGB einen Rechtsverlust erlitten hat, den er bei Anwendung eigenüblicher Sorgfalt nicht vermeiden konnte.

Das gilt zum einen für die beim Grenzübertritt erfolgte Beschlagnahme seines Fahrzeugs. Aber auch als der Kläger den Beschluss der Staatsanwaltschaft vom 07.11.2011 zugestellt bekam, bestand für ihn keine Erfolgsaussicht, innerhalb der angegebenen Ausschlussfrist von sieben Tagen eine Beschwerde gegen die fortdauernde Beschlagnahme einzulegen. Als im Verlaufe des Rechtsstreits seitens der Streithelferin vorgetragen wurde, der zwischenzeitige Erbfall nach dem Tode ihres Bruders habe einen gutgläubigen Eigentumserwerb ermöglicht, war die im Bescheid der Staatsanwaltschaft angegebene Beschwerdefrist längst abgelaufen. Deshalb stellt es im Rahmen des Haftungsmaßstabs des § 277 BGB auch keine Verletzung eigenüblicher Sorgfaltspflichten dar, dass der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt kein Rechtsmittel mehr gegen die Fortdauer der Beschlagnahme bzw. die beabsichtigte Rückgabe … eingelegt hat – sofern ein solches Rechtsmittel nach Ablauf der ursprünglichen Beschwerdefrist überhaupt gegeben war.

4. Soweit das Landgericht dem Kläger einen Aufwendungsersatzanspruch aus § 284 BGB in Höhe von 2.457,81 € zuerkannt hat, wird dies in der Berufungsinstanz dem Grunde nach weder von der Beklagten noch von der Streithelferin angegriffen. Insbesondere wird kein Berufungsangriff dahin gehend geführt, dass die Beklagte entgegen der Vermutungsregel des § 280 I 2 BGB die Pflichtverletzung nicht zu vertreten gehabt hätte. Deshalb braucht auch nicht der Frage nachgegangen zu werden, ob der Beklagten als Kfz-Händlerin im Rahmen der üblichen Ankaufuntersuchung der Umstand hätte verdächtig erscheinen müssen, dass die beim Öffnen der Fahrertür sichtbare Kodierung mit den Fahrzeugdaten nach den Feststellungen der polnischen Zollbehörde nicht gestanzt, sondern kopiert und aufgeklebt worden ist.

Die gegen die Höhe der vom Landgericht zuerkannten Beträge geführten Berufungsangriffe haben gleichfalls keinen Erfolg:

a) Reisekosten N. – C. (155,55 €)

Die vom Kläger veranschlagten Kosten für die Anreise nach Deutschland in Höhe von 1.088.390 BYN ergeben sich aus dem vorgelegten Bahnticket für die Strecke N. – C., das zumindest teilweise in deutscher Sprache gedruckt ist. Der Umrechnungskurs … wird von der Beklagten nicht bestritten. Sie stellt vielmehr in Abrede, dass diese Anreise dem Zweck gedient habe, das streitgegenständliche Fahrzeug zu erwerben. Der entsprechende inhaltliche Zusammenhang ergibt sich aber zur Überzeugung des Senats einerseits aus dem Umstand, dass das vorgelegte Ticket im zeitlichen Zusammenhang zum Vertragsschluss – nämlich am 28.05.2011 – abgestempelt wurde, und anderseits aus dem Umstand, dass der Kläger unstreitig am 30.05.2011 bei der Beklagten persönlich vorstellig wurde, um den Toyota zu besichtigen.

b) Übernachtungskosten (75 €)

Es begegnet auch keinen Bedenken, dass das Landgericht die Kosten für die Übernachtung in der Pension P in T. für ersatzfähig gehalten und deren Höhe gemäß § 287 ZPO auf 75 € geschätzt hat. Der vorgelegte Zahlungsbeleg dieser Pension datiert auf den 29.05.2011 und steht damit ebenfalls in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zu dem tags darauf erfolgten Pkw-Kauf. Soweit die Beklagte beanstandet, dass sich die vorgelegte Zahlungsquittung über eine Summe von 116 € verhalte, war das dem Umstand geschuldet, dass der Kläger von seiner Tochter begleitet wurde, mit der er sich auf der Rückreise nach N. am Steuer abwechseln wollte.

c) Kraftstoffkosten für die Überführung (150 €)

Soweit die Beklagte die zuerkannten Kraftstoffkosten für die Überführungsfahrt von 150 € mit Nichtwissen bestreitet, greift das ebenfalls nicht durch. Das Landgericht hat die Länge der Fahrtstrecke von B. nach N. anhand eines Routenplaners mit circa 1.500 km ermittelt. Der vom Landgericht zugrunde gelegte Durchschnittsverbrauch von 10–12 l/100 km erscheint dem Senat angesichts des hubraumstarken Geländefahrzeugs ebenfalls zutreffend, sodass der geschätzte Kostenaufwand von 0,10 € pro 100 km nicht zu beanstanden ist.

d) Einfuhrzoll (1.799,20 €)

Soweit das Landgericht wegen der Fahrzeugüberführung nach Weißrussland einen Einfuhrzoll in Höhe von 1.799,20 € zuerkannt hat, kann die Beklagte sich nicht pauschal auf „Ungereimtheiten“ bei den vorgelegten Unterlagen berufen. Der Kläger hat vielmehr … die beiden am 31.05.2011 ausgestellten Belege des weißrussischen Finanzministeriums mit deutscher Übersetzung vorgelegt. Die Umrechnung der angegebenen Zölle führt anhand der beigefügten Tabelle der weißrussischen Nationalbank zu Beträgen von 1.789,20 € + 10 €. Es ist auch zutreffend, auf den damals gültigen Umrechnungskurs abzustellen, weil in diesem Zeitpunkt dem Kläger die Aufwendungen tatsächlich entstanden sind.

5. Hinsichtlich der zuerkannten Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wird – zu Recht – kein selbstständiger Berufungsangriff geführt …

PDF erstellen