1. Eine Kaufsache (hier: ein Neuwagen), die dem Stand der Technik gleichartiger Sachen entspricht, ist nicht deshalb nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil der Stand der Technik hinter der tatsächlichen oder durchschnittlichen Käufererwartung zurückbleibt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VIII ZR 160/08, NJW 2009, 2056 = DS 2009, 272 Rn. 11).
  2. Normaler („natürlicher“) Verschleiß ist bei einem Kraftfahrzeug regelmäßig kein Sachmangel (im Anschluss an BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434 Rn. 19). Normaler, vom Käufer hinzunehmender Verschleiß liegt insbesondere hinsichtlich solcher Bauteile eines Kraftfahrzeugs vor, die üblicherweise einer stärkeren Abnutzung als das Gesamtfahrzeug unterliegen und in gewissen Zeitabständen überprüft, gepflegt sowie gegebenenfalls erneuert werden müssen (vgl. OLG Celle, Urt. v. 16.04.2008 – 7 U 224/07, juris Rn. 20).
  3. Aufgrund des Gebrauchs und des Alterungsprozesses sind Abnutzungs- und Verschleißerscheinungen bei den Sitzen eines Kraftfahrzeugs unvermeidlich. Gehen diese Erscheinungen nicht über das hinaus, was bei vergleichbaren Sitzen angesichts ihrer Qualität, ihres Alters und der Art ihrer Benutzung normalerweise zu beobachten ist, kann nicht von einem Sachmangel gesprochen werden.

LG Köln, Urteil vom 21.09.2020 – 32 O 194/19

Sachverhalt: Der Kläger kaufte von der Beklagten am 20.06.2015 für 41.585 € einen Neuwagen (Ford Mustang GT Convertible). Die Herstellerin dieses Fahrzeugs ist die Streithelferin der Beklagten.

Mit Schreiben seiner späteren Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2016 rügte der Kläger gegenüber der Beklagten Mängel des Pkw und forderte die Beklagte zu deren Beseitigung auf. Er behauptete, dass bei dem Fahrzeug bei Geschwindigkeiten von 80 bis 120 km/h ein massives Dröhnen und Vibrationen am Schalthebel, dem Beifahrersitz, der Heckscheibe etc. aufträten. Außerdem beanstandete der Kläger, dass die Schaltvorgänge „hakelig“ seien sowie „starke dumpfe Schaltschläge“, ein „schleifendes, mahlendes Geräusch“ aus der Schaltkulisse und einen „schwachen Durchzug“ zwischen 2.000 und 3.000 U/min. Daraufhin befand sich der Pkw längere Zeit bei der Beklagten. Mit Schreiben vom 04.01.2017 forderte der Kläger die Beklagte erneut zur Nachbesserung auf, wobei er ihr zugleich Mängel an den Sitzen des Fahrzeugs anzeigte, und setzte ihr eine Frist bis zum 30.01.2017. Die Beklagte erklärte unter dem 17.01.2017, dass weitere Nachbesserungsarbeiten nicht erfolgen würden, weil das streitgegenständliche Fahrzeug mangelfrei sei.

Der Kläger erklärte vor diesem Hintergrund mit Schreiben vom 18.01.2017 den Rücktritt von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag.

Er behauptet, dass sein Fahrzeug insbesondere folgende Mängel aufweise:

  • massives Dröhnen bei 80 bis 120 km/h (max. bei ca. 90–95 km/h) nebst Vibrationen (Schalthebel, Beifahrersitz, Heckscheibe etc.);
  • starke dumpfe Schaltschläge, insbesondere in den ersten Gängen, und zwar sowohl beim Einlegen eines höheren als auch eines niedrigeren Gangs;
  • „hakeliges“ Schalten insbesondere des ersten und des zweiten Gangs;
  • schleifendes Geräusch aus der Schaltkulisse im ersten und im zweiten Gang bei leichtem Linksdruck auf den Schalthebel;
  • schwacher Durchzug zwischen 2.000 und 3.000 U/min; der Pkw fühle sich im Straßenverkehr „schwerfällig“ an.

Im oberen Teil der Rückenlehne des Fahrersitzes – so behauptet der Kläger weiter – sei eine weiße Naht erkennbar; außerdem weise die rechte Sitzflächenwange des Beifahrersitzes permanende Eindrücke auf und hätten sich am Lederbezug auf der Fahrerseite schon nach nur einem Jahr Verschleißspuren gezeigt. Die seien darüber hinaus größtenteils mit Kunstleder bezogen.

Der Kläger behauptet, er habe das streitgegenständliche Fahrzeug sowohl am 21.04. als auch am 27.07.2016 zu einem Vertragshändler der Streithelferin der Beklagten gebracht und dort im Wesentlichen die vorgenannten Beanstandungen vorgebracht.

Die Beklagte und ihre Streithelferin haben sich zu der Behauptung des Klägers, er habe am 21.04.2016 und am 27.07.2016 einen Vertragshändler der Beklagten aufgesucht, mit Nichtwissen erklärt. Die Beklagte hat darüber hinaus in Abrede gestellt, dass der Pkw des Klägers an den behaupteten Mängeln leide. Insbesondere die Sitze seien mangelfrei; bei der Premium-Lederpolsterung seien die Sitzmittelbahnen aus Leder und die Sitzwangen aus Vinyl.

Die im Wesentlichen auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufvertrags gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückabwicklung des zwischen den Parteien am 20.06.2015 geschlossenen Kaufvertrags über einen von der Streithelferin der Beklagten hergestellten Ford Mustang GT Convertible aus §§ 433 I, 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, § 323 I BGB. Unabhängig von den weiteren Voraussetzungen eines Rücktritts lag bereits kein Mangel i. S. von § 434 I BGB vor.

Dazu im Einzelnen:

a) Der Kläger hat den Nachweis nicht führen können, dass bei dem Fahrzeug ein Mangel in Form eines massives Dröhnens bei 80 bis 120 km/h nebst Vibrationen an Schalthebel, Beifahrersitzen und Rückscheibe vorliegt.

Nach § 434 I 1 BGB ist eine Sache mangelfrei, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit einer Sache nicht vereinbart ist, ist sie mangelfrei, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Dabei trägt der Käufer die Beweislast dafür, dass ein Sachmangel vorliegt. Mangels konkreter Beschaffenheitsvereinbarung ist auf die übliche Beschaffenheit abzustellen.

Der Sachverständige S hat nachvollziehbar ausgeführt, dass er ein „massives“ Dröhnen nicht feststellen konnte. Dabei hat er ausgeführt, dass er unter einem „massiven“ Dröhnen ein weit über der durchschnittlichen Geräuschentwicklung liegendes Geräusch verstehe. Dies ist nicht zu beanstanden. Dies zugrunde gelegt, habe er lediglich ein leichtes Dröhnen feststellen können, welches keinen technischen Mangel darstelle. Die Kammer schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen an. Gerade vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Fahrzeug um leistungsstarkes Fahrzeug mit 418 PS und einem 5,0-Liter-Motor handelt, ist grundsätzlich eine gesteigerte Geräuschkulisse des Motors und der Abgasanlage zu erwarten, zumal es sich – dies im Vergleich zu ähnlichen Fahrzeugen mit Leistungsdaten wie das streitgegenständliche Fahrzeug – mit einem Kaufpreis von 41.585 € um ein Fahrzeug im mittleren Preissegment handelt. Dass der Kläger dabei möglicherweise einen höheren Anspruch an das Fahrzeug hat, ist unbeachtlich. Denn eine Kaufsache, die dem Stand der Technik gleichartiger Sachen entspricht, ist nicht deswegen nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil der Stand der Technik hinter der tatsächlichen oder durchschnittlichen Käufererwartung zurückbleibt (BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VIII ZR 160/08, DS 2009, 272 Rn. 11).

b) Auch liegt kein Mangel in klägerseits behaupteten starken dumpfen Schaltschlägen, insbesondere in den ersten Gängen, vor. Der Sachverständige S hat nachvollziehbar ausgeführt, dass zum einen Schaltschläge auch bei einem Vergleichsfahrzeug feststellbar waren und es sich nicht um starke Schaltschläge handeln würde. Die Kombination eines drehmomentstarken V8-Motors und eines manuellem Getriebes begünstige sogenannte Schaltschläge, ohne dass dies gleichbedeutend mit der Feststellung eines Mangels sei. Dem schließt sich die Kammer an. Es handelt sich gerade nicht um ein Fahrzeug aus dem Premiumsegment, welches zudem in den USA gefertigt wurde. Der Durchschnittskäufer kann daher keine geschmeidigen und reibungslosen Schaltvorgänge erwarten.

c) Dies gilt in gleicher Weise für das vom Kläger behauptete hakelige Schalten, insbesondere im ersten und zweiten Gang. Der Sachverständige hat auch hier nachvollziehbar ausgeführt, dass dies identisch auch beim Vergleichsfahrzeug feststellbar gewesen sei.

d) Der Sachverständige konnte zudem kein schleifendes Geräusch aus der Schaltkulisse im ersten und zweiten Gang feststellen. Dabei ist es nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige keine Schaltvorgänge mit einem leichten Linksdruck auf den Schalthebel vorgenommen hat, um hierüber zu versuchen ein schleifendes Geräusch zu erzeugen, denn ein Linksdruck auf den Schalthebel beim Schalten stellt erkennbar keine ordnungsgemäße Bedienung dar. Dass das Getriebe auch bei einer nicht ordnungsgemäßen Bedienung keine Geräusche erzeugt, kann nicht erwartet werden.

e) Der Sachverständige konnte zudem keinen schwachen Durchzug zwischen 2.000 und 3.000 U/min feststellen. Im Übrigen entsprach der Durchzug in diesem Drehzahlbereich dem des Vergleichsfahrzeugs.

f) Soweit der Sachverständige an der oberen Quernaht des Fahrersitzes und an der Beifahrersitzlehne lediglich eine weiße Naht festgestellt hat, die bei den entsprechenden Partien des Vergleichsfahrzeuges nicht vorhanden war, stellt auch dies keinen Mangel des Fahrzeugs dar, welcher bei Gefahrübergang vorgelegen hat. Denn dem Kläger ist der Nachweis nicht gelungen, dass es sich nicht um einen von ihm hinzunehmenden normalen (natürlichen) Verschleiß handelt.

Ein „normaler“ Verschleiß, den der Käufer erwarten und deshalb hinnehmen muss, liegt insbesondere dann vor, wenn Teile der erworbenen Sache üblicherweise einer stärkeren Abnutzung als die restlichen Teile dieser Sache unterliegen und in gewissen Zeitabständen einer (regelmäßigen) Überprüfung und Pflege sowie gegebenenfalls Erneuerung bedürfen (OLG Celle, Urt. v. 16.04.2008 – 7 U 224/07, juris Rn. 20). Es ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass aufgrund des Gebrauchs und des Alterungsprozesses Abnutzungs- und Verschleißerscheinungen bei Fahrzeugsitzen unvermeidlich sind. Gehen diese Erscheinungen nicht über das hinaus, was bei Sitzen des betreffenden Typs und der entsprechenden Qualität angesichts ihres Alters und der Art ihrer Benutzung normalerweise zu beobachten ist, so kann von einem Sachmangel nicht gesprochen werden. Normale Verschleiß-, Abnutzungs- und Alterungserscheinungen sind nämlich aus dem Sachmangelbegriff auszuklammern (BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434 Rn. 19).

Das Hervortreten einer Naht kann sowohl auf einem Mangel als auch auf Verschleiß beruhen. Dabei bieten die Laufleistung und das Alter des Fahrzeugs nur einen geringen Anhaltspunkt, denn maßgeblicher Faktor für den Verschleiß eines Sitzes eines Fahrzeugs ist die Häufigkeit eines Ein- bzw. Aussteigevorgangs, da hierbei bei lebensnaher Betrachtung die Sitze am meisten Beansprucht werden. Da dies im Einzelnen jedoch nicht festgestellt werden konnte, geht dies zulasten des Klägers.

Letztlich wäre der Rücktritt aber auch bei Vorliegen eines Mangels an den Sitzen ausgeschlossen. Denn ein Rücktritt ist gemäß § 323 V 2 BGB ausgeschlossen, wenn die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung unerheblich ist, wenn der Mangel also geringfügig ist. Dies ist jedoch bei einem Hervortreten der weißen Naht – wie dies auf dem Lichtbild auf Seite 19 des Gutachtens des Sachverständigen S vom 17.03.2019 zu erkennen ist – der Fall.

Soweit der Kläger behauptet, dass ein Mangel darin liege, dass der Sitzbezug aus Vinyl bestehe, ist dem die Beklagte substantiiert entgegengetreten und hat ausgeführt, dass die Premium-Lederpolsterung bei diesem Fahrzeug die Sitzmittelbahnen aus Leder und die Sitzwangen aus Vinyl beinhalte. Mangels weitergehenden Vortrages hierzu durch den Kläger, ist sein Vortrag insoweit unsubstantiiert.

II. Mangels wirksamen Rücktritts haben auch die Klageanträge zu 2 bis 5 keinen Erfolg. Selbst bei Annahme eines Mangels an den Sitzen wäre auch der Klageantrag zu 5 nicht begründet, denn dieser Mangel wurde erstmals mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 04.01.2017 angezeigt. Zu diesem Zeitpunkt hat sich die Beklagte – einen Mangel insoweit unterstellt – bezüglich der Nachbesserung an den Sitzen nicht in Verzug befunden, sodass kein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht. …

PDF erstellen