Der Ver­käu­fer ei­nes hoch­prei­si­gen Ge­braucht­wa­gens muss ei­nem (po­ten­zi­el­len) Käu­fer nach Treu und Glau­ben un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­an­schau­ung un­ge­fragt of­fen­ba­ren, dass er selbst das – in Deutsch­land her­ge­stell­te – Fahr­zeug in Du­bai er­wor­ben und dort nicht un­er­heb­lich ge­nutzt hat. Denn in­so­weit ist die – äu­ßerst un­ge­wöhn­li­che – Fahr­zeug­his­to­rie schon des­halb ein be­son­ders wich­ti­ger Um­stand, der für die Wil­lens­bil­dung ei­nes (po­ten­zi­el­len) Käu­fers of­fen­sicht­lich von aus­schlag­ge­ben­der Be­deu­tung ist, weil sie sich auf den Wert des Fahr­zeugs aus­wirkt.

OLG Hamm, Ur­teil vom 17.08.2020 – 17 U 231/18
(vor­an­ge­hend: LG Bie­le­feld, Ur­teil vom 28.09.2018 – 8 O 10/17)

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt den Be­klag­ten auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags über ei­nen ge­brauch­ten Pkw BMW 750 in An­spruch.

Die­ses Fahr­zeug wur­de in Deutsch­land her­ge­stellt, im Mai 2011 erst­zu­ge­las­sen und an­schlie­ßend als Lea­sing­fahr­zeug ge­nutzt. Spä­ter – wann ge­nau, ist nicht be­kannt – wur­de das Fahr­zeug nach Du­bai über­führt und dort zum Ver­kehr auf öf­fent­li­chen Stra­ßen zu­ge­las­sen. In Du­bai er­warb der Be­klag­te den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw; die Ein­zel­hei­ten des Er­werbs und ins­be­son­de­re die da­ma­li­ge Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs sind zwi­schen den Par­tei­en strei­tig.

Nach­dem der Be­klag­te den BMW 750 ei­ni­ge Zeit in Du­bai ge­nutzt hat­te, ver­brach­te er den Pkw nach Deutsch­land, oh­ne ihn dort an­zu­mel­den. Im Ok­to­ber 2016 be­ab­sich­tig­te der Be­klag­te, das Fahr­zeug zu ver­äu­ßern. Der Pkw wur­de des­halb auf der In­ter­net­platt­form „mobile.​de“ zum Kauf an­ge­bo­ten. In dem In­se­rat wa­ren die Kon­takt­da­ten der N-GmbH, die sei­ner­zeit ge­werb­lich mit Kraft­fahr­zeu­gen han­del­te und de­ren Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­te da­mals war, an­ge­ge­ben. Wel­chen ge­nau­en In­halt das In­se­rat dar­über hin­aus hat­te, ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig.

Der Klä­ger wur­de bei „mobile.​de“ auf den BMW 750 auf­merk­sam und ver­ein­bar­te über die N-GmbH ei­nen Ter­min zur Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs. An­schlie­ßend – am 20.10.2016 – such­te der Klä­ger mit sei­nen Söh­nen H, C und O die Ge­schäfts­räu­me der N-GmbH in E. auf, be­sich­tig­te den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw und un­ter­nahm in Be­glei­tung zu­min­dest ei­nes Sohns ei­ne Pro­be­fahrt mit dem Fahr­zeug. Das Ver­kaufs­ge­spräch führ­te der Klä­ger zu­nächst mit M, ei­nem Mit­ar­bei­ter der N-GmbH. Der Be­klag­te kam spä­ter da­zu, um mit dem Klä­ger über den Kauf­preis zu ver­han­deln. Der ge­naue In­halt des Ge­sprächs ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Ei­ne Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II lag beim Ver­kaufs­ge­spräch nicht vor, da der BMW 750 nach sei­ner Rück­kehr aus Du­bai in Deutsch­land nicht wie­der zum Ver­kehr auf öf­fent­li­chen Stra­ßen zu­ge­las­sen wor­den war.

Nach­dem sich der Klä­ger zum Kauf des Fahr­zeugs ent­schlos­sen hat­te, füll­te M hand­schrift­lich ein ent­spre­chen­des Kauf­ver­trags­for­mu­lar aus, das der Be­klag­te teil­wei­se er­gänz­te und das schließ­lich von bei­den Par­tei­en un­ter­zeich­net wur­de. In dem Kauf­ver­trag ist als Ver­käu­fer der Be­klag­te ein­ge­tra­gen. Au­ßer­dem ent­hält die Ver­trags­ur­kun­de den hand­schrift­li­chen Zu­satz „Ge­kauft wie ge­se­hen und Pro­be ge­fah­ren. Un­ter Aus­schluss je­der Ge­währ­leis­tung und Ga­ran­tie auf­grund Preis­re­du­zie­rung.“ Zur Lauf­leis­tung heißt es in dem Kauf­ver­trag: „Der Ver­käu­fer er­klärt, dass das Kfz ei­ne Ge­samt­lauf­leis­tung von 73.000 km auf­weist lt. Ta­cho“. Nach dem For­mu­lar zu ma­chen­de An­ga­ben da­zu, ob der Pkw ein Im­port­fahr­zeug ist, ent­hält der Kauf­ver­trag nicht.

Bei Un­ter­zeich­nung des Kauf­ver­trags leis­te­te der Klä­ger auf den ver­ein­bar­ten Kauf­preis (28.850 €) ei­ne An­zah­lung von 1.000 €. Den Rest­be­trag ent­rich­te­te er bei der Über­ga­be des Pkw am 22.10.2016.

Kur­ze Zeit spä­ter such­te der Klä­ger mit dem Fahr­zeug ei­ne BMW-Ver­trags­werk­statt auf, da er im In­nen­raum ei­nen star­ken Öl­ge­ruch wahr­ge­nom­men hat­te. Die mit der Un­ter­su­chung des Wa­gens be­fass­ten Me­cha­ni­ker äu­ßer­ten Be­den­ken im Hin­blick auf die (ver­meint­li­che) Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs, so­dass bei dem Klä­ger der Ver­dacht auf­kam, die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung des BMW 750 sei hö­her als die vom Ki­lo­me­ter­zäh­ler an­ge­zeig­te Lauf­leis­tung. Der Klä­ger stell­te dar­auf­hin Nach­for­schun­gen an, in de­ren Rah­men er am 11.11.2016 Un­ter­la­gen des Stra­ßen­ver­kehrs­amts E. er­hielt. Dar­aus er­gibt sich, dass der BMW 750 aus ei­nem Dritt­land nach Deutsch­land im­por­tiert wor­den ist.

Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 15.11.2016 er­klär­te der Klä­ger ge­gen­über dem Be­klag­ten die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung, die er mit ei­ner Ab­wei­chung zwi­schen an­ge­zeig­ter und tat­säch­li­cher Lauf­leis­tung be­grün­de­te. Gleich­zei­tig er­klär­te der Klä­ger den Rück­tritt von dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trag. Er for­der­te den Be­klag­ten auf, bis zum 25.11.2016 zu be­stä­ti­gen, dass er – der Be­klag­te – dem Klä­ger den Kauf­preis Zug um Zug ge­gen Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs er­stat­ten wer­de. Au­ßer­dem ver­lang­te der Klä­ger den Er­satz vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 1.358,86 €. Der Be­klag­te kam den For­de­run­gen des Klä­gers nicht nach.

Der Klä­ger hat erst­in­stanz­lich be­haup­tet, dass der Be­klag­te den Ki­lo­me­ter­zäh­ler des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs ma­ni­pu­liert ha­be. Er ist der Auf­fas­sung, der Be­klag­te ha­be ihn hin­sicht­lich der Lauf­leis­tung des Pkw arg­lis­tig ge­täuscht. Mit Blick auf ein nach Be­en­di­gung ei­nes Lea­sing­ver­trags er­stell­tes Rück­nah­me­pro­to­koll (An­la­ge K 19) – so hat der Klä­ger gel­tend ge­macht – sei da­von aus­zu­ge­hen, dass das Fahr­zeug be­reits am 13.11.2012 ei­ne Lauf­leis­tung von 128.104 km auf­ge­wie­sen ha­be.

Mit Schrift­satz vom 16.03.2017 hat der Klä­ger die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung au­ßer­dem auf den Um­stand ge­stützt, dass der Be­klag­te das Fahr­zeug über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum in Du­bai ge­nutzt und dann nach Deutsch­land ver­bracht hat.

Der Be­klag­te hat in ers­ter In­stanz be­haup­tet, er ha­be den BMW 750 am 31.08.2015 mit ei­nem Ki­lo­me­ter­stand von 53.000 in Du­bai er­wor­ben und dort pri­vat ge­nutzt. Die an­ge­zeig­te Lauf­leis­tung sei für ihn plau­si­bel ge­we­sen; An­halts­punk­te für ei­ne Ma­ni­pu­la­ti­on ha­be er nicht ge­habt. Ei­ne Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II ha­be beim Ver­kaufs­ge­spräch mit dem Klä­ger nicht vor­ge­le­gen. Ei­ne sol­che sei noch nicht aus­ge­stellt ge­we­sen, weil er – der Be­klag­te – das Fahr­zeug aus Du­bai „mit­ge­bracht“ ge­habt ha­be. Dies ha­be er dem Klä­ger beim Ver­kaufs­ge­spräch auch so er­klärt.

Das Land­ge­richt hat den Be­klag­ten un­ter Ab­wei­sung der Kla­ge im Üb­ri­gen ver­ur­teilt, an den Klä­ger 26.121,98 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 26.11.2016, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs, zu zah­len. Au­ßer­dem hat es den Be­klag­ten ver­ur­teilt, dem Klä­ger au­ßer­ge­richt­lich ent­stan­de­ne Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten in Hö­he von 794,03 € nebst Zin­sen zu er­set­zen. Schließ­lich hat das Land­ge­richt fest­ge­stellt, dass der Be­klag­te mit der Rück­nah­me des Fahr­zeugs in An­nah­me­ver­zug ist. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, dass der Kauf­ver­trag in­fol­ge der von dem Klä­ger er­klär­ten An­fech­tung rück­ab­zu­wi­ckeln sei. Auf­grund des ein­ge­hol­ten Gut­ach­tens des Sach­ver­stän­di­gen Dipl.-Ing. S ste­he fest, dass die tat­säch­li­che Ge­samt­lauf­leis­tung des BMW 750 min­des­tens 148.000 km be­tra­ge und da­mit hö­her sei als die vom Ki­lo­me­ter­zäh­ler an­ge­zeig­te Lauf­leis­tung. Den aus die­ser Ab­wei­chung fol­gen­den – zu of­fen­ba­ren­den – Man­gel ha­be der Be­klag­te dem Klä­ger arg­lis­tig ver­schwie­gen. Auf­grund des von dem Sach­ver­stän­di­gen fest­ge­stell­ten Zu­stands des Lenk­ra­des ha­be der Be­klag­te ei­ne Ma­ni­pu­la­ti­on des Ki­lo­me­ter­zäh­lers zu­min­dest für mög­lich hal­ten müs­sen.

Mit sei­ner da­ge­gen ge­rich­te­ten Be­ru­fung hat der Be­klag­te gel­tend ge­macht, dass der BMW 750 selbst dann nicht man­gel­haft sei, wenn sei­ne tat­säch­li­che Lauf­leis­tung hö­her sein soll­te als die vom Ki­lo­me­ter­zäh­ler an­ge­zeig­te Lauf­leis­tung. Denn hin­sicht­lich der Lauf­leis­tung be­inhal­te der Kauf­ver­trag we­gen des ein­schrän­ken­den Zu­sat­zes „lt. Ta­cho“ le­dig­lich ei­ne Wis­sens­er­klä­rung. Über­dies ha­be der Klä­ger den sub­jek­ti­ven Tat­be­stand ei­ner arg­lis­ti­gen Täu­schung nicht be­wei­sen. Er – der Be­klag­te – sei nicht ver­pflich­tet ge­we­sen, die His­to­rie des Fahr­zeugs zu prü­fen, zu­mal er den Pkw pri­vat ver­äu­ßert ha­be. Be­son­de­re An­halts­punk­te, die An­lass zu ei­ner sol­che Prü­fung hät­ten ge­ben kön­nen, hät­ten nicht vor­ge­le­gen. Er – der Be­klag­te – ver­fü­ge auch nicht über ei­ne be­son­de­re Er­fah­rung mit Ge­braucht­fahr­zeu­gen, son­dern sei le­dig­lich Ge­schäfts­füh­rer der N-GmbH. Als sol­cher küm­me­re er sich um tech­ni­sche Ab­läu­fe und die Or­ga­ni­sa­ti­on des Un­ter­neh­mens; er un­ter­su­che aber kei­ne Fahr­zeu­ge.

Das Rechts­mit­tel hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II.… Das Land­ge­richt hat den Be­klag­ten im Er­geb­nis zu Recht zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ver­ur­teilt.

1. Der Klä­ger hat ge­gen den Be­klag­ten ei­nen An­spruch auf Zah­lung von 26.121,98 € Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs ge­mäß § 812 I 1 Fall 1 BGB. Der Be­klag­te hat die Kauf­preis­zah­lung des Klä­gers rechts­grund­los er­langt.

2. Der Kauf­ver­trag ist rück­ab­zu­wi­ckeln, weil die­ser in­fol­ge der von dem Klä­ger er­klär­ten An­fech­tung ge­mäß §§ 142 I, 123 I Fall 1 BGB als von Be­ginn an nich­tig an­zu­se­hen ist.

a) Zwi­schen den Par­tei­en ist un­strei­tig, dass der Be­klag­te das Fahr­zeug in Du­bai er­wor­ben und dort ge­nutzt hat, be­vor er es zu­rück in die Bun­des­re­pu­blik über­führt hat. Über die­sen maß­geb­li­chen Teil der Fahr­zeug­his­to­rie hat der Be­klag­te den Klä­ger ge­mäß § 123 I Fall 1 BGB arg­lis­tig ge­täuscht.

(1) Der Be­kla­ge war ver­pflich­tet, den Um­stand, dass er das Fahr­zeug in Du­bai er­wor­ben hat und die­ses dort be­reits über ei­nen er­heb­li­chen Zeit­raum hin­weg ge­nutzt wur­de, ge­gen­über dem Klä­ger als Kauf­in­ter­es­sen­ten auch un­ge­fragt zu of­fen­ba­ren.

Zwar be­steht kei­ne all­ge­mei­ne Of­fen­ba­rungs­pflicht hin­sicht­lich sämt­li­cher Um­stän­de, die für die Wil­lens­bil­dung des po­ten­zi­el­len Ver­trags­part­ners von Be­deu­tung sein kön­nen. Es liegt näm­lich grund­sätz­lich in der Ver­ant­wor­tungs- und Ri­si­ko­sphä­re je­der Par­tei, sich selbst über die für die ei­ge­ne Wil­lens­ent­schlie­ßung maß­geb­li­chen Tat­sa­chen zu in­for­mie­ren (vgl. Münch­Komm-BGB/Arm­brüs­ter, 8. Aufl. [2018], § 123 Rn. 33). Ob im Ein­zel­fall gleich­wohl ei­ne Of­fen­ba­rungs­pflicht be­steht, ist nach Treu und Glau­ben un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­an­schau­ung hin­sicht­lich des je­wei­li­gen Ge­schäfts­be­reichs da­nach zu be­stim­men, ob der an­de­re Teil un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­auf­fas­sung red­li­cher­wei­se ei­ne Auf­klä­rung er­war­ten durf­te (vgl. Pa­landt/El­len­ber­ger, BGB, 78. Aufl. [2019], § 123 Rn. 5), wo­bei be­son­ders wich­ti­ge Um­stän­de, die für die Wil­lens­bil­dung of­fen­sicht­lich von aus­schlag­ge­ben­der Be­deu­tung sind, un­ge­fragt of­fen­bart wer­den müs­sen (vgl. Pa­landt/El­len­ber­ger, a. a. O., § 123 Rn. 5b). Dies ist vor­lie­gend der Fall.

Zu­nächst han­delt es sich bei Rück­füh­rung ei­nes hoch­prei­si­gen Fahr­zeugs aus Du­bai um ei­nen au­ßer­or­dent­li­chen Um­stand, der sich auf das dem Fahr­zeug durch in­ter­es­sier­te Ver­kehrs­k­rie­se ent­ge­gen­ge­brach­te Ver­trau­en und da­mit zwangs­läu­fig auch auf des­sen Wert aus­wirkt. Dies hat auch der Sach­ver­stän­di­ge Dipl.-Ing. S be­stä­tigt und in­so­weit nach­voll­zieh­bar aus­ge­führt, dass die­se Art ei­ner Zu­rück­füh­rung ei­nes Fahr­zeugs äu­ßerst un­ge­wöhn­lich sei. In­so­weit las­se sich ein kon­kre­ter Min­der­wert zwar nicht oh­ne Wei­te­res be­zif­fern; ein sol­ches Fahr­zeug wer­de in Händ­ler­krei­sen je­doch an­ders be­trach­tet, wor­aus auch ei­ne an­de­re Be­wer­tung fol­ge. Un­ab­hän­gig da­von sei das Fahr­zeug ins­be­son­de­re auf­grund der in Du­bai vor­herr­schen­den kli­ma­ti­schen Be­din­gun­gen – ins­be­son­de­re der Son­nen­ein­strah­lung – be­son­de­ren Be­las­tun­gen für den Lack und sämt­li­che Dich­tun­gen aus­ge­setzt ge­we­sen. Dar­über hin­aus könn­ten das ex­tre­me Kli­ma so­wie die sons­ti­gen Um­welt­be­din­gun­gen in Du­bai zu wei­te­ren Be­ein­träch­ti­gen füh­ren, wie sie et­wa an den ver­kratz­ten Schein­wer­fern des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs fest­zu­stel­len sei­en, die ei­nen für mit­tel­eu­ro­päi­sche Ver­hält­nis­se un­er­klär­li­chen Zu­stand auf­wie­sen. Dar­aus folgt, dass sich aus der Rück­füh­rung ei­nes Fahr­zeugs nach ei­ner län­ge­ren Nut­zung – nach den An­ga­ben des Be­klag­ten cir­ca 20.000 km – in Du­bai auch tech­ni­sche Vor­be­hal­te er­ge­ben, die im Hin­blick auf die von dem Sach­ver­stän­di­gen be­schrie­be­ne Be­ein­träch­ti­gung von Lack, Dich­tun­gen und an­de­rer Bau­tei­le auch nach­voll­zieh­bar sind.

Dar­über hin­aus hat der Be­klag­te durch die von ihm ge­wähl­ten äu­ße­ren Um­stän­de des Ver­kaufs ein be­son­de­res Ver­trau­en für sich in An­spruch ge­nom­men. Er hat das Fahr­zeug über die N-GmbH im In­ter­net an­ge­bo­ten und die Ver­kaufs­ver­hand­lun­gen in de­ren Ge­schäfts­räu­men durch ei­nen spe­zia­li­sier­ten Mit­ar­bei­ter füh­ren las­sen. Un­ab­hän­gig von der Fra­ge, ob er selbst da­durch als ge­werb­li­cher Ver­käu­fer an­zu­se­hen ist, hat er da­durch je­den­falls in zu­re­chen­ba­rer Art und Wei­se den Ein­druck ver­mit­telt, dass der Ver­kauf zu­min­dest un­ter Be­tei­li­gung der N-GmbH er­fol­ge. Dies war durch­aus ge­eig­net, ei­nen pot­ent­zel­len In­ter­es­sen­ten von wei­te­ren Nach­fra­gen über die Fahr­zeug­his­to­rie ab­zu­hal­ten. Dies gilt ins­be­son­de­re für den Um­stand, dass das Fahr­zeug über­haupt nicht zu­ge­las­sen war, was bei ei­nem Pri­vat­ver­kauf zu­min­dest un­ge­wöhn­lich er­scheint und durch­aus An­lass für wei­te­re Nach­fra­gen ge­we­sen wä­re.

An­ge­sichts die­ser Ge­samt­um­stän­de durf­te der Klä­ger nach Treu und Glau­ben ei­nen Hin­weis auf die nicht un­er­heb­li­che Nut­zung des Pkw in Du­bai und die Rück­füh­rung in die Bun­des­re­pu­blik er­war­ten, die für ihn un­ter kei­nen Um­stän­den er­kenn­bar war.

(2) Der für die tat­säch­li­chen Vor­aus­set­zun­gen der An­fecht­bar­keit be­weis­be­las­te­te Klä­ger hat den ihm ob­lie­gen­den Be­weis ei­ner un­ter­blie­be­nen Auf­klä­rung er­bracht. Der Be­klag­te hat zwar be­haup­tet, mit dem Klä­ger über die­sen As­pekt der Fahr­zeug­his­to­rie ge­spro­chen zu ha­ben. Aus dem Kauf­ver­trag er­gibt sich ein ent­spre­chen­der Hin­weis je­doch nicht. Dort ist das ent­spre­chen­de For­mu­lar­feld nicht aus­ge­füllt wor­den. So­weit der Be­klag­te ei­ne münd­li­che Auf­klä­rung be­haup­tet hat, steht das Ge­gen­teil durch die Aus­sa­gen der Zeu­gen H, C und O fest. Von die­sen Zeu­gen, die bei der Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs und dem in die­sem Zu­sam­men­hang ge­führ­ten Ver­kaufs­ge­spräch zu­ge­gen wa­ren, konn­te kei­ner be­stä­ti­gen, dass ei­ne Rück­füh­rung des Fahr­zeugs aus Du­bai er­wähnt wor­den ist. Dies kor­re­spon­diert auch mit dem In­halt des schrift­li­chen Kauf­ver­trags, der ei­ne Im­por­t­ei­gen­schaft eben­falls nicht er­wähnt. Da es sich in­so­weit um ei­nen er­heb­lich au­ßer­ge­wöhn­li­chen Um­stand han­delt, liegt es fern, dass die Zeu­gen sich an ei­nen ent­spre­chen­den Hin­weis ein­fach nicht mehr er­in­nern konn­ten. Zwei­fel an der Glaub­haf­tig­keit der Aus­sa­gen der Zeu­gen hat der Se­nat vor die­sem Hin­ter­grund nicht. Die Aus­sa­ge des von dem Be­klag­ten ge­gen­be­weis­lich be­nann­ten Zeu­gen Z steht dem nicht ent­ge­gen. Die­se war un­er­gie­big, da er das Ver­kaufs­ge­spräch nur am Ran­de mit­be­kom­men hat und ins­be­son­de­re zu ei­nem et­wai­gen Hin­weis auf die Rück­füh­rung des Fahr­zeugs aus Du­bai kei­ne An­ga­ben ma­chen konn­te. Wei­te­re Zeu­gen – ins­be­son­de­re den Mit­ar­bei­ter der N-GmbH M, der das Ver­kaufs­ge­spräch ge­führt hat – hat der Be­klag­te nicht be­nannt.

(3) Der Be­klag­te hat in­so­weit auch arg­lis­tig ge­han­delt. Er hat zu­min­dest bil­li­gend in Kauf ge­nom­men, dass der Be­klag­te durch die un­ter­las­se­ne Auf­klä­rung zum Ver­trags­schluss ver­an­lasst wird. Er rech­ne­te da­mit, dass es sich bei der Rück­füh­rung des Fahr­zeugs aus Du­bai um ei­nen die Kauf­ent­schei­dung be­ein­flus­sen­den Um­stand han­del­te. Auf­grund sei­ner Bran­chen­er­fah­rung als Ge­schäfts­füh­rer ei­ner ge­werb­li­chen Au­to­händ­le­rin wuss­te er, dass Fahr­zeu­ge mit ei­ner der­art un­ge­wöhn­li­chen His­to­rie – wie durch den Sach­ver­stän­di­gen Dipl.-Ing. S auch fest­ge­stellt – zu ei­nem nied­ri­ge­ren Markt­wert ge­han­delt wer­den. Als Be­leg hier­für sieht der Se­nat un­ter an­de­rem den Um­stand an, dass der Be­klag­te in der Ver­trags­ur­kun­de in der Ru­brik „Im­port­fahr­zeug“ kei­ne An­ga­be ge­macht hat. Be­züg­lich die­ser Ein­schät­zung wa­ren auch kei­ne tech­ni­schen Kennt­nis­se er­for­der­lich, so­dass es auf die Aus­bil­dung des Be­klag­ten und die im Rah­men des lang­jäh­ri­gen Kfz-Han­dels er­wor­be­nen tech­ni­schen Kennt­nis­se nicht an­kommt.

(4) Das treu­wid­ri­ge Un­ter­las­sen ei­ner Auf­klä­rung über die­sen Teil der Fahr­zeug­his­to­rie war für den Kauf­ab­schluss des Klä­gers zu­min­dest mit­ur­säch­lich. Denn nach all­ge­mei­ner Le­bens­er­fah­rung kann oh­ne Wei­te­res an­ge­nom­men wer­den, dass das Ver­schwei­gen ei­nes wert­min­dern­den Um­stands die Kauf­ent­schei­dung zu­min­dest be­ein­flusst.

bb) Es liegt auch ei­ne wirk­sa­me An­fech­tungs­er­klä­rung ge­mäß § 143 I BGB vor. Zwar hat der Klä­ger die Rück­füh­rung des Fahr­zeugs im Rah­men sei­ner ur­sprüng­li­chen An­fech­tungs­er­klä­rung vom 15.11.2016 nicht er­wähnt. Al­ler­dings hat er die An­fech­tung mit Schrift­satz vom 16.03.2017 aus­drück­lich auch auf die­sen Um­stand ge­stützt. Die­se An­fech­tung ist auch nicht ver­fris­tet. Ge­mäß § 124 I BGB kann die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung nur bin­nen Jah­res­frist er­fol­gen, wo­bei die­se Frist ge­mäß § 124 II BGB mit dem Zeit­punkt be­ginnt, in wel­chem der An­fech­tungs­be­rech­tig­te die Täu­schung ent­deckt. Der Klä­ger hat un­wi­der­spro­chen an­ge­ge­ben, durch ein Schrei­ben des Stra­ßen­ver­kehrs­am­tes E. vom 11.11.2016 erst­mals die In­for­ma­ti­on er­hal­ten ha­be, dass das Fahr­zeug aus ei­nem Dritt­land im­por­tiert wor­den sei. Nach­dem der Be­haup­tung des Be­klag­ten, er ha­be den Be­klag­ten be­reits bei Ver­trags­schluss über die­sen Um­stand auf­ge­klärt, nicht ge­folgt wer­den kann, ist ei­ne frü­he­re Kennt­nis des Klä­gers nicht er­sicht­lich, so­dass die An­fech­tungs­frist am 16.03.2017 nicht ab­ge­lau­fen war.

b) Als Rechts­fol­ge der An­fech­tung ist der Kauf­ver­trag ge­mäß § 142 I BGB als von An­fang an nich­tig an­zu­se­hen, und die emp­fan­ge­nen Leis­tun­gen sind zu­rück­zu­ge­wäh­ren.

Für die Be­rech­nung der von dem ge­zahl­ten Kauf­preis in Hö­he von 28.850 € in Ab­zug zu brin­gen­den Nut­zungs­ent­schä­di­gung in Hö­he von 728,02 € wird auf die in je­der Hin­sicht über­zeu­gen­den Aus­füh­run­gen des Land­ge­richts im Rah­men der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung Be­zug ge­nom­men. Aus der Dif­fe­renz er­gibt sich die Hö­he des dem Klä­ger zu­ste­hen­den Zah­lungs­an­spruchs. Die­ser steht dem Klä­ger ent­spre­chend sei­nem Kla­ge­an­trag Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und -über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw zu.

3. Der Zins­an­spruch er­gibt sich aus dem Ge­sichts­punkt des Ver­zugs (§§ 286 I, 288 I BGB). Zins­be­ginn ist der 26.11.2016, da die mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 15.11.2016 ge­setz­te Frist am 25.11.2016 ab­ge­lau­fen ist.

Der An­spruch auf Er­satz vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten er­gibt sich aus § 280 I BGB.

4. Dar­über hin­aus war ge­mäß § 293 BGB auch der An­nah­me­ver­zug des Be­klag­ten im Hin­blick auf die Rück­nah­me des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs fest­zu­stel­len. Der Gläu­bi­ger kommt nach die­ser Vor­schrift in Ver­zug, wenn er die ihm an­ge­bo­te­ne Leis­tung nicht an­nimmt. Er­for­der­lich ist ge­mäß § 294 BGB grund­sätz­lich ein tat­säch­li­ches An­ge­bot, wel­ches vor­lie­gend er­sicht­lich nicht ge­ge­ben ist. Ge­mäß § 295 BGB ge­nügt je­doch ein wört­li­ches An­ge­bot, wenn der Gläu­bi­ger er­klärt hat, dass er die Leis­tung nicht an­neh­men wer­de, oder wenn zur Be­wir­kung der Leis­tung ei­ne Hand­lung des Gläu­bi­gers er­for­der­lich ist, ins­be­son­de­re wenn der Gläu­bi­ger die ge­schul­de­te Sa­che ab­zu­ho­len hat. Letz­te­res ist vor­lie­gend der Fall. Nach der stän­di­gen Recht­spre­chung ist ein­heit­li­cher Er­fül­lungs­ort für die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags der Ort, an dem sich die Kauf­sa­che be­stim­mungs­ge­mäß be­fin­det (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.10.2015 – 28 U 91/15, NJW-RR 2016, 177 Rn. 25 m. w. Nachw.), so­dass die Be­klag­te das Fahr­zeug am Wohn­ort des Klä­gers ab­zu­ho­len hät­te. Zwar ver­weist der Klä­ger im Rah­men des vor­ge­nann­ten An­walts­schrei­bens le­dig­lich auf die Rück­ab­wick­lung Zug um Zug. Al­ler­dings er­schöpft sich ein wört­li­ches An­ge­bot re­gel­mä­ßig auch in der Mit­tei­lung der Be­reit­schaft des Schuld­ners an den Gläu­bi­ger, die ver­trags­ge­mä­ße Leis­tung zu er­brin­gen (vgl. Jau­er­nig/Stad­ler, BGB, 17. Aufl. [2018], § 295 Rn. 4). Dies ist vor­lie­gend der Fall, da der Klä­ger sei­ne Be­reit­schaft zur Rück­ga­be des Fahr­zeugs klar zum Aus­druck ge­bracht hat. …

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