1. Hat ein Kfz-Käufer den Kaufpreis für das Fahrzeug über ein Darlehen finanziert und den – mit dem Darlehensvertrag verbundenen – Kaufvertrag wirksam angefochten, so kann er die (weitere) Rückzahlung des Darlehens gemäß § 359 I 1 BGB verweigern und die bereits gezahlten Darlehensraten vom Darlehensgeber zurückverlangen (§ 813 I, § 812 I 1 Fall 1 BGB).
  2. Ein Kfz-Händler, der ein Fahrzeug als Neuwagen verkauft, muss sich – notfalls durch eine Nachfrage beim Fahrzeughersteller – davon vergewissern, dass das Fahrzeug fabrikneu ist, dass also zwischen der Herstellung des Fahrzeugs und dem Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen. Der Händler darf sich nicht darauf verlassen, dass der Hersteller das Fahrzeug unmittelbar nach der Produktion an ihn ausgeliefert haben werde.

OLG Dresden, Urteil vom 18.10.2019 – 9 U 841/19
(nachfolgend: BGH, Urteil vom 15.06.2021 – XI ZR 568/19)

Sachverhalt: Der Beklagte erwarb von der Streithelferin der Klägerin ein Cabriolet. Zur Finanzierung des Kaufpreises schloss er mit der Klägerin einen Darlehensvertrag. Nachdem die Klägerin diesen Vertrag gekündigt und das Fahrzeug verwertet hatte, nahm sie den Beklagten auf Zahlung von noch 11.624,22 € nebst Zinsen in Anspruch. Der Beklagte, der seine auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung angefochten hatte, begehrte – soweit noch von Interesse – widerklagend die Rückzahlung der an die Klägerin geleisteten Darlehensraten.

Der Beklagte bestellte das in Rede stehende Fahrzeug am 22.08.2013 bei der Streithelferin der Klägerin. In dem Bestellformular heißt es vorgedruckt:

„Unter Anerkennung der nachfolgend auf den Seiten 2 und 3 abgedruckten Neuwagen-Verkaufsbedingungen bestelle(n) ich/wir bei oben genannter Firma in serienmäßigem Lieferumfang: …“

Es folgen die genaue Bezeichnung des gekauften Fahrzeugs und die „Sonderausstattungen“, und zwar jeweils mit Angabe des Bruttokaufpreises. Ergänzend ist auf dem Formular handschriftlich festgehalten, das Cabrio werde „als Tageszulassung vom Autohaus X als Erstzulassung 1 Monat + 1 Tag genutzt“.

Das bestellte Fahrzeug befand sich bereits bei der Streithelferin Klägerin, als der Beklagte – der den Wagen zuvor besichtigt hatte – das Bestellformular unterzeichnete. Der Beklagte behauptet, das Cabriolet sei im August 2011 produziert worden. Die Streithelferin der Klägerin behauptet, das Fahrzeug sei ihr am 31.03.2013 von der Herstellerin, der Volkswagen AG, geliefert worden.

Das Cabriolet wurde am 26.08.2013 zunächst auf die Streithelferin der Klägerin zugelassen. Einie Wochen später wurde es dem Beklagten, der auf den Kaufpreis 1.580 € angezahlt hatte, übergeben und der Klägerin sicherungsübereignet.

Nachdem der Beklagte im Jahr 2013 seinen Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehensvertrag trotz Fristsetzung nicht vollständig nachgekommen war, kündigte die Klägerin den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 27.08.2015.

Der Beklagte erklärte mi Schreiben seines damaligen Rechtsanwalts vom 24.09.2015 gegenüber der Streithelferin der Klägerin die Anfechtung seiner auf den Kaufvertrag gerichteten Willenserklärung mit der Begründung, dass das streitgegenständliche Cabriolet bereits am 24.08.2011 produziert worden sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben, soweit der Beklagte von der Klägerin die Rückzahlung der gezahlten Darlehensraten verlangte. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte den Kaufvertrag wirksam angefochten habe. Er könne daher gemäß § 359 BGB die Rückzahlung des Darlehens verweigern und gemäß § 813 I 1, § 812 I 1 BGB die bereits gezahlten Darlehensraten zurückverlangen.

Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung hat die Streithelferin der Klägerin geltend gemacht, dass sie den Beklagten nicht arglistig über die Neuwageneigenschaft des streitgegenständlichen Cabriolets getäuscht habe.

Vielmehr sei von Beginn an vereinbart gewesen, dass der Beklagte einen Gebrauchtwagen erwerbe. Nach der Rechtsprechung des BGH beseitige nämlich eine Tageszulassung die Neuwageneigenschaft eines Fahrzeugs nur dann nicht, wenn – anders als hier – das Fahrzeug nur für kurze Zeit auf den Kfz-Händler zugelassen sei. Folglich sei Gegenstand des hier interessierenden Kaufvertrags ein Gebrauchtwagen gewesen.

Ihr, die Streithelferin der Klägerin, sei auch keine Arglist vorzuwerfen. Das Baujahr des Cabriolets sei ihr bei Abschluss des Kaufvertrags unbekannt gewesen, und sie habe sich diesbezüglich gemäß § 138 IV ZPO mit Nichtwissen erklärt. Das Baujahr eines Fahrzeugs ergebe sich nur& aus der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief). Sie, die Streithelferin der Klägerin, habe indes das streitgegenständliche Fahrzeug ihrerseits finanziert, sodass der Fahrzeugbrief unmittelbar von der Fahrzeugherstellerin an die finanzierende Bank gelangt sei. Angaben „ins Blaue hinein“ habe sie nicht gemacht.

Es fehle im Übrigen an der Kausalität zwischen einem Irrtum des Beklagten und dem Abschluss des Kaufvertrags. Es sei dem Beklagten gar nicht darauf angekommen, einen Neuwagen zu erwerben; vielmehr sei es ihm lediglich darum gegangen, dass der Kaufpreis für das Fahrzeug habe finanziert werden können.

Schließlich habe der Beklagte auch die Anfechtungsfrist nicht eingehalten, denn er habe den Fahrzeugbrief, aus dem sich das Baujahr des Cabriolets ergebe, bereits 2013 erhalten, um das Fahrzeug zulassen zu können.

Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Beklagte nicht verpflichtet ist, weitere Zahlungen auf das Darlehen zu leisten (§ 359 I 1 BGB), und dass er Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Darlehensraten hat (§ 813 I 1, § 812 I 1 Fall 1 BGB).

1. Der Beklagte hat den Kaufvertrag mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 24.09.2015 wirksam angefochten.

a) Das Fahrzeug wurde im August 2011 produziert. Hiervon hat der Senat auszugehen. Das Bestreiten der Streithelferin mit Nichtwissen ist unbehelflich. Als Vertragshändlerin von Volkswagen ist es ihr ohne Weiteres möglich, das Produktionsdatum des Fahrzeugs anhand der Fahrzeug-Identifizierungsnummer über die Fahrzeughistorie herauszufinden, notfalls über eine Nachfrage beim Hersteller. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist daher nicht zulässig.

Im Übrigen ergibt sich das Produktionsdatum nicht, wie sie behauptet, aus dem Fahrzeugbrief (gemeint sein dürfte die Zulassungsbescheinigung Teil II). Es ergibt sich auch nicht aus der Zulassungsbescheinigung Teil I. Das ist allgemeinkundig. Aus der dort angegebenen Fahrzeug-Identifizierungsnummer kann lediglich das Modelljahr ersehen werden. Im Klartext ist es dort aber nicht aufgeführt, sondern lediglich mit einer Ziffer oder einem Buchstaben gekennzeichnet (vgl. www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/auto-kaufen-verkaufen/gebrauchtwagenkauf/auto-alter/). Als Daten sind in den Zulassungsbescheinigungen nur dasjenige der Erstzulassung (Feld B) und dasjenige der Erteilung der Allgemeinen Betriebserlaubnis (Feld 6) angegeben. Der Produktionszeitpunkt ist in den Zulassungsbescheinigungen hingegen nicht aufgeführt.

b) Der Beklagte wurde von der Streithelferin bei dem Abschluss des Kaufvertrags darüber getäuscht, dass das Fahrzeug länger als zwölf Monate, nämlich 24 Monate, vor dem Verkauf produziert worden war.

Die Parteien streiten darüber, inwieweit sie sich auf ein Neufahrzeug als Kaufgegenstand geeinigt haben. Der Streit besteht jedoch nicht über die zugrunde liegenden Tatsachen, die das Fahrzeug betreffen, oder die getroffenen Vereinbarungen. Vielmehr ist die Streithelferin der Auffassung, dass aufgrund der Vereinbarung über die Tageszulassung ein Neufahrzeug im Rechtssinne nicht mehr vorgelegen habe. Sie verweist auch darauf, dass in der Rechnung, die die Streithelferin dem Beklagten erteilte, der Wagen als Gebrauchtwagen ausgewiesen war.

Auf die Wortwahl bei der Bezeichnung in der Rechnung und selbst im Vertrag kommt es jedoch nicht entscheidend an. Entscheidend ist, dass der Wagen null Kilometer gefahren und bei der Streithelferin als Neuwagen angeboten worden war. Die Streithelferin trägt selbst ausdrücklich vor, dass es sich aus Sicht des Verkäufers und des Beklagten um einen Neuwagen gehandelt habe. Die Besonderheit gegenüber dem üblichen Verkauf eines Neuwagens war lediglich die Zusatzvereinbarung, dass das Fahrzeug noch eine Tageszulassung erhalten sollte und von der Streithelferin noch einen Monat und einen Tag genutzt werden durfte.

Bei dieser Sachlage erklärte die Streithelferin aber gleichwohl, dass es sich bei dem zu verkaufenden Fahrzeug um ein Neufahrzeug handelte. Denn es hatte zu diesem Zeitpunkt ja noch null Kilometer gefahren und war auch noch nicht zugelassen gewesen. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt im Verkauf eines Neuwagens durch einen Kraftfahrzeughändler grundsätzlich die Zusicherung, dass das verkaufte Fahrzeug die Eigenschaft hat, „fabrikneu“ zu sein. Dies ist der Fall, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, wenn es keine durch eine längere Standzeit bedingte Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen (BGH, Urt. v. 12.01.2005 – VIII ZR 109/04, juris Rn. 11 f. [noch zu § 459 BGB a.F.]). Daran ändert sich nichts, wenn beim Abschluss des Kaufvertrags die Vereinbarung getroffen wird, dass das Fahrzeug noch eine Tageszulassung erhält, bevor es dem Käufer übergeben wird. Denn dies betrifft lediglich die Zeit nach Abschluss des Kaufvertrags, aber nicht die Vereinbarung, dass der Wagen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses neu war.

Im Übrigen entspricht selbst ein als Jahreswagen verkauftes Gebrauchtfahrzeug regelmäßig nicht der vereinbarten Beschaffenheit, wenn zwischen der Herstellung und der Erstzulassung mehr als zwölf Monate lagen (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 180/05, juris).

Die Streithelferin hat somit bei Abschluss des Kaufvertrags konkludent erklärt, dass das Fahrzeug höchstens zwölf Monate vor Abschluss des Kaufvertrags hergestellt worden sei. Tatsächlich war es 24 Monate vorher hergestellt worden. Hierüber wurde der Beklagte getäuscht.

c) Die Täuschung erfolgte auch arglistig.

Arglist liegt vor, wenn der Täuschende vorsätzlich gehandelt hat. Dazu reicht es aus, wenn der Täuschende eine Erklärung ins Blaue hinein abgibt, er also weiß, dass er über die erklärte Tatsache nicht informiert ist, oder wenn eine Erkundigungspflicht besteht, ob die Erklärung tatsächlich zutrifft (vgl. BGH, Urt. v. 19.06.2013 – VIII ZR 183/12, juris Rn. 22 ff.).

So lag der Fall hier. Die Neuwageneigenschaft ist beim Kauf eines Fahrzeugs regelmäßig von zentraler Bedeutung. Die Streithelferin war daher gehalten, sich über den Produktionszeitpunkt des von ihr angebotenen Fahrzeugs zu informieren. Wenn der Hersteller, wie sie behauptet, den Produktionszeitpunkt von sich aus nicht mitteilt, ist sie gehalten nachzufragen. Jedenfalls darf sie sich, wenn sie das Herstellungsdatum nicht kennt, nicht darauf verlassen, dass der Hersteller den Wagen unmittelbar nach der Produktion anliefert, und so eine Erklärung über etwas abgeben, das sie nicht kennt.

d) Die Täuschung war auch kausal für den Vertragsschluss.

Für die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung genügt es, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (BGH, Urt. v. 12.05.1995 – V ZR 34/94, juris Rn. 17).

Die Neuwageneigenschaft ist regelmäßig zentral für die Kaufentscheidung. Sie beeinflusst wesentlich den Preis eines Fahrzeugs. Es ist damit davon auszugehen, dass der Beklagte den Wagen jedenfalls nicht zu dem vereinbarten Preis erworben hätte, wenn ihm die Tatsache, dass der Wagen bereits 24 Monate alt war, bewusst gewesen wäre. Daran änderte sich nichts, wenn der Beklagte tatsächlich in Betracht gezogen hätte, gegebenenfalls ein Gebrauchtfahrzeug zu erwerben. Denn der Beklagte hat sich im Ergebnis seiner Überlegungen für einen Neuwagen entschieden. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass er den Wagen zu diesem Preis auch gekauft hätte, wenn er über das Alter informiert gewesen wäre.

e)Die Anfechtungsfrist von einem Jahr ab Kenntnis der Täuschung (§ 124 BGB) ist eingehalten.

Die Anfechtung wurde mit anwaltlichen Schreiben vom 24.09.2015 erklärt. Das ist innerhalb der Jahresfrist, weil eine frühere Kenntnis des Beklagten von der Täuschung als im Jahr 2015 nicht anzunehmen ist. Der Beklagte hat dargelegt, dass er im Jahr 2015 erwogen hat, den Wagen zu verkaufen und die Finanzierung abzulösen, und sich deshalb zum Zwecke der Wertschätzung eine Expertise in einer Werkstatt eingeholt habe. Darin habe man ihm mitgeteilt, dass es sich bei dem Fahrzeug zum Zeitpunkt des Kaufs nicht mehr um einen Neuwagen gehandelt habe. Weitere Nachforschungen hätten dann ergeben, dass das Fahrzeug bereits im August 2011 produziert worden sei. Das ist von der Klägerseite nicht widerlegt worden. Sie trägt die Beweislast für das Versäumen der Anfechtungsfrist (BGH, Urt. v. 11.03.1992 – VIII ZR 291/90, juris Rn. 18; MünchKomm-BGB/Armbrüster, 8. Aufl., § 124 Rn. 9). Die Streithelferin kann sich nicht darauf berufen, dass der Beklagte schon aus dem Fahrzeugbrief das tatsächliche Produktionsdatum gekannt hat. In der Zulassungsbescheinigung Teil II, ebenso wie in Teil I, ist der Herstellungszeitpunkt, wie dargestellt, schon nicht angegeben. Andere Anhaltspunkte für eine frühere Kenntnis als im Jahr 2015 liegen nicht vor.

2. Damit ist der Kaufvertrag als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 I BGB) und der Beklagte berechtigt, weitere Zahlungen auf das Darlehen zu verweigern (§ 359 I 1 BGB) sowie die geleisteten Raten von der Klägerin zurückzuverlangen (§ 813 I, § 812 I 1 Fall 1 BGB).

a) Gemäß § 359 I 1 BGB kann der Verbraucher die Rückzahlung des Darlehens verweigern, soweit Einwendungen aus dem verbundenen Vertrag ihn gegenüber dem Unternehmer, mit dem er den verbundenen Vertrag geschlossen hat, zur Verweigerung seiner Leistung berechtigen würden.

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Der Beklagte hat den Kaufvertrag als Verbraucher geschlossen. Der Kaufvertrag und der Darlehensvertrag sind gemäß § 358 III BGB verbundene Verträge, weil sich die Klägerin bei dem Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung der Streithelferin bedient hat. Der Beklagte wäre wegen der Nichtigkeit des Kaufvertrags berechtigt, den Kaufpreis insgesamt nicht zu zahlen, und muss daher das Darlehen nicht zurückzahlen.

b) Der Beklagte hat zudem gegen die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der bereits gezahlten Darlehensraten aus § 813 I, § 812 I 1 Fall 1 BGB.

Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann zurückgefordert werden, wenn dem Anspruch eine Einrede entgegenstand, durch welche die Geltendmachung des Anspruchs dauernd ausgeschlossen war. Steht dem Käufer wegen der anfänglichen Nichtigkeit des Kaufvertrags das Recht zu, die Kaufpreiszahlung auf Dauer zu verweigern, so kann er dies nach § 359 BGB auch dem Anspruch des Kreditgebers entgegenhalten. Er hat dann auch einen Anspruch auf Rückzahlung der bereits geleisteten Darlehnsraten aus § 813 I, § 812 I 1 Fall 1 BGB (BGH, Urt. v. 04.12.2007 – XI ZR 227/06, juris Rn. 31 [für § 9 III 1 VerbrKrG a.F. für den Fall der Nichtigkeit des finanzierten Vertrags mangels Vertretungsmacht]; OLG Dresden, Urt. v. 03.11.1999 – 8 U 1305/99, juris Rn. 34 [für den Fall der Nichtigkeit gem. § 138 I BGB]).

Ob dies auch dann gilt, wenn die Nichtigkeit auf einer Anfechtung beruht, ist umstritten.

aa) Nach einer Meinung besteht auch in diesem Fall ein Anspruch nach § 813 I, § 812 I 1 Fall 1 BGB (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 359 Rn. 7; jurisPK-BGB/Hönninger, 8. Aufl., § 359 Rn. 15).

bb) Eine weitere Meinung hält die Voraussetzungen des § 813 BGB nicht für gegeben, leitet den Anspruch aber aus einer analogen Anwendung des § 358 IV 5 BGB her (Erman/Koch, BGB, 15. Aufl., § 359 Rn. 6).

cc) Nach einer dritten Auffassung besteht ein Rückzahlungsanspruch in dieser Konstellation nicht (MünchKomm-BGB/Habersack, 8. Aufl., § 359 Rn. 34 f., 67 f.; BeckOK-BGB/Müller-Christmann, Stand: 01.05.2019, § 359 Rn. 42 f.) oder nur für Raten, die nach einer Kündigung des Darlehensvertrags durch den Darlehensnehmer gemäß § 313 I, III BGB gezahlt wurden (Staudinger/Herresthal, BGB, Neubearb. 2017, § 359 Rn. 83).

dd) Der Senat folgt der zuerst genannten Auffassung. Die Gegenmeinung hält die Voraussetzungen des § 813 I BGB nicht für gegeben, weil die Anfechtbarkeit des Darlehensvertrags kein Leistungsverweigerungsrecht des Verbrauchers begründe und somit die Forderung des Darlehensgebers im Zeitpunkt der Leistungen nicht einredebehaftet gewesen sei. Auf die Anfechtbarkeit des Darlehensvertrags kommt es jedoch nicht an. Die Einrede i. S. des § 813 I BGB lag mit dem Leistungsverweigerungsrecht des § 359 BGB vor. Sie bestand wegen der ex tunc eingetretenen Wirkung der Anfechtung (§ 142 I BGB) auch schon von Anfang an. Der Senat sieht daher keinen Grund, die Nichtigkeit des finanzierten Geschäfts im Falle der Anfechtung anders zu behandeln als die Nichtigkeit mangels Einigung oder wegen Sittenwidrigkeit.

Einer Kündigung des Darlehensvertrags nach den Vorschriften über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 I, III BGB) bedarf es nicht, da sich das Leistungsverweigerungsrecht des Verbrauchers bei Nichtigkeit des finanzierten Vertrags bereits aus § 359 BGB unmittelbar ergibt.

c) Im Gegenzug kann die Klägerin die Abtretung der Kondiktionsansprüche des Beklagten gegen die Streithelferin verlangen. Das Landgericht hielt sich mit der Aufnahme dieser Zug um Zug zu erfolgenden Abtretung in den Tenor im Rahmen der Anträge des Beklagten. Weder die Klägerin noch die Streithelferin machen geltend, dass ein höherer Anspruch abzutreten sei, sodass der Senat hierüber nicht zu befinden hatte.

III. … Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 II 1 Nr. 1 ZPO). Die Frage, ob der Käufer nach Anfechtung des finanzierten Kaufvertrags die auf den verbundenen Darlehensvertrag gezahlten Raten zurückverlangen kann, ist höchstrichterlich nicht geklärt und wird von gewichtigen Stimmen in der Literatur, wie dargestellt, unterschiedlich beantwortet.

Hinweis: Die (nur) von der Streithelferin der Klägerin geführte Revision gegen dieses Urteil hat der BGH mit Urteil vom 15.06.2021 – XI ZR 568/19 zurückgewiesen.

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