1. Hat ein Kfz-Käu­fer den Kauf­preis für das Fahr­zeug über ein Dar­le­hen fi­nan­ziert und den – mit dem Dar­le­hens­ver­trag ver­bun­de­nen – Kauf­ver­trag wirk­sam an­ge­foch­ten, so kann er die (wei­te­re) Rück­zah­lung des Dar­le­hens ge­mäß § 359 I 1 BGB ver­wei­gern und die be­reits ge­zahl­ten Dar­le­hens­ra­ten vom Dar­le­hens­ge­ber zu­rück­ver­lan­gen (§ 813 I, § 812 I 1 Fall 1 BGB).
  2. Ein Kfz-Händ­ler, der ein Fahr­zeug als Neu­wa­gen ver­kauft, muss sich – not­falls durch ei­ne Nach­fra­ge beim Fahr­zeug­her­stel­ler – da­von ver­ge­wis­sern, dass das Fahr­zeug fa­brik­neu ist, dass al­so zwi­schen der Her­stel­lung des Fahr­zeugs und dem Ab­schluss des Kauf­ver­trags nicht mehr als zwölf Mo­na­te lie­gen. Der Händ­ler darf sich nicht dar­auf ver­las­sen, dass der Her­stel­ler das Fahr­zeug un­mit­tel­bar nach der Pro­duk­ti­on an ihn aus­ge­lie­fert ha­ben wer­de.

OLG Dres­den, Ur­teil vom 18.10.2019 – 9 U 841/19
(nach­fol­gend: BGH, Ur­teil vom 15.06.2021 – XI ZR 568/19)

Sach­ver­halt: Der Be­klag­te er­warb von der Streit­hel­fe­rin der Klä­ge­rin ein Ca­brio­let. Zur Fi­nan­zie­rung des Kauf­prei­ses schloss er mit der Klä­ge­rin ei­nen Dar­le­hens­ver­trag. Nach­dem die Klä­ge­rin die­sen Ver­trag ge­kün­digt und das Fahr­zeug ver­wer­tet hat­te, nahm sie den Be­klag­ten auf Zah­lung von noch 11.624,22 € nebst Zin­sen in An­spruch. Der Be­klag­te, der sei­ne auf den Ab­schluss des Kauf­ver­trags ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung an­ge­foch­ten hat­te, be­gehr­te – so­weit noch von In­ter­es­se – wi­der­kla­gend die Rück­zah­lung der an die Klä­ge­rin ge­leis­te­ten Dar­le­hens­ra­ten.

Der Be­klag­te be­stell­te das in Re­de ste­hen­de Fahr­zeug am 22.08.2013 bei der Streit­hel­fe­rin der Klä­ge­rin. In dem Be­stell­for­mu­lar heißt es vor­ge­druckt:

„Un­ter An­er­ken­nung der nach­fol­gend auf den Sei­ten 2 und 3 ab­ge­druck­ten Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen be­stel­le(n) ich/wir bei oben ge­nann­ter Fir­ma in se­ri­en­mä­ßi­gem Lie­fer­um­fang: …“

Es fol­gen die ge­naue Be­zeich­nung des ge­kauf­ten Fahr­zeugs und die „Son­der­aus­stat­tun­gen“, und zwar je­weils mit An­ga­be des Brut­to­kauf­prei­ses. Er­gän­zend ist auf dem For­mu­lar hand­schrift­lich fest­ge­hal­ten, das Ca­brio wer­de „als Ta­ges­zu­las­sung vom Au­to­haus X als Erst­zu­las­sung 1 Mo­nat + 1 Tag ge­nutzt“.

Das be­stell­te Fahr­zeug be­fand sich be­reits bei der Streit­hel­fe­rin Klä­ge­rin, als der Be­klag­te – der den Wa­gen zu­vor be­sich­tigt hat­te – das Be­stell­for­mu­lar un­ter­zeich­ne­te. Der Be­klag­te be­haup­tet, das Ca­brio­let sei im Au­gust 2011 pro­du­ziert wor­den. Die Streit­hel­fe­rin der Klä­ge­rin be­haup­tet, das Fahr­zeug sei ihr am 31.03.2013 von der Her­stel­le­rin, der Volks­wa­gen AG, ge­lie­fert wor­den.

Das Ca­brio­let wur­de am 26.08.2013 zu­nächst auf die Streit­hel­fe­rin der Klä­ge­rin zu­ge­las­sen. Ei­nie Wo­chen spä­ter wur­de es dem Be­klag­ten, der auf den Kauf­preis 1.580 € an­ge­zahlt hat­te, über­ge­ben und der Klä­ge­rin si­che­rungs­über­eig­net.

Nach­dem der Be­klag­te im Jahr 2013 sei­nen Zah­lungs­ver­pflich­tun­gen aus dem Dar­le­hens­ver­trag trotz Frist­set­zung nicht voll­stän­dig nach­ge­kom­men war, kün­dig­te die Klä­ge­rin den Dar­le­hens­ver­trag mit Schrei­ben vom 27.08.2015.

Der Be­klag­te er­klär­te mi Schrei­ben sei­nes da­ma­li­gen Rechts­an­walts vom 24.09.2015 ge­gen­über der Streit­hel­fe­rin der Klä­ge­rin die An­fech­tung sei­ner auf den Kauf­ver­trag ge­rich­te­ten Wil­lens­er­klä­rung mit der Be­grün­dung, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Ca­brio­let be­reits am 24.08.2011 pro­du­ziert wor­den sei.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen und der Wi­der­kla­ge statt­ge­ge­ben, so­weit der Be­klag­te von der Klä­ge­rin die Rück­zah­lung der ge­zahl­ten Dar­le­hens­ra­ten ver­lang­te. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, dass der Be­klag­te den Kauf­ver­trag wirk­sam an­ge­foch­ten ha­be. Er kön­ne da­her ge­mäß § 359 BGB die Rück­zah­lung des Dar­le­hens ver­wei­gern und ge­mäß § 813 I 1, § 812 I 1 BGB die be­reits ge­zahl­ten Dar­le­hens­ra­ten zu­rück­ver­lan­gen.

Mit ih­rer da­ge­gen ge­rich­te­ten Be­ru­fung hat die Streit­hel­fe­rin der Klä­ge­rin gel­tend ge­macht, dass sie den Be­klag­ten nicht arg­lis­tig über die Neu­wa­gen­ei­gen­schaft des streit­ge­gen­ständ­li­chen Ca­brio­lets ge­täuscht ha­be.

Viel­mehr sei von Be­ginn an ver­ein­bart ge­we­sen, dass der Be­klag­te ei­nen Ge­braucht­wa­gen er­wer­be. Nach der Recht­spre­chung des BGH be­sei­ti­ge näm­lich ei­ne Ta­ges­zu­las­sung die Neu­wa­gen­ei­gen­schaft ei­nes Fahr­zeugs nur dann nicht, wenn – an­ders als hier – das Fahr­zeug nur für kur­ze Zeit auf den Kfz-Händ­ler zu­ge­las­sen sei. Folg­lich sei Ge­gen­stand des hier in­ter­es­sie­ren­den Kauf­ver­trags ein Ge­braucht­wa­gen ge­we­sen.

Ihr, die Streit­hel­fe­rin der Klä­ge­rin, sei auch kei­ne Arg­list vor­zu­wer­fen. Das Bau­jahr des Ca­brio­lets sei ihr bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags un­be­kannt ge­we­sen, und sie ha­be sich dies­be­züg­lich ge­mäß § 138 IV ZPO mit Nicht­wis­sen er­klärt. Das Bau­jahr ei­nes Fahr­zeugs er­ge­be sich nur& aus der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II (Fahr­zeug­brief). Sie, die Streit­hel­fe­rin der Klä­ge­rin, ha­be in­des das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ih­rer­seits fi­nan­ziert, so­dass der Fahr­zeug­brief un­mit­tel­bar von der Fahr­zeug­her­stel­le­rin an die fi­nan­zie­ren­de Bank ge­langt sei. An­ga­ben „ins Blaue hin­ein“ ha­be sie nicht ge­macht.

Es feh­le im Üb­ri­gen an der Kau­sa­li­tät zwi­schen ei­nem Irr­tum des Be­klag­ten und dem Ab­schluss des Kauf­ver­trags. Es sei dem Be­klag­ten gar nicht dar­auf an­ge­kom­men, ei­nen Neu­wa­gen zu er­wer­ben; viel­mehr sei es ihm le­dig­lich dar­um ge­gan­gen, dass der Kauf­preis für das Fahr­zeug ha­be fi­nan­ziert wer­den kön­nen.

Schließ­lich ha­be der Be­klag­te auch die An­fech­tungs­frist nicht ein­ge­hal­ten, denn er ha­be den Fahr­zeug­brief, aus dem sich das Bau­jahr des Ca­brio­lets er­ge­be, be­reits 2013 er­hal­ten, um das Fahr­zeug zu­las­sen zu kön­nen.

Die Be­ru­fung hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Zu Recht hat das Land­ge­richt an­ge­nom­men, dass der Be­klag­te nicht ver­pflich­tet ist, wei­te­re Zah­lun­gen auf das Dar­le­hen zu leis­ten (§ 359 I 1 BGB), und dass er An­spruch auf Rück­zah­lung der ge­leis­te­ten Dar­le­hens­ra­ten hat (§ 813 I 1, § 812 I 1 Fall 1 BGB).

1. Der Be­klag­te hat den Kauf­ver­trag mit Schrei­ben sei­nes Rechts­an­walts vom 24.09.2015 wirk­sam an­ge­foch­ten.

a) Das Fahr­zeug wur­de im Au­gust 2011 pro­du­ziert. Hier­von hat der Se­nat aus­zu­ge­hen. Das Be­strei­ten der Streit­hel­fe­rin mit Nicht­wis­sen ist un­be­hel­flich. Als Ver­trags­händ­le­rin von Volks­wa­gen ist es ihr oh­ne Wei­te­res mög­lich, das Pro­duk­ti­ons­da­tum des Fahr­zeugs an­hand der Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer über die Fahr­zeug­his­to­rie her­aus­zu­fin­den, not­falls über ei­ne Nach­fra­ge beim Her­stel­ler. Ein Be­strei­ten mit Nicht­wis­sen ist da­her nicht zu­läs­sig.

Im Üb­ri­gen er­gibt sich das Pro­duk­ti­ons­da­tum nicht, wie sie be­haup­tet, aus dem Fahr­zeug­brief (ge­meint sein dürf­te die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II). Es er­gibt sich auch nicht aus der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil I. Das ist all­ge­mein­kun­dig. Aus der dort an­ge­ge­be­nen Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer kann le­dig­lich das Mo­dell­jahr er­se­hen wer­den. Im Klar­text ist es dort aber nicht auf­ge­führt, son­dern le­dig­lich mit ei­ner Zif­fer oder ei­nem Buch­sta­ben ge­kenn­zeich­net (vgl. www.​adac.​de/​rund-ums-fahrzeug/​auto-kaufen-verkaufen/​gebrauchtwagenkauf/​auto-alter/​). Als Da­ten sind in den Zu­las­sungs­be­schei­ni­gun­gen nur das­je­ni­ge der Erst­zu­las­sung (Feld B) und das­je­ni­ge der Er­tei­lung der All­ge­mei­nen Be­triebs­er­laub­nis (Feld 6) an­ge­ge­ben. Der Pro­duk­ti­ons­zeit­punkt ist in den Zu­las­sungs­be­schei­ni­gun­gen hin­ge­gen nicht auf­ge­führt.

b) Der Be­klag­te wur­de von der Streit­hel­fe­rin bei dem Ab­schluss des Kauf­ver­trags dar­über ge­täuscht, dass das Fahr­zeug län­ger als zwölf Mo­na­te, näm­lich 24 Mo­na­te, vor dem Ver­kauf pro­du­ziert wor­den war.

Die Par­tei­en strei­ten dar­über, in­wie­weit sie sich auf ein Neu­fahr­zeug als Kauf­ge­gen­stand ge­ei­nigt ha­ben. Der Streit be­steht je­doch nicht über die zu­grun­de lie­gen­den Tat­sa­chen, die das Fahr­zeug be­tref­fen, oder die ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen. Viel­mehr ist die Streit­hel­fe­rin der Auf­fas­sung, dass auf­grund der Ver­ein­ba­rung über die Ta­ges­zu­las­sung ein Neu­fahr­zeug im Rechts­sin­ne nicht mehr vor­ge­le­gen ha­be. Sie ver­weist auch dar­auf, dass in der Rech­nung, die die Streit­hel­fe­rin dem Be­klag­ten er­teil­te, der Wa­gen als Ge­braucht­wa­gen aus­ge­wie­sen war.

Auf die Wort­wahl bei der Be­zeich­nung in der Rech­nung und selbst im Ver­trag kommt es je­doch nicht ent­schei­dend an. Ent­schei­dend ist, dass der Wa­gen null Ki­lo­me­ter ge­fah­ren und bei der Streit­hel­fe­rin als Neu­wa­gen an­ge­bo­ten wor­den war. Die Streit­hel­fe­rin trägt selbst aus­drück­lich vor, dass es sich aus Sicht des Ver­käu­fers und des Be­klag­ten um ei­nen Neu­wa­gen ge­han­delt ha­be. Die Be­son­der­heit ge­gen­über dem üb­li­chen Ver­kauf ei­nes Neu­wa­gens war le­dig­lich die Zu­satz­ver­ein­ba­rung, dass das Fahr­zeug noch ei­ne Ta­ges­zu­las­sung er­hal­ten soll­te und von der Streit­hel­fe­rin noch ei­nen Mo­nat und ei­nen Tag ge­nutzt wer­den durf­te.

Bei die­ser Sach­la­ge er­klär­te die Streit­hel­fe­rin aber gleich­wohl, dass es sich bei dem zu ver­kau­fen­den Fahr­zeug um ein Neu­fahr­zeug han­del­te. Denn es hat­te zu die­sem Zeit­punkt ja noch null Ki­lo­me­ter ge­fah­ren und war auch noch nicht zu­ge­las­sen ge­we­sen. Nach der Recht­spre­chung des BGH liegt im Ver­kauf ei­nes Neu­wa­gens durch ei­nen Kraft­fahr­zeug­händ­ler grund­sätz­lich die Zu­si­che­rung, dass das ver­kauf­te Fahr­zeug die Ei­gen­schaft hat, „fa­brik­neu“ zu sein. Dies ist der Fall, wenn und so­lan­ge das Mo­dell die­ses Fahr­zeugs un­ver­än­dert wei­ter­ge­baut wird, wenn es kei­ne durch ei­ne län­ge­re Stand­zeit be­ding­te Män­gel auf­weist und wenn zwi­schen Her­stel­lung des Fahr­zeugs und Ab­schluss des Kauf­ver­trags nicht mehr als zwölf Mo­na­te lie­gen (BGH, Urt. v. 12.01.2005 – VI­II ZR 109/04, ju­ris Rn. 11 f. [noch zu § 459 BGB a.F.]). Dar­an än­dert sich nichts, wenn beim Ab­schluss des Kauf­ver­trags die Ver­ein­ba­rung ge­trof­fen wird, dass das Fahr­zeug noch ei­ne Ta­ges­zu­las­sung er­hält, be­vor es dem Käu­fer über­ge­ben wird. Denn dies be­trifft le­dig­lich die Zeit nach Ab­schluss des Kauf­ver­trags, aber nicht die Ver­ein­ba­rung, dass der Wa­gen zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses neu war.

Im Üb­ri­gen ent­spricht selbst ein als Jah­res­wa­gen ver­kauf­tes Ge­braucht­fahr­zeug re­gel­mä­ßig nicht der ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit, wenn zwi­schen der Her­stel­lung und der Erst­zu­las­sung mehr als zwölf Mo­na­te la­gen (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VI­II ZR 180/05, ju­ris).

Die Streit­hel­fe­rin hat so­mit bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags kon­klu­dent er­klärt, dass das Fahr­zeug höchs­tens zwölf Mo­na­te vor Ab­schluss des Kauf­ver­trags her­ge­stellt wor­den sei. Tat­säch­lich war es 24 Mo­na­te vor­her her­ge­stellt wor­den. Hier­über wur­de der Be­klag­te ge­täuscht.

c) Die Täu­schung er­folg­te auch arg­lis­tig.

Arg­list liegt vor, wenn der Täu­schen­de vor­sätz­lich ge­han­delt hat. Da­zu reicht es aus, wenn der Täu­schen­de ei­ne Er­klä­rung ins Blaue hin­ein ab­gibt, er al­so weiß, dass er über die er­klär­te Tat­sa­che nicht in­for­miert ist, oder wenn ei­ne Er­kun­di­gungs­pflicht be­steht, ob die Er­klä­rung tat­säch­lich zu­trifft (vgl. BGH, Urt. v. 19.06.2013 – VI­II ZR 183/12, ju­ris Rn. 22 ff.).

So lag der Fall hier. Die Neu­wa­gen­ei­gen­schaft ist beim Kauf ei­nes Fahr­zeugs re­gel­mä­ßig von zen­tra­ler Be­deu­tung. Die Streit­hel­fe­rin war da­her ge­hal­ten, sich über den Pro­duk­ti­ons­zeit­punkt des von ihr an­ge­bo­te­nen Fahr­zeugs zu in­for­mie­ren. Wenn der Her­stel­ler, wie sie be­haup­tet, den Pro­duk­ti­ons­zeit­punkt von sich aus nicht mit­teilt, ist sie ge­hal­ten nach­zu­fra­gen. Je­den­falls darf sie sich, wenn sie das Her­stel­lungs­da­tum nicht kennt, nicht dar­auf ver­las­sen, dass der Her­stel­ler den Wa­gen un­mit­tel­bar nach der Pro­duk­ti­on an­lie­fert, und so ei­ne Er­klä­rung über et­was ab­ge­ben, das sie nicht kennt.

d) Die Täu­schung war auch kau­sal für den Ver­trags­schluss.

Für die An­nah­me ei­nes Zu­sam­men­hangs zwi­schen Täu­schung und Ab­ga­be der Wil­lens­er­klä­rung ge­nügt es, dass der Ge­täusch­te Um­stän­de dar­ge­tan hat, die für sei­nen Ent­schluss von Be­deu­tung sein konn­ten, und dass die arg­lis­ti­ge Täu­schung nach der Le­bens­er­fah­rung bei der Art des zu be­ur­tei­len­den Rechts­ge­schäfts Ein­fluss auf die Ent­schlie­ßung hat (BGH, Urt. v. 12.05.1995 – V ZR 34/94, ju­ris Rn. 17).

Die Neu­wa­gen­ei­gen­schaft ist re­gel­mä­ßig zen­tral für die Kauf­ent­schei­dung. Sie be­ein­flusst we­sent­lich den Preis ei­nes Fahr­zeugs. Es ist da­mit da­von aus­zu­ge­hen, dass der Be­klag­te den Wa­gen je­den­falls nicht zu dem ver­ein­bar­ten Preis er­wor­ben hät­te, wenn ihm die Tat­sa­che, dass der Wa­gen be­reits 24 Mo­na­te alt war, be­wusst ge­we­sen wä­re. Dar­an än­der­te sich nichts, wenn der Be­klag­te tat­säch­lich in Be­tracht ge­zo­gen hät­te, ge­ge­be­nen­falls ein Ge­braucht­fahr­zeug zu er­wer­ben. Denn der Be­klag­te hat sich im Er­geb­nis sei­ner Über­le­gun­gen für ei­nen Neu­wa­gen ent­schie­den. Es ist nichts da­für er­sicht­lich, dass er den Wa­gen zu die­sem Preis auch ge­kauft hät­te, wenn er über das Al­ter in­for­miert ge­we­sen wä­re.

e)Die An­fech­tungs­frist von ei­nem Jahr ab Kennt­nis der Täu­schung (§ 124 BGB) ist ein­ge­hal­ten.

Die An­fech­tung wur­de mit an­walt­li­chen Schrei­ben vom 24.09.2015 er­klärt. Das ist in­ner­halb der Jah­res­frist, weil ei­ne frü­he­re Kennt­nis des Be­klag­ten von der Täu­schung als im Jahr 2015 nicht an­zu­neh­men ist. Der Be­klag­te hat dar­ge­legt, dass er im Jahr 2015 er­wo­gen hat, den Wa­gen zu ver­kau­fen und die Fi­nan­zie­rung ab­zu­lö­sen, und sich des­halb zum Zwe­cke der Wert­schät­zung ei­ne Ex­per­ti­se in ei­ner Werk­statt ein­ge­holt ha­be. Dar­in ha­be man ihm mit­ge­teilt, dass es sich bei dem Fahr­zeug zum Zeit­punkt des Kaufs nicht mehr um ei­nen Neu­wa­gen ge­han­delt ha­be. Wei­te­re Nach­for­schun­gen hät­ten dann er­ge­ben, dass das Fahr­zeug be­reits im Au­gust 2011 pro­du­ziert wor­den sei. Das ist von der Klä­ger­sei­te nicht wi­der­legt wor­den. Sie trägt die Be­weis­last für das Ver­säu­men der An­fech­tungs­frist (BGH, Urt. v. 11.03.1992 – VI­II ZR 291/90, ju­ris Rn. 18; Münch­Komm-BGB/Arm­brüs­ter, 8. Aufl., § 124 Rn. 9). Die Streit­hel­fe­rin kann sich nicht dar­auf be­ru­fen, dass der Be­klag­te schon aus dem Fahr­zeug­brief das tat­säch­li­che Pro­duk­ti­ons­da­tum ge­kannt hat. In der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II, eben­so wie in Teil I, ist der Her­stel­lungs­zeit­punkt, wie dar­ge­stellt, schon nicht an­ge­ge­ben. An­de­re An­halts­punk­te für ei­ne frü­he­re Kennt­nis als im Jahr 2015 lie­gen nicht vor.

2. Da­mit ist der Kauf­ver­trag als von An­fang an nich­tig an­zu­se­hen (§ 142 I BGB) und der Be­klag­te be­rech­tigt, wei­te­re Zah­lun­gen auf das Dar­le­hen zu ver­wei­gern (§ 359 I 1 BGB) so­wie die ge­leis­te­ten Ra­ten von der Klä­ge­rin zu­rück­zu­ver­lan­gen (§ 813 I, § 812 I 1 Fall 1 BGB).

a) Ge­mäß § 359 I 1 BGB kann der Ver­brau­cher die Rück­zah­lung des Dar­le­hens ver­wei­gern, so­weit Ein­wen­dun­gen aus dem ver­bun­de­nen Ver­trag ihn ge­gen­über dem Un­ter­neh­mer, mit dem er den ver­bun­de­nen Ver­trag ge­schlos­sen hat, zur Ver­wei­ge­rung sei­ner Leis­tung be­rech­ti­gen wür­den.

Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind ge­ge­ben. Der Be­klag­te hat den Kauf­ver­trag als Ver­brau­cher ge­schlos­sen. Der Kauf­ver­trag und der Dar­le­hens­ver­trag sind ge­mäß § 358 III BGB ver­bun­de­ne Ver­trä­ge, weil sich die Klä­ge­rin bei dem Ab­schluss des Dar­le­hens­ver­trags der Mit­wir­kung der Streit­hel­fe­rin be­dient hat. Der Be­klag­te wä­re we­gen der Nich­tig­keit des Kauf­ver­trags be­rech­tigt, den Kauf­preis ins­ge­samt nicht zu zah­len, und muss da­her das Dar­le­hen nicht zu­rück­zah­len.

b) Der Be­klag­te hat zu­dem ge­gen die Klä­ge­rin ei­nen An­spruch auf Er­stat­tung der be­reits ge­zahl­ten Dar­le­hens­ra­ten aus § 813 I, § 812 I 1 Fall 1 BGB.

Das zum Zwe­cke der Er­fül­lung ei­ner Ver­bind­lich­keit Ge­leis­te­te kann zu­rück­ge­for­dert wer­den, wenn dem An­spruch ei­ne Ein­re­de ent­ge­gen­stand, durch wel­che die Gel­tend­ma­chung des An­spruchs dau­ernd aus­ge­schlos­sen war. Steht dem Käu­fer we­gen der an­fäng­li­chen Nich­tig­keit des Kauf­ver­trags das Recht zu, die Kauf­preis­zah­lung auf Dau­er zu ver­wei­gern, so kann er dies nach § 359 BGB auch dem An­spruch des Kre­dit­ge­bers ent­ge­gen­hal­ten. Er hat dann auch ei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung der be­reits ge­leis­te­ten Dar­lehns­ra­ten aus § 813 I, § 812 I 1 Fall 1 BGB (BGH, Urt. v. 04.12.2007 – XI ZR 227/06, ju­ris Rn. 31 [für § 9 III 1 Ver­brKrG a.F. für den Fall der Nich­tig­keit des fi­nan­zier­ten Ver­trags man­gels Ver­tre­tungs­macht]; OLG Dres­den, Urt. v. 03.11.1999 – 8 U 1305/99, ju­ris Rn. 34 [für den Fall der Nich­tig­keit gem. § 138 I BGB]).

Ob dies auch dann gilt, wenn die Nich­tig­keit auf ei­ner An­fech­tung be­ruht, ist um­strit­ten.

aa) Nach ei­ner Mei­nung be­steht auch in die­sem Fall ein An­spruch nach § 813 I, § 812 I 1 Fall 1 BGB (Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 78. Aufl., § 359 Rn. 7; ju­risPK-BGB/Hön­nin­ger, 8. Aufl., § 359 Rn. 15).

bb) Ei­ne wei­te­re Mei­nung hält die Vor­aus­set­zun­gen des § 813 BGB nicht für ge­ge­ben, lei­tet den An­spruch aber aus ei­ner ana­lo­gen An­wen­dung des § 358 IV 5 BGB her (Er­man/Koch, BGB, 15. Aufl., § 359 Rn. 6).

cc) Nach ei­ner drit­ten Auf­fas­sung be­steht ein Rück­zah­lungs­an­spruch in die­ser Kon­stel­la­ti­on nicht (Münch­Komm-BGB/Ha­ber­sack, 8. Aufl., § 359 Rn. 34 f., 67 f.; Be­ckOK-BGB/Mül­ler-Christ­mann, Stand: 01.05.2019, § 359 Rn. 42 f.) oder nur für Ra­ten, die nach ei­ner Kün­di­gung des Dar­le­hens­ver­trags durch den Dar­le­hens­neh­mer ge­mäß § 313 I, III BGB ge­zahlt wur­den (Stau­din­ger/Her­res­thal, BGB, Neu­be­arb. 2017, § 359 Rn. 83).

dd) Der Se­nat folgt der zu­erst ge­nann­ten Auf­fas­sung. Die Ge­gen­mei­nung hält die Vor­aus­set­zun­gen des § 813 I BGB nicht für ge­ge­ben, weil die An­fecht­bar­keit des Dar­le­hens­ver­trags kein Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht des Ver­brau­chers be­grün­de und so­mit die For­de­rung des Dar­le­hens­ge­bers im Zeit­punkt der Leis­tun­gen nicht ein­re­de­be­haf­tet ge­we­sen sei. Auf die An­fecht­bar­keit des Dar­le­hens­ver­trags kommt es je­doch nicht an. Die Ein­re­de i. S. des § 813 I BGB lag mit dem Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht des § 359 BGB vor. Sie be­stand we­gen der ex tunc ein­ge­tre­te­nen Wir­kung der An­fech­tung (§ 142 I BGB) auch schon von An­fang an. Der Se­nat sieht da­her kei­nen Grund, die Nich­tig­keit des fi­nan­zier­ten Ge­schäfts im Fal­le der An­fech­tung an­ders zu be­han­deln als die Nich­tig­keit man­gels Ei­ni­gung oder we­gen Sit­ten­wid­rig­keit.

Ei­ner Kün­di­gung des Dar­le­hens­ver­trags nach den Vor­schrif­ten über den Weg­fall der Ge­schäfts­grund­la­ge (§ 313 I, III BGB) be­darf es nicht, da sich das Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht des Ver­brau­chers bei Nich­tig­keit des fi­nan­zier­ten Ver­trags be­reits aus § 359 BGB un­mit­tel­bar er­gibt.

c) Im Ge­gen­zug kann die Klä­ge­rin die Ab­tre­tung der Kon­dik­ti­ons­an­sprü­che des Be­klag­ten ge­gen die Streit­hel­fe­rin ver­lan­gen. Das Land­ge­richt hielt sich mit der Auf­nah­me die­ser Zug um Zug zu er­fol­gen­den Ab­tre­tung in den Te­nor im Rah­men der An­trä­ge des Be­klag­ten. We­der die Klä­ge­rin noch die Streit­hel­fe­rin ma­chen gel­tend, dass ein hö­he­rer An­spruch ab­zu­tre­ten sei, so­dass der Se­nat hier­über nicht zu be­fin­den hat­te.

III. … Die Re­vi­si­on ist zu­zu­las­sen, weil die Rechts­sa­che grund­sätz­li­che Be­deu­tung hat (§ 543 II 1 Nr. 1 ZPO). Die Fra­ge, ob der Käu­fer nach An­fech­tung des fi­nan­zier­ten Kauf­ver­trags die auf den ver­bun­de­nen Dar­le­hens­ver­trag ge­zahl­ten Ra­ten zu­rück­ver­lan­gen kann, ist höchst­rich­ter­lich nicht ge­klärt und wird von ge­wich­ti­gen Stim­men in der Li­te­ra­tur, wie dar­ge­stellt, un­ter­schied­lich be­ant­wor­tet.

Hin­weis: Die (nur) von der Streit­hel­fe­rin der Klä­ge­rin ge­führ­te Re­vi­si­on ge­gen die­ses Ur­teil hat der BGH mit Ur­teil vom 15.06.2021 – XI ZR 568/19 zu­rück­ge­wie­sen.

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