Verschweigt der Verkäufer eines Gebrauchtfahrzeugs dem privaten Käufer einen zu offenbarenden Mangel des Fahrzeugs und veräußert der Erstkäufer das Fahrzeug sodann an einen Kfz-Händler, der es seinerseits an einen privaten Käufer weiterveräußert, dann muss der Erstverkäufer dem letzten Käufer nicht wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) Schadensersatz leisten. Denn der Erstverkäufer musste jedenfalls nicht damit rechnen, dass der private Erstkäufer das Fahrzeug an einen Kfz-Händler veräußern wird.

LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 07.10.2004 – 12 O 2803/04
(nachfolgend: OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.03.2005 – 8 U 3720/04OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.04.2005 – 8 U 3720/04)

Sachverhalt: Der Kläger erwarb am 19.12.2000 von der S-GmbH ein gebrauchtes Harley-Davidson-Motorrad zum Preis von 29.000 DM. Im April 2001 stellte sich heraus, dass dieses Fahrzeug nicht mit dem im Fahrzeugschein eingetragenen, sondern mit einem anderen, leistungsschwächeren Motor ausgestattet war. Dieser Motor entsprach nicht den Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Eine daraufhin von dem Kläger gegen die S-GmbH erhobene Klage blieb erst- und zweitinstanzlich wegen Verjährung erfolglos.

Der Prozess gegen die S-GmbH ergab jedoch, dass die S-GmbH das in Rede stehende Motorrad von E erworben hatte, ohne Kenntnis davon zu haben, dass die Maschine nicht mit dem im Fahrzeugschein eingetragenen Motor ausgestattet war. E hatte das Motorrad seinerseits von O mit dem im Fahrzeugschein eingetragenen Motor erworben.

Vor diesem Hintergrund nahm der Kläger E gerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch. In diesem Verfahren stellte sich indes heraus, dass – entgegen der Vermutung des Klägers – E den Motor des Motorrads nicht verändert hatte. Vielmehr hatte E die Maschine an den jetzigen Beklagten veräußert und nach kurzer Zeit zurückgenommen. Der Kläger hat daher seine Klage gegen E nach Schluss der dortigen mündlichen Verhandlung auf den hiesigen Beklagten umgestellt. Das Landgericht hat dies als unzulässig bewertet; die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Der Kläger verlangt nunmehr von dem Beklagten Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB). Er behauptet, der Beklagte habe unter Vorlage falscher Belege ein unrichtiges TÜV-Gutachten und somit einen unrichtigen Fahrzeugschein erwirkt, um den Wert des streitgegenständlichen Motorrads zu steigern. Er habe einen in Wahrheit nicht erfolgten Umbau des Motorrads vorgetäuscht, um sich oder einem Dritten einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen, und einen Schaden des Klägers zumindest billigend in Kauf genommen. Dieser Schaden besteht nach Auffassung des Klägers in den von einem Sachverständigen ermittelten Kosten, die der Kläger für einen Umbau des Motorrads aufwenden müsste. Darüber hinaus verlangt der Kläger Ersatz der Kosten, die ihm für das Sachverständigengutachten entstanden sind, sowie der Kosten eines gegen die S-GmbH geführten selbstständigen Beweisverfahrens.

Der Beklagte tritt der auf Zahlung von 13.481,54 € nebst Zinsen gerichteten Klage entgegen. Er behauptet, er habe an dem Motorrad lediglich Wartungsarbeiten durchführen lassen, die keiner TÜV-Abnahme bedurft hätten. Umbauten, insbesondere solche, die Gegenstand der Klage seien, habe er nicht vorgenommen oder vornehmen lassen. Eine TÜV-Begutachtung sei nur deshalb erfolgt, weil das Motorrad keinen deutschen Fahrzeugschein gehabt habe. In diesem Zusammenhang habe er, der Beklagte, jedoch keine Angaben zur Motorisierung des Fahrzeugs gemacht, sondern lediglich die Daten weitergegeben, die er vom Importeur des Motorrads erhalten habe.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. 1. Das vom Kläger vorgetragene Verhalten des Beklagten erfüllt nicht den Tatbestand der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung gemäß § 826 BGB. Hierbei kann offenbleiben, ob der Beklagte wissentlich einen falschen Fahrzeugschein erwirkt hat. Denn der Anspruch scheitert bereits aus anderen Gründen.

Der Beklagte handelte nicht vorsätzlich hinsichtlich der vom Kläger behaupteten Schädigung.

Nach allgemeiner Ansicht muss sich der Vorsatz auf die Tatsachen beziehen, die den konkreten Tatbestand ausmachen. Bei § 826 ist somit zu fordern, dass der Täter Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens und den die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Tatsachen hat. Eine genaue Vorstellung von dem eintretenden Kausalverlauf ist nicht erforderlich. Darüber hinaus verzichtet die Rechtsprechung auch auf die Kenntnis von der Person des Geschädigten. Vielmehr reicht es aus, wenn „der Schädiger die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken konnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und billigend in Kauf genommen hat“ (MünchKomm-BGB/Wagner, 4. Aufl., § 826 Rn. 20).

Dies bedeutet nach Auffassung der Gerichts freilich nicht, dass ein Schädiger, der – wie hier zu unterstellen – eine falsche Urkunde in den Verkehr bringt, ohne jede Eingrenzung für alle Schäden jedweder Person haftbar zu machen ist, die durch den weiteren bestimmungsgemäßen Gebrauch Schaden erleidet, auf den konkreten Fall bezogen also auch dem nach einer Vielzahl von Zwischenverkäufen endlichen Erwerber. Es ist vielmehr entscheidend darauf abzustellen, was sich der Schädiger bei seiner Handlung als weiteren normalen Verlauf der Dinge vorstellte. Dazu kann bei einem Verkauf eines Kraftfahrzeugs gehören, dass es weiterverkauft werden könnte. In diese Richtung geht das Urteil des OLG Hamm, das entschieden hat, dass der Verkäufer eines gebrauchten Pkw, falls er beim Verkauf des Pkw an einen Gebrauchtwagenhändler einen schweren offenbarungspflichtigen Vorschaden verschweigt und der Gebrauchtwagenhändler das Fahrzeug weiterverkauft, auch dem Endabnehmer aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung hafte (OLG Hamm, Urt. v. 17.12.1996 – 27 U 152/96, NJW 1997, 2121, 2122). Der Kausalzusammenhang werde durch die Einschaltung des Zwischenhändlers nicht unterbrochen, wenn mit dem Wiederverkauf des Pkw gerechnet werden kann (so der nicht amtliche Leitsatz). Zu Recht hebt dieses Urteil aber darauf ab, dass es sich bei dem (ersten) Zwischenerwerber um einen Händler handelte, bei dem der Weiterverkauf die Regel ist. Im vorliegenden Fall fehlt aber gerade die Händlereigenschaft des ersten Zwischenerwerbers. Zu vermuten, dass dieser das Motorrad weiterveräußern werde, war zwar nicht abwegig, aber auch nicht sehr naheliegend. Dass sich an eine Weiterveräußerung eine weitere anschließen werde, weil der zweite Zwischenerwerber ein Händler sein werde, war aber gerade nicht mehr zu erwarten, überhaupt nicht mehr naheliegend.

Das Gericht ist deshalb mangels sonstiger Anhaltspunkte, die dennoch weitere nachfolgende Verkäufe und damit Abnehmer als mögliche Geschädigte wahrscheinlich erscheinen ließen, nicht davon überzeugt, dass der Beklagte diesen weiteren Verlauf auch im Rahmen der eingangs dargestellten weiten Vorsatzauffassung auch nur als Möglichkeit in seine Vorstellung aufgenommen hatte. Der vom Kläger lediglich pauschal und ohne Beweisantritt vorgetragenen Behauptung, der Beklagte habe mit dem „Vor-Vor-Besitzer“ hinsichtlich des falschen Fahrzeugbriefs „zusammengearbeitet“, war nicht nachzugehen.

Die vom Kläger zitierte Rechtsmeinung (BGH, Urt. v. 28.06.1966 – VI ZR 287/64, VersR 1966, 1032, 1034; MünchKomm-BGB/Mertens, 3. Aufl. [1997], § 826 Rn. 63 a. E.), dass die Erstellung eines falschen Gutachtens auch dann § 826 BGB unterfällt, wenn der böswillige Empfänger dieses nicht wie ursprünglich beabsichtigt, sondern gegenüber anderen, dem Ersteller unbekannten Personen verwendet, steht dem nicht entgegen. Denn die Verwendung des Gutachtens zur Täuschung gegenüber einer anderen Person stellt lediglich eine hier nicht erhebliche Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf dar.

2. Der Anspruch folgt auch nicht aus § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB. Insoweit fehlt schon die vorsätzliche Täuschung des Klägers durch den Beklagten.

II. Das Gericht hat den Rechtsstreit nicht gemäß § 149 ZPO ausgesetzt, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Selbst wenn der Beklagte einen falschen Fahrzeugbrief erwirkt und damit einen Straftatbestand verwirklicht haben sollte, wäre dies nicht entscheidungserheblich gewesen. …

Hinweis: Der 8. Zivilsenat des OLG Nürnberg hat mit Beschluss vom 22.03.2005 – 8 U 3720/04 – darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung des Klägers gemäß § 522 II ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg biete. In dem Hinweisbeschluss heißt es:

„Nach § 513 I ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Das Berufungsgericht hat gemäß § 529 I Nr. 1 ZPO die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen für eine Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung geboten ist.

Soweit mit der Berufung gerügt wird, das Erstgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dem Beklagten sei die Verkaufsabsicht des E nicht bekannt gewesen, da E kein Händler war, kann der Senat insoweit keinen Fehler des Erstgerichtes erkennen. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte zumindest hinsichtlich des Klägers nicht vorsätzlich handelte.

Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob der Beklagte gegenüber E als Vertragspartner sittenwidrig handelte, indem er verschwieg, dass das Motorrad nunmehr mit einem unrichtigen Fahrzeugschein versehen war, den der Beklagte möglicherweise durch Vorlage eines unrichtigen Gutachtens beim TÜV Parsberg erwirkte; denn selbst wenn dies so wäre, hat der Kläger als insoweit möglicher Schädiger nicht mehr für die Folgeschäden einzustehen, die mit dem Weiterverkauf von E an die S-GmbH und deren erneutem Weiterverkauf an den Kläger unter Umständen entstanden sind. Der Beklagte musste bei dem hier streitgegenständlichen Sachverhalt nicht mit diesem Kausalverlauf rechnen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

Es ist nicht vorgetragen, warum der Beklagte das Motorrad an E zurückgab, ob im Wege des Rückverkaufs oder der Rückabwicklung. Allein aus dem Umstand, dass der Beklagte das Zweirad von E zuvor erworben hatte und genau diesem wieder zurückgab, kann nicht geschlossen werden, dass der Beklagte damit rechnen musste, dass E dieses wiederum weiterveräußern und dass es sich bei diesem nächsten Erwerber um einen gewerblichen Kfz-Händler handeln würde, der wiederum seinerseits das Fahrzeug weiterveräußern würde. Es sind keinerlei Umstände ersichtlich, aus denen sich dieser Kausalverlauf für den Beklagten im Zeitpunkt der Rückgabe an E hätten ergeben können.

Das Landgericht hat auch insoweit nicht gegen eine Hinweispflicht verstoßen; denn es hat seine Entscheidung auf den vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt gestützt. Auch mit der Berufung trägt der Kläger keinerlei Tatsachen vor, aus denen der zwingende Schluss gezogen werden muss, dass der Beklagte mit diesem Kausalverlauf rechnen musste.

Der hier zu entscheidende Fall ist nicht vergleichbar mit der Rechtslage bei der Erstellung eines unzutreffenden Sachverständigengutachtens, bei dem der Sachverständige unter Umständen aufgrund der Art des Gutachtens und des Gutachtensauftrags damit rechnen muss, dass Dritte von dem Gutachten Kenntnis erlangen und dadurch einen Schaden erleiden. Es ist auch hier auf den konkreten Einzelfall abzustellen (vgl. z. B. BGH, Urt. v. 20.04.2004 – X ZR 255/02, NJW-RR 2004, 1464, 1465). Nicht jeder fällt in den Schutzbereich des Gutachtens und nicht auf jeden erstreckt sich ein möglicher bedingter Vorsatz.

Der Beklagte haftet auch nicht deshalb dem Kläger gegenüber, weil er – unterstellt, der Sachvortrag des Klägers träfe insoweit zu – Fahrzeugpapiere mit unzutreffendem Inhalt für das streitgegenständliche Motorrad hat erstellen lassen. Die §§ 18 ff. StVZO stellen kein Schutzgesetz i. S. des § 823 II BGB dar. Diese Vorschriften bezwecken nicht den Schutz einzelner Personen vor Vermögensbeeinträchtigungen, sondern dienen der Allgemeinheit und deren Interesse an der Zulassung verkehrstauglicher und ihrem Zustand nach nicht verkehrsgefährdender Fahrzeuge (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 17.10.1978 – VI ZR 236/75, WM 1979, 17 m. w. Nachw.).

Ebenso wenig kommt eine Haftung des Beklagten gemäß § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB in Betracht, da auch hier nicht mehr der Kläger (unterstellt, der strafrechtliche Tatbestand wäre erfüllt) in den Schutzbereich fällt, hier gilt das Gleiche wie bei einem Anspruch gemäß § 826 BGB.

Die Berufung hat somit keine Aussicht auf Erfolg. …“

Die Berufung des Klägers wurde sodann mit Beschluss des 8. Zivilsenats des OLG Nürnberg vom 18.04.2005 – 8 U 3720/04 – zurückgewiesen. In diesem Beschluss heißt es:

„Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Zur Begründung wird auf den Hinweis des Senat vom 22.03.2005 Bezug genommen (§ 522 II 3 ZPO). Das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 31.03.2005 hat der Senat geprüft; es stellt im Wesentlichen eine Wiederholung früherer Argumente dar, mit welchen sich der Senat bereits im Hinweis auseinandergesetzt hat, und veranlasst keine Änderung der Rechtsauffassung des Senats. Ergänzend ist lediglich noch zu bemerken:

Der Kläger hat keinerlei Umstände dvorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass der Beklagte bei der Rückgabe des Motorrads an E mit einem Verkauf des Fahrzeugs an den Kläger rechnen musste. Allein die Tatsache, dass das Motorrad zunächst von E stammte, reicht insoweit nicht aus. Wie schon das OLG Hamm (Urt. v. 17.12.1996 – 27 U 152/96, NJW 1997, 2121, 2122) entschieden hat, muss ein Kausalzusammenhang zwischen der schädigenden Handlung und dem Erwerb durch das Opfer bestehen. Der Vorsatz des Schädigenden muss bei einem Verkauf eines Fahrzeugs sich auch darauf beziehen, dass mit einem Wiederverkauf gerechnet werden muss. Das OLG Hamm hat diesen Vorsatz nur deshalb bejaht, weil derjenige, an den der dortige Beklagte das Fahrzeug veräußert hatte, einen gewerblichen Kfz-Handel betrieb. So liegt der hier zu entscheidende Fall gerade nicht. Unstreitig handelt es sich bei E um eine Privatperson. In einem solchen Fall muss nicht mit einem Weiterverkauf an Dritte und insbesondere nicht mit einem Weiterverkauf an einen gewerblichen Kfz-Handel gerechnet werden. Von einem bedingten Vorsatz kann hier nicht gesprochen werden. Allein die Tatsache, dass E zuvor das Motorrad an den Beklagten veräußert hatte und aus hier nicht bekannten Gründen später von diesem zurücknahm, kann einen bedingten Vorsatz des Beklagten insoweit nicht begründen.

Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert, hat der Senat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen. …“

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