1. Bei einem „Lunker“ (Gussfehler) im Motorblock eines neuen Wohnmobils, der zu einem Ölverlust führt und zumindest den Austausch des Motorblocks mit Kopf erfordert, ist eine Nacherfüllung durch Lieferung eines Ersatzfahrzeugs nicht unverhältnismäßig.
  2. Den Einwand der Unverhältnismäßigkeit (§ 439 III BGB) kann der Verkäufer nicht mehr erheben, wenn der Käufer bereits vom Kaufvertrag zurückgetreten ist.
  3. Das Verschulden nach § 281 BGB knüpft zeitlich an das Vertretenmüssen bei Ablauf der zur Nacherfüllung gesetzten Frist an und kann sich – bei einem vom Verkäufer nicht zu vertretenden Mangel – auf die unterlassene Nachlieferung beziehen. Es kommt also im Rahmen des § 281 BGB nicht darauf an, ob der Verkäufer den Mangel der Kaufsache zu vertreten hat, sondern darauf, ob er die fehlende Ersatzlieferung binnen der gesetzten Frist zu vertreten hat.

OLG Celle, Urteil vom 28.06.2006 – 7 U 235/05

Sachverhalt: Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Wohnmobil aus der Serie „G“ und Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin kaufte am 07.04.2004 bei der Beklagten ein Wohnmobil mit Tageszulassung zum Preis von 39.334 €. Nach einer Fahrstrecke von ungefähr 700 km stellte sie einen Ölverlust fest. Das Fahrzeug wurde in Absprache mit der Beklagten einer Werkstatt vorgestellt; dort wurde jedoch kein Fehler gefunden. Im August 2004 wurde das Fahrzeug wegen erneuten Ölverlusts wiederum untersucht. Hierbei wurde festgestellt, dass das Wohnmobil einen „Lunker“ (Gussfehler) im Motorblock aufwies. Die Beklagte bot daraufhin mit Schreiben vom 13.08.2004 den Einbau eines Teilemotors an. Die Klägerin wies durch Schreiben vom 16.08.2004 unter Fristsetzung darauf hin, dass eine einvernehmliche Lösung in dem Sinn, dass die Beklagte einen neuen Motor liefere, für beide Parteien zufriedenstellend sein dürfte. Hierauf reagierte die Beklagte unter dem 20.08.2004 dergestalt, dass sie den Austausch eines inkompletten Motors (Rumpfmotor mit Kopf) anbot. Mit Schreiben vom 01.09.2004 verlangte die Klägerin Nacherfüllung durch Lieferung eines Neufahrzeugs innerhalb eines Monats. Nach erfolglosem Fristablauf forderte sie mit Schreiben vom 12.10.2004 Schadensersatz statt der Leistung. Mit Schreiben vom 16.11.2004 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit Schreiben vom 25.11.2004 meldeten sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten und boten der Klägerin unter Hinweis auf § 439 III BGB den kostenlosen Einbau eines Teilemotors sowie einen Warengutschein von 500 € an.

Das Landgericht hat die Beklagte im Wesentlichen verurteilt, an die Klägerin 39.334 € Zug um Zug gegen Übergabe des Wohnmobils sowie weitere 6.586 € zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte der Klägerin nach erfolgtem Rücktritt gemäß §§ 437, 281 BGB Schadensersatz zu leisten habe. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 01.09.2005 eine angemessene Frist zur Nachlieferung gesetzt. Die Beklagte habe die Nacherfüllung zu spät unter Hinweis auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten verweigert und mangelndes Verschulden nicht dargelegt.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückabwicklung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags gemäß den §§ 437 Nr. 2, 323, 346 I und II BGB zu. Das streitgegenständliche Wohnmobil war zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft. Der von der Beklagten erhobene Einwand der Unverhältnismäßigkeit ist in der Sache unbegründet und zudem verspätet erfolgt. Ferner steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß den §§ 437 Nr. 3, 280 I und III, 281 BGB zu, da die Beklagte schuldhaft ein neues, vergleichbares Wohnmobil binnen der ihr gesetzten Frist nicht geliefert hat.

A. Anspruch der Klägerin aus Rücktritt

1. Das Wohnmobil war unstreitig zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit einem Mangel, nämlich dem Lunker im Motorblock, behaftet.

2. Der Klägerin stand das Recht auf Nacherfüllung zu, als sie der Beklagten mit Schreiben vom 01.09.2004 eine Frist zur Nachlieferung von einem Monat setzte.

a) Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt nicht gehindert, eine Nachlieferung von der Beklagten zu fordern. Zwar hatte die Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Nacherfüllung in Form der Neulieferung des Teilemotors angeboten, mit welcher sich die Klägerin nicht einverstanden erklärt hatte. Dabei obliegt zwar die Bestimmung des Umfangs der Mängelbeseitigung der Verkäuferin (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 301). Allerdings besteht das dem Käufer zukommende Wahlrecht nach § 439 I BGB so lange, wie mit einer Maßnahme noch nicht begonnen wurde. Dies ist vorliegend der Fall.

b) Die der Beklagten gesetzte Frist von einem Monat ist angemessen und wird im Übrigen auch nicht beanstandet.

c) Die Beklagte kann dem Begehren der Klägerin auf Nachlieferung den Einwand der Unverhältnismäßigkeit nicht mit Erfolg entgegenhalten.

aa) Die von der Klägerin geforderte Nachlieferung ist nicht unverhältnismäßig i. S. von § 439 III BGB. Die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllungskosten kann sich nur aus dem Vergleich mit dem Wert der vertraglich geschuldeten Sache für den Käufer ergeben (OLG Karlsruhe, Urt. vom 02.09.2004 – 12 U 144/04 [unter II 3], juris m. w. Nachw.). Hierbei ist gemäß § 439 III 2 BGB insbesondere auf den Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage abzustellen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden kann.

Es hat sich um einen wesentlichen Mangel gehandelt. Der Lunker im Motorblock hatte zur Folge, dass die Klägerin permanent auf den Ölverbrauch des Motors achten musste. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Wohnmobil um ein Neufahrzeug (mit Tageszulassung) handelt, hält es der Senat wegen der eintretenden Wertminderung nicht für hinnehmbar, dass sich die Klägerin bei einem derartigen Mangel mit einem Austausch des Motors zufriedengeben muss. Soweit die Beklagte im Übrigen behauptet, eine Reparatur würde nur 1.115 € zzgl. MWSt. kosten, übersieht sie, dass noch der Materialwert des Motors hinzutritt, was die Geschäftsführerin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch klargestellt hat.

bb) Das Landgericht hat nach Auffassung des Senats zu Recht die Ansicht vertreten, der Beklagte sei zudem zum Zeitpunkt der Erklärung mit der Einrede der Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen gewesen, da sie diese verspätet erhoben habe. Die Beklagte hat den Einwand der Unverhältnismäßigkeit nicht vor Ablauf der ihr gesetzten Frist zur Nachlieferung erhoben. Dies wäre aber erforderlich gewesen.

(1) Für die Auffassung des Landgerichts spricht der Gesetzestext. Hiernach kann der Verkäufer bei einer Unverhältnismäßigkeit die gewählte Art der Nacherfüllung verweigern. Die Nacherfüllung ist aber nicht mehr möglich, wenn der Käufer den Rücktritt vom Vertrag erklärt hat, da dieser dann in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt wird. Es tritt hinzu, dass gemäß § 439 III 3 BGB der Anspruch des Käufers bei einem Einwand der Unverhältnismäßigkeit auf die andere Art der Nacherfüllung erhalten bleibt. Diese andere Art ist ausgeschlossen, wenn der Käufer den Rücktritt erklärt hat.

Aus der Begründung des Diskussionsentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz … ergibt sich nichts Gegenteiliges. Insbesondere wird dort der Zeitpunkt, bis zu dem die Einrede der Unverhältnismäßigkeit möglich sein soll, weder erwähnt, noch wird dazu Stellung bezogen.

(2) Der Standpunkt der Beklagten, die als letztmöglichen Zeitpunkt zur Erhebung der Einrede der Unverhältnismäßigkeit auf die letzte mündliche Verhandlung abstellt, überzeugt nicht. Die von ihr herangezogene Literatur (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 364) bezieht sich auf die Ermittlung der für die Verhältnismäßigkeitsprüfung zu ermittelten Kosten, nicht auf den Zeitpunkt der Erhebung der Einrede.

(3) Soweit die Beklagte behauptet, sie habe durch einen Mitarbeiter mehrfach, zuletzt am 20.08.2004, darauf hingewiesen, dass eine Nachlieferung in keinem Verhältnis zu den Kosten stehe, hat das Landgericht dieses Vorbringen zu Recht gemäß § 296a ZPO als verspätet zurückgewiesen. Die Beklagte greift dies in der Berufung auch nicht auf.

d) Die Nachlieferung war auch nicht unmöglich oder unzumutbar nach § 275 I und II BGB.

Eine Unmöglichkeit ist nicht ausreichend dargelegt. Die Behauptung, die von der Firma D aufgelegte Serie „G“ sei im September 2004 komplett ausverkauft gewesen, ist unzureichend. Es wird durch diese Behauptung nicht ausgeschlossen, dass dieses Modell bei einem anderen Händler nicht mehr erhältlich gewesen wäre, da nicht klar ersichtlich ist, bei wem diese Serie ausverkauft gewesen sein soll. Zudem gab es anschließend nach eigenem Vorbringen der Beklagten das Modell „G“ der Baureihe 2005. Die Klägerin wäre nach Treu und Glauben gehalten gewesen, bei einem – vorliegenden – Gattungskauf geringere Abweichungen bei einer Nachlieferung des Wohnmobils hinzunehmen. Der Anspruch auf Ersatzlieferung bezieht sich auf den Fahrzeugtyp (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 324).

d) Die Klägerin muss sich gezogene Nutzungen gemäß § 346 I und II Nr. 3 BGB anrechnen lassen. Diese belaufen sich bei einer gefahrenen Kilometerleistung von 4.665 km und eine Abnutzung von 0,5 % des Kaufpreises pro gefahrene 1.000 Kilometer auf insgesamt 917,46 €. Bringt man diesen Betrag von dem Kaufpreis von 39.334 € in Abzug, ergibt sich eine Summe von 38.416,54 €.

B. Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz

1. Wegen des Mangels der Kaufsache und der erforderlichen wirksamen Fristsetzung wird auf die Ausführungen zu A 1 und A 2 verwiesen.

2. Die Beklagte hat schuldhaft gehandelt.

Schuldhaftes Handeln wird gemäß § 280 I 2 BGB vermutet, wobei im Rahmen des § 281 BGB nach weitgehender Auffassung in der Literatur Bezugspunkt das Vertretenmüssen bei Fristablauf ist (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 281 Rn. 16; Staudinger/Otto, BGB, Neubearb. 2004, § 281 Rn. B 98; Jauernig/Vollkommer, BGB, 10. Aufl., § 281 Rn. 12; MünchKomm-BGB/Ernst, 4. Aufl., § 281 Rn. 47). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Es kommt im Rahmen des § 281 BGB für die Frage des Schadensersatzes nicht darauf an, ob der Verkäufer den Mangel der Kaufsache zu vertreten hat, sondern ob er die fehlende Ersatzlieferung binnen der gesetzten Frist zu vertreten hat (Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 437 Rn. 37). Hierfür ist er darlegungs- und gegebenenfalls beweispflichtig.

An einem solchen Vortrag fehlt es hier. Die Beklagte hat nur ausgeführt, dass es sich bei dem Lunker im Motorblock um einen herstellerbedingten Mangel handele und sie als Händlerin hierfür nicht einzustehen bräuchte. Sie hat aber für die noch mögliche (siehe II A 2d) Ersatzlieferung einzustehen.

3. Die Klägerin ist so zu stellen, wie sie gestanden hätte, wenn die Beklagte im Zeitpunkt der Fälligkeit ordnungsgemäß geleistet hätte (Palandt/Heinrichs, a. a. O., ;§ 281 Rn. 25, 47).

a) Die Klägerin trägt unbestritten vor, sie müsse derzeit für ein vergleichbares Modell einen Kaufpreis von 44.009 € sowie für die als Zusatzausstattung vorhandenen Alufelgen 638 €, die Einschubvorrichtung 285 € und die Einschübe 313 € aufwenden.

b) Die weiter geltend gemachten, unstreitigen Kosten für TÜV und Kfz-Brief von 125 € sowie die Überführungskosten von 550 € für das Ersatzfahrzeug sind ebenfalls zu ersetzen, weil die entsprechenden Kosten im Preis für das Altfahrzeug von 39.334 € enthalten waren.

c) Die Klägerin muss sich keinen Abzug Alt für Neu dadurch gefallen lassen, dass sie für die Hingabe eines Gebrauchtfahrzeugs ein Neufahrzeug erhalten könnte. Dagegen spricht, dass ein Verkäufer verpflichtet ist, dem Käufer ein ordnungsgemäßes Neufahrzeug zu liefern, und im Fall einer Rückabwicklung hierfür Voraussetzung ist, dass er dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Der Käufer darf bei einer solchen Konstellation im Ergebnis nicht schlechter gestellt werden. Im Übrigen wird diesem Gedanken bereits dadurch Rechnung getragen, dass die von der Käuferin gezogenen Nutzungen gemäß § 346 II Nr. 3 BGB … berücksichtigt und in Abzug gebracht werden …

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