Bei der Prüfung, ob die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unverhältnismäßige Kosten erfordert, ist auch zu berücksichtigen, „ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte“ (§ 439 II 2 BGB). Sofern ein berechtigtes Interesse des Käufers an der von ihm gewählten Art der Nacherfüllung besteht, ist diese dem Verkäufer deshalb auch dann zuzumuten, wenn sie höhere Kosten als die andere Art der Nacherfüllung verursacht.

LG Duisburg, Urteil vom 25.06.2012 – 3 O 18/12

Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte auf Nacherfüllung in Form der Ersatzlieferung eines Wohnmobils in Anspruch. Dem liegt zugrunde, dass es bei einem fabrikneuen Wohnmobil, das der Kläger von der Beklagten am 02.12.2010 zum Preis von 100.400 € gekauft hatte, am 06.03.2011 zu einem Motorschaden kam. Die Behebung dieses Schadens wird nach einem in einem selbstständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachten voraussichtlich 8.077,35 € kosten.

Die Beklagte hält es für möglich, dass lediglich Reparaturkosten in Höhe von 3.000 € anfallen werden. Sie meint, eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung verursache unverhältnismäßige Kosten.

Die Klage hatte überwiegend Erfolg.

Aus den Gründen: Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Neulieferung eines mangelfreien Wohnmobils … aus §§ 433 I, 434 I, 437 Nr. 1, 439 I BGB zu.

Das vom Kläger bei der Beklagten gekaufte Wohnmobil weist einen Sachmangel i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf. Wie der Sachverständige im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens festgestellt hat, liegt ein Motorschaden vor …

Substanziiert hat die Beklagte auch nicht weiter vorgetragen, dass etwa der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe noch nicht vorgelegen habe oder der Mangel aufgrund eines Verschuldens seitens des Klägers eingetreten sei.

Gemäß § 439 I BGB kann der Kläger wegen des Mangels des gekauften Fahrzeugs die Lieferung eines neuen, mangelfreien Wohnmobils verlangen. Entgegen der Auffassung der Beklagten muss er sich … nicht mit der Reparatur des gekauften Fahrzeugs durch Einbau eines neuen Motors zufriedengeben.

Das Wahlrecht, ob die neue Lieferung im Wege der Beseitigung des Mangels oder der Neulieferung einer mangelfreien Sache erfolgt, steht gemäß § 439 I BGB dem Käufer zu. Der Kläger hat das ihm zustehende Wahlrecht durch Anwaltsschreien ausgeübt.

Die Beklagte kann die Neulieferung eines mangelfreien Fahrzeuges nicht unter Berufung auf § 439 III BGB verweigern, weil diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich sei. Die von ihr insoweit erhobene Einrede, für deren tatsächliche Voraussetzungen sie darlegungspflichtig ist, hat keinen Erfolg.

Unabhängig von der tatsächlich durchzuführenden Verhältnismäßigkeitskontrolle der möglicherweise anfallenden Kosten scheitert die von der Beklagten erhobene Einrede des § 439 III BGB … auch daran, dass bei der Beurteilung der Frage, ob die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unverhältnismäßige Kosten verursacht, nach § 439 III 2 BGB neben dem Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und der Bedeutung des Mangels auch zu berücksichtigen ist, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Neben dem Kostenvergleich spielt somit auch das Interesse des Käufers an der Neulieferung eines mangelfreien Fahrzeuges eine Rolle. Besteht ein berechtigtes Interesse des Käufers daran, dass die von ihm verlangte Variante der Nacherfüllung verwirklicht wird, ist dies dem Verkäufer auch dann zuzumuten, wenn sie höhere Kosten als die andere Art der Nacherfüllung verursacht.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Motorschaden eines solchen neuen Fahrzeugs um einen wesentlichen Mangel handelt. Hierbei kann zugunsten des Beklagten unterstellt werden, dass der Einbau eines werksneuen Motors dazu führt, dass das Neufahrzeug technisch keinen Wertverlust erleidet, weil ein Fahrzeug mit einem nachträglich eingebauten werksneuen Motor gleichwertig ist mit einem Fahrzeug mit dem ursprünglichen Motor. Denn selbst wenn ein Fahrzeug mit dem Erstmotor und ein Fahrzeug mit einem nachträglich eingebauten neuen Motor anders als im Falle eines Austauschmotors technisch als gleichwertig anzusehen ist, bleibt nach Auffassung des Gerichts dennoch ein merkantiler Minderwert, der daraus resultiert, dass im Verkehr eine Sache, die einen … Mangel aufgewiesen hat und dann repariert worden ist, in ihrer Wertschätzung geringer bewertet wird als eine von Anfang an mangelfreie Sache. Bei einem späteren Weiterverkauf des Fahrzeugs würde sich dies in dem zu erzielenden Verkaufserlös niederschlagen …

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