1. Dem Verkäufer eines Pkw mit Tageszulassung, dem vertragswidrig ein Antiblockiersystem und Airbags fehlen, ist die Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) eines mangelfreien, mit ABS und Airbags ausgestatteten Fahrzeugs nicht schon dann i. S. des § 275 I BGB unmöglich, wenn er ein solches Fahrzeug nicht (mehr) in seinem Bestand hat.
  2. Ob eine Nacherfüllung (hier: durch Ersatzlieferung) nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, kann nicht beurteilt werden, indem die Kosten, die für die Nacherfüllung aufzuwenden sind, ins Verhältnis zum Kaufpreis gesetzt werden. Abzustellen ist vielmehr auf die Relation zwischen den Kosten für die Nacherfüllung und dem Wert einer mangelfreien Kaufsache.
  3. Bei der Prüfung, ob eine Nacherfüllung (hier: durch Ersatzlieferung) nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, hat der Kaufpreis außer Betracht zu bleiben. Insbesondere wird bei einem für den Verkäufer wegen eines günstigen Kaufpreises „schlechten“ Geschäft die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllungskosten nicht eher erreicht, als dies bei einem höheren, dem Wert der Sache in mangelfreiem Zustand entsprechenden Kaufpreis der Fall wäre.

OLG Braunschweig, Beschluss vom 04.02.2003 – 8 W 83/02

Sachverhalt: Die Klägerin erwarb im April 2002 von der Beklagten, einer gewerblichen Autohändlerin, einen am 31.03.2002 erstzugelassenen Pkw Seat Ibiza mit einer Laufleistung von 10 km zum Preis von 11.390 €. Dieses Fahrzeug hatte die Beklagte sowohl im Internet als auch ausweislich einer im Fahrzeug ausliegenden Beschreibung als mit ABS und vier Airbags ausgestattet angeboten. Tatsächlich waren jedoch nur zwei Airbags vorhanden und verfügte das Fahrzeug nicht über ein Antiblockiersystem.

Die Klägerin forderte die Beklagte deshalb (vergeblich) zur Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs, das heißt eines Fahrzeugs mit den genannten Ausstattungsmerkmalen, auf. Das Angebot der Beklagten, den Seat Ibiza gegen Erstattung des Kaufpreises zurückzunehmen oder nachträglich einen Kaufpreisnachlass von 200 € zu gewähren, lehnte die Klägerin ab.

Gegen die auf Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs gerichtete Klage hat sich die Beklagte unter anderem damit verteidigt, die Nachlieferung sei für sie nicht zumutbar. Insoweit hat die Beklagte behauptet, die begehrte Nacherfüllung in Form einer Ersatzlieferung sei nicht mehr möglich, weil sie – die Beklagte – ein gleichartiges Fahrzeug mit der in Rede stehenden Ausstattung (ABS, vier Airbags) nicht in ihrem Bestand habe und auch nicht mehr besorgen könne. Dies wäre – so meint die Beklagte – für sie auch unzumutbar, weil das Fahrzeug der Klägerin dadurch, dass diese es benutzt habe, an Wert verloren habe. Außerdem habe die Klägerin das Fahrzeug zu einem besonders günstigen Preis erworben, weil der Listenpreis für einen Seat Ibiza, wie ihn die Klägerin erworben habe, 14.901 € betrage; der Listenpreis für ein Fahrzeug mit ABS und vier Airbags liege sogar um 750 € höher, also bei 15.651 €.

In der mündlichen Verhandlung vor dem LG Braunschweig hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zur Nachlieferung eines Fahrzeugs mit den genannten Ausstattungsbestandteilen, Zug um Zug gegen Rückgabe des gelieferten Fahrzeugs, zu verurteilen. Hilfsweise für den Fall, dass dies der Beklagten unzumutbar sei, hat die Klägerin beantragt, die Beklagte dazu zu verurteilen, das streitbefangene Fahrzeug mit einem Antiblockiersystem und und zwei Seitenairbags nachzurüsten. Hilfsweise für den Fall, dass auch dies für die Beklagte unzumutbar sein sollte, hat die Klägerin eine Minderung des Kaufpreises um 1.000 € begehrt.

Auf Vorschlag des Gerichts haben sich die Parteien sodann in einem Vergleich darauf verständigt, dass die Beklagte einmalig 750 € an die Klägerin zahlt und das Gericht über die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO entscheidet.

Das Landgericht hat daraufhin die Kosten des Rechtsstreits zu 93 % der Klägerin und zu 7 % der Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Nacherfüllung in Form der Nachlieferung gehabt habe. Das ergebe sich daraus, dass die Beklagte zur Beschaffung des nachzuliefernden Fahrzeugs ca. 3.500 € zusätzlich hätte aufwenden müssen. Demgegenüber sei der Mangel – fehlende Seitenairbags und fehlendes ABS – unstreitig mit nur 750 € zu bewerten, was auch den Kosten für eine Nachrüstung entspreche.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 91 II 1, 567 I Nr. 1 ZPO zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 569 I und II ZPO eingelegt worden. Dass die sofortige Beschwerde mit einem gesonderten Schriftsatz vom 28.11.2002, mithin außerhalb der Zwei-Wochen-Frist für ihre Einlegung, begründet worden ist, ist unschädlich. Die Begründung der sofortigen Beschwerde ist nicht zwingender Bestandteil der innerhalb der Notfrist des § 569 I ZPO einzureichenden Beschwerdeschrift (§§ 569 II, 571 I ZPO).

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Nach dem zum Zeitpunkt des am 30.08.2002 geschlossenen Vergleiches maßgeblichen Sach- und Streitstand sind nach billigem Ermessen die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen (§ 91a I ZPO).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts war der von der Klägerin geltend gemachte Nacherfüllungsanspruch auf Nachlieferung gemäß § 439 I Fall 2 BGB begründet.

Dass das durch die Klägerin von der Beklagten erworbene Fahrzeug aufgrund des Fehlens der zwei Seitenairbags und des ABS mit Mängeln behaftet war, welche die Klägerin grundsätzlich zur Geltendmachung von Gewährleistungsrechten berechtigte, hat das Landgericht zutreffend festgestellt. Da dies von den Parteien nicht mehr infrage gestellt wird, bedarf es hierzu keiner weiteren Erörterungen.

Indes hält die Auffassung des Landgerichts, die Beklagte habe die Erfüllung des von der Klägerin geltend gemachten Nachlieferungsanspruchs zu Recht gemäß § 439 III 1 BGB verweigert, einer Überprüfung nicht Stand.

Zunächst ist hervorzuheben, dass der Beklagten nicht das Recht zustand, die Nacherfüllung in Form der Nachlieferung wegen Unmöglichkeit (§ 275 BGB), zu verweigern. Hiervon ist offenbar auch das Landgericht ausgegangen, ohne dies jedoch in der angefochtenen Entscheidung kenntlich zu machen. Denn die Beklagte hat nichts Substanziiertes vorgetragen, woraus sich die Unmöglichkeit der Nachlieferung ergeben könnte. Unabhängig davon hat sie für ihre entsprechende – pauschale – Behauptung trotz Bestreitens der Klägerin keinen Beweis angeboten. Allein aus dem Umstand, dass die Beklagte womöglich kein Fahrzeug mehr im Bestand hat, das den vertragsgemäßen Ausstattungsumfang aufweist, folgt noch keine Unmöglichkeit i. S. von § 275 I BGB. Der teilweise vertretenen Auffassung, die Unterscheidung zwischen Gattungs- und Stückschulden sei auch nach Einführung des neuen Schuldrechts weiterhin von Bedeutung, weil die Ersatzlieferung als Form der Nacherfüllung bei einem Stückkauf von vornherein auszuscheiden habe, da die Lieferung einer anderen als der geschuldeten Sache nicht zum Pflichtenprogramm des Verkäufers gehöre (St. Lorenz, JZ 2001, 742 [743 f.]), kann nicht gefolgt werden. Diese einschränkende Sicht entspricht nicht der Intention der Neufassung des Kaufrechts. Die Einführung der Pflicht zur mangelfreien Lieferung (§ 433 I 2 BGB) und das daran anknüpfende Nacherfüllungsrecht (§ 439 I BGB) beruhen gerade auf dem Gedanken, dass der Verkäufer das Leistungsinteresse des Käufers durch Lieferung einer (nicht: der) mangelfreien Sache zu erfüllen hat. Unmöglichkeit dieser Leistungspflicht kann daher nur eintreten, wenn der Verkäufer eine mangelfreie Sache der geschuldeten Art nicht beschaffen kann (Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114 [2119]; vgl. auch die Begründung zu § 275 I RE, BT-Drs. 14/6040, S. 129). Da es vorliegend nicht ohne Weiteres auf der Hand liegt, dass ein gleichartiges Fahrzeug mit Seitenairbags und ABS auf dem Markt nicht mehr zu beschaffen ist, bedurfte es für die Darlegung der Voraussetzungen der Unmöglichkeit eines entsprechenden vereinzelten Sachvortrages seitens der Beklagten, welcher jedoch fehlt.

Demzufolge ist für die Beurteilung des Verweigerungsrechts der Beklagten allein entscheidend, ob die Nachlieferung mit nur unverhältnismäßigen Kosten möglich gewesen wäre (§ 439 III 1 Halbsatz 2 BGB). Das ist bereits unter Zugrundelegung des tatsächlichen Sachvortrages der Beklagten nicht der Fall.

Die Bezugnahme des Gesetzes auf den „Wert der Sache in mangelfreiem Zustand“ (§ 439 III 2 BGB) macht deutlich, dass sich die Unverhältnismäßigkeit der Kosten nicht etwa nach dem Verhältnis der Nacherfüllungskosten zum Kaufpreis, wie das das Landgericht angenommen hat, sondern zum objektiven Wert der Sache bestimmt. Diese Bezugnahme auf den Wert der Sache ist deshalb gerechtfertigt, weil der Verkäufer im Falle eines sogenannten Schnäppchens für den Käufer den in der Differenz von Kaufpreis und Wert liegenden Verlust bereits durch das für ihn – den Verkäufer – „schlechte Geschäft“ erlitten hat; es handelt sich also um einen Verlust, welcher der vertraglich vereinbarten Äquivalenz entspringt und der deshalb bei der Zumutbarkeitsprüfung des § 439 III BGB entgegen der Auffassung des Landgerichts vollständig außer Betracht zu bleiben hat (vgl. Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114 [2121]). Die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllungskosten kann sich auch in diesen Fällen nur aus dem Vergleich zum Wert der vertraglich geschuldeten Sache ergeben (Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114 [2121]).

Unter Zugrundelegung der von der Beklagten selbst angegebenen Marktsituation bedeutet das für den vorliegenden Fall Folgendes:

Die Nacherfüllungskosten betragen 750 €. Dies ist der Betrag, der nach dem Vorbringen der Beklagten sowohl für die Nachrüstungskosten als auch für die mit der Nachlieferung und Rücknahme des klägerischen Fahrzeuges verbundenen Mehrkosten anzusetzen ist. Hinsichtlich des letztgenannten Betrages hat ein etwaiger Wertverlust des klägerischen Fahrzeugs durch Eintragung eines weiteren Halters sowie durch den zwischenzeitlichen Gebrauch außer Betracht zu bleiben. Denn es ist nichts Substanziiertes dazu vorgetragen, in welcher Höhe hier ein weitergehender Wertverlust eingetreten ist. Die damit einheitlich mit 750 € zu veranschlagenden Nacherfüllungskosten machen in Bezug auf den Wert der mangelfreien Sache, der nach dem Vorbringen der Beklagten 15.651 € beträgt, einen Anteil von lediglich 4,7 % aus, sodass eine Unverhältnismäßigkeit i. S. von § 439 III 1 Halbsatz 2 BGB nicht vorlag.

Da die Klägerin demzufolge mit ihrem Hauptantrag auf Nacherfüllung in Form der Nachlieferung nach dem maßgeblichen Sach- und Streitstand obsiegt hätte, waren der Beklagten unter Abänderung der landgerichtlichen Kostenentscheidung die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen …

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