1. Erklärt der Verkäufer eines Gebrauchtwagens im Vorfeld des Vertragsschlusses (z. B in einem Internetinserat), das Fahrzeug sei unfallfrei, dann widerruft er diese Erklärung (noch) rechtzeitig, wenn er im Kaufvertrag deutlich darauf hinweist, dass er das Fahrzeug nicht auf Unfallspuren untersucht habe und deshalb frühere Unfälle auch nicht ausschließen könne.
  2. Der pauschalen und anpreisenden Erklärung des Verkäufers eines Gebrauchtwagens im Vorfeld des Vertragsschlusses, mit dem Fahrzeug sei „alles in bester Ordnung“, kann schon nicht entnommen werden, dass das Fahrzeug unfallfrei ist. Erst recht scheidet deshalb die Annahme aus, der Verkäufer habe durch diese Erklärung eine Beschaffenheitsgarantie für die Unfallfreiheit des Fahrzeugs übernommen.

LG Dresden, Urteil vom 29.03.2019 – 11 O 262/18
(nachfolgend: OLG Dresden, Beschluss vom 24.06.2019 – 4 U 928/19)

Sachverhalt: Der Kläger nimmt den Beklagten auf Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags in Anspruch.

Der Kläger wurde durch ein Inserat im Internet auf einen von dem Beklagten zum Kauf angebotenen Pkw BMW 330i aufmerksam. Er behauptet, dass es sich bei diesem Inserat um dasjenige handelte, von dem er im Rechtsstreit einen Ausdruck als Anlage K 2 vorgelegt hat. Dieses Inserat ist in spanischer Sprache verfasst und enthält die Angabe „libre de accidentes“ („unfallfrei“). Der Beklagte bestreitet, dass dieses Inserat von ihm stammt; er habe keinerlei Spanischkenntnisse und hätte deshalb keine Offerte in Spanisch abfassen können.

Jedenfalls teilte der Beklagte dem Kläger mit E-Mail vom 16.04.2017, dass mit dem Fahrzeug „alles in bester Ordnung“ sei. Nachdem der Kläger den BMW 330i bei dem Beklagten im Beisein der Zeugin Z besichtigt hatte, schlossen die Parteien am 26.04.2017 einen Kaufvertrag. Darin heißt es unter anderem:

„… gebraucht, wie ausgiebig besichtigt, unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung im Hinblick auf sichtbare und unsichtbare Mängel, insbesondere bezüglich des Kilometerstandes, früherer Unfälle und etwa auftretender Schäden infolge früherer Unfälle. Da das Fahrzeug vom Verkäufer nicht auf Unfallspuren und auf andere Mängel untersucht worden ist, können frühere Unfälle, Korrosionsschäden sowie andere sichtbare und unsichtbare Schäden an der Karosserie, am Fahrgestell, an der Bodengruppe oder am Motor auch nicht ausgeschlossen werden.“

Der BMW 330i wurde dem Kläger am 26.04.2017 gegen Zahlung des Kaufpreises übereignet.

In der Folgezeit wurde der Kläger anlässlich einer regulären Inspektion darauf aufmerksam gemacht, dass der Pkw einen größeren Unfallschaden erlitten haben müsse. Die Voreigentümerin des Fahrzeugs teilte dem Kläger daraufhin mit, dass der Wagen bei einem Unfall am 26.07.2016 einen wirtschaftlichen Totalschaden davongetragen habe.

Aufgrund dieser Information erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 02.08.2017 den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte den gezahlten Kaufpreis zurück.

Der Kläger meint, der Rücktritt sei wirksam, weil der BMW 330i – anders als von dem Beklagten in seinem Internetinserat und bei der Besichtigung des Pkw angegeben – nicht unfallfrei sei. Der im Kaufvertrag vereinbarte Gewährleistungsausschluss schütze den Beklagten nicht, zumal er – der Kläger – davon überzeugt sei, dass der Beklagte den Unfallschaden gekannt habe.

Der Beklagte hat sich auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen und bestritten, den BMW 330i als „unfallfrei“ beschrieben zu haben. Er sei zwar bei Abschluss des mit dem Kläger geschlossenen Kaufvertrags davon ausgegangen, dass das Fahrzeug unfallfrei sei, weil es in dem Kaufvertrag, mit dem er den Pkw angekauft habe, heiße, dass& das Fahrzeug keinen Unfallschaden aufweise. Er habe dem Kläger indes selbst auf konkrete Nachfrage im Verkaufsgespräch nicht bestätigt, dass der BMW 330i unfallfrei sei.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. … Der vom Kläger geltend gemachte Mangel „fehlende Unfallfreiheit“ ist jedenfalls vom zwischen den Parteien vereinbarten Gewährleistungsausschluss umfasst, sodass die hierauf gestützte Rücktrittserklärung unwirksam ist.

1. Ein Rücktrittsrecht des Klägers setzt voraus, dass das verkaufte Fahrzeug einen Sachmangel i. S. von § 434 I BGB aufweist, für welchen ein Haftungsausschluss i. S. von § 444 BGB nicht greift.

a) Für eine Beschaffenheitsangabe „unfallfrei“ des Beklagten im Internet (§ 434 I 2 Nr. 2, I 3 BGB kann sich der Kläger nicht auf das als Anlage K 2 vorgelegte, in spanischer Sprache verfasstes Angebot … berufen, nachdem der Beklagte bestreitet, dass dieses von ihm stamme. Den Text eines deutschen Angebots, nach dem Vortrag des Klägers im April 2017 auf „mobile.de“ veröffentlicht, hat der Kläger nach Bestreiten des Beklagten, das Fahrzeug sei dort nicht als unfallfrei beschrieben gewesen, nicht vorgelegt.

b) Soweit der Beklagte in einer E-Mail an den Kläger vom 16.04.2017 äußerte, es sei „alles in bester Ordnung“, ist hierin lediglich eine pauschale Erklärung mit Anpreisungscharakter zu sehen, der eine verbindliche Aussage zur Beschaffenheit hinsichtlich einer Unfallfreiheit nicht entnommen werden kann (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 2446, 3254 m. w. Nachw.).

c) Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien insbesondere anlässlich ihrer Anhörung im Termin am 06.02.2019 fragte der Kläger jedenfalls explizit nach der Unfallfreiheit des Fahrzeugs nach. Nach Bestreiten des Beklagten des Inhalts, er habe auf die Frage eine Unfallfreiheit nicht bestätigt, sondern geantwortet, dass er das nicht wisse, dass ihm nichts bekannt sei, hat der Kläger seine Behauptung, der Beklagte habe im Beisein der Zeugin Z bestätigt, das Fahrzeug sei unfallfrei, nicht mit letzten Zweifeln Schweigen gebietender Gewissheit bewiesen: Nach Erinnerung der Zeugin sei die Frage, ob das Auto sonst noch Schäden gehabt habe, vom Beklagten verneint worden. Ein konkreter Wortlaut der Frage, ob das Auto einen Unfall oder ob es Schäden gehabt habe, war der Zeugin nicht mehr erinnerlich. Dabei ist ein Schaden ohne konkrete Angaben zu dessen Ursachen nicht ohne Weiteres mit einem Unfallschaden gleichzusetzen, da – insbesondere bei einem Gebrauchtfahrzeug mit einer Laufleistung von über 90.000 km – auch andere Ursachen für Fahrzeugschäden denkbar sind.

d) Jedenfalls musste der Kläger die Angabe im Kaufvertrag vom 26.04.2017 als Widerruf einer etwa zuvor erhaltenen, nach dem oben Gesagten allerdings nicht bewiesenen Auskunft über eine Unfallfreiheit auffassen (vgl. zur Abgrenzung: BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 11 f.): Der Kaufvertrag wurde nach den übereinstimmenden Bekundungen der Parteien bei ihrer informatorischen Anhörung im Verhandlungstermin am 06.02.2019 am Ende der Verkaufsverhandlungen zeitlich nach den streitigen Äußerungen zur Unfallfreiheit unterschrieben. Dabei trug der Kläger seinen Namen, seine Adresse und Telefonnummer selbst ein, und er hat den einseitigen Vertragstext oberhalb der Unterschriften, einschließlich des Gewährleistungsausschlusses, auch gelesen. Der Text des Gewährleistungsausschlusses umfasst sieben fett gedruckte Zeilen an zentraler Stelle im Text, zwischen der Bezeichnung der Vertragsparteien und der Angabe des Kaufpreises. In diesem Textteil kommt vier Mal der Wortbestandteil „Unfälle“ bzw. „Unfall“ vor. Er enthält eine eindeutige Formulierung, dass insbesondere frühere Unfälle mangels Untersuchung des Verkäufers nicht ausgeschlossen werden und sich der vereinbarte Gewährleistungsausschluss auch auf frühere Unfälle bezieht. Dies ist eine klare und eindeutige Formulierung, welche von vom Kläger behaupteten, im Vorfeld mündlich abgegebenen Erklärungen deutlich und erkennbar abweicht. Die Rubriken „Besondere Vereinbarungen“ und „Besondere Zusicherungen“ beinhalten keinen Eintrag zur Unfallfreiheit. Unterzeichnet der Kläger diesen Vertragstext ohne Einschränkungen, hat er den dort geregelten Gewährleistungsausschluss auch hinsichtlich früherer Unfälle akzeptiert und ist hieran gebunden.

e) Erst recht hat der Beklagte keine Garantie für die Unfallfreiheit des Fahrzeugs in der Weise übernommen, dass er in vertragsmäßig bindender Weise seine Bereitschaft zu erkennen gegeben hätte, für alle Folgen des Fehlens der Unfallfreiheit einstehen zu wollen (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 20).

2. Der Kläger hat auch nicht darzulegen und zu beweisen vermocht, dass der Beklagte den Unfallschaden arglistig verschwiegen hat.

Der Kläger geht auf Grundlage einer Reihe von ihm behaupteter Tatsachen davon aus, dass dem Beklagten die Tatsache des erheblichen Unfallvorschadens bekannt war und demgemäß eine Aufklärungspflicht bestand. Allerdings ist nicht bewiesen, dass der Beklagte die Voreigentümerin V, in deren Obhut sich der Unfall offenbar ereignete und die das Fahrzeug unrepariert an die Firma F verkaufte, tatsächlich kannte und in diesem Zusammenhang Kenntnis vom Unfallschaden hatte. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Verkäufe der Firma F an H und von diesem an den Beklagten mit Kaufvertrag vom 04.01.2017 der Verschleierung und Vertuschung des Unfallschadens dienen sollten und die Beteiligten kollusiv zusammenwirkten, sind denkbar, aber vom hierfür darlegungs-und beweisbelasteten Kläger nicht bewiesen. So verbleibt es bei der nicht widerlegten Aussage des Beklagten, er habe das Fahrzeug selbst am 04.01.2017 mit der im schriftlichen Kaufvertrag enthaltenen Angabe erworben, dass dieses Fahrzeug keinen Unfallschaden hatte. …

Hinweis: Mit Beschluss vom 24.06.2019 – 4 U 928/19 – hat der 4. Zivilsenat des OLG Dresden darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe (§ 522 II ZPO). In dem Hinweisbeschluss heißt es:

„Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags verneint. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe greifen nicht durch. Denn sie zeigen keine konkreten Anhaltspunkte dafür auf, dass die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts unvollständig oder unrichtig sind. Solche konkreten Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus anderen Umständen, die es geböten, gemäß § 529 I Nr. 1 ZPO eine ergänzende Beweisaufnahme durchzuführen oder aber die erhobenen Beweise gegebenenfalls anders zu würdigen.

Im Einzelnen:

Der Kläger hat seine Behauptung, der Beklagte habe die Unfallfreiheit des Fahrzeugs zugesichert mit der Folge, dass diese vom später unstreitig vereinbarten Gewährleistungsausschluss nicht umfasst war, nicht bewiesen. Es gilt hier das Beweismaß des § 286 ZPO, was bedeutet, dass der Kläger den Vollbeweis für die von ihm aufgestellte Behauptung zu erbringen hat. Die von ihm behauptete Geschehensversion darf nicht nur als eine von mehreren Möglichkeiten in Betracht kommen, vielmehr muss das Gericht in einer Weise von der klägerischen Version überzeugt sein, die Zweifeln Einhalt gebietet, auch wenn sie sie nicht vollständig zum Schweigen bringen muss. Umgekehrt reicht weniger als die Überzeugung von der Wahrheit für das Bewiesensein nicht aus; ein bloßes Glauben, Wähnen oder Für-wahrscheinlich-Halten berechtigt den Richter nicht zur Bejahung des streitigen Tatbestandsmerkmals (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 286 Rn. 18 f. m. w. Nachw.). Gemessen an diesen Grundsätzen kann die landgerichtliche Beweiswürdigung nicht beanstandet werden. Dem Kläger ist zuzugeben, dass die von ihm aufgezählten Umstände, insbesondere der ‚Kettenverkauf‘ des Fahrzeugs, ungewöhnlich bis suspekt erscheinen. Wenn aber das Landgericht hieraus nicht den Schluss ziehen kann, dass auch und gerade der Beklagte und nicht nur möglicherweise seine Rechtsvorgänger, nämlich das Autohaus und der Zwischenkäufer H Kenntnis von dem Unfallschaden hatte, so ist dies nicht zu beanstanden, denn eine sichere Überzeugung von der Arglist des Beklagten ist hieraus nicht zu gewinnen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund des zwischen den Beklagten und dem Voreigentümer H geschlossenen Kaufvertrags, in dem zumindest zugesichert wurde, dass während der Inhaberschaft des H das Fahrzeug jedenfalls keinen Unfallschaden erlitten habe. Damit ist gerade nicht, wie der Kläger mit der Berufung meint, aufgrund einer ‚Vielzahl von Fakten‘ ein arglistiges Verschweigen des Beklagten nachgewiesen.

Das Landgericht war auch nicht verpflichtet, weiteren Beweis durch Einholung einer Auskunft der Internetplattform ‚mobile.de‘, wie vom Kläger in erster Instanz beantragt, einzuholen. Unabhängig von der prozessualen Frage, ob der Kläger nicht selbst verpflichtet gewesen wäre, sich um die Vorlage des in deutscher Sprache abgefassten Angebots des Beklagten zu kümmern, würde es dem Kläger für die von ihm aufgestellte Behauptung nicht weiterhelfen, wenn das Fahrzeug auch auf deutsch im Internet als ‚unfallfrei‘ beworben worden wäre.

Bei einer bloßen Beschreibung eines Gegenstands, der im Internet zum Verkauf angeboten wird, bedarf es regelmäßig der Auslegung, wie die Beschreibung zu verstehen ist, insbesondere, ob der Anpreisende tatsächlich eine Garantie dafür übernehmen bzw. eine Zusicherung erklären möchte, der Gegenstand weise die angepriesene Beschaffenheit auf. Regelmäßig lässt die Beschreibung eines Fahrzeugs als ‚unfallfrei‘ in Internetanzeigen, zumal wenn sie von Privatpersonen und nicht von gewerblichen Autohäusern erfolgt, nicht auf die Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie schließen (OLG Saarbrücken, Urt. v. 06.07.2016 – 2 U 54/15, juris Rn. 32 m. w. Nachw.). Mit der nicht weiter präzisierten Beschreibung ‚unfallfrei‘ ist nämlich nichts darüber ausgesagt, ob der Verkäufer damit zum Ausdruck bringen will, während seiner Besitzzeit sei es zu keinem Unfall gekommen, oder ob er tatsächlich garantieren will, dass auch vor seiner Besitzzeit – über die er als Privatperson unter Umständen gar keine Kenntnisse hat – kein Unfall passiert sei. Wenn – wie hier – hinzukommt, dass der Kauf nicht bereits im Internet vollzogen wird, wie etwa bei Internet-Versteigerungsplattformen, sondern es im Nachgang noch zu Verhandlungen kommt, in denen ausdrücklich darauf hingewiesen wird, man übernehme gerade keine Gewähr für die Unfallfreiheit des Fahrzeugs, kann der Käufer sich auf den Inhalt der Internetanzeige einer Privatperson nicht verlassen.

Generell gilt, dass die Frage, ob der Verkäufer eine verbindliche Gewähr für die ‚Unfallfreiheit‘ eines Gebrauchtwagens übernehmen wollte, anhand eines Katalogs von Auslegungskriterien und Anhaltspunkten unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden ist (z. B. wiederholte Nachfrage des Käufers bei den Verkaufsverhandlungen, Eindruck besonderer Sachkompetenz des Verkäufers etc.; OLG Rostock, Urt. v. 17.12.2003 – 6 U 227/02, juris Rn. 51 ff.).

Angesichts der auf das behauptete Inserat nachfolgenden Verhandlungen und angesichts des Wortlauts des Kaufvertragstextes sprechen die Umstände vorliegend eher gegen eine Zusicherung als für eine gewollte Gewährsübernahme.

Die übrigen Feststellungen des Landgerichts hat der Kläger nicht angegriffen, sie bieten auch ohnedies keinen Anlass zu Zweifeln. …“

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