1. Beim Gebrauchtwagenkauf ist ein Agenturgeschäft nicht generell ausgeschlossen oder verboten. Vielmehr bestehen ein praktisches Bedürfnis und anerkennenswerte Gründe für diese Gestaltungsmöglichkeit.
  2. Zum Schutz des Verbrauchers vor Missbrauch ist anhand einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise festzustellen, wer das wirtschaftliche Risiko des Verkaufs tragen soll. Soll das wirtschaftliche Risiko des Verkaufs beim privaten Verkäufer liegen, so besteht ein Kaufvertrag nur zwischen ihm und dem Käufer des Fahrzeugs. In diesem Verhältnis muss dann auch die Rückabwicklung erfolgen. Trägt dagegen der Gebrauchtwagenhändler das wirtschaftliche Risiko des Verkaufs, so liegen zwei Kaufverträge (privater Verkäufer – Händler, Händler – Käufer) vor.

OLG Stuttgart, Urteil vom 19.05.2004 – 3 U 12/04
(nachfolgend: BGH, Urteil vom 26.01.2005 – VIII ZR 175/04)

Sachverhalt: Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufvertrags.

Der Kläger kaufte am 28.10.2002 auf dem Gelände des beklagten Gebrauchtwagenhändlers einen Pkw. Der vom Kläger unterschriebene Kaufvertrag weist als Verkäufer einen Herrn H aus. Gleichzeitig wurde für das Fahrzeug ein Garantievertrag mit der Firma F abgeschlossen. Der Kaufpreis für das Fahrzeug wurde unter Vermittlung des Beklagten in Höhe von 14.000 € von der B-Bank finanziert; 990 € zahlte der Kläger direkt an.

Der Kläger hat vorgetragen, das Fahrzeug sei – wohl wegen eines Fehlers in der Elektronik – wenige Wochen später liegen geblieben.

Nachdem er den Beklagten erfolglos unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert hatte, hat der Kläger dem Beklagten gegenüber den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Er hat seine Ansprüche aus der Rückabwicklung darauf gestützt, dass ein Kaufvertrag direkt mit dem Beklagten zustande gekommen sei. Dass im Kaufvertrag ein Dritter als Verkäufer angegeben ist, sei ihm nicht aufgefallen, und er sei auch nicht auf die Vermittlungstätigkeit des Beklagten hingewiesen worden.

Der Kläger hat in erster Instanz die Freistellung von den Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der B-Bank, die Zahlung der von ihm bereits verauslagten Vertrags- und Finanzierungskosten Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs und die Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten begehrt. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass zwischen den Parteien kein Kaufvertrag zustande gekommen, sondern der Beklagte nur als Vermittler aufgetreten sei. Das Vermittlungsgeschäft stelle nicht zwangsläufig ein Umgehungsgeschäft i. S. des § 475 BGB dar; denn ein Agenturgeschäft könne eine wirtschaftlich vernünftige Alternative zu einem Eigengeschäft sein. Ein Missbrauch dieser Gestaltungsmöglichkeit durch den Beklagten sei nicht ersichtlich. Auch Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsschluss bestünden nicht, weil sich der Beklagte als Vermittler jedenfalls auf den zwischen den Kaufvertragsparteien vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen könne.

Mit der Berufung wandte sich der Kläger gegen die Feststellung des Landgerichts, ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 475 I 2 BGB sei nicht gegeben. Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Dem Landgericht ist darin Recht zu geben, dass ein Kaufvertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen ist, und der Kaufvertrag allenfalls zwischen den Kaufvertragsparteien, dem Privatverkäufer und dem Kläger, abzuwickeln wäre.

1. Der Senat ist der Ansicht, dass es sich vorliegend schon nicht um einen Verbrauchsgüterkauf i. S. der §§ 474 ff. BGB handelt, sodass auch das Umgehungsverbot des § 475 I 2 BGB nicht einschlägig ist.

a) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kaufvertrag schon wegen des formalen Umstands, dass er nicht zwischen den Parteien des Rechtsstreits geschlossen wurde, aus der Anwendung der Regelungen des Verbrauchsgüterkaufs herausfällt.

b) Das Agenturgeschäft beim Gebrauchtwagenkauf ist jedenfalls nicht generell ausgeschlossen oder verboten.

Die Gesetzgebungsgeschichte des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes lässt einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers nicht erkennen. Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens hat Reinking (DAR 2001, 8, 10) darauf hingewiesen, dass das Agenturgeschäft durch die geplanten Regelungen zum Verbrauchsgüterkauf wieder Auftrieb erfahren könnte und zu verbieten sei. Dem wurde nicht gefolgt. Vielmehr enthalten die Materialien keine Äußerungen zum Agenturgeschäft (zur Vorgeschichte Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rn. 976; Müller, NJW 2003, 1975, 1978).

Tatsächlich bestehen auch ein praktisches Bedürfnis und anerkennenswerte Gründe, ein Agenturgeschäft zu betreiben (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 975, 979; Müller, NJW 2003, 1975, 1978 f.). Dies lässt sich bereits aus den früheren Entscheidungen, die für die Umgehung der Umsatzsteuer getroffen wurden, entnehmen (BGH, Urt. v. 05.04.1978 – VIII ZR 83/77, NJW 1978, 1482; Urt. v. 24.11.1980 – VIII ZR 339/79, NJW 1981, 388). Bei Berücksichtigung sämtlicher am Gebrauchtwagenmarkt beteiligten Interessen ist ein solches Bedürfnis nicht zu bestreiten. Einerseits können die verkaufenden Verbraucher daran interessiert sein, ihr Fahrzeug auf möglichst einfache Weise ohne großen Aufwand loszuwerden. Es ist weiter gängige Praxis, ein gebrauchtes Fahrzeug beim Erwerb eines anderen Fahrzeugs in Zahlung zu geben. Zur Übernahme solcher Fahrzeuge können Händler aufgrund der tatsächlichen Marktverhältnisse faktisch gezwungen sein. Andererseits können Käufer beim Erwerb eines vermittelten Gebrauchtwagens im Gegenzug zur fehlenden Gewährleistung einen besseren Preis aushandeln. Die Suche, die Auswahl und der Kauf eines Fahrzeugs werden bei der Vermittlung eines Gebrauchtwagenhändlers unter anderem dadurch erleichtert, dass man bei einem Gang unter vielen Fahrzeugen wählen und eventuell auch fachkundige Beratung in Anspruch nehmen kann. Außerdem kann ein Gebrauchtwagenhändler beispielsweise andere Dienstleistungen wie Finanzierungsvermittlung, Garantievermittlung oder auch die Vorstellung des Fahrzeugs zur Abgasuntersuchung oder zum TÜV begleitend anbieten, was die Abwicklung für den Käufer vereinfacht. Der vermittelnde Gebrauchtwagenhändler ist daran interessiert, Fahrzeuge, insbesondere solche, die er mehr oder weniger in Zahlung nehmen muss, ohne Gewährleistung abgeben zu können. Außerdem muss er bei einer Agentur keinen Bestand an Gebrauchtwagen vorfinanzieren.

c) Gleichwohl ist der kaufende Verbraucher – entsprechend dem Sinn und Zweck der Vorschriften zum Verbrauchsgüterkauf – vor Missbrauchsfällen zu schützen. Dem ist dadurch Rechnung zu tragen, dass anhand einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise festzustellen ist, wer das wirtschaftliche Risiko des Verkaufs tragen soll (Faust,

Im vorliegenden Fall sind Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte das wirtschaftliche Risiko des Verkaufs tragen sollte, nicht ersichtlich. Der Beklagte hat die Vertragsunterlagen für den Vermittlungsvertrag vorgelegt. Darin sind Ansprüche des Beklagten gegenüber dem Verkäufer auf Provision und Standgeld, Fahrzeugüberführung, Versicherung enthalten. Beispielsweise enthalten sie jedoch nicht eine bestimmte Einstandspflicht für einen Mindestpreis, was ein Indiz für die Übernahme des wirtschaftlichen Risikos des Verkaufs sein könnte. Durch die Vernehmung des Zeugen Z ist außerdem belegt, dass Abweichungen vom geplanten Kaufpreis durchaus durch Rücksprache mit dem Privatverkäufer möglich waren. Darüber hinaus ist aus dem Vermittlungsvertrag, der auf längere Dauer angelegt ist, ersichtlich, dass der Verkäufer sein Recht behält, das Fahrzeug selbst zu veräußern. Dies zeigt, dass es sich bei der Vermittlung durch den Beklagten um eine Dienstleistung handelt und nicht ein Kaufgeschäft zwischen Verkäufer und Vermittler getätigt werden sollte.

Damit bleibt es jedoch bei den formal festgelegten Vertragsverhältnissen, die einen Rücktritt allenfalls im Verhältnis zum Privatverkäufer ermöglichen. Ansprüche gegen den Beklagten aus der Rückabwicklung des Kaufvertrags können daher nicht begründet sein.

Anhaltspunkte dafür, dass das Agenturgeschäft im vorliegenden Fall missbräuchlich eingesetzt wurde, sind nicht gegeben.

2. Die anderen in der Literatur diskutierten Lösungsansätze umgehen meist die Frage des Verbrauchsgüterkaufs und werfen die Frage auf, ob eine Umgehung i. S. des § 475 I 2 BGB vorliegt. Mit den Rechtsfolgen beschäftigen sie sich jedoch überwiegend nicht.

Die Meinungen, die ein Agenturgeschäft grundsätzlich als Umgehung betrachten (vgl. Zitate bei Müller, NJW 2003, 1975 Fn. 25 und Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 979), verschließen die Augen vor dem praktischen Bedürfnis und der wirtschaftlichen Nachfrage nach Agenturgeschäften. Die Meinungen, die ein Agenturgeschäft generell und ohne Einschränkung zulassen wollen (Jauernig/Berger, BGB, 10. Aufl., § 475 Rn. 6; Ziegler/Rieder, ZIP 2001, 1789, 1791), vernachlässigen die Fälle der missbräuchlichen Verwendung dieser Vertragsgestaltung.

Die differenzierenden Meinungen ordnen das Agenturgeschäft dem § 475 I 2 BGB unter. Da sie jedoch nicht generell von einem Verbot des Agenturgeschäfts ausgehen, müssen sie Kriterien dazu entwickeln, was als Umgehung anzusehen ist und was nicht. Einerseits greifen sie dafür auf vernünftige und wirtschaftlich verständliche Gründe für die gewählte Gestaltung (Hermanns, ZfS 2001, 437, 440), andererseits auf die Frage der Transparenz zurück (Müller, NJW 2003, 1975). Soweit Hermanns auf vernünftige oder wirtschaftlich verständliche Gründe zurückgreift, deckt sich dies von der Grundüberlegung her im praktischen Ergebnis beinahe mit der vom Senat vertretenen Meinung. Allerdings stellt sich das Problem, dass § 475 I 2 BGB lediglich die Berufung auf eine derartige Vereinbarung verbietet, jedoch keine Klärung dazu herbeiführt, wie die verschiedenen Rechtsbeziehungen (Privatverkäufer – Händler, Händler – Verbraucherkäufer) dann ausgestaltet sein sollen. Für das Kriterium der vernünftigen und wirtschaftlich verständlichen Gründe sprechen die Definitionen zur Frage der Umgehung, sei es zu § 475 I BGB (Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl., § 475 Rn. 6: „ohne wirtschaftlichen Grund“) oder zu § 312f I BGB (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 312f Rn. 2: „gleiche Interessenlage“). Die Meinungen, die § 475 I 2 BGB anwenden, müssen insbesondere erläutern, wie das formale Verhältnis zwischen kaufendem und verkaufendem Verbraucher gelöst wird. Denn der verkaufende Verbraucher ist an der Frage des § 475 I BGB nicht beteiligt.

Generell wird ein Rücktritt in einem Verhältnis zu einem Dritten dogmatisch kaum durchführbar sein. Vergleichbare Lösungen gab es bisher zwar schon bei der Sachwalterhaftung des Vermittlers nach c. i. c. (alten Rechts), allerdings ging es dort immer um Schadensersatz, der dann zu entsprechenden Folgen führte, nicht jedoch um eine gesetzliche Rückabwicklung (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1037 f.).

Der Transparenzgedanke (Müller, NJW 2003, 1975) stammt eher aus dem Gebiet des Vertretungsrechts und setzt weniger an der Frage einer Umgehung an als vielmehr an der Frage, zwischen welchen Parteien tatsächlich ein Vertrag zustande gekommen ist. Auch diese Meinung führt nicht aus, wie der Standardfall einer Rückabwicklung im Gebrauchtwagenhandel durchzuführen wäre. Selbst unter dem vom Landgericht herangezogenen Gedanken der Transparenz ist jedoch im vorliegenden Fall von einem Umgehungsgeschäft nicht auszugehen. Der vom Kläger unterschriebene Kaufvertrag nennt einen Dritten, dessen Name und Anschrift sich deutlich von den Personalien des Beklagten unterscheidet. Damit weist er ausdrücklich auf einen fremden Verkäufer hin. Auch der Gewährleistungsausschluss ist aufgeführt. Darüber hinaus wurde eine Garantie abgeschlossen, deren Bedeutung sich nur im Zusammenhang mit dem Gewährleistungsausschluss erklären lässt.

Demgegenüber sind die vom Kläger herangezogenen Umstände nicht maßgeblich. Der Garantievertrag wurde – wie sich aus den Garantieunterlagen ergibt – nicht mit dem Beklagten, sondern mit der Firma F abgeschlossen. Zu Beginn des Formulars des Garantievertrages ist sogar auf die Gewährleistung durch den Verkäufer hingewiesen. Dort ist Platz für die Bezeichnung des Gewährleistung übernehmenden Verkäufers, der nicht ausgefüllt ist. Die Tatsache, dass der Darlehensantrag eine Zahlung des Darlehensbetrags an den Fahrzeughändler vorsieht, ist ebenfalls für die Feststellung eines Eigengeschäfts unergiebig. Nachvollziehbar ist, dass der Händler ein vorgefertigtes Formular der Bank verwenden muß. Wäre es allein für die Fälle entwickelt, in denen die Händler zugleich Verkäufer sind, wäre die Verwendung des Worts „Verkäufer“ einfacher gewesen. Der vorliegende Fall zeigt, dass die Formulierung im Darlehensantrag gerade auch für die Fälle, in denen wie vorliegend eine Inkassovollmacht des Verkäufers gegeben ist, passt. Im Falle einer Inkassobevollmächtigung des Händlers ist aus der direkten Bezahlung des Klägers an den Beklagten kein Indiz auf ein Eigengeschäft abzuleiten. Auch die Werbung des Beklagten mit Visitenkarten oder ähnlichem ist nicht allein ausschlaggebend. Denn der Kläger hat nicht vorgetragen, dass ihm irgendeine dieser Unterlagen vorgelegen und bei ihm den falschen Eindruck hinterlassen hätte.

Zweifelsohne kann eine Vermittlung noch deutlicher zum Ausdruck gebracht werden. Für die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits unter dem Gesichtspunkt der Transparenz wäre jedoch maßgebend, ob die vorliegenden Umstände als ausreichend anzusehen sind, nicht jedoch, ob sie verbessert werden könnten.

3. Ansprüche des Klägers unter dem Gesichtspunkt der § 311 II BGB (früher c. i. c.) sind nicht mehr Gegenstand der Berufung. Insofern ist die zutreffende Entscheidung des Landgerichts nicht angegriffen. …

Hinweis: Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Klägers war erfolglos (BGH, Urt. v. 26.01.2005 – VIII ZR 175/04).

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