1. Fällt eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei ihrer Verwendung gegenüber Verbrauchern unter eine Verbotsnorm des § 309 BGB, so ist dies ein Indiz dafür, dass sie auch im Falle der Verwendung gegenüber Unternehmern zu einer unangemessenen Benachteiligung führt, es sei denn, sie kann wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs ausnahmsweise als angemessen angesehen werden (im Anschluss an BGH, Urt. v. 08.03.1984 – VII ZR 349/82, BGHZ 90, 273, 278).
  2. Eine umfassende Freizeichnung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (hier: eines Gebrauchtwagenkaufvertrags), nach der die Haftung des Klauselverwenders auch für Körper- und Gesundheitsschäden (§ 309 Nr. 7 lit. a BGB) und für sonstige Schäden auch bei grobem Verschulden (§ 309 Nr. 7 lit. b BGB) ausgeschlossen ist, ist nicht nur gegenüber Verbrauchern, sondern ebenso im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders unwirksam.

BGH, Versäumnisurteil vom 19.09.2007 – VIII ZR 141/06

Sachverhalt: Der Kläger kaufte von der Beklagten, einer Vertragshändlerin, am 27.11.2003 ein gebrauchtes Kraftfahrzeug (Erstzulassung Juni 1996) nebst Zubehör zum Preis von 30.160 €. Das bei dem Kauf von der Beklagten verwendete Vertragsformular enthält in den Rubriken „Gesamtfahrleistung nach Angaben des Vorbesitzers“ und „Stand des Kilometer-Zählers“ jeweils die handschriftliche Eintragung „25.760“. Im Übrigen heißt es im vorgedruckten Text, der Käufer bestelle hiermit das gebrauchte Fahrzeug „zu den nachfolgenden und umseitigen Geschäftsbedingungen … unter Ausschluss jeder Gewährleistung“. Der Vertrag wurde vollzogen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.02.2004 erklärte der Kläger die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung, nachdem sich herausgestellt hatte, dass das Fahrzeug entgegen dem Stand des Kilometerzählers und der Angabe im Kaufvertrag nicht 25.760 km, sondern etwa 75.000 km gefahren war und die Anzahl der Betriebsstunden nicht – wie bei Vertragsschluss entsprechend der Anzeige des Betriebsstundenzählers angenommen – 600 Stunden, sondern etwa 3.900 Stunden betrug.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs sowie Zahlung weiterer 5.782,29 € nebst Zinsen als Schadensersatz begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Rückabwicklungsbegehren mit der Maßgabe weiter, dass er dieses nur noch auf vertragliche Ansprüche wegen Mängeln des Fahrzeugs stützt. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Schadensersatz macht der Kläger im Revisionsverfahren nicht mehr geltend; hinsichtlich der Nebenforderung hat er die Revision teilweise zurückgenommen. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Aus den Gründen: [4]    Über das Rechtsmittel ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Revisionsverhandlung nicht anwaltlich vertreten war; inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer umfassenden Würdigung des Sach- und Streitstandes (BGH, Urt. v. 04.04.1962 – V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.).

[5]    Das Berufungsgericht hat, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

[6]    Gewährleistungsansprüche aus dem Kaufvertrag stünden dem Kläger aufgrund des vertraglichen Gewährleistungsausschlusses nicht zu. Die Sondervorschriften über den Verbrauchsgüterkauf fänden keine Anwendung, weil der Kläger kein Verbraucher sei. Der Beklagten sei die Berufung auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss nicht nach § 444 Fall 1 BGB verwehrt, weil die Beklagte den Mangel der unrichtigen Kilometer- und Betriebsstundenanzahl nicht arglistig verschwiegen habe; sie habe diesen Mangel nicht gekannt und auch nicht erkennen können. Auch habe sie insoweit keine Garantie abgegeben.

[7]    II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Dem Kläger steht der im Revisionsverfahren nur noch geltend gemachte Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags zu (§ 437 Nr. 2 Fall 1, § 326 V BGB). Dieser Anspruch scheitert nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, an dem im Kaufvertrag vereinbarten Haftungsausschluss. Der im Vertragsformular vorgedruckte Haftungsausschluss ist gemäß § 307 I und II BGB i. V. mit § 310 I 2, § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB unwirksam.

[8]    1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass bei dem Fahrzeug ein Sachmangel (§ 434 I BGB) vorliegt. Nach den rechtsfehlerfreien Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts waren die tatsächliche Kilometerlaufleistung des Fahrzeugs und die Anzahl der Betriebsstunden bei Vertragsschluss wesentlich höher, als vom Kilometer- und Betriebsstundenzähler angezeigt und von den Parteien angenommen worden war. Da dieser bei Vertragsschluss bereits vorhandene Mangel nicht behebbar ist, ist der Anspruch des Klägers aus § 433 I 2 BGB auf die Lieferung einer mangelfreien Sache ausgeschlossen (§ 275 I BGB); dies berechtigte den Kläger zum Rücktritt vom Kaufvertrag nach § 437 Nr. 2 Fall 1, § 326 V BGB, ohne dass es einer Fristsetzung nach § 323 BGB bedurfte.

[9]    2. Dem vom Kläger mit Schreiben vom 10.02.2004 erklärten Rücktritt steht der im Kaufvertrag vereinbarte Haftungsausschluss nicht entgegen. Denn bei der vorformulierten Vertragsbestimmung über den Ausschluss jeder Gewährleistung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die der Inhaltskontrolle nach § 307 I und II BGB nicht standhält und deshalb unwirksam ist.

[10]   a) Die Klausel, nach welcher der Käufer das gebrauchte Fahrzeug „unter Ausschluss jeder Gewährleistung“ bestellt, verstößt gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB. Nach diesen Bestimmungen kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verschuldenshaftung für Körper- und Gesundheitsschäden nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden (BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, BGHZ 170, 31 Rn. 19). Diesen Beschränkungen trägt ein uneingeschränkter Haftungsausschluss in einem Gebrauchtwagenkaufvertrag wie dem vorliegenden nicht Rechnung (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06, BGHZ 170, 67 Rn. 10).

[11]   b) Allerdings sind die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB hier nicht unmittelbar anwendbar, weil es sich bei dem Kläger nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts um einen Unternehmer handelt. Auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, findet § 309 BGB keine Anwendung (§ 310 I 1 BGB). Solche Geschäftsbedingungen unterliegen jedoch der Inhaltskontrolle nach § 307 I und II BGB, und zwar auch insoweit, als dies zur Unwirksamkeit von Vertragsbestimmungen führt, die in § 309 BGB aufgeführt sind; dabei ist auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Bräuche angemessen Rücksicht zu nehmen (§ 310 I 2 BGB). Diese Bestimmung, die dem früheren § 24 AGBG entspricht, bedeutet, dass bei der Inhaltskontrolle im unternehmerischen Verkehr die in den Klauselverboten zum Ausdruck kommenden Wertungen berücksichtigt werden sollen, soweit sie übertragbar sind (vgl. BGH, Urt. v. 19.01.1984 – VII ZR 220/82, BGHZ 89, 363 ff.; Urt. v. 08.03.1984 – VII ZR 349/82, BGHZ 90, 273 ff. [zu § 24 AGBG]; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 307 BGB Rn. 163, 381 ff.; MünchKomm-BGB/Kieninger, 5. Aufl., § 307 Rn. 72; MünchKomm-BGB/Basedow, 5. Aufl., § 310 Rn. 7 ff.; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2004, § 444 Rn. 8; Staudinger/Coester-Waltjen, BGB, Neubearb. 2006, § 309 Nr. 7 Rn. 42). Insoweit hat sich die Rechtslage durch die Neuregelung in §§ 307 ff. BGB nicht geändert.

[12]   Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 11 AGBG (jetzt § 309 BGB) kommt den strikten Klauselverboten im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG (jetzt § 307 BGB) Indizwirkung für die Unwirksamkeit der Klausel auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr zu (BGH, Urt. v. 08.03.1984 – VII ZR 349/82, BGHZ 90, 273, 278; Urt. v. 03.03.1988 – X ZR 54/86, BGHZ 103, 316, 328). Daran hält der Senat fest. Fällt eine Klausel bei ihrer Verwendung gegenüber Verbrauchern unter eine Verbotsnorm des § 309 BGB, so ist dies ein Indiz dafür, dass sie auch im Falle der Verwendung gegenüber Unternehmern zu einer unangemessenen Benachteiligung führt, es sei denn, sie kann wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs ausnahmsweise als angemessen angesehen werden (vgl. BGH, Urt. v. 08.03.1984 – VII ZR 349/82, BGHZ 90, 273, 278 [zu § 11 AGBG]; MünchKomm-BGB/Kieninger, a. a. O., § 307 Rn. 72).

[13]   c) Nach dieser Maßgabe ist eine umfassende Freizeichnung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der die Haftung des Klauselverwenders – wie im vorliegenden Gebrauchtwagenkaufvertrag – auch für Körper- und Gesundheitsschäden (§ 309 Nr. 7 lit. a BGB) und für sonstige Schäden auch bei grobem Verschulden (§ 309 Nr. 7 lit. b BGB) ausgeschlossen ist, nicht nur gegenüber Verbrauchern, sondern ebenso im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders unwirksam (§ 307 I BGB i. V. mit § 307 II Nr. 2 BGB; Staudinger/Coester-Waltjen, a. a. O., § 309 Nr. 7 Rn. 42 m. w. Nachw.).

[14]   aa) Das absolute Haftungsfreizeichnungsverbot für Verletzungen des Lebens, des Körpers und der Gesundheit (§ 309 Nr. 7 lit. a BGB) gilt nach einhelliger Auffassung auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr und führt deshalb zur Unwirksamkeit einer dagegen verstoßenden Klausel nach § 307 I und II BGB (Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, a. a. O., § 307 BGB Rn. 283 m. w. Nachw. in Fn. 997). Die Rechtfertigung dafür liegt darin, dass hinsichtlich des von § 309 Nr. 7 lit. a BGB bezweckten Schutzes besonders wichtiger persönlicher Rechtsgüter kein Raum ist für eine Differenzierung zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Aus den im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen (§ 310 I 2 Halbsatz 2 BGB) ergibt sich nichts anderes.

[15]   bb) Ebenso ist eine Freizeichnung im unternehmerischen Geschäftsverkehr bei einem Verstoß gegen § 309 Nr. 7 lit. b BGB jedenfalls dann unwirksam, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – hinsichtlich sonstiger Schäden die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vollständig ausschließt. Ein derart weitreichender Haftungsausschluss benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr unangemessen, weil er den Vertragszweck gefährdet (§ 307 II Nr. 2 BGB). Nach der Rechtsprechung des BGH darf eine Haftungsbeschränkung nicht dazu führen, dass der Klauselverwender von Verpflichtungen befreit wird, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Vertragspartner regelmäßig vertraut und vertrauen darf (BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11, 36; Urt. v. 15.09.2005 – I ZR 58/03, NJW-RR 2006, 267 Rn. 38). Ein Unternehmer darf ebenso wie ein Verbraucher darauf vertrauen, dass sein Vertragspartner ihn nicht grob fahrlässig oder gar vorsätzlich schädigt. Auch insoweit fehlt eine sachliche Rechtfertigung dafür, hinsichtlich der Haftungsfolgen für grobes Verschulden danach zu differenzieren, ob von dem Verschulden des Vertragspartners ein Unternehmer oder ein Verbraucher betroffen ist. Deshalb besteht auch im Geschäftsverkehr mit Unternehmern ein Verbot der umfassenden Freizeichnung von der Haftung für grobes Verschulden (Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, a. a. O., § 307 BGB Rn. 285 m. w. Nachw. in Fn. 1000); inwieweit bei grober Fahrlässigkeit im unternehmerischen Geschäftsverkehr eine Haftungsbeschränkung zulässig ist (dazu Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, a. a. O., § 307 BGB Rn. 286), bedarf hier keiner Entscheidung, weil der vorliegende Gebrauchtwagenkaufvertrag nicht lediglich eine Haftungsbeschränkung, sondern einen umfassenden Haftungsausschluss enthält.

[16]   Da die Revision Erfolg hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 I ZPO). Über die entscheidungsreife Sache hat der Senat selbst zu entscheiden (§ 563 III ZPO).

[17]   Auf die Berufung des Klägers ist das angefochtene Urteil des Landgerichts abzuändern und der Klage, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, stattzugeben. Die Klage ist, wie ausgeführt, hinsichtlich der Hauptforderung begründet; der Anspruch auf die Nebenforderung ergibt sich aus § 288 II, § 291 BGB. …

PDF erstellen