Der Käu­fer ei­nes Neu­wa­gens darf prin­zi­pi­ell – oh­ne an­ders­lau­ten­de Hin­wei­se des Fahr­zeug­her­stel­lers oder -ver­käu­fers – dar­auf ver­trau­en, dass das Fahr­zeug die an­ge­ge­be­ne Höchst­ge­schwin­dig­keit grund­sätz­lich er­reicht. Ein zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag be­rech­ti­gen­der, er­heb­li­cher Man­gel liegt je­den­falls dann vor, wenn die tat­säch­lich er­reich­ba­re Höchst­ge­schwin­dig­keit die dem Käu­fer mit­ge­teil­te Höchst­ge­schwin­dig­keit um mehr als fünf Pro­zent un­ter­schrei­tet.

LG Köln, Ur­teil vom 14.02.2017 – 21 O 465/15
(nach­fol­gend: OLG Köln, Be­schluss vom 29.06.2017 – 19 U 40/17)

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin er­warb von der Be­klag­ten am 23.02.2015 ein Neu­fahr­zeug (VW T5 Mul­tivan) zum Preis von 62.000 €. Die­ses Fahr­zeug wur­de am 27.05.2015 auf Klä­ge­rin erst­zu­ge­las­sen. In den Fahr­zeug­pa­pie­ren ist die Höchst­ge­schwin­dig­keit mit 188 km/h an­ge­ge­ben.

Am 30.06.2015 re­kla­mier­te die Klä­ge­rin erst­mals, dass das Fahr­zeug die­se Ge­schwin­dig­keit nicht er­rei­che. Am 16.07.2015 wur­de sie des­we­gen er­neut bei der Be­klag­ten vor­stel­lig. So­dann ließ die Klä­ge­rin den VW-Bus bei der Fir­ma L un­ter­su­chen, wo­bei sie für die­se Un­ter­su­chung 180 € auf­wen­de­te.

Mit Schrei­ben ih­res spä­te­ren Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 19.08.2015 ließ die Klä­ge­rin der Be­klag­ten mit­tei­len, dass sie zum Rück­tritt be­rech­tigt sei; sie bat aber zu­nächst um ei­ne ein­ver­nehm­li­che Lö­sung, die nicht zu­stan­de kam. Dar­auf­hin ließ die Klä­ge­rin am 06.10.2015 ih­ren Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klä­ren.

Sie be­haup­tet, der VW-Bus er­rei­che le­dig­lich ei­ne Höchst­ge­schwin­dig­keit von 175,02 km/h; dies sei bei der Fir­ma L durch DIN-kon­for­me Mes­sun­gen fest­ge­stellt wor­den. Der dar­in lie­gen­de Man­gel – so macht die Klä­ge­rin gel­tend – sei nicht be­heb­bar. Auf ih­ren Rück­zah­lungs­an­spruch lässt sich die Klä­ge­rin ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung von 3.530,90 € für 8.500 ge­fah­re­ne Ki­lo­me­ter an­rech­nen. Sie will folg­lich er­rei­chen, dass die Be­klag­te an sie Zug um Zug ge­gen Rück­über­eig­nung des VW-Bus­ses 58.649,10 € nebst Zin­sen zah­len muss. Au­ßer­dem be­gehrt die Klä­ge­rin die Fest­stel­lung, dass sich die Be­klag­te mit der Rück­nah­me des Fahr­zeugs im An­nah­me­ver­zug be­fin­de, so­wie den Er­satz vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten (1.954,46 € nebst Zin­sen).

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ge­rin steht der gel­tend ge­mach­te An­spruch aus §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323, 326 V BGB nicht zu. An­de­re An­spruchs­grund­la­gen sind nicht er­sicht­lich und wer­den auch von der Klä­ge­rin nicht an­ge­führt.

Dass das von der Klä­ge­rin un­strei­tig bei der Be­klag­ten er­wor­be­ne Fahr­zeug ei­nen Man­gel i. S. von § 434 I BGB auf­weist, konn­te nicht fest­ge­stellt wer­den.

Zwar darf der Käu­fer prin­zi­pi­ell dar­auf ver­trau­en, dass die an­ge­ge­be­ne Höchst­ge­schwin­dig­keit oh­ne an­ders­lau­ten­de Hin­wei­se des Her­stel­lers oder Ver­käu­fers grund­sätz­lich er­reicht wird. Ein zum Ver­trags­rück­tritt be­rech­ti­gen­der we­sent­li­cher Man­gel des Fahr­zeugs liegt je­den­falls dann vor, wenn die tat­säch­lich er­reich­ba­re Höchst­ge­schwin­dig­keit um mehr als fünf Pro­zent von der dem Käu­fer vor­her mit­ge­teil­ten ab­weicht (OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 07.09.2005 – I-3 U 8/04, ju­ris).

Nach dem Er­geb­nis der durch­ge­führ­ten Be­weis­auf­nah­me steht nicht mit der nach § 286 ZPO er­for­der­li­chen Ge­wiss­heit fest, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug die in den Pa­pie­ren an­ge­ge­be­ne Höchst­ge­schwin­dig­keit nicht er­reicht.

Der Sach­ver­stän­di­ge N hat die Be­weis­fra­ge ver­neint und fest­ge­stellt, dass das Fahr­zeug un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Mess­to­le­ran­zen ei­ne Höchst­ge­schwin­dig­keit von 180–186 km/h er­reicht, wo­bei es je­weils nicht voll aus­be­schleu­nigt wer­den konn­te. Die An­knüp­fungs­tat­sa­chen wur­den sorg­fäl­tig und frei von er­kenn­ba­ren Feh­lern er­mit­telt; die dar­aus ge­zo­ge­nen Schlüs­se sind nach­voll­zieh­bar und frei von Wi­der­sprü­chen, und das er­mit­tel­te Er­geb­nis wird über­zeu­gend be­grün­det.

Der Sach­ver­stän­di­ge hat zu­nächst die ein­schlä­gi­ge Norm ECE-R68 [= ECE-Re­ge­lung Nr. 68] her­an­ge­zo­gen und ei­ne de­ren Vor­ga­ben ent­spre­chen­de Test­stre­cke so­wie ei­nen Tag, an dem die er­for­der­li­chen äu­ße­ren Be­din­gun­gen herrsch­ten, aus­ge­wählt. Auch die Ge­wichts­vor­ga­ben wur­den ein­ge­hal­ten, und der Sach­ver­stän­di­ge hat in nicht zu be­an­stan­den­der Wei­se die Test­fahr­ten mit Som­mer­rei­fen durch­ge­führt, denn die Be­klag­te bzw. der Fahr­zeug­her­stel­ler ha­ben dies­be­züg­lich kei­ne an­de­ren Zu­si­che­run­gen ab­ge­ge­ben (vgl. OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 07.09.2005 – I-3 U 8/04, ju­ris). So­weit die An­ga­ben der Klä­ge­rin und des Sach­ver­stän­di­gen hin­sicht­lich der ge­nau­en Be­zeich­nung der Rei­fen von­ein­an­der ab­wi­chen, hält das Ge­richt dies für un­er­heb­lich. Über­ein­stim­mung be­stand je­den­falls hin­sicht­lich der Rei­fen­brei­te (235), die für den Roll­wi­der­stand maß­geb­lich ist. Au­ßer­dem hat die Klä­ge­rin die in der er­gän­zen­den Stel­lung­nah­me des Sach­ver­stän­di­gen vom 06.12.2016 ent­hal­te­ne An­ga­be nicht mehr be­strit­ten.

Auch sonst er­hebt die Klä­ge­rin ge­gen das Gut­acht­en­er­geb­nis kei­ne er­heb­li­chen Ein­wen­dun­gen. Dass der Text der ein­schlä­gi­gen Norm nicht bei­ge­fügt war, ist un­schäd­lich, denn de­ren für die Be­ur­tei­lung des vor­lie­gen­den Falls maß­geb­li­che Vor­ga­ben wer­den zi­tiert. Der Klä­ge­rin stand es frei, sich den Norm­text zu be­schaf­fen und dar­zu­le­gen, war­um der Sach­ver­stän­di­ge von fal­schen An­nah­men aus­ge­gan­gen sein soll. Ins­be­son­de­re war der Ge­schwin­dig­keits­test un­ter rea­len Be­din­gun­gen und nicht auf ei­nem Prüf­stand durch­zu­füh­ren. Dass die von dem Sach­ver­stän­di­gen aus­ge­wähl­te Stre­cke den An­for­de­run­gen ge­nüg­te, er­gibt sich in nach­voll­zieh­ba­rer­wei­se aus dem Gut­ach­ten. Ei­ne Un­ter­su­chung auf ei­nem spe­zi­el­len Hoch­ge­schwin­dig­keits­kurs in Süd­ita­li­en hät­te kei­ne wei­ter­ge­hen­den Er­kennt­nis­se ge­bracht, denn be­reits un­ter nor­ma­len Be­din­gun­gen auf ei­ner deut­schen Au­to­bahn konn­ten Ge­schwin­dig­kei­ten er­zielt wer­den, die den An­ga­ben in den Fahr­zeug­pa­pie­ren so na­he ka­men, dass ein Sach­man­gel aus­ge­schlos­sen wer­den konn­te. Die Vor­aus­set­zun­gen für die Ein­ho­lung ei­nes Ober­gut­ach­tens (§ 412 II ZPO) wa­ren da­mit er­sicht­lich nicht er­füllt.

Be­stand der ein­ge­klag­te An­spruch be­reits dem Grun­de nach nicht, kam es auf des­sen Hö­he nicht mehr an. …

Hin­weis: Mit Be­schluss vom 29.06.2017 – 19 U 40/17 – hat das OLG Köln als Be­ru­fungs­ge­richt dar­auf hin­ge­wie­sen, dass be­ab­sich­tigt sei, die Be­ru­fung der Klä­ge­rin durch Be­schluss ge­mäß § 522 II ZPO zu­rück­zu­wei­sen. In dem Hin­weis­be­schluss heißt es un­ter an­de­rem:

„I. … Zu Recht und mit zu­tref­fen­der Be­grün­dung hat das Land­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen, da der Klä­ge­rin ge­gen die Be­klag­te kein An­spruch ge­mäß §§ 346 I, 437 Nr. 2 Fall 1, 433, 434, 323, 348, 320 BGB auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses für den Pkw … in Hö­he von 62.000 € ab­züg­lich der nun­mehr mit 11.809,52 € be­zif­fer­ten Nut­zungs­ent­schä­di­gung Zug um Zug ge­gen Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs zu­steht. Die Be­klag­te be­fin­det sich da­her mit der Rück­nah­me des Pkw auch nicht im An­nah­me­ver­zug, und die Klä­ge­rin kann kei­ne Frei­stel­lung von ih­ren au­ßer­ge­richt­li­chen Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten ver­lan­gen.

Die Be­ru­fungs­be­grün­dung gibt nur zu fol­gen­den Aus­füh­run­gen An­lass:

1. Das Land­ge­richt ist nach der von ihm durch­ge­führ­ten Be­weis­auf­nah­me nicht da­von über­zeugt ge­we­sen, dass die mit dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug tat­säch­lich er­reich­ba­re Höchst­ge­schwin­dig­keit die in den Fahr­zeug­pa­pie­ren an­ge­ge­be­ne Höchst­ge­schwin­dig­keit um mehr als fünf Pro­zent un­ter­schrei­tet. Es hat da­her die in der Recht­spre­chung für das Vor­lie­gen ei­nes Man­gels ge­mäß § 434 I BGB an­ge­nom­me­ne Er­heb­lich­keits­schwel­le (vgl. et­wa OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 07.09.2005 – I-3 U 8/04, ju­ris Rn. 38; OLG Ros­tock, Urt. v. 19.02.1997 – 6 U 316/96, ju­ris Rn. 7) als nicht er­reicht an­ge­se­hen.

2. An die­se Fest­stel­lun­gen des erst­in­stanz­li­chen Ge­richts sieht sich der Se­nat ge­mäß § 529 I Nr. 1 ZPO ge­bun­den.

Da­nach ist das Be­ru­fungs­ge­richt grund­sätz­lich an die Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen des ers­ten Rechts­zugs ge­bun­den, so­weit nicht kon­kre­te An­halts­punk­te Zwei­fel an der Rich­tig­keit und Voll­stän­dig­keit der ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Fest­stel­lun­gen be­grün­den und des­halb ei­ne er­neu­te Fest­stel­lung ge­bie­ten. Kon­kre­ter An­halts­punkt in die­sem Sin­ne ist je­der ob­jek­ti­vier­ba­re recht­li­che oder tat­säch­li­che Ein­wand ge­gen die erst­in­stanz­li­chen Fest­stel­lun­gen (BGH, Urt. v. 18.10.2005 – VI ZR 270/04, ju­ris Rn. 9). Bloß sub­jek­ti­ve Zwei­fel, le­dig­lich abs­trak­te Er­wä­gun­gen oder Ver­mu­tun­gen der Un­rich­tig­keit oh­ne greif­ba­re An­halts­punk­te woll­te der Ge­setz­ge­ber aus­schlie­ßen. Für ei­nen Weg­fall der Bin­dungs­wir­kung er­for­der­lich, aber auch aus­rei­chend sind viel­mehr ver­nünf­ti­ge Zwei­fel (vgl. BGH, Urt. v. 09.03.2005 – VI­II ZR 266/03, ju­ris Rn. 6); es ge­nügt al­so ei­ne ge­wis­se – nicht not­wen­dig über­wie­gen­de – Wahr­schein­lich­keit da­für, dass im Fal­le der er­neu­ten Be­weis­er­he­bung die erst­in­stanz­li­che Fest­stel­lung kei­nen Be­stand ha­ben wird, sich al­so de­ren Un­rich­tig­keit her­aus­stellt (BGH, Urt. v. 18.10.2005 – VI ZR 270/04, ju­ris Rn. 9).

Dies gilt grund­sätz­lich auch für Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen, die auf der Grund­la­ge ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens ge­trof­fen wor­den sind. In die­sem Fall kann un­ter an­de­rem die Un­voll­stän­dig­keit des Gut­ach­tens Zwei­fel an der Rich­tig­keit und Voll­stän­dig­keit der Fest­stel­lun­gen we­cken. Zwei­fel­haft kön­nen die Fest­stel­lun­gen des erst­in­stanz­li­chen Ge­richts auch durch neue An­griffs- und Ver­tei­di­gungs­mit­tel wer­den, so­weit sie in der Be­ru­fungs­in­stanz ge­mäß § 529 I Nr. 2 ZPO i. V. mit § 531 II ZPO zu be­rück­sich­ti­gen sind, et­wa weil ih­re Gel­tend­ma­chung in ers­ter In­stanz oh­ne Ver­schul­den der Par­tei (§ 531 II 1 Nr. 3 ZPO) un­ter­blie­ben ist. Kon­kre­te An­halts­punk­te kön­nen sich ins­be­son­de­re aus Ver­fah­rens­feh­lern er­ge­ben, die dem Ein­gangs­ge­richt bei der Fest­stel­lung des Sach­ver­halts un­ter­lau­fen sind (BGH, Urt. v. 12.03.2004 – V ZR 257/03, ju­ris Rn. 8). Da­zu zählt ne­ben ei­nem Über­ge­hen von Tat­sa­chen­vor­trag und/oder Be­weis­an­ge­bo­ten (vgl. BGH, Urt. v. 16.09.2004 – III ZR 283/03, BeckRS 2004, 10073) bzw. beim vor­lie­gend in Re­de ste­hen­den Sach­ver­stän­di­gen­be­weis ei­ner Wi­der­sprüch­lich­keit oder Un­voll­stän­dig­keit des Gut­ach­tens (Zöl­ler/Heß­ler, ZPO, 30. Aufl., § 529 Rn. 9) vor al­lem ei­ne in­halt­lich un­zu­rei­chen­de Be­weis­wür­di­gung, das heißt ei­ne sol­che, die den An­for­de­run­gen des § 286 I ZPO nicht ge­recht wird. Ty­pi­sche Fäl­le sind in­so­fern Wi­der­sprüch­lich­kei­ten zwi­schen dem In­halt des Gut­ach­tens und der Be­weis­wür­di­gung in den Ent­schei­dungs­grün­den oder Ver­stö­ße ge­gen all­ge­mei­ne Denk­ge­set­ze und Er­fah­rungs­sät­ze. Da­bei ge­nügt es, wenn ein tra­gen­des Ele­ment der erst­in­stanz­li­chen Be­weis­wür­di­gung in sei­ner Aus­sa­ge­kraft ge­schmä­lert wird, weil be­reits dann die Un­rich­tig­keit oder Lü­cken­haf­tig­keit der ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen als Fol­ge der kon­kre­ten An­halts­punk­te nicht aus­ge­schlos­sen wer­den kann und mit­hin die Mög­lich­keit ei­nes an­de­ren Be­wei­s­er­geb­nis­ses be­steht (BGH, Urt. v. 12.03.2004 – V ZR 257/03, ju­ris Rn. 11).

Dar­über hin­aus folgt aus § 529 I ZPO aber nicht, dass die Prü­fungs­kom­pe­tenz des Be­ru­fungs­ge­richts auf Ver­fah­rens­feh­ler und da­mit letzt­lich auf den Um­fang be­schränkt wä­re, in dem ei­ne zweit­in­stanz­li­che Tat­sa­chen­fest­stel­lung der Kon­trol­le durch das Re­vi­si­ons­ge­richt un­ter­liegt. Selbst für sich ge­nom­men ver­fah­rens­feh­ler­frei ge­trof­fe­ne Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen kön­nen für das Be­ru­fungs­ge­richt nicht bin­dend sein, wenn und so­weit kon­kre­te An­halts­punk­te da­für be­ste­hen, dass sie un­voll­stän­dig oder un­rich­tig sind (BGH, Urt. v. 14.07.2004 – VI­II ZR 164/03, ju­ris Rn. 18; Urt. v. 09.03.2005 – VI­II ZR 266/03, ju­ris Rn. 6). Hin­rei­chen­de Zwei­fel an der Rich­tig­keit und Voll­stän­dig­keit der ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Fest­stel­lun­gen kön­nen sich da­bei be­reits aus der Mög­lich­keit un­ter­schied­li­cher Wer­tung er­ge­ben (Zöl­ler/Heß­ler, a. a. O., § 529 Rn. 7), ins­be­son­de­re dar­aus, dass das Be­ru­fungs­ge­richt das Er­geb­nis ei­ner erst­in­stanz­li­chen Be­weis­auf­nah­me selbst an­ders wür­digt als die Vor­in­stanz (BGH, Urt. v. 09.03.2005 – VI­II ZR 266/03, ju­ris Rn. 7).

3. Sol­che kon­kre­ten An­halts­punk­te zu Zwei­feln sind hier in­des nicht er­sicht­lich und fol­gen auch nicht aus dem Vor­trag der Klä­ge­rin im Rah­men der Be­ru­fungs­be­grün­dung. Die Klä­ge­rin setzt viel­mehr im We­sent­li­chen le­dig­lich ih­re Wür­di­gung der Aus­füh­run­gen des ge­richt­lich be­stell­ten Sach­ver­stän­di­gen Dipl.-Ing. N in un­zu­läs­si­ger Wei­se an die Stel­le der­je­ni­gen des Land­ge­richts.

a) So­weit die Klä­ge­rin zu­nächst meint, das Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten stel­le kei­ne ge­eig­ne­te Ent­schei­dungs­grund­la­ge dar, weil ihm – un­strei­tig – der Text der von dem Sach­ver­stän­di­gen für maß­geb­lich ge­hal­te­nen ECE-Re­ge­lung Nr. 68 nicht bei­ge­fügt war und der Text die­ser Re­ge­lung in all­ge­mein zu­gäng­li­chen, kos­ten­frei­en Quel­len nicht zu fin­den sei, geht die­ser Ein­wand schon des­halb fehl, weil der Text der ECE-Re­ge­lung Nr. 68 – wo­von sich der Se­nat über­zeugt hat – mit­hil­fe der klä­ger­seits er­wähn­ten In­ter­net­such­ma­schi­ne oh­ne Wei­te­res zu re­cher­chie­ren ist. Das In­ter­net­an­ge­bot des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Ver­kehr, Bau und Stadt­ent­wick­lung ent­hält ei­ne Über­sicht sämt­li­cher ECE-Re­ge­lun­gen nebst der zu­ge­hö­ri­gen Fund­stel­len im Bun­des­ge­setz­blatt bzw. im Ver­kün­dungs­blatt. Der voll­stän­di­ge Text der ECE-Re­ge­lung Nr. 68 fin­det sich im Bun­des­ge­setz­blatt 1989 II, Sei­te 642, mit Än­de­run­gen im Bun­des­ge­setz­blatt 1998 II, Sei­te 243. Auch das Bun­des­ge­setz­blatt ist für je­der­mann im In­ter­net kos­ten­frei ein­seh­bar und kann aus­ge­druckt wer­den. Es be­darf da­her nicht der klä­ger­seits be­fürch­te­ten kos­ten­in­ten­si­ven An­schaf­fung von Spe­zi­al­li­te­ra­tur. Viel­mehr hät­te das Gut­ach­ten an­hand der er­wähn­ten Fund­stel­len un­pro­ble­ma­tisch über­prüft und aus die­ser Prü­fung mög­li­cher­wei­se fol­gen­de Ein­wen­dun­gen ge­gen das Gut­ach­ten be­reits erst­in­stanz­lich gel­tend ge­macht wer­den kön­nen und müs­sen.

b) Wenn die Klä­ge­rin rügt, aus dem Gut­ach­ten er­ge­be sich, dass bei der von dem Sach­ver­stän­di­gen vor­ge­nom­me­nen Test­fahrt am 22.09.2016 die Vor­ga­ben der ECE-Re­ge­lung Nr. 68 zur Prü­fung der Höchst­ge­schwin­dig­keit nicht (voll­stän­dig) ein­ge­hal­ten wor­den sei­en, ist die­ser Ein­wand nicht ge­eig­net, die Trag­fä­hig­keit der sach­ver­stän­di­gen Fest­stel­lun­gen für die land­ge­richt­li­che Ent­schei­dung ernst­haft in Zwei­fel zu zie­hen.

Der Sach­ver­stän­di­ge hat die von ihm zi­tier­ten An­for­de­run­gen der ECE-Re­ge­lung Nr. 68 an die Vor­be­rei­tung des Fahr­zeugs, die Merk­ma­le der Prüf­stre­cke und die Wit­te­rungs­be­din­gun­gen zu­tref­fend wie­der­ge­ge­ben. Die ent­spre­chen­den Vor­schrif­ten fin­den sich in den Zif­fern 5.2.3, 5.​3.​1.​3.1, 5.4.1, 5.4.2 und 5.4.3 der Re­ge­lung. So­weit die Klä­ge­rin in der Be­ru­fungs­be­grün­dung – nur – die Punk­te Be­la­dung (Fahr­zeug­ge­wicht, Zif­fer 5.2.3), Stre­cken­pro­fil (Längs­nei­gung, Zif­fer 5.​3.​1.​3.1) und Wind (Zif­fer 5.4.2) the­ma­ti­siert, be­geg­net das Vor­ge­hen des Sach­ver­stän­di­gen im Er­geb­nis kei­nen Be­den­ken.

Da die Prü­fung der Ge­schwin­dig­keit bei ei­ner Luft­dich­te ge­mäß Zif­fer 5.4.1 durch­zu­füh­ren ist, ist (na­tür­lich) auch das Fahr­zeug­ge­wicht ein­schließ­lich der in dem Pkw be­find­li­chen Per­so­nen die­ser Luft­dich­te aus­ge­setzt. Dass in Deutsch­land nur we­ni­ge Au­to­bahn­ab­schnit­te zu fin­den sind, die ei­ne Längs­nei­gung von nicht mehr als 0,5 % auf­wei­sen, hat der Sach­ver­stän­di­ge in sei­nem Gut­ach­ten aus­drück­lich fest­ge­hal­ten. Die aus­ge­wähl­te Prüf­stre­cke BAB-Kreuz L. bis BAB-Drei­eck K. ge­nügt die­ser An­for­de­rung auf ei­ner Län­ge von 23 km voll­stän­dig, die zwei­te Test­stre­cke BAB-Drei­eck K. bis BAB-Kreuz B. im­mer­hin auf Ab­schnit­ten in ei­ner Län­ge von ins­ge­samt 8,7 km. Die frag­li­chen Au­to­bahn­ab­schnit­te er­fül­len da­her die Vor­aus­set­zun­gen der ECE-Re­ge­lung Nr. 68 be­züg­lich der Längs­nei­gung. Was schließ­lich die Wind­ge­schwin­dig­keit an­be­langt, so be­zie­hen sich die im Gut­ach­ten ge­mach­ten Hö­hen­an­ga­ben für G. von 80 m und für B-P von 231 Me­tern of­fen­kun­dig nicht auf die nach Zif­fer 5.4.2 der Re­ge­lung maß­geb­li­che Hö­he von1 m über dem Erd­bo­den der Fahr­stre­cke, son­dern auf die La­ge der je­wei­li­gen Mess­sta­ti­on über dem Mee­res­spie­gel. Folg­lich wur­den an der maß­geb­li­chen Mess­sta­ti­on Gei­len­kir­chen in 80 m Hö­he Wind­ge­schwin­dig­kei­ten von ma­xi­mal 11 km/h (   3,03 m/s) ge­mes­sen. Dies mag ei­ne ge­ring­fü­gi­ge Über­schrei­tung der nach Zif­fer 5.4.2. zu­läs­si­gen durch­schnitt­li­chen Wind­ge­schwin­dig­keit von 3 m/s dar­stel­len, wo­bei in­des schon nicht aus­zu­schlie­ßen ist, dass sich die er­höh­te Wind­ge­schwin­dig­keit – näm­lich bei Ge­gen­wind – güns­tig für die Klä­ge­rin aus­ge­wirkt hat. Im Üb­ri­gen ist zu be­den­ken, dass es – nicht zu­letzt weil die Klä­ge­rin den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw nur in ge­rin­gem Um­fang ent­beh­ren konn­te – für den Sach­ver­stän­di­gen sehr schwie­rig war, für die Test­fahrt ei­nen Tag zu fin­den, an dem die Wit­te­rungs­be­din­gun­gen auf der Prüf­stre­cke den Vor­ga­ben der ECE-Re­ge­lung Nr. 68 zu­min­dest wei­test­ge­hend ent­spra­chen. Ei­ne mar­gi­na­le Ab­wei­chung ei­nes ein­zel­nen Pa­ra­me­ters ist un­ter die­sen Um­stän­den hin­zu­neh­men, da nichts da­für er­sicht­lich ist, dass sie ge­eig­net ge­we­sen wä­re, das Mess­er­geb­nis si­gni­fi­kant zu be­ein­flus­sen.

3. Es stellt schließ­lich kei­nen Rechts­feh­ler dar, dass die Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts zur tat­säch­lich er­reich­ten Höchst­ge­schwin­dig­keit des klä­ge­ri­schen Fahr­zeugs auf den von dem Sach­ver­stän­di­gen an­hand ei­nes 2D-Da­ten­log­gers mit GPS-Si­gnal­ab­fra­ge ge­mes­se­nen – und nicht auf den von dem OBD-Si­gnal des fahr­zeug­ei­ge­nen Com­pu­ters CAN-Bus-Sys­tems an­ge­zeig­ten – Ge­schwin­dig­kei­ten be­ru­hen. Dies folgt schon dar­aus, dass das von dem Sach­ver­stän­di­gen be­nutz­te Mess­ge­rät je­den­falls im hier re­le­van­ten Ge­schwin­dig­keits­be­reich zu ge­naue­ren Mess­er­geb­nis­sen führt. Das Mess­ge­rät ar­bei­tet mit ei­ner Mess­ge­nau­ig­keit von ± 3 km/h, wäh­rend das CAN-Si­gnal des Fahr­zeugs ei­ne Mess­ge­nau­ig­keit von ± 3 % hat. Be­reits bei ei­ner Ge­schwin­dig­keit von 150 km/h liegt die Ab­wei­chung bei dem von dem Sach­ver­stän­di­gen ein­ge­setz­ten Mess­ge­rät in ei­nem Be­reich von 147–153 km/h, bei dem CAN-Si­gnal hin­ge­gen bei 145,5–154,5 km/h.

Ei­ner de­tail­lier­ten Er­läu­te­rung der tech­ni­schen Funk­ti­ons­wei­se des 2D-Da­ten­log­gers oder des Bord­com­pu­ters des Klä­ger­fahr­zeugs durch den Sach­ver­stän­di­gen be­durf­te es nicht. An­halts­punk­te für ei­ne Fehl­funk­ti­on des 2D-Da­ten­log­gers oder sei­ne un­sach­ge­mä­ße Be­die­nung sind we­der vor­ge­tra­gen noch sonst er­sicht­lich. Zu­dem hät­te es der Klä­ge­rin frei­ge­stan­den, erst­in­stanz­lich nach § 411 ZPO die La­dung des Sach­ver­stän­di­gen zur münd­li­chen Er­läu­te­rung sei­nes Gut­ach­tens zu be­an­tra­gen, was sie in­des nicht ge­tan hat.

4. An­sons­ten er­hebt die Klä­ge­rin kei­ne Ein­wän­de ge­gen das erst­in­stanz­li­che Ur­teil, auf des­sen Be­grün­dung des­halb ver­wie­sen wer­den kann. …“

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