1. Ein sechs Jah­re al­ter Ge­braucht­wa­gen, der ei­ne Lauf­leis­tung von rund 105.000 km auf­weist, ist nicht des­halb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft, weil bei dem Fahr­zeug die Mo­tor­hau­be tech­nisch ein­wand­frei neu la­ckiert wur­de.
  2. Ein Ge­braucht­wa­gen­händ­ler muss ein Fahr­zeug vor dem Ver­kauf grund­sätz­lich nur ei­ner fach­män­ni­schen äu­ße­ren Be­sich­ti­gung („Sicht­prü­fung“) un­ter­zie­hen. Ei­ner de­tail­lier­ten Un­ter­su­chung des Fahr­zeugs, zum Bei­spiel ei­ner Mes­sung der Lack­schicht­di­cke, be­darf es nur, wenn der Händ­ler kon­kre­te An­halts­punk­te für das Vor­lie­gen ei­nes Man­gels hat. Den Händ­ler trifft auch kei­ne ge­ne­rel­le, an­las­s­un­ab­hän­gi­ge Ob­lie­gen­heit, sich über mög­li­che das Fahr­zeug be­tref­fen­de Rück­ruf­ak­tio­nen zu in­for­mie­ren.
  3. Dass ein sechs Jah­re al­ter Ge­braucht­wa­gen nicht wie vom Ver­käu­fer an­ge­ge­ben zwei, son­dern drei Vor­be­sit­zer hat­te, ist al­len­falls ein i. S. des § 323 V 2 BGB ge­ring­fü­gi­ger Man­gel. Denn für ei­nen Käu­fer ist zwar re­gel­mä­ßig kauf­ent­schei­dend, ob er ein Fahr­zeug „aus ers­ter Hand“ er­hält. Ob zwei oder drei Hal­ter im Fahr­zeug­brief (Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II) ein­ge­tra­gen sind, ist aber nicht von ent­schei­den­der Be­deu­tung.

LG Lü­ne­burg, Ur­teil vom 07.03.2016 – 6 O 55/15

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin er­warb von der Be­klag­ten, die ge­werb­lich mit Kraft­fahr­zeu­gen han­delt, am 29.09.2014 ei­nen Ge­braucht­wa­gen zum Preis von 10.000 €. Im schrift­li­chen Kauf­ver­trag ist die „Zahl der Hal­ter It. Fz-Brief“ mit „2“ an­ge­ge­ben, ob­wohl das von der Klä­ge­rin er­wor­be­ne Fahr­zeug tat­säch­lich drei Vor­be­sit­zer hat­te.

Die Be­klag­te hat­te die­ses Fahr­zeug mit Kauf­ver­trag vom 19.09.2014 an­ge­kauft. Die­ser Ver­trag ent­hält den Ver­merk „Das Fahr­zeug ist un­fall­frei und hat kei­ne ver­bor­ge­nen Schä­den, ist riss­frei/bruch­frei/schweiß­frei.“

Ge­gen­über der Klä­ge­rin will die Be­klag­te er­klärt ha­ben, dass das Fahr­zeug nach den An­ga­ben des Vor­be­sit­zers un­fall­frei sei und kei­ne Män­gel auf­wei­se. Die Klä­ge­rin be­haup­tet dem­ge­gen­über, dass die Be­klag­te die Ein­schrän­kung „laut Vor­be­sit­zer“ nicht ge­macht, son­dern un­ein­ge­schränkt er­klärt ha­be, das Fahr­zeug sei un­fall­frei und wei­se kei­ne Män­gel auf.

Vor dem An­kauf des spä­ter an die Klä­ge­rin ver­äu­ßer­ten Fahr­zeugs hat­te die Be­klag­te den Pkw ei­ner Sicht­prü­fung un­ter­zo­gen und für au­gen­schein­lich ein­wand­frei be­fun­den. Über­ge­ben wur­de das Fahr­zeug der Be­klag­ten, nach­dem sei­tens der Be­klag­ten Win­ter­rei­fen auf­ge­zo­gen und die vor­de­ren Brems­schei­ben und Brems­be­lä­ge er­neu­ert wor­den wa­ren. Au­ßer­dem hat­te die D-GmbH vor Über­ga­be des Fahr­zeugs an die Klä­ge­rin ei­ne Haupt­un­ter­su­chung durch­ge­führt.

Ei­ni­ge Wo­chen, nach­dem ihr das Fahr­zeug über­ge­ben wor­den war, stell­te die Klä­ge­rin es der Be­klag­ten mit ei­nem an­ge­bro­che­nen Spoi­ler vor, der von der Be­klag­ten ge­klebt wur­de. Im April 2015 zog die Be­klag­te Som­mer­rei­fen auf das Fahr­zeug der Klä­ge­rin auf. Als die Klä­ge­rin an­schlie­ßend die Rei­fen und die Brem­sen be­män­gel­te, bot ihr die Be­klag­te an, neue Som­mer­rei­fen zu mon­tie­ren und die Brem­sen zu er­neu­ern. Die­ses An­ge­bot nahm die Be­klag­te nicht an.

Die Klä­ge­rin hat mit Schrei­ben vom 07.05.2015 die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung (§ 123 I Fall 1 BGB) er­klärt.

Sie be­haup­tet, sie ha­be nach dem Auf­zug der Som­mer­rei­fen auf­fäl­li­ge Fahr­ge­räu­sche wahr­ge­nom­men und des­halb ei­ne VW-Ver­trags­werk­statt auf­ge­sucht. Dort sei fest­ge­stellt wor­den, dass sich an den Som­mer­rei­fen Ril­len ge­bil­det hät­ten und die Brem­sen nicht ord­nungs­ge­mäß ein­ge­stellt sei­en. Au­ßer­dem er­ge­be sich aus der Re­pa­ra­tur­his­to­rie des Fahr­zeugs, die sei­tens der Ver­trags­werk­statt ein­ge­se­hen wor­den sei, dass an ih­rem Fahr­zeug die Mo­tor­hau­be aus­ge­beult und neu la­ckiert wor­den sei, dass das Fahr­zeug ei­nen Un­ter­bo­den­scha­den auf­ge­wie­sen und dass es an ei­ner das Ge­trie­be be­tref­fen­den Rück­ruf­ak­ti­on nicht teil­ge­nom­men ha­be. Der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten, so be­haup­tet die Klä­ge­rin wei­ter, ha­be ih­re Fra­ge, ob das Fahr­zeug „aus ers­ter Hand“ stam­me, be­jaht und – was un­strei­tig ist – er­gänzt, dass es nur noch von der Frau des Hal­ters ge­fah­ren wer­de.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Die … Kla­ge ist nicht be­grün­det.

1. Die mit Schrift­satz vom 07.05.2015 er­klär­te An­fech­tung ge­mäß § 123 I Fall 1 BGB führt nicht zur Nich­tig­keit des Kauf­ver­trags vom 29.09.2014, da der Klä­ge­rin der Be­weis ei­ner arg­lis­ti­gen Täu­schung über kauf­ent­schei­den­de Tat­sa­chen durch die Be­klag­te nicht ge­lun­gen ist.

Un­ter ei­ner Täu­schung i. S. des § 123 I Fall 1 BGB ver­steht man die vor­sätz­li­che Er­re­gung, Be­stär­kung oder Auf­recht­er­hal­tung ei­nes Irr­tums, sei es durch das Vor­spie­geln fal­scher oder das Ver­schwei­gen wah­rer Tat­sa­chen, um den Wil­lens­ent­schluss des Ge­täusch­ten zu be­ein­flus­sen. Ein Täu­schungs­wil­le kann da­bei nur vor­lie­gen, wenn der Täu­schen­de die Un­rich­tig­keit sei­ner An­ga­ben kennt. Bei ei­ner Täu­schung durch Ver­schwei­gen ei­nes of­fen­ba­rungs­pflich­ti­gen Man­gels han­delt arg­lis­tig, wer ei­nen Feh­ler min­des­tens für mög­lich hält, gleich­zei­tig weiß oder da­mit rech­net und bil­li­gend in Kauf nimmt, dass der Ver­trags­geg­ner den Feh­ler nicht kennt und bei Of­fen­ba­rung den Ver­trag nicht oder nicht mit dem ver­ein­bar­ten In­halt ge­schlos­sen hät­te. Macht der Täu­schen­de un­rich­ti­ge An­ga­ben „ins Blaue hin­ein“, rech­net er mit der Un­rich­tig­keit und nimmt dies bil­li­gend in Kauf.

Nach die­sen Grund­sät­zen liegt ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung der Be­klag­ten nicht vor.

a) So­weit die Klä­ge­rin be­haup­tet, die Be­klag­te ha­be an­ge­ge­ben, der Pkw ha­be nur ei­nen Vor­be­sit­zer („aus ers­ter Hand“), liegt in An­be­tracht des­sen, dass im Kauf­ver­trag „zwei Hal­ter laut Fz-Brief“ ein­ge­tra­gen ist, ei­ne Täu­schung nicht vor. Selbst wenn der Ver­trag mit der Klä­ge­rin im Ein­zel­nen nicht durch­ge­gan­gen wor­den sein soll­te, hät­te sie die Mög­lich­keit ge­habt, sich den sehr über­sicht­li­chen Ver­trag vor dem Un­ter­schrei­ben an­zu­schau­en. Wer Rech­te und Pflich­ten durch Un­ter­zeich­nung ei­nes Kauf­ver­trags ein­geht, hat auch die Ob­lie­gen­heit, den Ver­trag zu­vor zu prü­fen. Tut er dies nicht, kann er im Nach­hin­ein sei­nem Ver­trags­part­ner kei­ne Täu­schung vor­wer­fen.

So­weit im Fahr­zeug­brief tat­säch­lich drei Vor­be­sit­zer ein­ge­tra­gen sind, liegt dar­in kei­ne Täu­schung über ei­ne kauf­ent­schei­den­de Tat­sa­che. Die Klä­ge­rin hat deut­lich ge­macht, dass es ihr wich­tig war, ei­nen Wa­gen aus ers­ter Hand zu er­wer­ben. Dass es auch kauf­ent­schei­dend ge­we­sen ist, ob zwei oder drei Vor­be­sit­zer ein­ge­tra­gen wa­ren, hat sie nicht dar­ge­legt. Da­von ist üb­li­cher­wei­se auch nicht aus­zu­ge­hen, da die Ab­wei­chung, wenn über­haupt, nur ei­nen un­er­heb­li­chen Man­gel dar­stellt. In­so­weit wird auf die Aus­füh­run­gen un­ter 2 a ver­wie­sen.

b) So­weit die Be­klag­te ge­gen­über der Klä­ge­rin an­ge­ge­ben hat, der Pkw sei – laut An­ga­ben des Vor­be­sit­zers – un­fall- und man­gel­frei, ist der Be­weis ei­ner arg­lis­ti­gen Täu­schung eben­falls nicht ge­lun­gen.

aa) Nach un­be­strit­te­nen An­ga­ben re­sul­tier­te die Beu­le in der Mo­tor­hau­be so­wie die dar­aus re­sul­tie­ren­de Neu­la­ckie­rung … nicht aus ei­nem Un­fall, so­dass die Be­zeich­nung als „un­fall­frei“ in­so­weit der Wahr­heit ent­spricht. Der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten hat da­zu an­ge­ge­ben, dass ihm der Vor­be­sit­zer im Nach­hin­ein mit­ge­teilt ha­be, dass ei­ne fin­ger­na­gel­gro­ße Beu­le un­ge­klär­ten Ur­sprungs vor­ge­fun­den wur­de.

Hin­sicht­lich der Neu­la­ckie­rung der Mo­tor­hau­be liegt auch kein Man­gel des Pkw vor. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung weist ein Fahr­zeug auch bei Er­set­zung der Ori­gi­nal­la­ckie­rung durch ei­ne ord­nungs­ge­mäß aus­ge­führ­te Neu­la­ckie­rung kei­nen Man­gel auf (BGH, Urt. v. 20.05.2009 – VI­II ZR 191/07, ju­ris Rn. 8 ff.; OLG Bam­berg, Urt. v. 09.02.2011 – 8 U 166/10; OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 17.07.2002 – 17 U 9/02, ju­ris Rn. 15; OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 15.02.2001 – 3 U 86/00, OLGR 2001, 109, 110; LG Kiel, Urt. v. 27.02.2015 – 3 O 25/14; LG Ol­den­burg, Urt. v. 05.04.2005 – 8 O 51/05, MDR 2006, 444; LG It­ze­hoe, Urt. v. 25.08.2003 – 2 O 41/03, ju­ris Rn. 21).

Zu­dem ist der Klä­ge­rin der Be­weis nicht ge­lun­gen, dass der Ver­käu­fer die den Man­gel aus­ma­chen­den Tat­sa­chen bei Ab­schluss des Ver­trags ge­kannt oder we­nigs­tens für mög­lich ge­hal­ten hat. In­so­weit hat der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten ge­schil­dert, dass ihm der Vor­be­sit­zer zu­ge­si­chert ha­be, dass der Pkw un­fall­frei sei und kei­ne ver­bor­ge­nen Schä­den auf­wei­se, was sich auch aus dem Kauf­ver­trag vom 19.09.2015 er­gibt. Erst im Nach­hin­ein auf Nach­fra­ge ha­be der Vor­be­sit­zer mit­ge­teilt, dass sich auf der Mo­tor­hau­be ei­ne fin­ger­na­gel­gro­ße Beu­le un­be­kann­ten Ur­sprungs be­fun­den ha­be. Die­se sei her­aus­ge­drückt und die Mo­tor­hau­be neu la­ckiert wor­den.

Auch liegt kei­ne An­ga­be ins Blaue hin­ein vor. Der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten gibt un­be­strit­ten an, dass der Meis­ter ei­ne Sicht­prü­fung durch­ge­führt ha­be. Da­zu hat die Klä­ge­rin zwar be­haup­tet, dass die Neu­la­ckie­rung der Mo­tor­hau­be in die­sem Rah­men hät­te er­kannt wer­den müs­sen. Dies hat der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten je­doch nach­voll­zieh­bar da­hin ge­hend ver­neint, dass man da­zu ein Lack­schicht­mess­ge­rät be­nö­ti­ge, wel­ches die Be­klag­te nicht be­sit­ze. In der Recht­spre­chung ist zu­dem an­er­kannt, dass ei­ne Sicht­kon­trol­le bei Ver­kauf ei­nes Pkw durch ei­nen ge­werb­li­chen Ge­braucht­wa­gen­händ­ler wie vor­lie­gend er­folgt aus­reicht und ei­ne de­tail­lier­te­re Un­ter­su­chung, zum Bei­spiel durch die Mes­sung der Lack­schicht­di­cke, nur bei kon­kre­ten An­halts­punk­ten er­for­der­lich ist (vgl. Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 12. Aufl. [2014], Rn. 3843 ff.; zur Mes­sung der Lack­schicht­di­cke vgl. Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 3885). Dass kon­kre­te An­halts­punk­te für ei­ne Neu­la­ckie­rung der Mo­tor­hau­be vor­la­gen, hat die Klä­ge­rin nicht mit Sub­stanz dar­ge­legt, und der­ar­ti­ge An­halts­punk­te sind auch nicht er­sicht­lich.

So­weit die Klä­ge­rin dar­auf ab­stellt, dass sich die­se Re­pa­ra­tur aus der Re­pa­ra­tur­his­to­rie des Pkw er­ge­be, hat­te die Be­klag­te kei­ne Mög­lich­kei­ten, sich über vor­aus­ge­gan­ge­ne Ar­bei­ten an dem Pkw bzw. die tech­ni­sche His­to­rie (Re­pa­ra­tur­his­to­rie) zu in­for­mie­ren, da aus da­ten­schutz­recht­li­chen Grün­den ein Zu­griff auf die Re­pa­ra­tur­his­to­rie nur dem Ver­trags­händ­ler mög­lich ist (vgl. Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 3898).

bb) Auch hin­sicht­lich der be­haup­te­ten Nicht­teil­nah­me an der Rück­ruf­ak­ti­on be­steht kei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung der Be­klag­ten. Es be­steht zwar ein Zu­griff auf Rück­ruf­ak­tio­nen (z. B. www.​autoservicepraxis.​de). Oh­ne kon­kre­ten An­lass be­steht je­doch kei­ne Rechts­pflicht, sich elek­tro­ni­scher In­for­ma­ti­ons­sys­te­me zu be­die­nen (vgl. Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 3898). Auch in­so­weit hat die Klä­ge­rin trotz Hin­wei­ses durch die Kam­mer nicht mit Sub­stanz dar­ge­legt, wor­aus sich ein kon­kre­ter An­halts­punkt auf ei­ne das Fahr­zeug be­tref­fen­de Rück­ruf­ak­ti­on er­ge­ben ha­ben soll.

cc) Auch hin­sicht­lich der Som­mer­rei­fen ist der Be­weis nicht ge­lun­gen, dass die­se bei Ver­trags­schluss Schä­den auf­wie­sen bzw. man­gel­haft wa­ren und die Be­klag­te in­so­weit arg­lis­tig ge­täuscht hat.

Hin­sicht­lich der Rei­fen und Fel­gen ist die Pro­fil­tie­fe durch Sicht­prü­fung zu über­prü­fen (vgl. Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 3887), was vor­lie­gend er­folgt ist. Un­strei­tig wur­de der Pkw auch der D-GmbH zur Haupt­un­ter­su­chung vor­ge­stellt. Im Rah­men der Un­ter­su­chung wer­den auch die Rei­fen über­prüft und wur­den hier als man­gel­frei ein­ge­stuft. Auch wur­de ei­ne Pro­be­fahrt durch­ge­führt, bei der den Par­tei­en nichts auf­ge­fal­len ist. Da­bei ist auch da­von aus­zu­ge­hen, dass zu­min­dest bei der Pro­be­fahrt am 29.09.2014 die jetzt be­an­stan­de­ten Som­mer­rei­fen auf­ge­zo­gen wa­ren, wie es der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten schlüs­sig vor­trägt. Er hat über­zeu­gend ge­schil­dert, dass auf­grund des An- und Ver­kaufs­mo­nats Sep­tem­ber die Som­mer­rei­fen be­reits beim An­kauf auf­ge­zo­gen wa­ren. Zu­dem hat er an­ge­ge­ben, dass die­se auf den hoch­wer­ti­ge­ren Fel­gen wa­ren und üb­li­cher­wei­se die hoch­wer­ti­ge­ren Rei­fen zum Ver­kauf auf­ge­zo­gen blei­ben bzw. wer­den. Dies er­gibt sich auch so aus dem Kauf­ver­trag, in dem an­ge­ge­ben ist „Win­ter­rei­fen + 1 Ein­la­ge­rung kos­ten­frei“. Der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten gab an, dass vor Ab­ho­lung des Pkw um­ge­rüs­tet wur­de auf Win­ter­rei­fen, was die Rech­nung be­stä­tigt. Da­ge­gen gab die Klä­ge­rin an, sich nicht mehr er­in­nern zu kön­nen, wei­che Rei­fen auf­ge­zo­gen wa­ren. Dass sie nun­mehr aus der Tat­sa­che, dass nach dem Auf­zie­hen der Som­mer­rei­fen die­se nicht rund ge­lau­fen sei­en und fest­ge­stellt wor­den sei, dass sich Ril­len ge­bil­det hät­ten, dar­auf zu­rück­schließt, dass sie bei der Haupt­un­ter­su­chung nicht auf­ge­zo­gen ge­we­sen sein kön­nen, wi­der­legt in­des nicht, dass sie bei der Be­sich­ti­gung und der Pro­be­fahrt auf­ge­zo­gen ge­we­sen sind. Zu­dem reicht es nicht aus zu wi­der­le­gen, dass die Be­klag­te die Rei­fen ord­nungs­ge­mäß ge­prüft hat und nicht vor­werf­bar für „in Ord­nung“ be­fun­den hat. Da­bei ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass das Fahr­zeug be­reits ei­ne Lauf­leis­tung von 105.000 km auf­ge­wie­sen hat und dem­entspre­chend kei­ne neu­wer­ti­gen Rei­fen zu er­war­ten wa­ren. Da die Rei­fen meh­re­re Mo­na­te ein­ge­la­gert wa­ren, ist es auch nicht aus­ge­schlos­sen, dass da­durch eben­falls ei­ne Ver­schlech­te­rung des Rei­fen­ma­te­ri­als ein­ge­tre­ten ist.

Zu­dem hat die Klä­ge­rin nicht mit Sub­stanz dar­ge­legt, dass der Zu­stand der Som­mer­rei­fen für sie kauf­ent­schei­dend war, zu­dem sie auch ei­nen wei­te­ren Satz Win­ter­rei­fen er­hal­ten hat. Aus ih­rem Vor­trag er­gibt sich viel­mehr, dass sie mit ei­nem Aus­tausch der Rei­fen zu­frie­den ge­we­sen wä­re.

dd) Sel­bi­ges gilt hin­sicht­lich der Brem­sen. In­so­weit wur­den durch die Be­klag­te die Brems­schei­ben und -be­lä­ge vorn er­neu­ert. In der Haupt­un­ter­su­chung wur­den die Brem­sen für man­gel­frei be­fun­den. Dass die Be­klag­te in Per­son von Herrn B im Früh­jahr 2015, sie­ben Mo­na­te nach dem Kauf, dar­auf hin­ge­wie­sen hat, dass die hin­te­ren Brem­sen re­pa­ra­tur­be­dürf­tig sei­en, sagt nichts über ih­ren Zu­stand bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags aus. Brems­schei­ben und -be­lä­ge ge­hö­ren zu den üb­li­chen Ver­schleiß­tei­len, so­dass sie im Rah­men des zwi­schen­zeit­li­chen Ge­brauchs durch die Klä­ge­rin, der … bei 5.000–6.000 km ge­le­gen ha­ben dürf­te, ei­ne Ver­schlech­te­rung er­fah­ren ha­ben.

ee) So­weit ein Scha­den am Fahr­zeug­bo­den ge­rügt wird, man­gelt der Vor­trag an Sub­stanz. Trotz Hin­wei­ses der Kam­mer mit Hin­weis­be­schluss vom 18.12.2015 er­folg­te kein wei­te­rer Vor­trag.

ff) So­weit ein an­ge­bro­che­ner Spoi­ler an der Rad­haus­scha­le ge­rügt wird, wur­de die An­fech­tung dar­auf nicht ge­stützt. Zu­dem ist der Klä­ge­rin in­so­weit der Be­weis ei­ner arg­lis­ti­gen Täu­schung nicht ge­lun­gen. Die Klä­ge­rin selbst trägt vor, dies be­reits bei Ver­trags­schluss be­män­gelt zu ha­ben. Auf­grund ei­ge­ner Kennt­nis schei­det ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung aus.

2. Ein An­spruch auf Rück­erstat­tung des Kauf­prei­ses er­gibt sich auch nicht aus ei­nem Rück­tritt vom Kauf­ver­trag ge­mäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2 Fall 1, § 323 BGB. Zwar mag die An­fech­tungs­er­klä­rung ge­mäß § 140 BGB in ei­ne Rück­tritts­er­klä­rung um­ge­deu­tet wer­den (vgl. OLG Schles­wig, Urt. v. 18.08.2005 – 5 U 11/05, ju­ris). Ein Rück­tritts­recht liegt aber nicht vor, weil ein zum Rück­tritt be­rech­ti­gen­der Man­gel des Fahr­zeugs nicht vor­liegt und es an ei­ner Frist­set­zung zur Man­gel­be­sei­ti­gung fehlt.

a) Hin­sicht­lich der be­haup­te­ten An­ga­be „aus ers­ter Hand“ gilt das un­ter 1 a Ge­sag­te ent­spre­chend. Da zwi­schen den Par­tei­en ein schrift­li­cher Kauf­ver­trag ge­schlos­sen wur­de und in die­sem ei­ne An­ga­be zu den Vor­be­sit­zern ent­hal­ten ist, kann selbst bei vor­he­ri­gen An­ga­ben der Be­klag­ten über die An­zahl der Vor­be­sit­zer erst mit Ab­schluss des Kauf­ver­trags ei­ne Be­schaf­fen­heit end­gül­tig ver­ein­bart wor­den sein. Der Kauf­ver­trag be­nennt in­so­weit zwei Vor­be­sit­zer. Je­doch fehlt es auf­grund des Zu­sat­zes „laut Fahr­zeug­brief“ auch in­so­weit an ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung, viel­mehr liegt nur ei­ne Wis­sens­mit­tei­lung vor.

Zu­min­dest ist ein Rück­tritt vom Ver­trag nach § 323 V 2 BGB aus­ge­schlos­sen, weil selbst bei Vor­lie­gen ei­nes Man­gels die­ser un­er­heb­lich ist. Bei ei­nem sechs Jah­re al­ten Pkw stellt es nur ei­nen un­er­heb­li­chen Man­gel dar, wenn statt zwei drei Vor­be­sit­zer in der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung ein­ge­tra­gen sind. Hat ein Fahr­zeug nur ei­nen Vor­hal­ter, so stellt dies re­gel­mä­ßig ei­ne Ei­gen­schaft dar, die für ei­nen Käu­fer kauf­ent­schei­dend sein mag. Die Fra­ge, ob zwei oder drei Hal­ter in der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung ein­ge­tra­gen sind, ist dem­ge­gen­über nicht von so ent­schei­den­der Be­deu­tung (vgl. LG Kiel, Urt. v. 27.02.2015 – 3 O 25/14, ju­ris).

b) Selbst wenn der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten die Un­fall- und Man­gel­frei­heit oh­ne den Zu­satz „laut Vor­be­sit­zer“ zu­ge­si­chert ha­ben soll­te, wor­in ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung zu se­hen wä­re, ist ein Rück­tritt in­so­weit nicht mög­lich.

aa) So­weit es um die Neu­la­ckie­rung der Mo­tor­hau­be geht, liegt dar­in we­der ein Man­gel, noch re­sul­tiert sie aus ei­nem Un­fall (s. da­zu be­reits oben un­ter 1 b aa).

bb) Auf­grund obi­ger Dar­stel­lun­gen un­ter 1 b bb und cc ist hin­sicht­lich der Rei­fen und der Brem­sen (vgl. auch LG Aa­chen, Urt. v. 23.10.2003 – 6 S 99/03, ju­ris) be­reits der Nach­weis nicht ge­lun­gen, dass die be­haup­te­ten Män­gel bei Ver­trags­schluss be­reits vor­la­gen.

Hin­sicht­lich der Rei­fen ist zu­dem kein Man­gel an­zu­neh­men. Da kei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung dies­be­züg­lich ge­ge­ben ist, ist zu be­ur­tei­len, ob der Pkw sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann (Stau­din­ger/Ma­tu­sche-Beck­mann, BGB, Neu­be­arb. 2013, § 434 Rn. 81).

Bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags hat­te der sechs Jah­re al­te Pkw be­reits ei­ne Lauf­leis­tung von 105.000 km. Die Klä­ge­rin konn­te da­her nicht da­mit rech­nen, neu­wer­ti­ge Rei­fen zu er­hal­ten. Zu­dem hat sie ne­ben den Som­mer­rei­fen ei­nen Satz fahr­ba­rer Win­ter­rei­fen er­hal­ten, so­dass der Pkw zu­min­dest mit ei­nem Satz nicht zu be­an­stan­den­der Rei­fen aus­ge­stat­tet war. Mehr konn­te ein Käu­fer nach der Art der Sa­che auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Kauf­prei­ses von 10.000 € nicht er­war­ten.

Zu­dem geht die Nach­bes­se­rung dem Rück­tritt vor, was sich dar­aus er­gibt, dass dem Ver­käu­fer ge­mäß § 323 I BGB zu­nächst die Mög­lich­keit zur Nach­er­fül­lung ein­ge­räumt wer­den muss, wenn nicht ei­ne Aus­nah­me nach § 323 II BGB bzw. § 440 BGB vor­liegt. Un­strei­tig wur­de der Klä­ge­rin durch die Be­klag­te an­ge­bo­ten, die Brem­sen und die Rei­fen kos­ten­los zu er­set­zen. Die­ses An­ge­bot hat sie nicht an­ge­nom­men, son­dern den Kauf­ver­trag an­ge­foch­ten. So­weit die Klä­ge­rin dies da­mit be­grün­det, dass sie das Ver­trau­en in die Be­klag­te ver­lo­ren ha­be, weil sie zwi­schen­zeit­lich im Kauf­ver­trag ge­se­hen ha­be, dass dort „zwei Vor­be­sit­zer“ statt der be­haup­te­ten An­ga­be „aus ers­ter Hand“ ein­ge­tra­gen wa­ren, liegt dar­in kein Grund nach § 323 II Nr. 3 BGB bzw. § 440 Satz 1 BGB. Wie be­reits dar­ge­stellt, hat sie den Ver­trag un­ge­le­sen un­ter­schrie­ben und kann es des­we­gen der Be­klag­ten nun­mehr nicht vor­wer­fen, dass die von ihr an­ge­nom­me­ne Vor­be­sit­zer­zahl nicht zu­trifft.

cc) Hin­sicht­lich der Nicht­teil­nah­me an der Rück­ruf­ak­ti­on, des Scha­dens am Fahr­zeug­bo­den und des Scha­dens am Ver­blen­der fehlt dem Vor­trag die er­for­der­li­che Sub­stanz, um ei­nen Man­gel an­zu­neh­men. Zu­dem fehlt die er­folg­lo­se Frist­set­zung zur Nach­bes­se­rung.

3. Auch der hilfs­wei­se ge­stell­te An­trag ist un­be­grün­det. Die Min­de­rung nach §§ 433, 434, 437 Nr. 2 Fall 2, § 441 BGB un­ter­liegt bis auf § 323 V 2 BGB den­sel­ben Vor­aus­set­zun­gen wie der Rück­tritt, so­dass es auch hin­sicht­lich des Hilfs­an­trags an ei­nem Man­gel und – wo er­for­der­lich – an der Frist­set­zung zur Man­gel­be­sei­ti­gung fehlt. …

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