1. Ein Verkäufer, der ein fast neuwertiges Fahrzeug wie einen Vorführ- oder Jahreswagen zum Kauf anbietet, erklärt allein dadurch nicht stillschweigend oder konkludent, dass das Fahrzeug mangelfrei sei.
  2. Ein Gebrauchtwagenhändler muss ein Fahrzeug (hier: einen Jahreswagen) vor der Übergabe an den Käufer grundsätzlich nicht umfassend auf Vorschäden untersuchen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.01.2002 – 3 U 11/01

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der beklagten Audi-Vertragshändlerin am 15.05.1998 einen Jahreswagen (Audi A6) für 56.800 DM. Im schriftlichen Kaufvertrag wurde die Haftung der Beklagten für Sachmängel ausgeschlossen. Außerdem enthält der Vertrag die Erklärung, dass der Beklagten keine Unfallschäden des Fahrzeugs bekannt seien.

Die Beklagte bestellte das in Rede stehende Fahrzeug am 18.05.1998 bei der J-GmbH.

Bei einem Werkstattbesuch erfuhr der Kläger, dass das Fahrzeug einen Unfall erlitten hatte. Er wandte sich deshalb an die Beklagte, die ihrerseits bei der J-GmbH, bei der sie das Fahrzeug am 18.05.1998 bestellt hatte, rückfragte. Die J-GmbH bot der Beklagten zur Abgeltung aller Ansprüche eine Kaufpreisminderung in Höhe von 500 DM an. Diesen Betrag schrieb die Beklagte dem Kläger, der dies widerspruchslos hinnahm, gut.

Mit Schreiben vom 19.05.1999 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung auf, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs Schadenersatz in Höhe des Kaufpreises zu leisten, weil das Fahrzeug vor Vertragsabschluss einen erheblichen Heck- und Seitenschaden erlitten habe.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe bei Vertragsschluss Kenntnis von den Unfallschäden gehabt; zumindest seien diese für sie offensichtlich gewesen. Er meint, die Beklagte sei auch verpflichtet gewesen, das Fahrzeug vor der Übergabe auf Unfallschäden zu untersuchen. Indem sie dies unterlassen und ihn, den Kläger, auch im Juni 1998 nicht über das wahre Maß der Unfallschäden aufgeklärt habe, habe sie sich schadenersatzpflichtig gemacht.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, dem Kläger stünden keine Ansprüche aus §§ 463, 459, 433 BGB a.F. zu. Die Beklagte habe dadurch, dass sie ihre Kenntnis von Unfallschäden verneint habe, keine Unfallfreiheit zugesichert. Der Kläger habe auch nicht substanziiert dargelegt, dass die Beklagte die Unfallschäden arglistig verschwiegen habe. Dafür, dass die Beklagte die Unfallschäden bei Vertragsabschluss für möglich gehalten habe, gebe es keine Anhaltspunkte. Die Beklagte habe daher auch nicht „ins Blaue hinein“ angegeben, von Unfallschäden keine Kenntnis zu haben. Sie sei auch nicht zu einer besonderen Überprüfung des Fahrzeugs verpflichtet gewesen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen wären die Unfallschäden ohnehin nur bei einer sorgfältigen Untersuchung durch einen Karosseriefachmann oder einen versierten Kfz-Verkaufsberater festzustellen gewesen. Ebenso bestehe kein Anspruch wegen der Verletzung nachvertraglicher Pflichten. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, dass die Beklagte seitens der J-GmbH über das vollständige Maß der Unfallschäden informiert worden sei und ihre Kenntnisse dem Kläger verschwiegen habe.

Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Beklagte ist dem Kläger … nicht zur Erstattung des Kaufpreises … verpflichtet.

1. Ein Schadenersatzanspruch aus §§ 463, 459, 433, 476 BGB a.F. ist nicht gegeben, weil die Beklagte bei Abschluss des Kaufvertrags keine Kenntnis von den Unfallschäden hatte. Da sich das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt nicht im Herrschaftsbereich der Beklagten befand, konnte sie ihre Informationen nur über die J-GmbH in G. beziehen. Der Zeuge S hat bei seiner Vernehmung hierzu ausgeführt, die Beklagte sei von seiner Firma nicht über einen Unfallschaden des in Rede stehenden Fahrzeugs informiert worden. Ein solcher Schaden sei der J-GmbH offenbar auch selbst nicht bekannt gewesen. Es habe beim Einkauf des Fahrzeugs keine Hinweise gegeben, die auf einen Vorschaden hätten hindeuten können – etwa ein vergleichsweise niedriger Kaufpreis; auch als das Fahrzeug auf dem Betriebsgelände stand, sei kein Schaden festgestellt worden. Andernfalls wäre dies dem Kunden schon in dem Kaufangebot mitgeteilt worden.

Die Beklagte hat dem Kläger die Unfallschäden auch nicht unter dem Gesichtspunkt von „Angaben ins Blaue“ hinein arglistig verschwiegen. Ein solcher Fall ist anzunehmen, wenn der Verkäufer gegenüber dem Käufer nicht etwas verschweigt, sondern durch positives Tun unrichtige Angaben über das Fahrzeug macht und dabei die Unrichtigkeit wenigstens für möglich hält (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, Rn. 1877). Hier ist bereits fraglich, ob überhaupt positive Angaben des Verkäufers gegeben sind. Der Kaufvertrag enthält lediglich die Angabe, dass der Beklagten Unfallschäden „nicht auf andere Weise“ bekannt sind. Die Rubrik „Unfallschäden lt. Vorbesitzer“ ist nicht ausgefüllt. Selbst wenn man dies als positives Tun wertet, sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Beklagte diese Angaben möglicherweise für unrichtig halten musste. Der Zeuge S hat nämlich bekundet, die Beklagte gehöre zu dem festen Kundenstamm seines Betriebs, der die zum Verkauf stehenden Fahrzeuge in entsprechenden Listen über Fax oder Post angeboten werden. Wenn aber die J-GmbH solche Listen versendet und darin – nach Aussage des Zeugen S – etwaige Schäden mitteilt, durfte sich die Beklagte als regelmäßige Kundin der J-GmbH darauf verlassen, dass auch ihrer Verkäuferin keine Schäden bekannt waren und sie andernfalls – wie üblich – bereits in der Angebotsliste darüber informiert worden wäre. Selbst wenn man von der Beklagten verlangte, dass sie vor Abschluss des Kaufvertrags mit dem Kläger bei der J-GmbH nach etwaigen Vorschäden gefragt hätte, weil sie selbst das Fahrzeug zuvor nicht gesehen hatte, hätte sie dem Kläger keine weiteren Informationen über Vorschäden erteilen können, da die J-GmbH selbst keine Kenntnis von einem Schaden hatte.

2. Die Beklagte haftet dem Kläger gegenüber auch nicht wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft.

Eine Zusicherung liegt vor, wenn aus der Sicht des Käufers der Verkäufer das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft gewährleisten und für die Folgen ihres Fehlens einstehen will (OLG Köln, Urt. v. 22.03.1999 – 8 U 70/98, NZV 1999, 381). Mit der Erklärung, Unfallschäden seien nicht bekannt, hat die Beklagte nicht Unfallfreiheit zugesichert, sondern – bei objektiver Würdigung der Umstände – lediglich deutlich gemacht, dass sie nicht für unbekannte Schäden einstehen und damit gerade keine garantieähnliche Haftung gegenüber dem Kläger übernehmen wolle. Eine andere Bedeutung kann dieser Erklärung auch nicht etwa deswegen beigemessen werden, weil es sich bei der Beklagten um eine Audi-Vertragshändlerin und -werkstatt handelt. Allein eine etwa vorhandene Sachkompetenz begründet keine Zusicherung von Eigenschaften. Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen Zusicherung und bloßer Wissensmitteilung; die Angabe, von einem Unfall laut Vorbesitzer nichts zu wissen, weckt nicht das für eine Zusicherung erforderliche Vertrauen, da der Verkäufer lediglich auf fremde Informationen Bezug nimmt; eine vorformulierte Erklärung, auf andere Weise seien Unfallschäden nicht bekannt, hat ebenfalls keinen Zusicherungscharakter (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1792 ). Eine Eigenschaftszusicherung lässt sich im Übrigen auch nicht aus einer nicht ausgefüllten Rubrik „dem Verkäufer sind folgende Mängel bekannt“ herleiten (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1746).

Auch aus der Tatsache, dass das Fahrzeug als Jahreswagen verkauft wurde, konnte der Kläger nicht entnehmen, dass Unfall- oder Mängelfreiheit stillschweigend zugesichert worden ist. Auch die stillschweigende Zusicherung knüpft an ein positives – wenn auch konkludentes – Verhalten an. Hierfür fehlen hinreichende Anhaltspunkte. Es mag sein, dass der Kläger ein unfallfreies Fahrzeug erwartet hat und auch die Beklagte davon ausgegangen ist, sie verkaufe ein unfallfreies Auto; diese Erwartung rechtfertigt aber ohne weitere Anhaltspunkte nicht die Annahme einer Zusicherung. Die bloße Tatsache, dass ein fast neuwertiges Fahrzeug wie Vorführ- oder Jahreswagen zum Verkauf angeboten wird, enthält nicht die konkludente oder stillschweigende Zusicherung der Mängelfreiheit (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1744 ). Vielmehr ist es Sache des Käufers, wenn es ihm darauf ankommt, sich beim Vorbesitzer zu erkundigen oder vom Verkäufer eine Garantie zu verlangen (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1792).

Der Kläger wusste bei Kaufabschluss, dass die Beklagte das Fahrzeug nicht selbst gesehen hatte, es sich vielmehr bei der J-GmbH befand. Ihm war somit auch klar, dass die Beklagte auf Informationen durch die J-GmbH angewiesen war. Wenn er dennoch „blind“ ein solches Gebrauchtfahrzeug erwirbt und auch nicht nach Vorschäden fragt, ist eine Einstandspflicht des Verkäufers nicht gerechtfertigt.

3. Der Kläger kann einen Schadenersatzanspruch nicht aus positiver Vertragsverletzung herleiten. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Beklagte zu einer genaueren Überprüfung des Fahrzeugs vor Übergabe verpflichtet war und sich durch das Unterlassen einer solchen schadenersatzpflichtig gemacht hat. Grundsätzlich ist der Verkäufer nicht zu einer solchen Überprüfung verpflichtet. Eine besondere Absprache haben die Parteien hierzu nicht getroffen. Selbst wenn man eine Prüfungspflicht auch ohne eine besondere Vereinbarung für gegeben hält, stellt sich weiter die Frage, welchen Umfang diese hatte. Durfte sich die Beklagte mit einer Routineuntersuchung begnügen, wie sie sie tatsächlich auch durchgeführt hat, oder war eine genaue Inspektion erforderlich? Nach ihrem Vorbringen hat die Beklagte das Fahrzeug vor Übergabe lediglich auf Reifendruck, Kühlwasser und Ölstand überprüft und dabei keine Unfallschäden festgestellt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen war das unterschiedliche Spaltmaß zwischen der Fondtür und der Seitenwand, welches einen Unfallvorschaden indiziert, nur bei einer sorgfältigen Besichtigung durch einen Karrosseriefachmann oder einen versierten Kfz-Verkaufsberater feststellbar. Die übrigen Unfallspuren waren auch für den Sachverständigen erst nach diversen Freilegungsarbeiten erkennbar. Die Mängel drängten sich also auch einem fachlich geschulten Verkäufer nicht auf. Die Frage, ob dies ausreicht, kann hier offenbleiben, denn eine positive Forderungsverletzung begründet lediglich einen Anspruch des Käufers auf Ersatz des Mangelfolgeschadens, also desjenigen Schadens, der an anderen Rechtsgütern als an der Kaufsache selbst entsteht, etwa an Leben, Gesundheit, Eigentum (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 276 Rn. 110). Dem Kläger ist jedoch kein über die mangelhafte Kaufsache hinausgehender Schaden entstanden.

4. Der Kläger kann den ihm entstandenen Schaden gegenüber der Beklagten schließlich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Drittschadensliquidation geltend machen.

Die Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation sind in der Rechtsprechung in den Fällen der sogenannten Käuferkette diskutiert worden (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 27.03.1974 – 20 U 281/73, NJW 1974, 2091; OLG München, Beschl. v. 20.03.1980 – 27 W 22/80, NJW 1980, 1581 [jeweils zum Gebrauchtwagenverkauf]). In den einschlägigen Fällen hatte der Erstverkäufer erhebliche Vorschäden des Fahrzeugs verschwiegen und der Zweitverkäufer den Pkw an einen Dritten unter Ausschluss jeder Gewährleistung weiterverkauft, ohne dass dem Zweitverkäufer die ihm verschwiegenen Mängel in der Zwischenzeit bekannt geworden wären. Dies trifft auf den hier in Rede stehenden Fall nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu. Eine Drittschadensliquidation, die im Übrigen von dem Zweitverkäufer gegenüber dem Erstverkäufer geltend gemacht werden müsste, ist aber abgelehnt worden, weil der Schaden nicht nur in einer Person entstanden ist; vielmehr hat auch der Zweitverkäufer einen Schaden dadurch erlitten, dass er einen mängelbehafteten Pkw erworben hatte. Dass dieser Schaden möglicherweise vollständig kompensiert worden ist durch den Weiterverkauf, soll den Erstverkäufer nicht entlasten. In den beiden von den Oberlandesgerichten Hamm und München entschiedenen Fällen hatte allerdings der Zweitverkäufer den ihm gegenüber dem Erstverkäufer zustehenden Schadenersatzanspruch aus § 463 Satz 2 BGB freiwillig an den Endabnehmer (Kläger) abgetreten.

Ob jedoch der Kläger einen Anspruch auf Abtretung hat, ist ungewiss (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1983 ff.). Der BGH hat einen Abtretungsanspruch bei einem Grundstückskauf im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bejaht (Urt. v. 20.12.1996 – V ZR 259/95, NJW 1997, 652). Diese Frage braucht vorliegend indes ebenso wenig entschieden zu werden wie die Frage, ob dem Kläger gegenüber dem Erstverkäufer ein Anspruch aus § 826 BGB zusteht (vgl. hierzu OLG Hamm, Urt. v. 17.12.1996 – 27 U 152/96, NJW 1997, 2121; OLG München, Urt. v. 20.08.1999 – 14 U 860/98, DAR 1999, 506), da diese Ansprüche nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind …

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