Zu den An­for­de­run­gen an ei­ne Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung ge­mäß § 281 I 1 BGB, § 323 I BGB (Auf­for­de­rung, den Kauf­ge­gen­stand aus­zu­tau­schen, mit der An­kün­di­gung, an­de­ren­falls recht­li­che Schrit­te zu er­grei­fen; Fort­füh­rung von BGH, Urt. v. 12.08.2009 – VI­II ZR 254/08, NJW 2009, 3153).

BGH, Ur­teil vom 18.03.2015 – VI­II ZR 176/14

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin er­warb von der Be­klag­ten am 03.05.2011 für 15.000 € ei­nen Fuchs­wal­lach der Ras­se Quar­ter Hor­se. Mit An­walts­schrei­ben vom 02.08.2012 er­klär­te die Klä­ge­rin den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag un­ter Be­ru­fung dar­auf, dass das Pferd an ei­ner un­heil­ba­ren „Kis­sing Spi­nes“-Er­kran­kung lei­de, die be­reits bei Über­ga­be vor­han­den ge­we­sen sei.

Die Klä­ge­rin be­gehrt die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses, die Er­stat­tung von be­zif­fer­ten Auf­wen­dun­gen so­wie die Fest­stel­lung, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet sei, ihr al­le wei­te­ren män­gel­be­ding­ten Auf­wen­dun­gen zu er­stat­ten. Fer­ner ver­langt sie die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zu­ges so­wie den Er­satz vor­ge­richt­li­cher An­walts­kos­ten.

Die Kla­ge ist in den Vor­in­stan­zen oh­ne Er­folg ge­blie­ben. Auf die (er­folg­rei­che) Re­vi­si­on der Klä­ge­rin wur­de das Be­ru­fungs­ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.

Aus den Grün­den: [5]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung, so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von Be­deu­tung, im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[6]    Die Klä­ge­rin be­geh­re Rück­ge­währ des Kauf­prei­ses, Auf­wen­dungs­er­satz so­wie Er­stat­tung vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten. Es feh­le al­ler­dings an ei­ner er­folg­lo­sen Auf­for­de­rung zur Nach­er­fül­lung ge­mäß § 323 I BGB, § 281 I BGB.

[7]    Es kön­ne da­hin­ge­stellt blei­ben, ob das Pferd be­reits bei Über­ga­be am 03.05.2011 an ei­nem „Kis­sing Spi­nes“-Syn­drom ge­lit­ten ha­be. Die Klä­ge­rin ha­be zu kei­nem Zeit­punkt ein Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen an die Be­klag­te ge­rich­tet, wel­ches den Vor­ga­ben der § 323 I BGB, § 281 I BGB ge­nü­ge. Zwar mö­ge der Le­bens­ge­fähr­te der Klä­ge­rin, der von ihr als Zeu­ge be­nann­te H, am 19.06.2012 an­läss­lich ei­nes Auf­ent­hal­tes auf dem Ge­stüt der Be­klag­ten von de­ren Va­ter den Aus­tausch des Pfer­des ver­langt ha­ben. Ei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung, wel­che er­folg­los hät­te ver­strei­chen kön­nen, ha­be der Zeu­ge in die­sem Zu­sam­men­hang selbst nach den Be­haup­tun­gen der Klä­ge­rin in dem nach­ge­las­se­nen Schrift­satz vom 07.04.2014 je­doch nicht ge­setzt.

[8]    Grund­sätz­lich sei auch beim Tier­kauf vor der Rück­tritts­er­klä­rung ei­ne Frist­set­zung zur Nach­bes­se­rung oder zur Nach­lie­fe­rung er­for­der­lich. Aus­nah­men sei­en nur un­ter be­son­de­ren Um­stän­den zu­zu­las­sen. We­der ha­be die Klä­ge­rin in­so­weit je­doch vor­ge­tra­gen, dass et­wa aus Grün­den des Tier­schut­zes ei­ne un­ver­züg­li­che In­an­spruch­nah­me tier­ärzt­li­cher Hil­fe not­wen­dig ge­we­sen sei, noch las­se sich er­ken­nen, dass die Lie­fe­rung ei­nes an­de­ren – ge­sun­den – Pfer­des we­gen ei­ner be­reits ent­stan­de­nen Bin­dung an das streit­ge­gen­ständ­li­che Tier nicht in Be­tracht ge­kom­men wä­re. Aus den Aus­füh­run­gen der Klä­ge­rin er­ge­be sich, dass ih­re Kauf­ent­schei­dung schwer­punkt­mä­ßig auf ob­jek­ti­ven Ge­sichts­punk­ten – der Eig­nung für die Tur­nier­rich­tung „Plea­su­re“, ei­ner Dis­zi­plin des Wes­tern­rei­tens – be­ruht ha­be. Ge­ra­de in ei­nem sol­chen Fall, in wel­chem in ers­ter Li­nie ob­jek­ti­ve Qua­li­täts­an­for­de­run­gen aus­schlag­ge­bend ge­we­sen sei­en, kom­me ei­ne Er­satz­lie­fe­rung ernst­haft in Be­tracht. Dass der Be­klag­ten ei­ne Nach­er­fül­lung durch Lie­fe­rung ei­nes Er­satz­pfer­des nicht mög­lich ge­we­sen wä­re, wer­de sub­stan­zi­iert von der Klä­ge­rin nicht be­haup­tet.

[9]    Die Klä­ge­rin tra­ge zwar vor, der Va­ter der Be­klag­ten ha­be seit Be­kannt­wer­den des „Kis­sing Spi­nes“-Ver­dachts sämt­li­che An­schul­di­gun­gen und Pflich­ten von sich ge­wie­sen und auch die Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens ab­ge­lehnt, weil die­ses oh­ne­hin „nichts brin­ge“; hier­durch sei das Ver­trau­en der Klä­ge­rin in das Un­ter­neh­men der Be­klag­ten ge­bro­chen wor­den. Ei­ne end­gül­ti­ge Er­fül­lungs­ver­wei­ge­rung der Be­klag­ten las­se sich aus die­ser un­prä­zi­sen Dar­stel­lung je­doch nicht her­lei­ten. Dies gel­te auch für die um­gangs­sprach­li­che For­mu­lie­rung des Va­ters der Be­klag­ten in dem be­haup­te­ten Ge­spräch mit dem Le­bens­ge­fähr­ten der Klä­ge­rin am 19.06.2012, wo­nach man sich vor Ge­richt wie­der­se­he. Der­ar­ti­ge Äu­ße­run­gen lie­ßen nicht dar­auf schlie­ßen, dass die Be­klag­te ei­ne Nach­lie­fe­rung auch dann ab­ge­lehnt hät­te, wenn sie hier­zu von der Klä­ge­rin ernst­haft un­ter Ge­wäh­rung ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist auf­ge­for­dert wor­den wä­re. Ins­be­son­de­re ha­be die be­haup­te­te Ant­wort des Va­ters der Be­klag­ten am 19.06,2012 in ih­rem un­ver­bind­li­chen Stil dem von Herrn H un­mit­tel­bar zu­vor an­ge­schla­ge­nen der­ben Ton ent­spro­chen. Un­ter die­sen Um­stän­den sei ei­ne wirk­sa­me Auf­for­de­rung zur Nach­er­fül­lung in­ner­halb der Zwei­jah­res­frist ab dem 03.05.2011, wäh­rend der ein An­spruch der Klä­ge­rin auf Nach­er­fül­lung ge­mäß § 439 I BGB be­stan­den ha­be, nicht er­folgt.

[10]   II. Die­se Aus­füh­run­gen hal­ten recht­li­cher Nach­prü­fung im ent­schei­den­den Punkt nicht stand. Mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­ge­be­nen Be­grün­dung, die Klä­ge­rin ha­be der Be­klag­ten kei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung i. S. der § 323 I BGB, § 281 I BGB ge­setzt, kann die Kla­ge nicht ab­ge­wie­sen wer­den.

[11]   1. Für ei­ne Frist­set­zung im Sin­ne der vor­ge­nann­ten Vor­schrif­ten ge­nügt es, wenn der Gläu­bi­ger durch das Ver­lan­gen nach so­for­ti­ger, un­ver­züg­li­cher oder um­ge­hen­der Leis­tung oder durch ver­gleich­ba­re For­mu­lie­run­gen deut­lich macht, dass dem Schuld­ner für die Er­fül­lung nur ein be­grenz­ter (be­stimm­ba­rer) Zeit­raum zur Ver­fü­gung steht. Der An­ga­be ei­nes be­stimm­ten Zeit­raums oder ei­nes be­stimm­ten (End-)Ter­mins be­darf es nicht. We­der lässt sich dem Be­griff der Frist­set­zung ent­neh­men, dass die maß­geb­li­che Zeit­span­ne nach dem Ka­len­der be­stimmt sein muss oder in kon­kre­ten Zeit­ein­hei­ten an­zu­ge­ben ist, noch er­for­dert es der Zweck der Frist­set­zung ge­mäß §§ 437 Nr. 2323 I BGB oder nach §§ 437 Nr. 3281 I BGB, dass der Gläu­bi­ger für die Nach­er­fül­lung ei­nen be­stimm­ten Zeit­raum oder ei­nen ge­nau­en (End-)Ter­min an­gibt. Dem Schuld­ner soll mit der Frist­set­zung vor Au­gen ge­führt wer­den, dass er die Leis­tung nicht zu ei­nem be­lie­bi­gen Zeit­punkt be­wir­ken kann, son­dern dass ihm hier­für ei­ne zeit­li­che Gren­ze ge­setzt ist. Die­ser Zweck wird durch ei­ne Auf­for­de­rung, so­fort, un­ver­züg­lich oder um­ge­hend zu leis­ten, hin­rei­chend er­füllt (Se­nat, Urt. v. 12.08.2009 – VI­II ZR 254/08, NJW 2009, 3153 Rn. 10 f. [zu § 281 BGB]).

[12]   2. Dar­an ge­mes­sen hat das Be­ru­fungs­ge­richt, wie die Re­vi­si­on mit Recht rügt, das durch den Zeu­gen H un­ter Be­weis ge­stell­te, im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren zu­grun­de zu le­gen­de Vor­brin­gen der Klä­ge­rin in dem nach­ge­las­se­nen Schrift­satz vom 07.04.2014 nicht hin­rei­chend er­fasst, der Zeu­ge ha­be dem Va­ter der Be­klag­ten am 19.06.2012 nicht nur ge­sagt, das Tier sei ihm zu ge­fähr­lich und er fürch­te um die Ge­sund­heit sei­ner Le­bens­ge­fähr­tin, son­dern ha­be auch wört­lich oder wortähn­lich er­klärt: „Ent­we­der wird das Pferd aus­ge­tauscht oder wir ge­hen recht­lich ge­gen Euch vor.“

[13]   Die­se Äu­ße­rung trägt den An­for­de­run­gen an ei­ne Frist­set­zung ge­mäß § 281 I 1 BGB, § 323 I BGB Rech­nung. Die Aus­füh­run­gen des Be­ru­fungs­ge­richts las­sen be­sor­gen, dass es ei­ne ord­nungs­ge­mä­ße Nach­er­fül­lungs­auf­for­de­rung von der Nen­nung ei­nes be­stimm­ten Zeit­raums oder ei­nes be­stimm­ten (End-)Ter­mins ab­hän­gig ma­chen will. Des­sen be­darf es je­doch nicht. Be­reits in dem Ver­lan­gen, das Pferd „aus­zu­tau­schen“, ver­bun­den mit der die Ernst­haf­tig­keit der Er­klä­rung ver­deut­li­chen­den War­nung, an­dern­falls recht­li­che Schrit­te zu er­grei­fen, liegt bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung un­miss­ver­ständ­lich die Auf­for­de­rung, um­ge­hend Ab­hil­fe durch Über­ga­be ei­nes ge­sun­den Pfer­des zu schaf­fen.

[14]   3. Das Be­ru­fungs­ur­teil stellt sich auf der Grund­la­ge der bis­he­ri­gen Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts auch nicht aus an­de­ren Grün­den als rich­tig dar (§ 561 ZPO). Ver­geb­lich be­ruft sich die Be­klag­te dar­auf, dass die Klä­ge­rin Un­ter­neh­me­rin sei und für die­sen Fall un­ter den wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen des § 3 III des Kauf­ver­tra­ges ein Aus­schluss der Sach­män­gel­haf­tung ver­ein­bart wor­den sei. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat be­reits kei­ne Fest­stel­lun­gen da­zu ge­trof­fen, ob die Klä­ge­rin Un­ter­neh­me­rin ist.

[15]   Zu­dem sind auch im Fall der Un­ter­neh­mer­ei­gen­schaft der Klä­ge­rin ge­mäß § 3 III 1 Halb­satz 2 des Kauf­ver­tra­ges un­ter an­de­rem An­sprü­che vom Aus­schluss der Sach­män­gel­haf­tung aus­ge­nom­men, bei de­nen „die haf­tungs­be­grün­den­den Um­stän­de … durch ei­ne fahr­läs­si­ge Pflicht­ver­let­zung von J [Be­klag­te] … ver­ur­sacht“ wur­den. In­so­weit kann auf der Grund­la­ge der bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts ein An­spruch der Klä­ge­rin auf Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung (§§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB) un­ter dem Ge­sichts­punkt der Ver­schaf­fung ei­nes von Sach­män­geln frei­en Tie­res (§§ 434 I, 90a BGB) nicht aus­ge­schlos­sen wer­den. Eben­so we­nig kann ein An­spruch der Klä­ge­rin auf Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner Ver­let­zung der Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur Nach­er­fül­lung ge­mäß § 439 I BGB aus­ge­schlos­sen wer­den (vgl. Se­nat, Urt. v. 02.04.2014 – VI­II ZR 46/13, BGHZ 200, 337 Rn. 23 f. m. w. Nachw.). Ei­ne sol­che Ver­pflich­tung der Be­klag­ten ha­ben die Par­tei­en ge­mäß § 5 V des Kauf­ver­tra­ges aus­drück­lich ver­ein­bart. Da­nach sind die Par­tei­en „sich ei­nig, dass ei­ne Nach­bes­se­rung durch Lie­fe­rung ei­nes ver­gleich­ba­ren Pfer­des er­fol­gen kann“, so­dass die­se Art der Nach­er­fül­lung durch § 3 III des Kauf­ver­tra­ges nicht aus­ge­schlos­sen ist.

[16]   III. Da­nach kann das an­ge­foch­te­ne Ur­teil kei­nen Be­stand ha­ben; es ist da­her auf­zu­he­ben (§ 562 I ZPO). Der Rechts­streit ist nicht zur End­ent­schei­dung reif, da es wei­te­rer tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen be­darf. Da­her ist die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 563 I 1 ZPO).

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