Dar­auf, ob die im Kauf­ver­trag über ei­nen Ge­braucht­wa­gen ent­hal­te­ne An­ga­be „ab­ge­le­se­ner km-Stand ca. …“ ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. des § 434 I 1 BGB ist, kommt es nicht an, wenn der Käu­fer auf­grund der ge­sam­ten Um­stän­de er­war­ten darf, dass die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs nicht we­sent­lich hö­her ist, als der Ki­lo­me­ter­zäh­ler an­zeigt. In die­sem Fall liegt näm­lich je­den­falls ein Sach­man­gel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB vor, wenn die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs von der im Ki­lo­me­ter­zäh­ler aus­ge­wie­se­nen nach oben ab­weicht.

BGH, Ur­teil vom 16.03.2005 – VI­II ZR 130/04

Sach­ver­halt: Mit Kauf­ver­trag vom 27.06.2002 er­warb der Klä­ger von dem Be­klag­ten ein ge­brauch­tes Kraft­fahr­zeug. Der Ver­trag ent­hält ne­ben dem vor­ge­druck­ten Text „ab­ge­le­se­ner km-Stand ca.“ die An­ga­be „86000“. Die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs be­lief sich auf mehr als 120.000 km. Der Klä­ger ist vom Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten und nimmt den Be­klag­ten auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses Zug um Zug ge­gen Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs in An­spruch.

Das Amts­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Das Land­ge­richt hat die Be­ru­fung des Be­klag­ten zu­rück­ge­wie­sen. Das Be­ru­fungs­ur­teil ent­hält kei­nen Tat­be­stand. Es nimmt we­der auf das an­ge­foch­te­ne Ur­teil des Amts­ge­richts Be­zug, noch gibt es die Be­ru­fungs­an­trä­ge wie­der. Der BGH hat das Be­ru­fungs­ur­teil des­halb auf­ge­ho­ben und die Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.

Aus den Grün­den: I. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist auf­zu­he­ben, da es ent­ge­gen § 540 I 1 Nr. 1 ZPO we­der ei­ne Be­zug­nah­me auf die tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des an­ge­foch­te­nen Ur­teils noch ei­ne Wie­der­ga­be der Be­ru­fungs­an­trä­ge ent­hält … Ein Be­ru­fungs­ur­teil, das kei­ne Be­zug­nah­me auf die tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen im an­ge­foch­te­nen Ur­teil mit Dar­stel­lung et­wai­ger Än­de­run­gen oder Er­gän­zun­gen ent­hält, un­ter­liegt im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren grund­sätz­lich von Amts we­gen der Auf­he­bung und Zu­rück­ver­wei­sung, weil ihm die für die re­vi­si­ons­recht­li­che Nach­prü­fung nach §§ 545, 559 ZPO er­for­der­li­che Be­ur­tei­lungs­grund­la­ge fehlt (Se­nat, Urt. v. 22.12.2003 – VI­II ZR 122/03, WM 2004, 1403). Glei­ches gilt, wenn ein Be­ru­fungs­ur­teil die Be­ru­fungs­an­trä­ge nicht wie­der­gibt (vgl. Se­nat, BGHZ 154, 99 m. w. Nachw.). Von der Auf­he­bung und Zu­rück­ver­wei­sung kann in ei­nem sol­chen Fall aus­nahms­wei­se nur dann ab­ge­se­hen wer­den, wenn sich die not­wen­di­gen tat­säch­li­chen Grund­la­gen der Ent­schei­dung hin­rei­chend deut­lich aus den Ur­teils­grün­den er­ge­ben und das Ur­teil we­nigs­tens sinn­ge­mäß er­ken­nen lässt, was der Be­ru­fungs­klä­ger mit sei­nem Rechts­mit­tel er­strebt hat.

Ein sol­cher Aus­nah­me­fall liegt hier nicht vor … Die äu­ßerst knapp ge­fass­ten Ur­teils­grün­de be­schrän­ken sich in we­ni­gen Sät­zen auf die Dar­le­gung der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts, dass der Rück­tritt des Klä­gers vom Kauf­ver­trag wirk­sam sei …

Das Ur­teil ist da­her auf­zu­he­ben und die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen.

II. In der neu­en Be­ru­fungs­ver­hand­lung wird das Be­ru­fungs­ge­richt die Fra­ge der Man­gel­haf­tig­keit er­neut zu prü­fen ha­ben, ins­be­son­de­re, ob es auf die von ihm als er­heb­lich er­ach­te­te Rechts­fra­ge des Vor­lie­gens ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. des § 434 I 1 BGB an­kommt.

Nach dem BGB in der Fas­sung des Ge­set­zes zur Mo­der­ni­sie­rung des Schuld­rechts vom 26.11.2001 (Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz, BGBl. I, S. 3138) ist die Un­ter­schei­dung zwi­schen ei­nem Feh­ler der ver­kauf­ten Sa­che i. S. von § 459 I BGB a.F. und der Zu­si­che­rung ei­ner Ei­gen­schaft i. S. von § 459 II BGB a.F. ent­fal­len. Es kommt nun­mehr in ers­ter Li­nie dar­auf an, ob die Sa­che bei Ge­fahr­über­gang die ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit hat. Ist ei­ne Be­schaf­fen­heit nicht ver­ein­bart, so ist ent­schei­dend, ob sich die Sa­che für die nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung eig­net, sonst, ob sie sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann (§ 434 I BGB). Fehlt es hier­an, so ist die Sa­che man­gel­haft; die Rech­te des Käu­fers be­stim­men sich dann nach § 437 BGB. Über­nimmt der Ver­käu­fer zu­sätz­lich ei­ne Ga­ran­tie i. S. von § 276 I BGB, haf­tet er auch oh­ne Ver­schul­den auf Scha­dens­er­satz (§§ 437 Nr. 3, 280 I, 281 I, 311a BGB; vgl. … MünchKomm-BGB/Grund­mann, 4. Aufl., § 276 Rn. 175); auf ei­nen Haf­tungs­aus­schluß kann er sich nicht be­ru­fen (§ 444 BGB). Nach neu­em Recht ent­spricht die Ga­ran­tie mit­hin eher der Ei­gen­schafts­zu­si­che­rung ge­mäß § 459 II BGB a.F. (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 131 f. …; MünchKomm-BGB/Grund­mann, a. a. O., § 276 Rn. 175; Stau­din­ger/Ma­tu­sche-Beck­mann, BGB, Neu­be­arb. 2004, § 434 Rn. 44). Dar­aus folgt, dass die zu § 459 II a.F. BGB ent­wi­ckel­ten Kri­te­ri­en für das Vor­lie­gen ei­ner Zu­si­che­rung ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts al­len­falls für die Fra­ge her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen, ob ei­ne Ga­ran­tie i. S. von § 276 I BGB vor­liegt (vgl. Stau­din­ger/Lö­wisch, BGB, Neu­be­arb. 2004, § 276 Rn. 144).

Auf die Fra­ge, ob der Be­klag­te durch die An­ga­ben zum Ki­lo­me­ter­stand im Kauf­ver­trag ei­ne Ga­ran­tie über­nom­men hat, kommt es in­des dann nicht an, wenn der Klä­ger we­der Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gel­tend macht noch ein Haf­tungs­aus­schluss vor­liegt, son­dern die Par­tei­en ei­ne Ge­währ­leis­tung viel­mehr aus­drück­lich ver­ein­bart ha­ben. In die­sem Fall ist al­lein frag­lich, ob ein Sach­man­gel i. S. von § 434 I BGB ge­ge­ben ist, weil die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung des Kraft­fahr­zeugs von der im Ki­lo­me­ter­zäh­ler aus­ge­wie­se­nen nach oben ab­weicht. Dies wird das Be­ru­fungs­ge­richt auch im Hin­blick dar­auf zu prü­fen ha­ben, ob der Käu­fer ei­nes ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeugs auf­grund der ge­sam­ten Um­stän­de er­war­ten darf, dass die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung des Fahr­zeu­ges nicht we­sent­lich hö­her ist als der Ki­lo­me­ter­zäh­ler an­zeigt (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB; vgl. da­zu OLG Köln, NJW-RR 1986, 988; OLG Bre­men, Urt. v. 08.10.2003 – 1 U 40/03, NJW 2003, 3713; Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 8. Aufl., Rn. 1284 f.; MünchKomm-BGB/Wes­ter­mann, BGB, 4. Aufl., § 434 Rn. 58). Soll­te das Be­ru­fungs­ge­richt dies be­ja­hen, kä­me es auf die Fra­ge, ob die im Kauf­ver­trag ent­hal­te­ne An­ga­be „ab­ge­le­se­ner km-Stand ca. 86000“ ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. des § 434 I 1 BGB dar­stellt, nicht an.

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