1. Ein für ein „Bastlerfahrzeug“ ungewöhnlich hoher Kaufpreis und eine „frische“ TÜV-Plakette können der Einstufung eines Gebrauchtwagens als „Bastlerfahrzeug“ entgegenstehen. Diese Indizien legen vielmehr nahe, dass das Fahrzeug tatsächlich nicht zum Ausschlachten, sondern zur weiteren Nutzung veräußert werden soll.
  2. Beschaffenheitsangaben, die ein Fahrzeugverkäufer im Vorfeld eines Vertragsschlusses in einem (Internet-)Inserat macht, wirken bei Vertragsschluss fort, wenn der Verkäufer sie nicht ausdrücklich berichtigt.
  3. Ein gewerblicher Gebrauchtwagenverkäufer muss ein Fahrzeug vor dem Verkauf einer Sichtprüfung unterziehen, die sich unter anderem – wegen der Möglichkeit einer Durchrostung – auf tragende Bauteile und die Bremsanlage erstreckt.

LG Stendal, Urteil vom 24.03.2011 – 22 S 66/11

Sachverhalt: Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen.

Das Amtsgericht hat der Klage mit der Begründung, der Pkw sei mangelhaft, stattgegeben und die Beklagten als Gesamtschuldner unter anderem zur Erstattung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, verurteilt. Es hat außerdem festgestellt, dass die Beklagten sich mit der Rücknahme des herauszugebenden Pkw in Verzug befänden und die dem Kläger entstandenen Standkosten zu tragen hätten.

Mit ihrer Berufung machen die Beklagten unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, das Fahrzeug entspreche der vertraglichen Vereinbarung. Es sei als Bastlerfahrzeug veräußert und die Sollbeschaffenheit dementsprechend festgesetzt worden. Der Kläger habe auch gewusst, dass er ein 27 Jahre altes Auto erwerbe. Schon aufgrund der unstreitigen Mängel hätte ihm klar sein müssen, dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs nicht gewährleistet sei. Darüber hinaus sei der Kläger jedoch über alle den Beklagten bekannten Mängel informiert worden.

Lediglich der Berufung der Beklagten zu 2. und 3. hatte Erfolg.

Aus den Gründen: I. Der Beklagte zu 1. ist nach §§ 434 I, 437 Nr. 2, 440, 423 I, 346 I BGB verpflichtet, den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw zu erstatten.

1. Der Kläger ist lediglich mit dem Beklagten zu 1. durch einen Kaufvertrag verbunden … Dass der Beklagte zu 2. die Vertragsverhandlungen geführt hat, bezieht ihn nicht in die vertragliche Beziehung ein … In der Internetannonce, über die der Geschäftskontakt angebahnt worden ist, war er lediglich als „Ansprechpartner“ bezeichnet. Auch wenn der Beklagte zu 2. nicht ausdrücklich offengelegt hat, für seinen Bruder, den Beklagten zu 1. zu handeln, wird die von dem Beklagten zu 2. abgegebene Willenserklärung nach den Grundsätzen über das unternehmensbezogene Geschäft gemäß § 164 I 2 BGB dem Beklagten zu 1. zugerechnet.

Dagegen bestehen zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2. und zu 3. keine rechtsgeschäftlichen Beziehungen, auf die sich der Klaganspruch stützen ließe. Zwar wurde der Gebrauchtfahrzeughandel mit Wirkung zum 01.01.2009 durch die von den Beklagten zu 1. und zu 2. gebildete G-GbR, die Beklagte zu 3., weitergeführt. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts haftet indes nicht für die in der Person eines Gesellschafters begründeten (Alt-)Verbindlichkeiten.

Die Haftungserstreckungen nach §§ 25, 28 HGB setzen voraus, dass das ursprüngliche Handelsgeschäft des Beklagten zu 1. das Größenkriterium nach § 1 II HGB erreicht hat. Hierzu ist indes nichts vorgetragen oder ersichtlich. Dass das Unternehmen später als Gesellschaft bürgerlichen Rechts und nicht als offene Handelsgesellschaft weiterbetrieben worden ist, spricht vielmehr dagegen. Auf die Berufung hin war die gegen die Beklagten zu 2. und zu 3. gerichtete Klage daher unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Beklagte zu  1. unterliegt der Gewährleistung, weil deren vertraglich vorgesehener Ausschluss unwirksam ist (dazu a) und der verkaufte Pkw VW Caddy mangelhaft war (dazu b).

a) Der vertraglich vorgesehen Gewährleistungsausschluss ist nach § 475 I 1 BGB unwirksam, weil es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handelt.

Der Kläger erwarb als Verbraucher i. S. von § 13 BGB, weil das Fahrzeug nicht zu gewerblichen bzw. beruflichen Zwecken aus selbstständiger Tätigkeit bestimmt war. Der Beklagte zu 1. war Unternehmer i. S. von § 14 BGB, weil er bei Abschluss des Rechtsgeschäfts in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit – dem Kraftfahrzeughandel – handelte.

Nach § 475 I 1 BGB darf die in §§ 434 ff. BGB geregelte Gewährleistung grundsätzlich nicht von vornherein abbedungen werden (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.09.2003 – 9 W 30/03, juris; LG Wiesbaden, Urt. v. 08.07.2010 – 9 S 44/09, juris; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 1320). Damit wird das an sich nur dispositive Gewährleistungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches zum ius cogens, also zwingend. Dem Käufer muss also bei Mängeln das Recht auf Nacherfüllung, auf Minderung, auf Rücktritt und auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen bleiben. Abweichungen zugunsten des gewerblichen Gebrauchtwagenkäufers kommen nach § 475 II und III BGB lediglich bei der Verjährung und beim Schadensersatz in Betracht.

§ 475 I 1 BGB verweist nicht auf die Regelungen zum Gewährleistungsausschluss in § 444 BGB. Daraus ergibt sich aber nicht im Umkehrschluss, dass der gewerbliche Händler sich von der Gewährleistung freizeichnen kann. So läge es nur, wenn § 444 BGB den Gewährleistungsausschluss (konstitutiv) für zulässig erklären würde. Das ist aber nicht der Fall. Diese Gestaltungsmöglichkeit ergibt sich bereits aus der Privatautonomie. § 444 BGB beschränkt vielmehr die Vertragsfreiheit außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs: Der Verkäufer soll sich danach auf einen an sich zulässigen Gewährleistungsausschluss (ausnahmsweise) nicht berufen können, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Da ein Gewährleistungsausschluss im Verbrauchsgüterkauf jedoch nach § 475 I 1 BGB gerade nicht in Betracht kommt, läuft § 444 BGB leer bzw. ist auf diese Art des Kaufes „nicht zugeschnitten“ (so Palandt/Weidenkaff, BGB, 69. Aufl., § 475 Rn. 2). Deshalb hat der Gesetzgeber diese Vorschrift in die in § 475 BGB enthaltene Verweisung nicht aufgenommen.

b) Der verkaufte Pkw ist nach § 434 I 1 BGB mangelhaft, weil er die im Vertrag vereinbarte Beschaffenheit nicht hat. Zu Recht wendet der Beklagte zu 1. ein, dass derjenige, der ein Gebrauchtfahrzeug kauft, keinen Neuwagen erwarten kann. Dass der Pkw VW Caddy das Baujahr 1985 aufweist und bereits eine Laufleistung von ca. 232.000 km hatte, findet bei der Sollbeschaffenheit Berücksichtigung. Sie wurde von den Parteien durch die Angaben im Kaufvertrag näher festgelegt. Darin heißt es:

„Fahrzeug hat diverse Mängel, wird als Bastlerfahrzeug verkauft: ja
Fahrzeug wird ohne Garantie/Gewährleistung verkauft: ja

… Fahrzeugangaben über Gesamtfahrleistung, Mängel, Unfall und andere Schäden sind Angaben laut Vorbesitzer oder Lieferant. Sie sind ausschließlich Informationen Dritter. Sie sind nicht das Ergebnis eigener Untersuchung oder Ermittlungen des Verkäufers …

Der Käufer erwirbt das Fahrzeug mit allen zum Zeitpunkt der Übergabe vorhandenen Mängeln. Keinerlei Haftung für Glas- und Karosserieschäden bis zur endgültigen Übergabe.

Sonstiges: Bastlerfahrzeug ohne Garantie und Gewährleistung.“

Diese Festlegungen bedürfen im Hinblick auf ihren Umfang der Auslegung. Dabei ist zu klären, ob das Fahrzeug nur zum Ausschlachten oder zur Durchführung einer Reparatur mit anschließender Nutzung veräußert werden sollte. Für den zuletzt genannten Zweck spricht es, wenn der Preis in einem auffälligen Missverhältnis zum Wert eines bloßen Bastlerfahrzeugs steht oder eine frische TÜV-Plakette angebracht ist (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1330).

Im vorliegenden Fall durfte der Kläger aufgrund der unstreitigen Mängel (nicht eingetragenes Sportlenkrad, abgefahrene Bremsscheiben, Loch im Auspuff, Defekt im Handbremsseil) nicht davon ausgehen, das Fahrzeug in einem verkehrssicheren Zustand zu erwerben. Sollte mit der im Vertrag enthaltenen klauselartigen Formulierung „diverse Mängel“ gemeint sein, dass darüber hinaus weitere Mängel bestehen, würden sie zur Sollbeschaffenheit gehören. Waren sich die Parteien hingegen darüber einig, dass die vier Beanstandungen sowie die vom Kläger anlässlich der Besichtigung festgestellte Delle eine abschließende Liste darstellen, handelt es sich bei den weitergehenden Feststellungen der DEKRA zwei Wochen nach der Übergabe um Mängel.

Von dieser letztgenannten Auslegung des Vertrages geht die Kammer aufgrund folgender Überlegungen aus:

Der Kläger ist Privatmann, durfte den Pkw also wegen der Altfahrzeug-Verordnung vom 04.07.1997 (BGBl. I S. 1666) nicht zum Ausschlachten verwenden, sondern nur zur Wiederherstellung. Der Umfang der von ihm vorzunehmenden Reparaturen beeinflusste aßgeblich die Kaufentscheidung, weil die Erwerbs- und Reparaturkosten – was auch aus Sicht des Verkäufers ersichtlich ist (Empfängerhorizont) – zusammenzurechnen sind.

Der gewerbliche Verkäufer von Gebrauchtfahrzeugen hat nach der Rechtsprechung eine Untersuchungspflicht (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1920 ff.). Wegen des fachlichen Kompetenzgefälles zum späteren Käufer muss er das Auto durch einen technisch ausgebildeten Mitarbeiter einer Sichtprüfung unterziehen, die sich unter anderem auf die Durchrostung tragender Bauteile (vgl. LG Berlin, Urt. v. 05.12.1990 – 22 O 366/90) und auf die Bremsanlage erstreckt (vgl. OLG Hamm, DAR 2000, 119; LG Aachen, DAR 2004, 452). Im Hinblick auf das Umgehungsverbot in § 475 I 2 BGB kann sich der Beklage zu 1. daher nicht auf den Hinweis im Vertrag berufen, seine Angaben über das Fahrzeug beruhten schließlich auf Angaben des Vorbesitzers oder des Lieferanten; eigene Untersuchungen oder Ermittlungen des Verkäufers hätten nicht stattgefunden. Indes sind bei der Hauptuntersuchung zwei Wochen nach Übergabe der Kaufsache Mängel festgestellt worden, die bei einer Sichtprüfung hätten auffallen müssen.

Die Annonce des Beklagten zu 1. im Internetportal „AutoScout24“ stellte nur eine Aufforderung zur Unterbreitung eines Angebots dar (sog. invitatio ad offerendum). Auch wenn es sich also um keine Willenserklärung handelt, wirkt eine derartige öffentliche Äußerung i. S. von § 434 I 3 BGB, die sich auf konkrete Eigenschaften des Fahrzeugs bezieht, fort, wenn der Verkäufer sie nicht ausdrücklich berichtigt (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1343 und 1615). Der Hinweis in der Annonce „Fahrzeug fährt sehr gut“ musste beim Kläger erkennbar den Eindruck erwecken, er könne das Auto nach Beseitigung der unstreitigen Mängel wieder im Verkehr benutzen.

Für die Annahme, dass die unstreitigen Mängel nach der Vorstellung der Parteien eine abschließende Auflistung darstellen sollten, spricht vor allem die Beweisaufnahme. Die Zeugin T gab an, dass der Beklagte zu 2. gegenüber dem Kläger angegeben habe, das Fahrzeug sei am Tag zuvor bei der DEKRA gewesen. Einen Mängelbericht habe man zwar im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten nicht erstellt. Bei der Untersuchung seien jedoch ein Verschleiß der Bremsscheiben, ein Loch im Auspuff, ein lockeres Handbremsseil und ein nicht eingetragenes Sportlenkrad festgestellt worden. Weitere Mängel habe der Beklagte zu 2. nicht benannt.

Das Amtsgericht ist diesen Angaben gefolgt. Weil keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit bestehen, ist die Kammer an die Feststellungen des Amtsgerichts nach § 529 I 1 ZPO gebunden.

Die Beweisaufnahme ist auch nicht formell fehlerhaft. Der Beklagte zu 2. konnte schon deshalb nicht als gegenbeweislich benannter Zeuge vernommen werden, weil er – wenngleich materiell-rechtlich zu Unrecht – Partei ist. Aber auch eine Anhörung nach § 141 ZPO nach dem Grundsatz der Waffengleichheit war nicht veranlasst. Er greift nur bei Vier-Augen-Gesprächen Platz, bei denen – aus rechtlichen Gründen – allein ein Teilnehmer als Zeuge vernommen werden kann. Ungeachtet dessen hätte der Beklagte zu 2. die Möglichkeit gehabt, im Rahmen der mündlichen Verhandlung – auch ohne gefragt zu werden – seine Sicht der Dinge darzustellen.

3. Die vom Kläger … gesetzte Frist zur Nacherfüllung ist fruchtlos verstrichen. Die Beklagten haben eine Nacherfüllung mit Schreiben vom 02.02.2009 sogar ausdrücklich abgelehnt. Deshalb war der Kläger berechtigt, am 07.04.2009 zurückzutreten, sodass die empfangenen Leistungen nach § 346 BGB Zug um Zug zurückzugewähren sind.

a) Der Kläger hat den Pkw zurückzuübereignen. Eine darüber hinausgehende Nutzungsentschädigung kommt nicht in Betracht, weil der Kläger lediglich eine Transportfahrt durchgeführt hat (Rechtsgedanke des § 439 II BGB).

b) Der Beklagte zu 1. hat den Kaufpreis von 1.200 € zurückzuzahlen und auf die Hauptforderung nach Eintritt seines Gläubigerverzugs gemäß §§ 286, 288 BGB Verzugszinsen zu entrichten.

Das Schreiben der Klägervertreterin vom 20.01.2009 ist an den „Inhaber F-Gebrauchtwagenmarkt“ und damit vor allem (§ 164 I 2 BGB) an den Beklagten zu 1. adressiert. Dass im Anschriftenfeld der Name des Beklagten zu 2. aufgeführt ist, der die Verhandlungen im Namen seines Bruders geführt hatte und daher im Zweifel auch passiv vertretungsberechtigt war, schadet nichts.

II. Der Beklagte ist nach §§ 434 I, 437 Nr. 1, 439 II BGB darüber hinaus verpflichtet, die dem Kläger im Zusammenhang mit seinem Verlangen nach Nacherfüllung entstandenen Aufwendungen Ersatz zu leisten. Dazu gehören auch die Kosten des Rechtsanwalts in Höhe von 155,30 € (vgl. BGH, NJW-RR 1999, 813) und für die Auskunft aus dem Gewerberegister in Höhe von 30 €.

III. Das Interesse an der Feststellung, dass der Beklagte sich im Gläubigerverzug befindet, ergibt sich aus §§ 256, 756 I ZPO. Denn durch die Feststellung im Urteil (öffentliche Urkunde) kann das Vollstreckungsorgan den Kaufpreis vollstrecken, ohne den Pkw trotz der Zug-um-Zug-Verurteilung tatsächlich anbieten zu müssen.

Der Beklagte zu 1. befindet sich nach §§ 293, 298 BGB im Annahmeverzug. Auf die unter I. gemachten Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

IV. Der Kläger kann darüber hinaus die dem Grunde nach bestehende Einstandspflicht des Beklagten zu 1. für die Standkosten des Fahrzeugs feststellen lassen, die bis zur endgültigen Rückgabe noch nicht bezifferbar sind. In der Sache hat der Beklagte zu 1. nach §§ 434 I, 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB hierfür einzustehen …

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