Für die Annahme, die Parteien eines Kaufvertrages hätten einen wirksamen Gewährleistungsausschluss vereinbart, ist bei einem Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I 1 BGB) kein Raum. Vielmehr ist in dieser Konstellation ein vertraglicher Ausschluss der Sachmängelhaftung nach § 475 I BGB generell unzulässig, und zwar sowohl bei neuen als auch bei gebrauchten Sachen.

LG Wiesbaden, Urteil vom 08.07.2010 – 9 S 44/09

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Zahlung von 1.300 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe eines Pkw, und er begehrt die Feststellung, dass der Beklagte sich mit der Rücknahme dieses Fahrzeugs in Verzug befinde.

Das AG Wiesbaden hat die Klage mit Urteil vom 21.09.2009 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei aufgrund der Mängel des Fahrzeugs nicht zum Rücktritt von dem mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag berechtigt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen Ö und A stehe nämlich zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Parteien einen Gewährleistungsausschluss vereinbart hätten und der Beklagte dem Kläger keineswegs die Fahrbereitschaft und Verkehrssicherheit des Pkw zugesichert habe.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter.

Er macht geltend, das angefochtene Urteil beruhe auf einer Verletzung materiellen Rechts. Denn obwohl das Amtsgericht das Zustandekommen eines Kaufvertrages zwischen den Parteien (zutreffend) bejaht habe, habe es die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB) nicht angewandt. Dies sei fehlerhaft, weil sich der Beklagte als gewerblicher Kfz-Händler auf einen Gewährleistungsausschluss, wie ihn das Amtsgericht angenommen habe, ihm, dem Kläger, gegenüber nicht berufen könne. Zur Unzulässigkeit eines Gewährleistungsausschlusses hätte das Amtsgericht aber selbst dann gelangen müssen, wenn es einen Vertragsschluss zwischen dem Kläger und dem Beklagten verneint hätte, weil insoweit ein Umgehungsgeschäft gemäß § 475 I 2 BGB anzunehmen gewesen wäre. Für ein Umgehungsgeschäft gebe es genügend Anhaltspunkte. So sei der Bruder des Beklagten, der den Pkw zuvor angeblich erworben und sodann angeblich selbst abgemeldet habe, niemals im Kfz-Schein eingetragen gewesen. Auch sei der Pkw nicht von dem Bruder des Beklagten, sondern von dem Beklagten selbst auf dessen Betriebsgelände zum Verkauf angeboten worden. Bei dem Beklagten handele es sich aber unstreitig um einen gewerblichen Kfz-Händler. Daneben habe das Amtsgericht verkannt, dass es sich bei der Fahrbereitschaft und der Verkehrssicherheit eines Pkw um eine übliche Beschaffenheit handele, die gerade keine besondere Vereinbarung erfordere.

Ebenfalls zu beanstanden sei die Beweiswürdigung des Erstgerichts. Zu der Annahme, die Parteien hätten einen Gewährleistungsausschluss vereinbart, sei das Amtsgericht aufgrund einer unzutreffenden Würdigung der Aussage des Zeugen Ö gelangt. Der Zeuge Ö habe zwar kundgetan, dass Gewährleistungsausschlüsse beim Kauf von Gebrauchtfahrzeugen üblich seien. Gleichzeitig habe er aber ausgesagt, dass der Beklagte seinerzeit ausdrücklich nach der Fahrbereitschaft und nach Mängeln am Motor und am Getriebe gefragt worden sei und daraufhin die Fahrbereitschaft des Pkw bejaht und das Vorliegen von Mängeln am Motor und am Getriebe verneint habe. Es sei unverständlich, wie das Amtsgericht vor dem Hintergrund dieser Bekundungen einen wirksamen Gewährleistungsausschluss habe annehmen können. Zudem habe das Amtsgericht in diesem Zusammenhang die Verteilung der Beweislast verkannt. Darlegungs- und beweispflichtig für einen Gewährleistungsausschluss sei derjenige, der sich auf einen solchen berufe. Das sei hier der Beklagte. Der Annahme, die Parteien hätten sich auf einen Gewährleistungsausschluss geeinigt, stünden aber zumindest die Bekundungen des Zeugen Ö entgegen.

Auf das Rechtsmittel wurde das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Aus den Gründen: Das angefochtene Urteil beruht auf einer Rechtsverletzung, namentlich der gänzlichen Übergehung der Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB).

Indem das Amtsgericht – und zwar ohne jede Begründung – den Vertragsschluss zwischen dem Kläger, einem Verbraucher, und dem Beklagten, einem Unternehmer, über den streitgegenständlichen Pkw kurzerhand bejaht und die Klage sodann wegen eines zwischen den Parteien vermeintlich wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschlusses abgewiesen hat, hat es verkannt, dass für einen Gewährleistungsausschluss in der vom Amtsgericht angenommenen Konstellation kein Raum ist (§ 475 BGB). Beim Verbrauchsgüterkauf ist ein vertraglicher Haftungsausschluss seit Neuregelung des Kaufrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sowohl bei gebrauchten als auch bei neuen Sachen generell unzulässig (§ 475 I BGB). Lediglich die Schadensersatzansprüche des Käufers gegen den Verkäufer lassen sich ausschließen oder beschränken (§ 475 III BGB). In der Praxis hat dies besondere Bedeutung bei dem – möglicherweise auch vorliegend einschlägigen – privaten Gebrauchtwagenkauf von einem gewerblichen Autohändler. Der hier früher übliche weitgehende Gewährleistungsausschluss ist heute nicht mehr möglich.

Das angefochtene Urteil konnte allein wegen des vom Amtsgericht zu Unrecht angenommenen wirksamen Gewährleistungsausschlusses keinen Bestand haben. Denn es entspricht dem unstreitigen Parteivorbringen, dass der Kläger den streitgegenständlichen Pkw als Privatmann gekauft habe und dass es sich bei dem Beklagten um einen gewerblichen Kfz-Händler handele. Mithin war es mit der Begründung, die Klage sei wegen eines wirksamen Gewährleistungsausschlusses abzuweisen gewesen, nicht getan.

Ebenfalls eine Rechtsverletzung stellt es allerdings dar, daß das Erstgericht vorliegend ohne jede Begründung einen Vertragsschluss zwischen dem Kläger als Käufer und dem Beklagten als Verkäufer unterstellt, obwohl der Kern des Streits, namentlich die Frage, ob der Vertrag zwischen dem Kläger und dem Beklagten oder aber zwischen dem Kläger und dem Bruder des Beklagten durch Vermittlung des Beklagten zustande gekommen ist, ausweislich des Tatbestandes der angefochtenen Entscheidung dem Erstgericht keineswegs entgangen ist. Die darin liegende Nichtanwendung der Vorschriften des § 164 BGB stellt eine berufungsrechtlich beachtliche Rechtsverletzung dar, mit Rücksicht auf welche das angefochtene Urteil ebenfalls keinen Bestand haben konnte.

Mit der Nichtanwendung des § 164 BGB geht vorliegend allerdings auch eine unvollständige und damit unzutreffende Tatsachenfeststellung durch das Amtsgericht einher. Um die unter § 164 BGB gegebenenfalls zu subsumierenden Tatsachen festzustellen, hätte es das Erstgericht nicht lediglich bei der Vernehmung der Zeugen A und Ö belassen dürfen. Für die Frage, ob der Beklagte vorliegend für sich selbst als Partei des Kaufvertrages oder aber, wie von ihm behauptet und vom Kläger bestritten, als Vertreter seines Bruders gehandelt hat, hätte es daneben auch der Vernehmung der beklagtenseits angebotenen Zeugen N und B bedurft. Denn es entspricht dem klägerseits bestrittenen Beklagtenvorbringen, wonach es sich bei dem streitgegenständlichen Pkw um ein Fahrzeug handele, welches der Bruder des Beklagten, der Zeuge N, von dem Zeugen B käuflich erworben, sodann abgemeldet und dem Beklagten lediglich zum Verkauf in seinem, des Zeugen, Namen überlassen habe.

Ebenfalls nachzuholen haben wird das Amtsgericht die Vernehmung des bereits in der Klageschrift angebotenen Zeugen M. Denn dieser ist für die klägerische Behauptung angeboten worden, wonach der Beklagte aus Anlass seines Anrufs bei dem Zeugen M, bei welchem es sich um den Unterzeichner der Klageschrift handelt, diesem gegenüber am 01.08.2008 eingeräumt habe, dass er, der Beklagte, sein seinerzeitiges Handeln für einen anderen nicht offengelegt habe, weil der Umstand, dass nicht er, der Beklagte, Partei des Kaufvertrages sein solle, sich bereits aus dem Fehlen eines schriftlichen Vertrages ergebe.

Diese umfangreiche Beweiserhebung durch Vernehmung von immerhin fünf Zeugen, von denen zumindest einer auf einen Dolmetscher angewiesen ist, wird das Erstgericht zwecks Klärung der Frage, inwiefern vorliegend die Voraussetzungen des § 164 BGB zu bejahen oder aber zu verneinen sind, nunmehr nachzuholen haben. Bei der Würdigung der noch zu erhebenden Beweise wird das Amtsgericht zu beachten haben, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 164 BGB hier den Beklagten als den unmittelbar Handelnden trifft, weil der Beklagte mit der Behauptung, lediglich als Stellvertreter des Zeugen N aufgetreten zu sein, seiner eigenen Inanspruchnahme aus dem Kaufvertrag zu entgehen sucht.

Aber selbst wenn die noch nachzuholende Beweisaufnahme durch Vernehmung der fünf vorgenannten Zeugen ergeben sollte, dass die Voraussetzungen des § 164 BGB vorliegend zu bejahen sind, bedeutet dies noch nicht zwingend die mangelnde Passivlegitimation des Beklagten. Vielmehr wird das Amtsgericht in diesem Fall zu prüfen haben, ob es sich nicht um ein Umgehungsgeschäft i. S. von § 475 I 2 BGB handelt mit der Folge, dass der Beklagte dessen ungeachtet in dem Rückabwicklungsprozess als passivlegitimiert anzusehen ist und sich nicht auf einen Gewährleistungsausschluss berufen kann, sondern der vollen Sachmangelhaftung unterliegt.

Insoweit ist das Amtsgericht auf die seit Neuregelung des Kaufrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz mittlerweile ergangenen ober- und höchstrichterlichen Entscheidungen zu § 475 I 2 BGB zu verweisen. Beispielhaft genannt seien hier nur: OLG Celle, Urt. v. 15.11.2006 – 7 U 176/05; BGH, Urt. v. 26.01.2005 – VIII ZR 175/04; Urt. v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06.

Von der Erhebung von Gerichtskosten für das hiesige Berufungsverfahren war abzusehen, weil das aufgehobene Urteil auf Verfahrensmängeln beruht, diese aber eine unrichtige Sachbehandlung i. S. von § 21 I GKG begründen. Die Tatsachenfeststellung erster Instanz ist verfahrensfehlerhaft, weil das Erstgericht bei der Feststellung der entscheidungsrelevanten Tatsachen es lediglich bei der Vernehmung von zwei der insgesamt fünf angebotenen Zeugen beließ. Die darin liegende Verletzung von § 286 ZPO ist nicht etwa von dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung, wie er in § 286 ZPO verankert ist, gedeckt. Denn Freiheit der Beweiswürdigung heißt nicht Freiheit in der Beweiserhebung. Wo eine entscheidungserhebliche Frage streitig ist, sind die hierfür angebotenen Beweise, sofern sie zur Beweisführung zulässig, geeignet und von der beweisbelasteten Partei bzw. gegenbeweislich von deren Gegner angeboten sind, zu erheben. Erst nach dieser Beweiserhebung ist Raum für die richterliche Beweiswürdigung, die dann aber das gesamte Verhandlungsergebnis zu umfassen hat (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 286 Rn. 12). Zu einer umfassenden Würdigung ist das Gericht aber nicht lediglich berechtigt, sondern sogar verpflichtet; es verstößt deshalb gegen § 286 ZPO, wenn es angebotene Beweise übergeht oder aber Beweismittel nur unvollständig würdigt (Zöller/Greger, a. a. O., § 286 Rn. 2). Hätte das Erstgericht es nicht lediglich bei der Vernehmung der Zeugen Ö und A belassen, sondern zugleich auch die ebenfalls angebotenen Zeugen B, N und M vernommen, hätte es bei der Würdigung der einzelnen Zeugenaussagen es nicht bei dem Bemerken belassen müssen, die Klage sei jedenfalls wegen eines vermeintlich wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschlusses abzuweisen. Vielmehr wäre das Amtsgericht bei vollständiger Beweiserhebung in der Lage gewesen, die Frage nach dem Vorliegen eines Vertretergeschäfts oder aber eines Eigengeschäfts des Beklagten sowie nach dem Vorliegen eines möglichen Umgehungsgeschäfts i. S. von § 475 I 2 BGB zutreffend zu beantworten. Vorgeschildertes rechtfertigt es, von der Erhebung von Gerichtskosten für das Berufungsverfahren abzusehen. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens war hingegen dem Amtsgericht vorzubehalten, weil es insoweit auf das Ergebnis des weiteren Verfahrens ankommt …

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