- Ein absolutes Fixgeschäft ist ein Vertrag, bei dem die Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts nur bis zum Ablauf des Erfüllungszeitraums erbracht werden kann und eine verspätete Leistung für den Gläubiger absolut sinnlos wäre. Ob die Parteien der Leistungszeit eine so weitgehende Bedeutung beimessen wollten, dass der Leistungszweck durch ein Nachholen der Leistung nicht mehr erreicht werden kann, ist – sofern der Vertrag keine ausdrückliche Regelung enthält – unter Berücksichtigung aller Umstände durch Auslegung zu ermitteln. Dabei wirkt sich jeder Zweifel gegen die Annahme eines absoluten Fixgeschäfts aus.
- Ein Kaufvertrag über einen Neuwagen ist in der Regel kein absolutes Fixgeschäft.
- Ein relatives Fixgeschäft im Sinne des § 323 II Nr. 2 BGB setzt auch nach der im Jahr 2014 erfolgten Anpassung des Gesetzeswortlauts voraus, dass die Leistungszeit nach der Parteivereinbarung oder nach der für den Schuldner erkennbaren Interessenlage des Gläubigers so wesentlich ist, dass eine nachträgliche Erfüllung nicht mehr als ordnungsgemäße Leistung anzusehen ist, das Geschäft also mit der Leistungszeit „stehen und fallen“ soll (im Anschluss an OLG Köln, Urt. v. 19.07.2024 – 6 U 101/23, juris Rn. 68, OLG Celle, Urt. v. 18.11.2021 – 11 U 66/21, juris Rn. 26, OLG Naumburg, Urt. v. 24.09.2015 – 9 U 82/14, juris Rn. 58).
OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 23.01.2025 – 9 U 57/24
Sachverhalt: Die Parteien streiten darüber, ob sie einen wirksamen Kaufvertrag über einen Neuwagen geschlossen haben.
Die Klägerin betreibt ein Autohaus. Der Beklagte zu 2 ist Partner der Beklagten zu 1. Die Klägerin übersandte dem Beklagten zu 2 am 05.07.2023 per E-Mail ein Bestellformular für einen Pkw zum Preis von 36.683,01 €. Darin heißt es unter anderem wörtlich „Kundenwunschdatum 09/2023“. Am selben Tag erkundigte sich der Beklagte zu 2 per E-Mail bei der Klägerin, ob es möglich sei, den Liefertermin verbindlich auf September 2023 festzulegen. Die Klägerin verfasste am 06.07.2023 um 9:38 Uhr eine Antwort-E-Mail, in der sie unter anderem die Vereinbarung eines eines fixen Liefertermins ablehnte. Der Zugang dieser E-Mail ist streitig.
Mit E-Mail vom 05.07.2023 (17:16 Uhr) übermittelte der Beklagte zu 2 der Klägerin das unterschriebene Bestellformular. Das Originaldokument brachte er am 06.07.2023 auf den Postweg. Wann der Brief der Klägerin zugegangen ist, ist zwischen den Parteien streitig. In dem dem Bestellformular beigefügten Anschreiben heißt es wörtlich:
„Ich gestatte mir, noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Lieferung im September 2023 zu erfolgen hat; dieses ist für mich von entscheidender Bedeutung. Sollte dieses nicht möglich sein, bitte ich um entsprechenden Hinweis, um von dem Vertrag zurücktreten zu können.“
Die Klägerin übersandte am 10.07.2023 eine Auftragsbestätigung per E-Mail. Auf Seite 5 heißt es darin: „Unverbindlicher Liefertermin: 09/2023“. Mit E-Mail vom 13.07.2023 erkundigte sich der Beklagte zu 2 bei der Klägerin, ob es möglich sei, für den bestellten Pkw noch eine Standheizung zu bestellen. Die Klägerin verneinte dies mit E-Mail vom selben Tag und bat um Übermittlung einer Gewerbeanmeldung. Dieser Bitte kam der Beklagte zu 2 mit weiterer E-Mail vom 13.07.2023 nach.
Mit Schreiben vom 27.09.2023, das den Briefkopf der Beklagten zu 1 trägt, erklärte der Beklagte zu 2 gegenüber der Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Klägerin teilte den Beklagten mit E-Mail vom 09.10.2023 mit, dass das bestellte Fahrzeug jetzt zur Verfügung stehe. Mit Schreiben vom 12.10.2023 forderte die Klägerin die Beklagten – vergeblich – auf, das Fahrzeug bis spätestens zum 26.10.2023 abzuholen.
Die Beklagten haben im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass kein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sei. Angebot und Annahme stimmten nicht überein. Zudem sei die Beklagte zu 1 wirksam von einem etwaigen Kaufvertrag zurückgetreten, da der Liefertermin nicht eingehalten worden sei. Es habe ein absolutes Fixgeschäft vorgelegen. Der E-Mail vom 13.07.2023 mit der englischen Floskel „here we go” fehle der Erklärungswert. Ferner hat die Beklagte zu 1 den Zugang der E-Mail der Klägerin vom 06.07.2023 in Abrede gestellt.
Das Landgericht hat der Klage, die auf Zahlung von 36.683,01 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, Ersatz von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten und Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten gerichtet ist, in vollem Umfang stattgegeben.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises für das streitgegenständliche Fahrzeug habe, der Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkw zu erfüllen sei. Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 sei ein Kaufvertrag über das Fahrzeug zustande gekommen. Der Beklagte zu 2 habe der Klägerin namens der Beklagten zu 1 mit E-Mail vom 06.07.2024 ein Angebot übersandt, welches die Klägerin mit E-Mail vom 10.07.2024 angenommen habe. § 150 II BGB stehe dem nicht entgegen. Dass die Einzelpreise, aus denen sich der Kaufpreis zusammensetze, im Angebot als Bruttopreise angegeben seien, während in der Annahmeerklärung die Umsatzsteuer erst am Ende hinzugerechnet werde, sei keine inhaltliche Abweichung, sondern lediglich eine unterschiedliche Darstellung.
Die Beklagte zu 1 sei nicht wirksam von dem mit der Klägerin geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten. Sie habe der Klägerin nicht – wie nach § 323 I BGB grundsätzlich erforderlich – erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung gesetzt. Eine Fristsetzung sei auch nicht nach § 323 II Nr. 2 BGB entbehrlich gewesen. Die Parteien hätten keine Vereinbarung über den Leistungszeitpunkt getroffen. Aus der Angabe „Kundenwunschdatum 9/23“ im Vertrag ergebe sich kein verbindlicher Liefertermin. Im Gegenteil bringe die Formulierung zum Ausdruck, dass es sich hierbei nur um einen „Wunsch“ gehandelt habe und eine Lieferung im September nicht sicher gewesen sei. Auch der Beklagte zu 2 habe die Formulierung offensichtlich nicht als fixen Lieferzeitpunkt verstanden, weil er mit E-Mail vom 06.07.2023 gerade um einen fixen Lieferzeitpunkt gebeten habe. Ob dem Beklagten zu 2 die (verneinende) Antwort der Klägerin zugegangen sei, könne dahinstehen. Denn der Beklagte zu 2 habe das Angebot für die Beklagte zu 1 ohne Aufnahme eines fixen Liefertermins abgegeben und das Angebot sei so auch angenommen worden.
Das Begleitschreiben vom 06.07.2023 könne nicht zur Vereinbarung eines festen Liefertermins geführt haben. Denn es sei der Klägerin erst nach der E-Mail vom 06.07.2023 zugegangen. Das ihr mit dieser E-Mail unterbreitete Vertragsangebot habe die Klägerin mit E-Mail vom 10.07.2023 angenommen.
Der Beklagte zu 2 habe den mit der Klägerin geschlossenen Kaufvertrag auch nicht wirksam widerrufen. Ihm habe kein Widerrufsrecht zugestanden, insbesondere kein solches im Sinne des § 312g BGB. Denn die Beklagte zu 1 sei keine Verbraucherin.
Gemäß § 8 I 1 PartGG hafte der Beklagte zu 2 der Klägerin für die kaufvertragliche Verbindlichkeit der Beklagten zu 1. Seine Haftung sei nicht gemäß § 8 IV PartGG beschränkt, weil die Verbindlichkeit der Beklagten zu 1 aus dem Kaufvertrag keine Verbindlichkeit aus Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung sei.
Der Annahmeverzug sei antragsgemäß festzustellen, weil die Klägerin die Beklagte zu 1 mit Schreiben vom 12.10.2023 aufgefordert habe, das Fahrzeug bis zum 26.10.2023 abzuholen, und diese Aufforderung ohne Erfolg geblieben sei.
Den Beklagten sei auf ihre Anträge vom 19.06.2024 kein Schriftsatznachlass zu gewähren gewesen, weil der Schriftsatz der Klägerin vom 18.06.2024 keinen entscheidungserheblichen
neuen Tatsachenvortrag enthalte.
Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung haben die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Sie haben geltend gemacht, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft einen Rücktritt vom Kaufvertrag verneint, weil es fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass kein Fixgeschäft vorliege. Zudem habe das Landgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es den in der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2024 beantragten Schriftsatznachlass nicht gewährt, sondern eine Überraschungsentscheidung zu ihren Lasten gefällt habe. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Schriftsatznachlasses hätten vorgelegen, weil der Schriftsatz der Klägerin entscheidungserheblichen Vortrag, insbesondere den folgenden Passus, enthalte:
„Daran ändert auch nichts das weitere Postschreiben der Beklagten vom ‚06.07.2023‘, welches der Klägerin aufgrund des Postlaufs zeitlich deutlich später zugegangen ist. Die Beklagten können nicht im Nachhinein ihre bereits abgegebene unbedingte Willenserklärung ändern.“
Es komme entscheidend darauf an, wann die Klägerin das am 06.07.2023 versandte Anschreiben erhalten habe. Wäre der Schriftsatznachlass gewährt worden, hätten sie – die Bekklagten – vorgetragen, dass die Klägerin ihre E-Mail vom 10.7.2023 erst nach Erhalt des Anschreibens versendet habe, das als Modifizierung des Angebots zu werten sei.
Das Landgericht habe zudem seine Hinweispflicht verletzt. Insbesondere im Hinblick auf das Fixgeschäft und den Rücktritt habe sie – die Beklagte – keine Gelegenheit erhalten, ergänzend vorzutragen. Das Landgericht hätte sie darauf hinweisen müssen, dass der Zeitpunkt des Zugangs des Begleitschreibens relevant sei.
Schließlich habe das Landgericht die wesentlichen Tatsachen nicht zutreffend gewürdigt. Es habe verkannt, dass sie, die Beklagte, mehrfach darauf hingewiesen habe, dass ein fixer Liefertermin im September 2023 Grundlage für den Vertragsabschluss gewesen sei. Das Begleitschreiben habe insoweit eine entscheidende Änderung des am 06.07.2023 um 17:16 Uhr per E-Mail übermittelten Angebots enthalten. Es sei unklar geblieben, wann dieses Begleitschreiben der Klägerin zugegangen sei. Allerdings sei eine reguläre Postlaufzeit von einem Werktag anzunehmen, sodass das Begleitschreiben und die Originalunterlagen der Klägerin spätestens am Samstag, dem 08.07.2023, zugegangen seien. Das Begleitschreiben habe das Angebot dahin modifiziert, dass die Lieferung des Fahrzeugs im September 2023 hätte erfolgen müssen.
Die Klägerin hat die angefochtene Entscheidung verteidigt. Ihrer Meinung nach wurde der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Sie, die Klägerin, habe bereits mit der Klage sämtliche relevanten Unterlagen vorgelegt. Insbesondere habe ihre E-Mail vom 06.07.2023 vorgelegen, deren Erhalt die Beklagten erst unmittelbar vor dem erstinstanzlichen Verhandlungstermin bestritten habe. Nach Erhalt der E-Mail vom 06.07.2023 hätten die Beklagten mit weiteren E-Mails vom 13.07.2023 den Vertragsschluss bestätigt, obwohl die Auftragsbestätigung gerade keinen verbindlichen Liefertermin enthalten habe. Bei Erstellung der Auftragsbestätigung habe sie, die Klägerin, keine positiven Kenntnisse der Originalunterlagen nebst Begleitschreiben gehabt.
Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung der Beklagten durch Beschluss nach § 522 II ZPO zurückzuweisen. Es sei einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe und eine mündliche Verhandlung nicht geboten sei. Die Sache habe auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordere die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil.
Aus den Gründen: II. … Das Landgericht hat der auf Kaufpreiszahlung und Abnahme eines Neufahrzeugs gerichteten Klage zu Recht stattgegeben. Die Berufungsangriffe der Beklagten können dieses Ergebnis nicht infrage stellen.
Mit den geltend gemachten Verfahrensverstößen können die Beklagten nicht durchdringen.
Die Beklagten sind gemäß § 433 II BGB als Gesamtschuldner zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises und zur Abnahme der Kaufsache verpflichtet. Denn zwischen der Beklagten zu 1 und der Klägerin ist gemäß §§ 145 ff. BGB ein Kaufvertrag über den im Tenor des angefochtenen Urteils näher bezeichneten Pkw zustande gekommen. Die Hauptleistungspflicht aus § 433 I 1 BGB ist auch weder nach § 275 I BGB noch durch die Rücktrittserklärung(en) der Beklagten erloschen.
1. Das Landgericht ist mit zutreffender Würdigung davon ausgegangen, dass zwischen der Beklagten zu 1 und der Klägerin gemäß §§ 145 ff. BGB ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Soweit das Landgericht hierbei die Diskrepanzen zwischen dem Bestellformular und der von der Klägerin per E-Mail übermittelten Auftragsbestätigung zu Recht nicht als Umstand angesehen hat, der einem entsprechenden Rechtsbindungswillen der Parteien entgegensteht, wird diese Würdigung von der Berufung nicht angegriffen. Auch von Amts wegen ist gegen diese tatrichterliche Auslegung der Erklärungen nichts zu erinnern.
2. Die Beklagte zu 1 ist von der Erbringung der Gegenleistungspflicht nicht nach § 326 V BGB freigeworden, weil die Leistung nicht gemäß § 275 I BGB unmöglich geworden ist. Denn bei dem Kaufvertrag handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um ein absolutes Fixgeschäft.
Absolute Fixgeschäfte sind Verträge, bei denen die Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts nur bis zum Ablauf des Erfüllungszeitraums erbracht werden kann. Dabei muss der gesetzliche oder vereinbarte Leistungszeitpunkt nach dem Sinn und Zweck des Vertrags und nach der Interessenlage der Parteien so wesentlich sein, dass eine verspätete Leistung für den Gläubiger absolut sinnlos ist. In diesem Fall tritt mit dem Zeitablauf Unmöglichkeit ein, weil dann der Leistungszweck nicht mehr erreicht werden kann (BGH, Urt. v. 20.05.2021 – VII ZR 38/20, juris Rn. 22; Urt. v. 28.05.2009 – Xa ZR 113/08, juris Rn. 12 m. w. N.; BeckOK-BGB/H. Schmidt, Stand: 01.11.2024, § 323 Rn. 26; BeckOGK/Looschelders, Stand: 01.11.2024, § 323 BGB Rn. 187 m. w. N. [typisches Lehrbeispiel: Anmietung eines Fensterplatzes für den Rosenmontagszug]).
Ob die Parteien der vereinbarten Leistungszeit eine so weitgehende Bedeutung beimessen wollten, ist unter Berücksichtigung aller Umstände durch Auslegung zu ermitteln, wobei sich jeder Zweifel gegen die Annahme eines Fixgeschäfts auswirkt (BGH, Urt. v. 20.05.2021 – VII ZR 38/20, juris Rn. 22; Urt. v. 25.01.2001 – I ZR 287/98, juris Rn. 11 m. w. N.). Bejaht wurde ein absolutes Fixgeschäft in der Rechtsprechung beispielsweise in Bezug auf die Bereitstellung von Räumlichkeiten, die für eine bestimmte Veranstaltung gebucht wurden (BGH, Urt. v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85, BGHZ 99, 182 = juris Rn. 26) oder für die Nichterfüllung der Pflicht gemäß Art. 9 Fluggastrechte-VO zur Bereitstellung einer Hotelunterbringung sowie von Mahlzeiten und Getränken für die Zeit bis zur Teilnahme an einem Ersatzflug (BGH, Urt. v. 28.08.2012 – X ZR 128/11, juris Rn. 38), nicht aber beispielsweise bei der Flugbeförderung als solcher (BGH, Urt. v. 28.05.2009 – Xa ZR 113/08, juris Rn. 12), der Nichterbringung der in einem Musikproduktionsvertrag enthaltenen Liefermenge (BGH, Urt. v. 25.01.2001 – I ZR 287/98, juris Rn. 11) oder dem Kauf von Corona-Masken (OLG Köln, Urt. v. 19.07.2024 – 6 U 101/23, juris Rn. 37 ff. m. w. N.).
Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze handelt es sich unter Berücksichtigung der für die gebotene nach beiden Seiten hin interessengerechte Auslegung maßgebenden Umstände bei dem vorliegenden Neuwagenkaufvertrag nicht um ein absolutes Fixgeschäft, und zwar selbst dann nicht, wenn die Klägerin vor Erteilung der Auftragsbestätigung Kenntnis von dem Begleitschreiben vom 06.07.2023 gehabt hätte. Auf die insoweit von den Beklagten erhobenen Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an. Denn selbst wenn der Klägerin das Begleitschreiben vom 06.07.2023 am 10.07.2023 bereits bekannt gewesen und die von der Klägerin am 06.07.2023 versandte E-Mail den Beklagten nicht zugegangen wäre, läge kein absolutes Fixgeschäft vor. In dem Begleitschreiben heißt es lediglich, die Lieferung habe „im September 2023“ zu erfolgen. Es handelt sich hierbei nur um einen grob bezeichneten Lieferzeitraum, der sich schon vom Wortlaut her auf den gesamten Monat September 2023 bezieht. Auch wenn in dem Schreiben weiter ausgeführt wird, dies sei „von entscheidender Bedeutung“ für die Bestellung, lässt sich hieraus nicht entnehmen, dass und warum die Lieferung des Fahrzeugs nach September 2023 für die Beklagten objektiv sinnlos gewesen wäre. Umstände, die eine solche Auslegung tragen würde, lassen sich zudem weder der vorgerichtlichen Korrespondenz noch dem prozessualen Vorbringen der Parteien entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere spricht der typische Zweck der hier geschuldeten Hauptleistung gegen das Vorliegen eines Fixgeschäfts. Denn ein Neufahrzeug wird typischerweise angeschafft, um es danach für einen längeren, häufig mehrjährigen Zeitraum zu nutzen. Weshalb das ab 09.10.2023 bereitgestellte Fahrzeug aufgrund einer Verzögerung von weniger als zwei Wochen (gerechnet ab Ende September 2023) für die Beklagten keinerlei Zweck mehr gehabt haben soll, ist nicht erkennbar. Dies gilt umso mehr, als die Beklagten auch bei einer Abnahme im Oktober 2023 den objektiven Wert des Neufahrzeugs in ihrem Vermögen gehabt hätten, der gegebenenfalls auch durch Verkauf hätte realisiert werden können.
Zudem ist es – wie gerichtsbekannt ist – jedenfalls nicht ohne Weiteres branchenüblich, dass bei der Bestellung eines eigens für einen Erwerber konfigurierten, neu herzustellenden Fahrzeugs mit einem Endkunden ein fixer Liefertermin vereinbart wird. Entsprechendes haben die darlegungsbelasteten Beklagten jedenfalls auch nicht geltend gemacht.
Ohne dass es hierauf entscheidend ankäme, gilt dies umso mehr, als – wie aufgrund der allgemeinen Berichterstattung in den Medien ebenfalls gerichtsbekannt ist – aufgrund der Corona-Pandemie sowie des Ukraine-Kriegs weltweite Lieferengpässe entstanden sind, die teilweise auch noch in das Jahr 2023 fortgewirkt und die Automobilindustrie beeinträchtigt haben.
3. Die Beklagte zu 1 ist auch nicht infolge ihres Rücktritts gemäß § 346 I BGB von ihrer Gegenleistungspflicht freigeworden. Ein Rücktrittsrecht nach § 323 I BGB stand ihr schon deshalb nicht zu, weil sie unstreitig keine Erfüllungsfrist gesetzt hat. Es wird insoweit auf die zutreffenden Erwägungen in der landgerichtlichen Entscheidung verwiesen.
Die Fristsetzung war auch nicht gemäß § 323 II Nr. 2 BGB entbehrlich.
Gemäß § 323 II Nr. 2 BGB entfällt das Fristsetzungserfordernis bei einem relativen Fixgeschäft, wenn der vereinbarte Lieferzeitpunkt fruchtlos verstreicht. Hiervon ist vorliegend allerdings nicht auszugehen. Denn die Beklagten haben nicht substanziiert dargelegt, dass ein relatives Fixgeschäft zustande gekommen ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Klägerin das Begleitschreiben vom 06.07.2023 bei Abfassung ihrer Auftragsbestätigung bereits vorgelegen hat. Auf die geltend gemachten Verfahrensrügen kommt es nicht entscheidend an. Denn selbst wenn das Landgericht seine Hinweispflicht verletzt oder rechtsfehlerhaft von der Gewährung eines Schriftsatznachlasses abgesehen hätte, wäre im Ergebnis keine andere Würdigung geboten.
a) Gemäß § 323 II Nr. 2 BGB ist die nach § 323 I BGB grundsätzlich erforderliche Fristsetzung ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers vor Vertragsschluss oder aufgrund anderer den Vertragsabschluss begleitender Umstände für den Gläubiger wesentlich ist.
§ 323 II Nr. 2 BGB setzt – auch nach der im Jahr 2014 erfolgten Anpassung des Gesetzeswortlauts – voraus, dass die Leistungszeit nach der Parteivereinbarung oder nach der für den Schuldner erkennbaren Interessenlage des Gläubigers so wesentlich ist, dass eine nachträgliche Erfüllung nicht mehr als ordnungsgemäße Leistung anzusehen ist, das Geschäft also mit der Leistungszeit „stehen oder fallen“ soll (OLG Köln, Urt. v. 19.07.2024 – 6 U 101/23, juris Rn. 69; OLG Celle, Urt. v. 18.11.2021 – 11 U 66/21, juris Rn. 26; OLG Naumburg, Urt. v. 24.09.2015 – 9 U 82/14, juris Rn. 58; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 323 Rn. 19; MünchKomm-BGB/Ernst, 9. Aufl. [2022], § 323 Rn. 117; BT-Drucks. 17/12637, S. 59; vgl. zur alten Rechtslage BGH, Urt. v. 17.12.1996 – X ZR 74/95, juris Rn. 18; Urt. v. 18.04.1989 – X ZR 85/88, juris Rn. 30).
Für die Erkennbarkeit kann genügen, dass die Wesentlichkeit der Zeiteinhaltung der Natur des Geschäfts entspricht oder nach Handelsbrauch anerkannt ist. Auf eine Termin- oder Fristbestimmung im Sinne des § 323 II Nr. 2 BGB deuten insbesondere sehr genaue Zeitbestimmungen hin (etwa die Angabe eines bestimmten Tages oder sogar einer bestimmten Stunde), Bestellungen für bestimmte Anlässe (Markttage, Weihnachten), nicht ohne Weiteres aber bloße Lieferzeitbestimmungen (MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 122).
Ist im Vertrag nicht ausdrücklich ausgesprochen, dass dieser mit der Einhaltung oder Nichteinhaltung der Lieferzeit stehen oder fallen soll, muss durch Auslegung unter Berücksichtigung aller Umstände gemäß §§ 133, 157 BGB ermittelt werden, ob die Parteien der vereinbarten Lieferfrist eine so weitgehende Bedeutung beimessen wollten. Auch in diesem Zusammenhang wirkt sich jeder Zweifel gegen die Annahme eines Fixgeschäfts aus (vgl. BGH, Urt. v. 18.04.1989 – X ZR 85/88, juris Rn. 30; OLG Naumburg, Urt. v. 25.09.2015 – 9 U 82/14, juris Rn. 57; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.07.2014 – 22 U 178/12, juris Rn. 37; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 11.05.2020 – 29 U 56/19, juris unter II 2 b aa; OLG Brandenburg, Urt. v. 03.05.2012 – 6 U 56/11, juris Rn. 50).
Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 323 BGB trägt nach allgemeinen Regeln der Gläubiger. Dieser muss nachweisen, dass er dem Schuldner eine angemessene Frist gesetzt hat, beziehunsgsweise jene Umstände dartun, aus denen sich ihre Entbehrlichkeit gemäß § 323 II BGB ergibt (BGH, Beschl. v. 22.02.2022 – VIII ZR 434/21, juris Rn. 14; Urt. v. 29.09.2021 – VIII ZR 111/20, BGHZ 231, 149 = juris Rn. 23).
b) Nach diesen Grundsätzen ist auch ein relatives Fixgeschäft nicht anzunehmen. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die Klägerin das Begleitschreiben vom 06.07.2023 kannte, wonach eine Lieferung „im September“ von entscheidender Bedeutung für die Beklagten sei, kann dieser durch nichts konkretisierten Mitteilung nach §§ 133, 157 BGB nicht der Erklärungswert beigemessen werden, dass die Fahrzeugbestellung mit einer Lieferung im September 2023 stehen oder fallen sollte. Es handelt sich bei der mitgeteilten Zeitspanne für die Lieferung weder um eine sehr genaue Zeitbestimmung noch war ein konkreter Anlass für den Vertragsabschluss oder den genannten Lieferzeitraum mitgeteilt. Zudem bezieht sich das Anschreiben explizit auf das beigefügte und unterschriebene Bestellformular, in welchem ausdrücklich gerade kein fester Liefertermin bestimmt war. Eine Streichung der dortigen Formulierung auf Seite 5 ist nicht erfolgt, was den objektiven Erklärungswert des Begleitschreibens bereits für sich genommen relativiert. Vor allem aber ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, weshalb das Fahrzeug nach September 2023 für die Beklagten nicht mehr von Verwendung hätte sein sollen. Auch aus den Begleitumständen ergibt sich insoweit nichts, was den Schluss auf eine Fixabrede tragen würde. Dahin gehenden substanziierten Sachvortrag haben die insoweit darlegungsbelasteten Beklagten auch in der Berufungsinstanz nicht gehalten.
c) Selbst wenn man dies anders sehen und dem Begleitschreiben vom 06.07.2023 die von den Beklagten gewünschte Bedeutung beimessen wollte, würde dies im Ergebnis keine andere Betrachtung rechtfertigen. Denn nach §§ 133, 157 BGB wäre durch die dem Schreiben nachfolgende Korrespondenz bei der gebotenen normativen Auslegung allein von der Vereinbarung einer bloßen Lieferzeitbestimmung auszugehen, die nicht die Rechtsfolge des § 323 II Nr. 2 BGB auslöst.
Insoweit ist unstreitig, dass die Klägerin mit E-Mail vom 10.07.2023 eine Auftragsbestätigung erteilt hat. Diese Auftragsbestätigung nimmt Bezug auf die mit E-Mail vom 06.07.2023 übermittelte Bestellung der Beklagten zu 1. Ausdrücklich heißt es in der Auftragsbestätigung auf Seite 5: „Unverbindlicher Liefertermin: 09/2023“. Selbst wenn man annehmen wollte, die Beklagten hätten von der Klägerin mit dem Begleitschreiben vom 06.07.2023 in Abweichung von ihrer mit gleichem Schreiben übermittelten Bestellung einen fix vereinbarten Liefertermin gefordert, hätte die Klägerin mit der Bestätigung nur einen unverbindlichen Liefertermin angeboten und damit zugleich den Wunsch nach einem (relativen oder absoluten) Fixgeschäft zurückgewiesen. Die Auftragsbestätigung stellt dann gemäß § 150 II BGB eine Annahme unter Einschränkungen dar, die als eine mit einem neuen Antrag verbundene Ablehnung zu werten ist.
Die Klägerin macht zu Recht geltend, dass die Beklagte zu 1 in der Folgezeit diesen neuen Antrag dadurch konkludent angenommen hat, dass der Beklagte zu 2 in dem am 13.07.2023 geführten E-Mail-Wechsel trotz der zwischenzeitlich zugegangenen Auftragsbestätigung nicht nur Wünsche bezüglich der weiteren Ausstattung übermittelt hat, sondern vor allem der für die Vertragsdurchführung wichtigen Anforderung weiterer Unterlagen nachgekommen ist. Dies war aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nur so zu verstehen, dass es bei einer unverbindlichen Lieferfrist verbleiben und der Vertrag gleichwohl zur Ausführung kommen sollte. Denn die Übermittlung der geforderten Unterlagen wäre gerade nicht erforderlich oder zu erwarten gewesen, wenn die Beklagten an dem Vertrag wegen der unterbliebenen Bestätigung des fixen Liefertermins tatsächlich kein Interesse gehabt hätten.
Überdies konnte die Rücktrittserklärung vom 27.09.2023 auch deshalb keine Wirkung entfalten, weil zu diesem Zeitpunkt der vermeintlich vereinbarte Lieferzeitraum noch nicht überschritten war.
4. Soweit das Landgericht ferner angenommen hat, dass der Vertrag nicht widerrufen worden ist und der Beklagte zu 2 für die Verbindlichkeiten der Beklagten zu 1 haftet, greifen die Beklagten die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts mit der Berufung nicht an.
Auch hinsichtlich der Feststellung des Annahmeverzugs liegt kein Berufungsangriff vor. …
Hinweis: Die Berufung wurde zurückgenommen.
