1. Der Ver­käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens muss dem Käu­fer ei­nen ihm be­kann­ten frü­he­ren Un­fall des Fahr­zeugs grund­sätz­lich auch un­ge­fragt of­fen­ba­ren, wenn er sich nicht dem Vor­wurf des arg­lis­ti­gen Ver­schwei­gens aus­set­zen will. Ei­ne Of­fen­ba­rungs­pflicht trifft ins­be­son­de­re den Ver­käu­fer, der das Fahr­zeug selbst re­pa­riert hat oder hat re­pa­rie­ren las­sen und da­her un­mit­tel­ba­re Kennt­nis vom Um­fang des Un­fall­scha­dens hat.
  2. Die Auf­klä­rungs­pflicht geht so weit, dass durch An­ga­ben über Vor­schä­den kein fal­scher Ein­druck über den Um­fang des Scha­dens ent­ste­hen darf. Der blo­ße Hin­weis, das Fahr­zeug ha­be vor­ne links ei­nen Scha­den ge­habt, der re­pa­riert wor­den sei, reicht da­her nicht aus, wenn es sich bei dem Scha­den um ei­nen To­tal­scha­den han­delt. Denn durch die­sen – den To­tal­scha­den ver­harm­lo­sen­den – Hin­weis wird der Ein­druck er­weckt, das Fahr­zeug ha­be nur ei­nen ge­ring­fü­gi­gen Scha­den er­lit­ten.

LG It­ze­hoe, Ur­teil vom 17.01.2025 – 3 O 163/24

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt den be­klag­ten Kfz-Händ­ler nach An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung auf Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen Per­so­nen­kraft­wa­gen in An­spruch.

Die­ses Fahr­zeug, ein Jeep Grand Che­ro­kee, wies vor­ne links ei­nen er­heb­li­chen, als To­tal­scha­den zu klas­si­fi­zie­ren­den Scha­den auf, den die HUK-CO­BURG Haft­pflicht-Un­ter­stüt­zungs-Kas­se kraft­fah­ren­der Be­am­ter Deutsch­lands a. G. in Co­burg der In­for­ma HIS GmbH ge­mel­det hat­te. Letz­te­re be­treibt als das Hin­weis- und In­for­ma­ti­ons­sys­tem (HIS) der deut­schen Ver­si­che­rungs­wirt­schaft. Der Be­klag­te ließ das Fahr­zeug in ei­ner Werk­statt in Po­len re­pa­rie­ren. Ob die Re­pa­ra­tur ord­nungs­ge­mäß durch­ge­führt wur­de, ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Der pol­ni­sche Be­trieb er­teil­te dem Be­klag­ten un­ter dem 31.03.2023 ei­ne Re­pa­ra­tur­rech­nung über 28.057,20 Z?oty, was nach da­ma­li­gem Wech­sel­kurs knapp 6.000 € ent­sprach.

Der Klä­ger, der erst nach der Re­pa­ra­tur auf das Fahr­zeug auf­merk­sam ge­wor­den war, schloss mit dem Be­klag­ten ei­nen schrift­li­chen Kauf­ver­trag über den Pkw. Der Kauf­preis be­trug 35.500 €. In dem For­mu­lar­kauf­ver­trag heißt es vor­ge­druckt:

„B Der Ver­käu­fer er­klärt wei­ter­hin,

B1 dass das KFZ, so­weit ihm be­kannt, vor sei­nem Ei­gen­tums­er­werb
kei­nen Un­fall­scha­den hat­te
kei­ne sons­ti­gen Be­schä­di­gun­gen hat­te
nur die fol­gen­den Be­schä­di­gun­gen hat­te:“.

Un­ter der letz­ten Zei­le wur­de hand­schrift­lich er­gänzt: „rep. Scha­den vor­ne links“. Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zu Vor­schä­den des Fahr­zeugs er­hielt der Klä­ger nicht. Der Kauf­ver­trag wur­de voll­zo­gen und das Fahr­zeug dem Klä­ger am 14.08.2023 über­ge­ben.

In der Nacht vom 19. auf den 20.08.2023 wur­de das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug wi­der­recht­lich ent­wen­det, was der Klä­ger bei der Po­li­zei zur An­zei­ge brach­te. Der Klä­ger mel­de­te den Scha­den sei­ner Ver­si­che­rung, die wei­te­re In­for­ma­tio­nen ein­hol­te. Erst auf­grund die­ser Nach­for­schun­gen er­hielt der Klä­ger mit Schrei­ben sei­nes Ver­si­che­rers vom 16.11.2023 Kennt­nis da­von, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug vor dem Kauf durch ihn ei­nen To­tal­scha­den er­lit­ten hat­te.

Der Klä­ger er­hielt von der Ver­si­che­rung le­dig­lich 28.000 €. Der Ver­si­che­rer mach­te gel­tend, dass der tat­säch­li­che Wert des Fahr­zeugs nicht dem Kauf­preis (35.000 €) ent­spre­che, da der To­tal­scha­den im Kauf­preis nicht be­rück­sich­tigt wor­den sei.

Mit Schrei­ben vom 21 .02.2024 er­klär­te der Klä­ger ge­gen­über dem Be­klag­ten die An­fech­tung sei­ner Ver­trags­er­klä­rung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung. Er be­haup­tet, das Fahr­zeug sei nicht ord­nungs­ge­mäß re­pa­riert wor­den, und meint, der Be­klag­te ha­be ihn arg­lis­tig ge­täuscht, in­dem er ihn nicht über den Um­fang des Scha­dens auf­ge­klärt ha­be. Der Kauf­ver­trag sei da­her in­fol­ge der Arg­listan­fech­tung rück­ab­zu­wi­ckeln, so­dass der Be­klag­te ihm die Dif­fe­renz zwi­schen der Ver­si­che­rungs­leis­tung und dem Kauf­preis zu zah­len ha­be.

Der Be­klag­te ist der auf Zah­lung von 7.500 € nebst Zin­sen ge­rich­te­ten Kla­ge, mit der der Klä­ger auch vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ne Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 800,39 € er­setzt ver­langt hat, ent­ge­gen­ge­tre­ten. Er meint, er ha­be den Klä­ger nicht arg­lis­tig ge­täuscht, da der streit­ge­gen­ständ­li­che Scha­den im Kauf­ver­trag an­ge­ge­ben wor­den sei. Zu­dem sei das Fahr­zeug in ei­ner pol­ni­schen Fach­werk­statt voll­stän­dig und ord­nungs­ge­mäß re­pa­riert wor­den, so­dass es ei­nen Wert von min­des­tens 35.000 € ge­habt ha­be. Das Re­gu­lie­rungs­ver­hal­ten des klä­ge­ri­schen Ver­si­che­rers dür­fe ihm nicht zum Nach­teil ge­rei­chen.

Die Kla­ge hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Der Klä­ger hat ei­nen An­spruch auf Zah­lung von 7.500 € ge­gen den Be­klag­ten aus § 812 I 1 Fall 1 BGB.

Nach § 812 I 1 Fall 1 BGB hat der­je­ni­ge, der et­was durch Leis­tung ei­nes an­de­ren oh­ne recht­li­chen Grund er­langt, die­ses Er­lang­te her­aus­zu­ge­ben. Der Be­klag­te hat vor­lie­gend 7.500 € von dem Klä­ger im We­ge der Zah­lung er­hal­ten, oh­ne dass hier­für ein Rechts­grund vor­lag. Die auf die Er­fül­lung ei­nes Kauf­ver­trags ge­rich­te­te Zah­lung er­folg­te oh­ne Rechts­grund, da der Klä­ger den Kauf­ver­trag wirk­sam an­ge­foch­ten hat (hier­zu un­ter 1) und die­ser so­mit als von An­fang an (ex tunc) nich­tig an­zu­se­hen ist (§ 142 I BGB), wes­halb der Be­klag­te 7.500 € an den Klä­ger her­aus­zu­ge­ben ha1t (hier­zu un­ter 2).

Da nur das Ver­pflich­tungs­ge­schäft – der Kauf­ver­trag – wirk­sam an­ge­foch­ten wur­de, bleibt die Wirk­sam­keit des Er­fül­lungs­ge­schäfts auf­grund des Abs­trak­ti­ons­prin­zips un­be­rührt. Die be­reits aus­ge­tausch­ten Leis­tun­gen sind des­halb al­lein nach §§ 812 ff. BGIB zu­rück­zu­ge­wäh­ren (Be­ckOK-BGB/​Wendt­land, Stand: 01.11.2024, § 142 Rn. 7).

1. Der Kauf­ver­trag wur­de von dem Klä­ger wirk­sam an­ge­foch­ten. Vor­aus­set­zung der wirk­sa­men An­fech­tung als Ge­stal­tungs­recht sind das Vor­lie­gen ei­nes An­fech­tungs­grun­des (hier­zu un­ter a) und ei­ner frist­ge­rech­ten An­fech­tungs­er­klä­rung (hier­zu un­ter b). Zu­dem darf die An­fech­tung nicht aus­ge­schlos­sen sein, was vor­lie­gend der Fall ist, da der Klä­ger den Ver­trag ins­be­son­de­re nicht be­stä­tigt hat (§ 144 BGB).

a) Dem Klä­ger steht der An­fech­tungs­grund der arg­lis­ti­gen Täu­schung zur Sei­te (§ 123 I Fall 1 BGB).

Der Be­klag­te war als ge­werb­li­cher Ge­braucht­wa­gen­händ­ler ver­pflich­tet, den Klä­ger vor Ab­schluss des Kauf­ver­trags über Un­fall­schä­den auch un­ge­fragt zu in­for­mie­ren. Der blo­ße Hin­weis „rep. Scha­den vor­ne links“ stellt kei­ne aus­rei­chen­de In­for­ma­ti­on des Käu­fers über den vor­han­den To­tal­scha­den dar.

Täu­schung im Sin­ne des § 123 BGB ist das Er­re­gen oder Auf­recht­er­hal­ten ei­nes Irr­tums durch Vor­spie­ge­lung fal­scher Tat­sa­chen oder durch Un­ter­drü­ckung wah­rer Tat­sa­chen. Die Täu­schung kann durch po­si­ti­ves Tun oder durch Un­ter­las­sen er­fol­gen (Be­ckOK-BGB/​Wendt­land, a. a. O., § 123 Rn. 7). Das Ver­schwei­gen von Tat­sa­chen stellt je­doch nur ein ei­ner Täu­schungs­hand­lung äqui­va­len­tes Un­ter­las­sen dar, wenn ei­ne Of­fen­ba­rungs­pflicht be­steht (BGH, Urt. v. 22.02.2005 – X ZR 123/03, ju­ris Rn. 11; Be­ckOK-BGB/​Wendt­land, a. a. O., § 123 Rn. 11). Ent­schei­dend ist, ob der an­de­re Teil nach Treu und Glau­ben un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­an­schau­ung im Ein­zel­fall reid­li­cher­wei­se ei­ne Auf­klä­rung über den ver­schwie­ge­nen Um­stand er­war­ten durf­te (BGH, Urt. v. 11.08.2010 – XII ZR 192/08, ju­ris Rn. 22).

Hier­nach ist der Ver­käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens da­zu ver­pflich­tet, ei­nen frü­he­ren Un­fall des Fahr­zeugs, der ihm be­kannt ist, grund­sätz­lich auch un­ge­fragt dem Käu­fer of­fen­ba­ren, wenn er sich nicht dem Vor­wurf arg­lis­ti­gen Ver­schwei­gens aus­set­zen will (BGH, Urt. v. 03.12.1986 – VI­II ZR 345/85, ju­ris Rn. 16). Da­bei gilt ge­ra­de für den Ver­käu­fer, der das Fahr­zeug selbst re­pa­riert oder re­pa­rie­ren lässt, we­gen sei­ner un­mit­tel­ba­ren Kennt­nis vom Aus­maß des Un­falllscha­dens ei­ne be­son­de­re Auf­klä­rungs­pflicht (OLG Köln, Urt. v. 11.06.1986 – 2 U 199/85, NJW-RR 1986, 1380; LG Ber­lin, Urt. v. 20.12.2005 – 5 O 210/05, ju­ris Rn. 18). Die Auf­klä­rungs­pflicht geht auch so weit, dass durch die An­ga­ben zu Vor­schä­den kein fal­scher Ein­druck hin­sicht­lich des Scha­den­sum­fangs er­weckt wer­den darf (OLG Ko­blenz, Urt. v. 01.03.2017 – 5 U 135/17, ju­ris Rn. 19). Nach ei­nem schwe­ren Un­fall muss über den Um­fang des Scha­dens und über al­le Ein­zel­hei­ten der aus­ge­führ­ten In­stand­set­zungs­ar­bei­ten un­ge­fragt auf­ge­klärt wer­den (Stau­din­ger/​Sin­ger/v. Fin­ken­stein, BGB, Neu­be­arb. 2021, § 123 Rn. 16).

Der schlich­te Hin­weis, dass das Fahr­zeug ei­nen Scha­den vor­ne links ge­habt ha­be, wel­cher re­pa­riert wor­den sei, ba­ga­tel­li­siert den tat­säch­li­chen To­tal­scha­den, der bei dem Fahr­zeug ein­ge­tre­ten war, der­art, dass der Be­klag­te sei­ner Auf­klä­rungs­pflicht nicht nach­ge­kom­men ist. Der Be­klag­te hat­te voll­stän­di­ge Kennt­nis von dem Aus­maß des Scha­dens; er hat ihn selbst re­pa­rie­ren las­sen. Dass ein To­tal­scha­den vor­lag, hat er dem Klä­ger ge­gen­über in­des ver­schwie­gen. Durch den Hin­weis auf ei­nen re­pa­rier­ten Scha­den wird der Ein­druck er­weckt, es ha­be le­dig­lich ein klei­ner Scha­den an dem Fahr­zeug vor­ge­le­gen. Von dem Vor­lie­gen ei­nes To­tal­scha­dens kann der Käu­fer in die­sem Fall nicht aus­ge­hen, wo­bei ein vor­he­ri­ger To­tal­scha­den an ei­nem Fahr­zeug ein we­sent­li­ches – auch preis­bil­den­des – Merk­mal ei­nes Pkw ist, wel­ches maß­geb­lich die Kauf­ent­schei­dung zu be­ein­flus­sen ver­mag. Für die Be­ur­tei­lung des Scha­den­sum­fan­ges fehl­ten dem Klä­ger die er­for­der­li­chen An­knüp­fungs­tat­sa­chen, die der Be­klag­te ihm nicht of­fen­bar­te.

Die Täu­schung des Be­klag­ten er­folg­te auch arg­lis­tig. Der Täu­schen­de muss die Un­rich­tig­keit der fal­schen An­ga­ben ge­kannt und gleich­zei­tig das Be­wusst­sein und den Wil­len ge­habt ha­ben, durch die ir­re­füh­ren­den An­ga­ben be­zie­hungs­wei­se das Un­ter­las­sen der Auf­klä­rung über die wah­re Sach­la­ge ei­nen Irr­tum zu er­re­gen be­zie­hungs­wei­se auf­recht­zu­er­hal­ten und den Ge­täusch­ten da­mit zu ei­ner Wil­lens­er­klä­rung zu be­we­gen, die er sonst nicht oder mit an­de­rem In­halt ab­ge­ge­ben hät­te. Da­bei ge­nügt be­ding­ter Vor­satz (BGH, Urt. v. 19.05.1999 – XII ZR 210/97, ju­ris Rn. 26). Bei ei­ner Täu­schung durch Ver­schwei­gen ei­nes of­fen­ba­rungs­pflich­ti­gen Man­gels han­delt arg­lis­tig, wer ei­nen Feh­ler min­des­tens für mög­lich hält und gleich­zei­tig weiß oder da­mit rech­net und bil­li­gend in Kauf nimmt, dass der Ver­trags­geg­ner den Feh­ler nicht kennt und bei Of­fen­ba­rung den Ver­trag nicht oder nicht mit dem ver­ein­bar­ten In­halt ge­schlos­sen hät­te (BGH, Urt. v. 14.10.1993 – III ZR 156/92, ju­ris Rn. 9 [in­so­weit in BGHZ 123, 363 nicht ab­ge­druckt]).

Auf­grund des­sen, dass der Be­klag­te das Fahr­zeug selbst re­pa­rie­ren ließ, wuss­te er, dass die An­ga­ben im Kauf­ver­trag den Scha­den­sum­fang nicht wi­der­spie­geln und ba­ga­tel­li­sie­ren. Bei An­ga­be ei­nes re­pa­rier­ten Scha­dens hielt er es je­den­falls für mög­lich, dass der Käu­fer den Um­fang des Scha­dens nicht kennt und nicht voll­stän­dig er­fasst und dar­auf be­ru­hend sei­ne Ent­schei­dung übe den Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags trifft.

b) Der Klä­ger hat die An­fech­tung ge­gen­über dem Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 21.02.2024 er­klärt (§ 143 BGB). Die An­fech­tung er­folg­te auch frist­ge­recht (§ 124 BGB). Die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung kann bin­nen Jah­res­frist er­fol­gen. Die auf Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung des Klä­gers aus dem Ju­li 2023 wur­de im Fe­bru­ar 2024 an­ge­foch­ten. Die Jah­res­frist bleibt so­mit ge­wahrt.

2. Nach § 812 I 1 BGB ist we­gen der An­fech­tung des Kauf­ver­trags „das Er­lang­te“ zu­rück­zu­ge­ben.

Vor­lie­gend ist der Be­klag­te ver­pflich­tet, 7.500 € an den Klä­ger zu zah­len. Dem lie­gen fol­gen­de recht­li­che Er­wä­gun­gen zu­grun­de:

Grund­sätz­lich ist das Er­lang­te, hier al­so der Kauf­preis in Höh1e von 35.500 €, her­aus­zu­ge­ben. Da­bei gilt vor­lie­gend je­doch die Be­son­der­heit, dass die be­rei­che­rungs­recht­li­che Rück­ab­wick­lung ge­gen­sei­ti­ger Ver­trä­ge in den §§ 812 ff. BGB kei­ne Son­der­re­g1e­lung er­fah­ren hat. Dar­aus folgt an sich, dass im Fall der Nich­tig­keit je­der Ver­trags­part­ner ei­nen ei­ge­nen selbst­stän­di­gen An­spruch auf Rück­ge­währ des je­weils Ge­leis­te­ten ha­ben müss­te. De­ren un­ein­ge­schränk­te Durch­füh­rung be­rei­tet dann und so­lan­ge kei­ne Schwie­rig­kei­ten, als die bei­der­sei­ti­gen Leis­tun­gen noch un­ge­schmä­lert beim je­wei­li­gen Emp­fän­ger vor­han­den sind. In ei­nem sol­chen Fall sind bei­de Be­rei­che­rungs­an­sprü­che we­nigs­tens über das Zu­rück­be­hal­tungs­recht aus § 273 BGB mit­ein­an­der ver­knüpft. Dem­nach steht je­dem Ver­trags­part­ner die Mög­lich­keit of­fen, den ge­gen ihn ge­rich­te­ten Be­rei­che­rungs­an­spruch nur Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be der ei­ge­nen Leis­tung zu er­fül­len (MünchKomm-BGB/​Schaub, 9. Aufl., § 818 Rn. 241).

So liegt der Fall aber vor­lie­gend nicht. Dem Klä­ger ist das Fahr­zeug ge­stoh­len wor­den, wes­halb er es an den Be­klag­ten nicht her­aus­ge­ben kann. Dies führ­te oh­ne ei­ne Kor­rek­tur der eben dar­ge­stell­ten so­ge­nann­ten Zwei­kon­dik­tio­nen­leh­re da­zu, dass der Be­rei­che­rungs­an­spruch des­je­ni­gen, des­sen Leis­tung beim Ver­trags­part­ner weg­ge­fal­len ist, nach § 818 III BGB aus­ge­schlos­sen wä­re, er aber gleich­wohl die in sei­nem Ver­mö­gen noch vor­han­de­ne Ge­gen­leis­tung her­aus­ge­ben müss­te (MünchKomm-BGB/​Schaub, a. a. O., § 818 Rn. 241e­ben­da.). Die Recht­spre­chung wen­det da­her grund­sätz­lich die so­ge­nann­te (zwei­te) Sal­do­theo­rie an. Für je­de Par­tei ist da­nach zu­nächst der Sal­do zu er­mit­teln, der durch Ver­rech­nung al­ler mit dem Ver­trag ver­bun­de­nen Vor­tei­le und Nach­tei­le ge­won­nen wird, wo­bei zu den Nach­tei­len ins­be­son­de­re auch die hin­ge­ge­be­ne Ge­gen­leis­tung ge­hört. Nur ge­gen die­je­ni­ge Par­tei, auf de­ren Sei­te ein po­si­ti­ver Sal­do ver­bleibt, be­steht in Hö­he des Sal­dos ein Be­rei­che­rungs­an­spruch. Da­her muss et­wa der Ver­käu­fer den Kauf­preis in­so­weit nicht zu­rück­zah­len, als er sei­ner­sei1ts die Kauf­sa­che hin­ge­ge­ben und nicht zu­rück­er­hal­ten hat (Be­ckOK-BGB/​Wend­horst, Stand: 01.11.2024, § 818 Rn. 104 m. w. N.).

Die Sal­do­theo­rie kommt aber nach höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung dann nicht zur An­wen­dung, wenn der Schuld­ner von dem an­de­ren arg­lis­tig ge­täuscht wur­de (Be­ckOK-BGB/​Wend­horst, a. a. O., § 818 Rn. 134). Die Sal­do­theo­rie fin­det nicht zu­guns­ten des arg­lis­tig Täu­schen­den An­wen­dung; es er­folgt kei­ne Sal­die­rung, son­dern die Rück­ab­wick­lung nach der Zwei­kon­dik­tio­nen­leh­re (BGH, Urt. v. 08.01.1970 – VII ZR 130/68, BGHZ 53, 144, 147 ff.). Die Sal­do­theo­rie stellt ei­ne von der Recht­spre­chung aus Bil­li­ig­keits­grün­den vor­ge­nom­me­ne Ge­set­zes­kor­rek­tur dar (BGH, Urt. v. 08.01.1970 – VII ZR 130/68, BGHZ 53, 144, 147). Die­se Bil­lig­keits­grün­de ent­fal­len aber bei Vor­lie­gen der arg­lis­ti­gen Täu­schung. Bei ei­nem Ver­käu­fer, der arg­lis­tig täuscht, ist da­von aus­zu­ge­hen, dass er schon bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags wuss­te oder wis­sen konn­te, dass der Käu­fer be­rech­tigt ist, den Kauf­ver­trag we­gen der arg­lis­ti­gen Täu­schung zu wi­der­ru­fen. Der Täu­schen­de muss sich so be­han­deln las­sen, wie wenn er die Nich­tig­keit des Kauf­ver­trags von An­fang an ge­kannt hät­te (§ 142 II BGB). So­mit haf­tet der arg­lis­tig Täu­schen­de auch nach § 819 I BGB ver­schärft und ist auch nicht durch die Sal­do­theo­rie schutz­wür­dig (BGH, Urt. v. 14.10.1971 – VII ZR 313/69, BGHZ 57, 137, 150 f.).

Da die Sal­do­theo­rie nicht zu­guns­ten des Be­klag­ten ein­greift, haf­tet er auf das, was er er­hal­ten hat, vor­lie­gend den Kauf­preis in Hö­he von 35.500 €, die in Er­man­ge­lung an­der­wei­ti­gen Vor­brin­gens nach wie vor in sei­nem Ver­mö­gen vor­han­den sind. An­der­seits braucht der Klä­ger das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug nicht her­aus­zu­ge­ben, da er in­so­weit ent­rei­chert ist, als ihm das Fahr­zeug ge­stoh­len wur­de. Als Er­satz hat der Klä­ger je­doch von sei­ner Ver­si­che­rung 28.000 € er­hal­ten. Die­sen Be­trag, um den der Klä­ger nicht ent­rei­chert ist, da er ei­nen Wert­er­satz er­hal­ten hat, muss sich der Klä­ger an­rech­nen las­sen.

II. Der Zins­an­spruch be­ruht auf §§ 286, 288 I BGB.

Die arg­lis­ti­ge Täu­schung des Be­klag­ten be­grün­det ei­ne Pflicht­ver­let­zung, wo­nach der Klä­ger die Er­stat­tung der nicht an­re­chen­ba­ren vor­ge­richt­li­chen an­walt­li­chen Ge­schäfts­ge­bühr nach § 280 I BGB gel­tend ma­chen kann, de­ren Hö­he durch den Klä­ger be­an­stan­dungs­frei dar­ge­legt wur­de.

III. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten be­ruht aus § 91 ZPO, die Ent­schei­dung über die vor­läu­fi­ge Voll­streck­bar­keit be­ruht auf § 709 ZPO.

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