1. Durch die Ver­ein­ba­rung ei­nes un­ver­bind­li­chen Lie­fer­ter­mins oder ei­ner un­ver­bind­li­chen Lie­fer­frist beim Neu­wa­gen­kauf wird zwar noch kei­ne Leis­tungs­zeit be­stimmt, bei de­ren Über­schrei­tung der Ver­käu­fer – wie et­wa im Fall des § 286 II Nr. 1 BGB – oh­ne Wei­te­res in Ver­zug ge­rät. Ist aber – et­wa in den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen des Ver­käu­fers – vor­ge­se­hen, dass der Käu­fer den Ver­käu­fer erst mah­nen kann, wenn nach Ab­lauf der un­ver­bind­li­chen Lie­fer­frist be­zie­hungs­wei­se nach Über­schrei­tung des un­ver­bind­li­chen Lie­fer­ter­mins ei­ne (wei­te­re) Frist (sog. un­ech­te Nach­frist) ver­stri­chen ist, so wird die vom Ver­käu­fer ge­schul­de­te Leis­tung spä­tes­tens mit Ab­lauf die­ser (wei­te­ren) Frist fäl­lig, so­dass er nun­mehr durch ei­ne ein­fa­che Mah­nung in Ver­zug ge­setzt wer­den kann (im An­schluss an BGH, Urt. v. 27.09.2000 – VI­II ZR 155/99, BGHZ 145, 203 = ju­ris Rn. 46).
  2. Die Über­mitt­lung ei­ner Text­nach­richt per Whats­App er­füllt die Vor­aus­set­zun­gen der ge­will­kür­ten Schrift­form i. S. des §  127 II 1 BGB. Glei­ches gilt für die Über­mitt­lung ei­nes At­tach­ments in Form ei­ner Text­ver­ar­bei­tungs- oder PDF-Da­tei oder ei­nes hin­rei­chend gu­ten Fo­tos, nicht je­doch für ei­ne Whats­App-Sprach­nach­richt oder ein At­tach­ment in Form ei­ner Vi­deo- oder Au­dio­da­tei.
  3. Wer­den in ei­ner Text­nach­richt Emo­jis ver­wen­det, sind die­se bei der Aus­le­gung der Er­klä­rung grund­sätz­lich zu be­rück­sich­ti­gen. Da­bei ist – wie sonst auch – dar­auf ab­zu­stel­len, wie ein ver­stän­di­ger Emp­fän­ger der Nach­richt die­se nach Treu und Glau­ben un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­sit­te ver­ste­hen durf­te (§§&nbbsp;133, 157 BGB). Zur Er­mitt­lung des Be­deu­tungs­ge­halts von Emo­jis kann der Rechts­an­wen­der Emo­ji-Le­xi­ka zu­ra­te zie­hen; An­halts­punk­te für das Ver­ständ­nis ei­nes Emo­jis kön­nen sich auch aus dem Be­gleit­text er­ge­ben.

OLG Mün­chen, Ur­teil vom 11.11.2024 – 19 U 200/24 e

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt nach dem Rück­tritt von ei­nem mit dem Be­klag­ten, ei­nem ge­werb­li­chen Kraft­fahr­zeug­händ­ler, ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag über ei­nen Neu­wa­gen Fer­ra­ri SF90 Stra­da­le die Rück­zah­lung ei­ner An­zah­lung in Hö­he von 59.500 €. Der Be­klag­te ver­langt wi­der­kla­gend Scha­dens­er­satz mit der Be­grün­dung, er ha­be das Fahr­zeug nach Nicht­ab­nah­me durch den Klä­ger wei­ter­ver­äu­ßert und da­bei ei­nen – den Rück­zah­lungs­an­spruch des Klä­gers über­stei­gen­den – Ver­lust in Hö­he von 103.616 € er­lit­ten.

Der Kauf­ver­trag über das Fahr­zeug kam auf­grund ei­ner ver­bind­li­chen Be­stel­lung des Klä­gers vom 19.11.2020 zu­stan­de. Im Kauf­ver­trag heißt es un­ter an­de­rem:

„Lie­fer­ter­min: 2./​3. Quar­tal 2021 (un­ver­bind­lich)

Bei ei­nem un­ver­bind­lich ver­ein­bar­ten Lie­fer­ter­min kann der Käu­fer den Ver­käu­fer zur Lie­fe­rung erst an­mah­nen, wenn der un­ver­bind­li­che Lie­fer­ter­min um zwei Quar­ta­le über­schrit­ten ist.“

Au­ßer­dem heißt es in dem Kauf­ver­trag: „Kauf­preis: Lis­ten­preis zzgl. Auf­preis 80.000 € net­to“. Un­strei­tig wur­de der Auf­preis von 80.000 € zu­min­dest auch für ei­ne zeit­na­he Lie­fe­rung des Fahr­zeugs ver­ein­bart.

Aus­weis­lich des Kauf­ver­trags gel­ten „die AGB des Her­stel­lers, so­fern kei­ne ab­wei­chen­de Re­ge­lung in die­sem Ver­trag ver­ein­bart wur­de.“ Schließ­lich ver­ein­bar­ten die Par­tei­en: „Än­de­run­gen und Er­gän­zun­gen die­ses Ver­tra­ges be­dür­fen zu ih­rer Wirk­sam­keit der Schrift­form.“

Die im Kauf­ver­trag ver­ein­bar­te An­zah­lung in Hö­he von 50.000 € zu­züg­lich Um­satz­steu­er, mit­hin 59.500 € brut­to, zahl­te der Klä­ger un­strei­tig im Jahr 2020. In der Fol­ge­zeit führ­ten die Par­tei­en über den In­stant-Mes­sa­ging-Dienst Whats­App ei­ne um­fang­rei­che Kon­ver­sa­ti­on mit­tels Text­nach­rich­ten.

So schrieb der Be­klag­te am 23.09.2021 an den Klä­ger:

„Hal­lo Herr K,

der SF 90 Stra­da­le rutscht lei­der auf ers­tes Halb­jahr 2022. Das konn­ten wir nicht ab­se­hen und kön­nen wir nicht be­ein­flus­sen. Im­mer­hin ist der dann zur nächs­ten Sai­son da.

Vie­le Grü­ße, V

Hier­auf ant­wor­te­te der Klä­ger „Ups “ und er­gänz­te: „Trotz­dem dan­ke für die In­fo. Gibt’s ir­gend­was schrift­li­ches? We­nigs­tens ei­ne Be­stä­ti­gung der Or­der.“ Der Be­klag­te schrieb dar­auf­hin an den Klä­ger: „Ver­ste­he Ihr An­lie­gen, küm­mer mich drum.“

Am 28.09.2021 schick­te der Klä­ger an den Be­klag­ten fol­gen­de Text­nach­richt: „Wir ha­ben das Au­to kon­fi­gu­riert. Da muss es ir­gend­was schrift­li­ches von Fer­ra­ri ge­ben.“ Hier­auf über­sand­te der Be­klag­te am 29.09.2021 ei­ne Da­tei na­mens „AB SF90 Stra­da­le K.pdf“ und schrieb da­zu:

„Hal­lo Herr K,

hier se­hen Sie, Ih­re Aus­stat­tung wur­de ein­ge­pflegt. Ihr Wa­gen ist fest be­stellt, da kann nichts mehr aus.

Bit­te mit Dis­kre­ti­on be­han­deln. Vie­len Dank.“

Dar­auf­hin schick­te der Klä­ger fol­gen­den Emo­ji: 

Am 27.01.2022 sand­te der Klä­ger ei­ne Whats­App-Nach­richt mit dem In­halt: „Ers­tes Halb­jahr hat an­ge­fan­gen.  Schon ein Le­bens­zei­chen von Fer­ra­ri wann mit dem Au­to zu rech­nen ist?“

Am 20.04.2022 schrieb der Be­klag­te per Text­nach­richt: „Ab­wick­lung könn­te in der Wo­che ab 9.5. statt­fin­den. Wür­de das Ih­rer­seits pas­sen?“ Der Klä­ger ant­wor­te­te in glei­cher Wei­se: „Passt.“

Am 09.05.2022 teil­te der Be­klag­te dem Klä­ger per Whats­App mit:

„al­so Fer­ra­ri hat wohl feh­ler­haf­te HOCH­VOLT Bat­te­ri­en – das Fahr­zeug darf so nicht aus­ge­lie­fert wer­den, wir be­kom­men (stand heu­te) wohl Er­satz, erst nach Aus­tausch kön­nen wir aus­lie­fern, wann der Er­satz kommt kann noch nicht ge­sagt wer­den, Sie ar­bei­ten aber mit Hoch­druck dran“

Mit Schrei­ben vom 10.05.2022 er­klär­te der Klä­ger ge­gen­über dem Be­klag­ten:

„… ge­mäß un­se­rem Ver­trag soll­te das Fahr­zeug im II./​III. Quar­tal ge­lie­fert wer­den. Mit ei­ner für Sie güns­ti­gen Aus­le­gung sind Sie seit 31.03.2022 im Ver­zug.

Ich set­ze Ih­nen für die Lie­fe­rung des Fahr­zeugs ei­ne letz­te Frist bis zum 24.05.2022. Da­nach be­hal­te ich mir frei vom Kauf­ver­trag zu­rück­zu­tre­ten, mei­ne An­zah­lung zu­rück­zu­for­dern, ….“

In ei­nem Schrei­ben des Klä­gers vom 16.05.2022 wur­de aus­ge­führt: „… an­bei über­sen­den wir Ih­nen noch­mal un­ser letz­tes Schrei­ben vom 10.05.2022. wir ha­ben die Lie­fer­frist ent­ge­gen un­se­rer ers­ten Ab­mah­nung auf den 31.05.2022 ge­setzt.“

Mit Schrei­ben vom 22.05.2022 wies der Be­klag­te die Frist­set­zung zu­rück.

Mit Schrei­ben vom 01.06.2022 er­klär­te der Klä­ger:

„… da das Fahr­zeug auch in der letz­ten Frist­set­zung nicht ge­lie­fert wur­de, tre­ten wir vom Ver­trag zu­rück.

Un­se­re An­zah­lung … er­bit­ten wir … auf fol­gen­des Kon­to: …“

Der spä­te­re Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te des Be­klag­ten mach­te mit Schrei­ben vom 22.07.2022 an die Klä­ger­ver­tre­ter gel­tend, dass der Rück­tritt des Klä­gers vom Kauf­ver­trag un­wirk­sam sei, und for­der­te den Klä­ger – er­folg­los – zur Zah­lung des „ver­ein­bar­ten Kauf­preis[es]“ von 617.917,02 € Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Pkw bis 05.08.2022 auf. Mit An­walts­schrei­ben vom 23.09.2022 ver­lang­te der Be­klag­te „letzt­ma­lig“ bis zum 30.09.2022 die Zah­lung des „ver­ein­bar­ten Kauf­preis[es]“ von – nun­mehr nur noch – 526.713,04 € Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Pkw. Nach dem er­folg­lo­sen Ab­lauf die­ser Frist er­klär­te der Be­klag­te mit Schrei­ben vom 05.10.2022 sei­ner­seits ge­gen­über dem Klä­ger den Rück­tritt von dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trag.

Der Be­klag­te be­haup­tet, er ha­be nach dem Rück­tritt des Klä­gers al­les ver­sucht, um ei­nen Käu­fer für den Fer­ra­ri SF90 Stra­da­le zu fin­den. Es ha­be das Fahr­zeug aber nur für 389.000 € net­to wei­ter­ver­äu­ßern kön­nen, und zwar an die H-GmbH & Co. KG in L. Ein hö­he­rer Kauf­preis sei trotz al­ler Be­mü­hun­gen nicht zu er­zie­len ge­we­sen.

Mit dem an­ge­foch­te­nen Ur­teil hat das Land­ge­richt die auf Rück­zah­lung der An­zah­lung ge­rich­te­te Kla­ge ab­ge­wie­sen. Der Wi­der­kla­ge, mit der die Be­klag­te Scha­dens­er­satz in Hö­he der Dif­fe­renz zwi­schen dem mit dem Klä­ger ver­ein­bar­ten Kauf­preis und dem nach sei­nem Vor­trag von der H-GmbH & Co. KG ge­zahl­ten Kauf­preis ver­langt hat, hat es statt­ge­ge­ben.

Mit sei­ner da­ge­gen ge­rich­te­ten Be­ru­fung hat der Klä­ger wei­ter­hin die Ver­ur­tei­lung des Be­klag­ten zur Zah­lung von 59.500 € nebst Zin­sen in Hö­he von neun Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 08.06.2022 er­rei­chen wol­len.

Das Rechts­mit­tel hat­te weit­ge­hend Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … A. Die Kla­ge ist weit über­wie­gend be­grün­det.

1. Der Klä­ger hat auf­grund sei­nes wirk­sa­men Rück­tritts vom Kauf­ver­trag ei­ne For­de­rung ge­gen den Be­klag­ten auf Rück­zah­lung der ge­leis­te­ten An­zah­lung von 59.500 € ge­mäß § 346 I BGB.

a) Mit Schrei­ben vom 01.06.2022 hat der Klä­ger wirk­sam sein Rück­tritts­recht nach § 349 BGB aus­ge­übt.

b) Dem Klä­ger stand zu die­sem Zeit­punkt auch auf­grund § 323 I BGB ein Rück­tritts­recht zu, da der Be­klag­te sei­ne auf­grund des Kauf­ver­trags ge­schul­de­te, fäl­li­ge Leis­tung nicht er­brach­te. Es lag hier ei­ne Leis­tungs­pflicht­ver­let­zung in Form der Leis­tungs­ver­zö­ge­rung vor.

aa) Auf­grund des Kauf­ver­trags war die Pflicht des Be­klag­ten zur man­gel­frei­en Über­ga­be und Über­eig­nung des Pkw nach § 433 I BGB mit Ab­lauf des 31.03.2022 fäl­lig.

Die Par­tei­en ver­ein­bar­ten im Kauf­ver­trag ei­nen un­ver­bind­li­chen Lie­fer­ter­min für das „2./​3. Quar­tal 2021“. Im We­sent­li­chen zu­tref­fend er­kennt das Land­ge­richt, dass ei­ne Ver­ein­ba­rung ei­nes als un­ver­bind­lich ge­kenn­zeich­ne­ten Lie­fer­ter­mins da­hin ge­hend aus­zu­le­gen ist, dass da­mit noch kei­ne Leis­tungs­zeit be­stimmt wur­de, bei de­ren Über­schrei­tung der Schuld­ner­ver­zug des Be­klag­ten wie et­wa im Fall des § 286 II Nr. 1 BGB oh­ne Wei­te­res ein­tritt (BGH, Urt. v. 27.09.2000 – VI­II ZR 155/99, BGHZ 145, 203 = ju­ris Rn. 46; Urt. v. 25.10.2006 – VI­II ZR 23/06, BGHZ 170, 1 = ju­ris Rn. 10, 25).

Die Re­ge­lung, dass der Klä­ger den Be­klag­ten erst an­mah­nen konn­te, wenn der un­ver­bind­li­che Lie­fer­ter­min um zwei Quar­ta­le über­schrit­ten ist, stellt die Ein­räu­mung ei­ner zu­sätz­li­chen Lie­fer­frist, ei­ner so­ge­nann­ten un­ech­ten Nach­frist, dar, mit de­ren Ab­lauf – spä­tes­tens am 31.03.2022 – die Leis­tung des Be­klag­ten fäl­lig wur­de, so­dass die­ser nun­mehr durch ein­fa­che Mah­nung in Ver­zug ge­setzt wer­den konn­te (BGH, Urt. v. 27.09.2000 – VI­II ZR 155/99, BGHZ 145, 203 = ju­ris Rn. 46; Urt. v. 25.10.2006 – VI­II ZR 23/06, BGHZ 170, 1 = ju­ris Rn. 23, 25).

Die dann zu be­stim­men­de so­ge­nann­te ech­te Nach­frist i. S. von § 323 I BGB konn­te im Hin­blick auf die vor­aus­ge­gan­ge­ne un­ech­te Nach­frist grund­sätz­lich nur kurz be­mes­sen wer­den (BGH, Urt. v. 07.10.1981 – VI­II ZR 229/80, BGHZ 82, 21 = ju­ris Rn. 31; OLG Stutt­gart, Urt. v. 22.12.2005 – 2 U 110/05, ju­ris Rn. 111).

bb) Aus dem Chat­ver­lauf der Par­tei­en lässt sich – ent­ge­gen der An­sicht des Be­klag­ten – kei­ne ein­ver­nehm­li­che Lie­fer­frist­ver­län­ge­rung bis 30.06.2022 er­bli­cken.

aaa) So ist be­reits um­strit­ten, ob Whats­App-Mit­tei­lun­gen bei rechts­ge­schäft­lich ver­ein­bar­ter Schrift­form – wie hier – die Vor­aus­set­zun­gen des § 127 II 1 BGB er­fül­len.

α) Da­nach ge­nügt zur Wah­rung der durch Rechts­ge­schäft be­stimm­ten schrift­li­chen Form, so­weit nicht ein an­de­rer Wil­le an­zu­neh­men ist, die te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ve Über­mitt­lung. Das gilt für al­le Ar­ten der Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on mit­tels tech­ni­scher Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­an­la­gen i. S. von § 3 Nr. 22, 23 TKG in der bis zum 30.11.2021 gel­ten­den Fas­sung be­zie­hungs­wei­se § 3 Nr. 59, 60 TKG in der seit dem 01.12.2021 gel­ten­den Fas­sung, so­weit durch die­se in Schrift­zei­chen les­ba­re ver­kör­per­te Er­klä­run­gen über­sandt wer­den, die Über­mitt­lung al­so nicht in der Form von Spra­che (z. B. fern­münd­lich oder per Voice-Mail oder Voice-Mes­sa­ge) er­folgt (s. BT-Drs. 14/4987, S. 20 f.; Be­ckOK-BGB/​Wendt­land, Stand: 01.08.2024, § 127 Rn. 3; BeckOGK/​Wol­len­schlä­ger, Stand: 01.09.2024, § 127 BGB Rn. 53 f.; MünchKomm-BGB/​Ein­se­le, 9. Aufl., § 127 Rn. 10; Spind­ler/​Schus­ter, Recht der elek­tro­ni­schen Me­di­en, 4. Aufl., § 127 BGB Rn. 3). Der Be­griff der te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ven Über­mitt­lung ist nicht auf be­stimm­te Me­di­en ver­engt, viel­mehr be­wusst ent­wick­lungs­of­fen (Schä­fer, NJOZ 2023, 1376, 1378).

Es reicht ei­ne wech­sel­sei­ti­ge elek­tro­ni­sche be­zie­hungs­wei­se di­gi­ta­le Da­ten­über­mitt­lung (Be­ckOK-BGB/​Wendt­land, a. a. O., § 127 Rn. 4), die da­bei ver­wen­de­ten Me­di­en kön­nen un­ter­schied­li­che sein (Beck-OK/​IT-Recht, Stand: 01.04.2024, § 127 BGB Rn. 12).

Der Text muss so zu­ge­hen, dass er dau­er­haft auf­be­wahrt wer­den oder der Emp­fän­ger ei­nen Aus­druck an­fer­ti­gen kann (BAG, Urt. v. 16.12.2009 – 5 AZR 888/08, ju­ris Rn. 36; OLG Zwei­brü­cken, Beschl. v. 04.03.2013 – 3 W 149/12, ju­ris Rn. 7; Grü­ne­berg/​El­len­ber­ger, BGB, 83. Aufl., § 127 Rn. 2; ErfK/​Preis, 24. Aufl., § 127 BGB Rn. 44).

β) αα) Teil­wei­se wird ver­tre­ten, die­sen An­for­de­run­gen ent­spre­che die Über­mitt­lung per Mes­sen­ger­dienst nicht (so z. B. OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 21.12.2023 – 15 U 211/21, ju­ris Rn. 68 ff.; ähn­lich AG Kas­sel, Urt. v. 15.03.2022 – 410 C 1583/22, ju­ris Rn. 16 f.). Es feh­le es an ei­ner hin­rei­chend si­che­ren Mög­lich­keit der dau­er­haf­ten Ar­chi­vie­rung und des Aus­drucks. Hin­zu kom­me der Um­stand, dass selbst der blo­ße Na­mens­zu­satz nicht oh­ne Wei­te­res hin­rei­chend si­che­re Ge­währ bie­te, wel­che Per­son die dar­in ent­hal­te­ne Er­klä­rung recht­lich ver­ant­wor­te. Fer­ner sei zu be­rück­sich­ti­gen, dass ein For­mer­for­der­nis auch die Be­deu­tung ha­be, die er­klä­ren­de Per­son zu war­nen und vor über­eil­ter Ab­ga­be der Er­klä­rung zu schüt­zen. Die ty­pi­sche Art und Wei­se der Be­nut­zung ei­nes Mes­sen­ger­diens­tes ste­he dem ent­ge­gen­ste­he.

ββ) Die aus Sicht des Se­nats vor­zugs­wür­di­ge An­sicht be­jaht die Vor­aus­set­zun­gen der ge­will­kür­ten Schrift­form nach § 127 II 1 BGB auch bei der Über­mitt­lung ei­ner Text­nach­richt oder ei­nes At­tach­ments in Ge­stalt ei­ner Text­ver­ar­bei­tungs- oder PDF-Da­tei oder ei­nes aus­rei­chend gu­ten Fo­tos per Whats­App – nicht je­doch bei ei­ner Whats­App-Sprach­nach­richt oder ei­nem Vi­deo- oder Au­dio-At­tach­ment (vgl. aus­führ­lich Schä­fer, NJOZ 2023, 1376, 1378 f. m. w. Nachw.; i. E. bei­spiels­wei­se eben­so BeckOGK/Wol­len­schlä­ger, a. a. O., § 127 BGB Rn. 54; Här­ting, In­ter­net­recht, 7. Aufl., Rn. 534).

Die Ein­wän­de der ge­gen­tei­li­gen Auf­fas­sung er­wei­sen sich als nicht stich­hal­tig. Die Dau­er­haf­tig­keit und Re­pro­du­zier­bar­keit sind bei Whats­App-Nach­rich­ten oder -At­tach­ments in der vor­ge­schil­der­ten Form ge­ge­ben. Da­zu ist zum ei­nen zu be­rück­sich­ti­gen, dass der Chat­ver­lauf bei Whats­App – so­weit die­se Funk­ti­on nicht aus­ge­schal­tet ist – re­gel­mä­ßig per Back­up in der Cloud ge­si­chert wird, al­so dau­er­haft ge­spei­chert wird. Zum an­de­ren ist zu se­hen, dass – ab­ge­se­hen von der nur kurz­zei­tig für ein eng be­grenz­tes Zeit­fens­ter nach dem Ver­sand für den Ab­sen­der er­öff­ne­ten Op­ti­on „Für al­le lö­schen“ – Nach­rich­ten den Emp­fän­gern nicht mehr „ent­ris­sen“ wer­den kön­nen. Die Re­pro­duk­ti­on ist so­wohl phy­sisch durch (screen­shot- oder ex­port­ba­sier­ten) Aus­druck mög­lich als auch di­gi­tal durch Wei­ter­lei­ten der Nach­richt.

Die An­sicht, dass Mes­sen­ger­diens­te weit über­wie­gend nur zum ra­schen Aus­tausch rein pri­va­ter Nach­rich­ten und ge­ra­de nicht zur Ab­ga­be rechts­ge­schäft­li­cher Er­klä­run­gen be­nutzt wür­den und da­bei die Emo­tio­na­li­tät pri­va­ter Nach­rich­ten und nicht das über­leg­te Han­deln mit ent­spre­chen­den recht­li­chen Kon­se­quen­zen im Vor­der­grund stün­de (so OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 21.12.2023 – 15 U 211/21, ju­ris Rn. 74), er­scheint an­ge­sichts der mitt­ler­wei­le wei­ten Ver­brei­tung die­ser elek­tro­ni­schen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­form auch im Rechts- und Ge­schäfts­ver­kehr als über­holt und wird na­ment­lich durch den streit­ge­gen­ständ­li­chen Fall wi­der­legt.

bbb) Völ­lig un­ge­ach­tet der Fra­ge, ob hier § 127 II 1 BGB er­füllt ist, weist der Chat­ver­lauf der Par­tei­en nicht den vom Be­klag­ten dar­in er­blick­ten In­halt auf. Ins­be­son­de­re si­gna­li­sier­te der Klä­ger – an­ders als der Be­klag­te meint – nicht, ins­be­son­de­re nicht mit den von ihm ver­wen­de­ten Emo­jis, sei­ne Zu­stim­mung zu ei­ner Lie­fer­frist­ver­län­ge­rung bis zum 30.06.2022.

α) Das Zu­stan­de­kom­men ei­ner den ur­sprüng­li­chen Kauf­ver­trag hin­sicht­lich des Lie­fer­ter­mins und der un­ech­ten Nach­frist ab­än­dern­den Ab­re­de zwi­schen den Par­tei­en setzt zwei über­ein­stim­men­de Wil­lens­er­klä­run­gen in Ge­stalt von An­trag (§ 145 BGB) und An­nah­me (§ 147 BGB) vor­aus.

Wil­lens­er­klä­run­gen kön­nen so­wohl aus­drück­lich – münd­lich oder in schrift­li­cher Form – als auch kon­klu­dent, das heißt durch schlüs­si­ges Ver­hal­ten er­fol­gen. Bei Nach­rich­ten, die per Mes­sen­ger­dienst ge­sen­det wer­den, han­delt es sich um elek­tro­nisch über­mit­tel­te Wil­lens­er­klä­run­gen (MünchKomm-BGB/​Sä­cker, 9. Aufl., Einl. Rn. 209). Auch elek­tro­ni­sche Er­klä­run­gen sind ech­te Wil­lens­er­klä­run­gen (Grü­ne­berg/​El­len­ber­ger, a. a. O., Einf. v. § 116 Rn. 1). Die­se un­ter­lie­gen den all­ge­mei­nen Re­geln der Rechts­ge­schäfts­leh­re.

Der Er­klä­ren­de kann sei­nen Wil­len mit­tels Zei­chen kund­tun (Stau­din­ger/Sin­ger, BGB, Neu­be­arb. 2021, § 133 Rn. 8; Biehl, JuS 2010, 195, 197), das heißt auch durch di­gi­ta­le Pik­to­gram­me – wie Emo­jis. Die­se wer­den häu­fig ge­nutzt, um ei­ne Aus­sa­ge zu un­ter­strei­chen oder zu ver­stär­ken oder sol­len klar­stel­len, in wel­chem Sin­ne et­was zu ver­ste­hen ist (z. B. iro­nisch). In die­ser Funk­ti­on er­fül­len Emo­jis im di­gi­ta­len Dis­kurs ähn­li­che Funk­tio­nen wie In­to­na­ti­on, Ges­tik, Mi­mik und an­de­re kör­per­sprach­li­che Ele­men­te in rea­len Ge­sprä­chen (Pendl, NJW 2022, 1054 Rn. 12). Teil­wei­se wer­den aber auch Wor­te in­ner­halb ei­nes Sat­zes durch ein Emo­ji er­setzt. Ob der Ver­wen­der von Emo­jis ei­nen Rechts­bin­dungs­wil­len zum Aus­druck brin­gen oder le­dig­lich sei­ne Stim­mungs- oder Ge­fühls­la­ge mit­tei­len möch­te, ist ei­ne Fra­ge der Aus­le­gung (Frey­ler, JA 2018, 732, 733).

Emo­jis be­sit­zen als Zei­chen In­ter­pre­ta­ti­ons­mög­lich­kei­ten, die her­an­zu­zie­hen sind; da­bei spie­len al­ler­dings nur sol­che ei­ne Rol­le, die der Emp­fän­ger auch ver­ste­hen konn­te (Frey­ler, JA 2018, 732, 734). Um­stän­de, die dem Er­klä­rungs­emp­fän­ger we­der be­kannt noch er­kenn­bar wa­ren, blei­ben au­ßer Be­tracht (BGH, Urt. v. 05.10.2006 – III ZR 166/05, ju­ris Rn. 18; Grü­ne­berg/​El­len­ber­ger, a. a. O., § 133 Rn. 9). Fak­to­ren wie Na­tio­na­li­tät und Mut­ter­spra­che, kul­tu­rel­ler Hin­ter­grund so­wie Al­ter, Ge­schlecht oder Per­sön­lich­keits­struk­tur kön­nen so­wohl die Nut­zung als auch das Ver­ständ­nis von Emo­jis be­ein­flus­sen, wo­bei sich be­son­ders deut­li­che Ein­schnit­te zwi­schen den Al­ters­grup­pen er­ge­ben (Pendl, NJW 2022, 1054 Rn. 13). Emo­jis ber­gen so­mit die Ge­fahr von Miss­ver­ständ­nis­sen und Fehl­schlüs­sen, weil die kon­kret ver­wen­de­ten Sym­bo­le mög­li­cher­wei­se auf ei­nem spe­zi­fi­schen „Emo­ji-So­zio­lekt“ be­ru­hen, der bloß in­ner­halb ei­ner be­stimm­ten Grup­pe exis­tiert (Pendl, NJW 2022, 1054 Rn. 14; il­lus­tra­tiv auch Pütt­mann/​Op­fer, Vor­sicht mit Emo­jis, LTO v. 02.11.2024 [zum Emo­ji , ab­ge­ru­fen am 11.11.2024]).

Es ist – eben­so wie sonst – zu fra­gen, wie ein ver­stän­di­ger Emp­fän­ger der Nach­richt die Wil­lens­er­klä­rung nach Treu und Glau­ben un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­sit­te ver­ste­hen durf­te (§§ 133, 157 BGB). Da­bei kön­nen die Be­gleit­um­stän­de Be­rück­sich­ti­gung fin­den, so­weit die­se ei­nen An­halts­punkt für den Sinn­ge­halt des Er­klär­ten bie­ten (BGH, Urt. v. 19.01.2000 – VI­II ZR 275/98, ju­ris Rn. 20; Grü­ne­berg/​El­len­ber­ger, a. a. O., § 133 Rn. 15). Zur Be­stim­mung des Be­deu­tungs­ge­halts von Emo­jis kann der Rechts­an­wen­der ge­ge­be­nen­falls Emo­ji-Le­xi­ka zu­ra­te zie­hen (Pendl, NJW 2022, 1054 Rn. 18). Hin­wei­se auf das Ver­ständ­nis ei­nes Emo­jis kön­nen auch aus dem Be­gleit­text fol­gen.

β) Ein­ge­denk des Vor­ste­hen­den ist die Ver­wen­dung des Emo­jis in der Whats­App-Nach­richt des Klä­gers vom 23.09.2021 nicht als Zu­stim­mung zur Aus­sa­ge des Be­klag­ten in der Nach­richt zu­vor zu wer­ten „Der SF 90 Stra­da­le rutscht lei­der auf ers­tes Halb­jahr 2022“.

Aus­ge­hend von sei­ner in den ge­bräuch­li­chen Emo­ji-Le­xi­ka Emo­ji­pe­dia (ab­ge­ru­fen am 11.11.2024) und Emo­ji­t­er­ra (ab­ge­ru­fen am 11.11.2024) an­ge­ge­be­nen Be­deu­tung stellt der „Gri­mas­sen schnei­den­des Ge­sicht“-Emo­ji (Uni­code: U+1F62C) grund­sätz­lich ne­ga­ti­ve oder ge­spann­te Emo­tio­nen dar, be­son­ders Ner­vo­si­tät, Ver­le­gen­heit, Un­be­ha­gen oder Pein­lich­keit. Dass die Par­tei­en des Rechts­streits – in­di­vi­du­ell oder aus Zu­ge­hö­rig­keit zu ei­ner be­stimm­ten so­zia­len Grup­pe – die­sem ei­ne da­von ab­wei­chen­de Be­deu­tung bei­ma­ßen, ist we­der vor­ge­tra­gen noch sonst er­sicht­lich. Zu­dem ist der spe­zi­fi­sche Kon­text zu be­rück­sich­ti­gen, in dem der Emo­ji ver­wen­det wur­de. Der da­ne­ben vom Klä­ger ver­wen­de­te Aus­druck „Ups“ ist al­len­falls als Aus­ruf der Über­ra­schung oder des Er­stau­nens zu wer­ten, kei­nes­falls ist da­mit ei­ne zu­stim­men­de Aus­sa­ge ver­bun­den. Die fol­gen­de Aus­sa­ge des Klä­gers än­dert dar­an nichts mehr.

γ) Die Ver­wen­dung des Emo­jis in der Nach­richt vom 29.09.2021 durch den Klä­ger hat eben­so nicht die­sen ihm vom Be­klag­ten zu­ge­mes­se­nen Be­deu­tungs­in­halt.

Zwar si­gna­li­siert der „Dau­men hoch“-Emo­ji (Uni­code: U+1F44D) – was dem Be­klag­ten zu­zu­ge­ben ist – laut den oben an­ge­ge­be­nen Emo­ji-Le­xi­ka und in Über­ei­stim­mung mit dem über­wie­gen­den Ver­ständ­nis die­ser Ges­te bei phy­si­scher Ver­wen­dung re­gel­mä­ßig Zu­stim­mung, Ein­ver­ständ­nis oder An­er­ken­nung. Die Nach­richt be­zog sich aber er­sicht­lich nicht mehr auf die ers­te Nach­richt des Be­klag­ten vom 23.09.2021, son­dern auf die da­zwi­schen ge­führ­te Kon­ver­sa­ti­on der Par­tei­en am 28. und 29.09.2021, und die­se dreh­te sich um die Um­stän­de der Ver­bind­lich­keit der Be­stel­lung des Pkw und des­sen Kon­fi­gu­ra­ti­on – und in kei­ner Wei­se um den Lie­fer­ter­min.

δ) Selbst die klä­ge­ri­sche Whats­App-Nach­richt vom 27.01.2022 un­ter Ver­wen­dung des Emo­jis ist nicht im vom Be­klag­ten ge­wünsch­ten Sin­ne aus­zu­le­gen.

Der „Grin­sen­des Ge­sicht mit la­chen­den Au­gen“-Emo­ji (Uni­code: U+1F604) hat in der Re­gel schon kei­ne ein­deu­ti­ge Be­deu­tung. Er ver­mit­telt laut Emo­ji-Le­xi­ka oft­mals all­ge­mei­ne Freu­de, Glücks­ge­füh­le, ei­ne war­me, po­si­ti­ve Stim­mung oder gut­mü­ti­ge Be­lus­ti­gung, kann aber auch Stolz oder Auf­re­gung ver­mit­teln. Au­ßer­dem ist er vor­lie­gend ein­ge­bet­tet in fol­gen­de Nach­richt: „Ers­tes Halb­jahr hat an­ge­fan­gen. Schon ein Le­bens­zei­chen von Fer­ra­ri wann mit dem Au­to zu rech­nen ist?“ Dass da­durch zum Aus­druck kom­men soll, dass der Klä­ger nun­mehr mit ei­ner Ver­län­ge­rung der Lie­fer­frist für den Pkw bis zum 30.06.2022 sein Ein­ver­ständ­nis zum Aus­druck ge­bracht ha­be, er­gibt sich aus nichts. Al­len­falls kann dar­in der Aus­druck ei­ner un­spe­zi­fi­schen Vor­freu­de oder Hoff­nung, kei­nes­falls auch nur ein Er­klä­rungs­be­wusst­sein des Klä­gers er­kannt wer­den.

cc) Da­mit war die un­ech­te Nach­frist am 31.03.2022 ab­ge­lau­fen.

Al­ler­dings hat der Klä­ger da­durch, dass er zu­nächst kei­ne ver­zugs­be­grün­den­den Maß­nah­men er­griff und auf die Whats­App-Nach­richt des Be­klag­ten vom 20.04.2022 „Ab­wick­lung könn­te in der Wo­che ab 9.5. statt­fin­den. Wür­de das Ih­rer­seits pas­sen?“ ant­wor­te­te „Passt.“, nach Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) für den Be­klag­ten An­lass zu der An­nah­me ge­ge­ben, dass er mit ei­ner Mah­nung und/​oder Nach­frist­set­zung bis da­hin ab­war­ten wer­de – was er tat­säch­lich bis 10.05.2022 tat.

dd) Die vom Be­klag­ten ver­tre­te­ne An­sicht, we­gen „hö­he­rer Ge­walt“ auf­grund des so­ge­nann­ten Chip­kri­se ha­be sich die Lie­fer­frist vor­lie­gend auf­grund Zif­fer III 4 der All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen des Fer­ra­ri-Ver­trags­händ­lers bis zum 31.07.2022 ver­län­gert, ist rechts­ir­rig. Selbst de­ren Ein­be­zie­hung in den Kauf­ver­trag der Par­tei­en un­ter­stellt – was an­ge­sichts der ver­trag­li­chen For­mu­lie­rung, dass die „AGB des Her­stel­lers“ und nicht des Ver­trags­händ­lers gel­ten, je­den­falls zwei­fel­haft ist –, liegt das be­klag­ten­sei­ti­ge Ver­ständ­nis die­ser AGB-Be­stim­mung fern.

Zu­nächst ist kei­nes­falls ein­deu­tig, dass die so­ge­nann­te Chip­kri­se über­haupt als „hö­he­re Ge­walt“ ein­zu­stu­fen ist, da die­se letzt­lich durch ei­ne Ver­ket­tung un­ter­schied­li­cher Er­eig­nis­se – auch un­ter­neh­me­ri­sche Fehl­ein­schät­zun­gen auf dem Be­schaf­fungs­markt – ver­ur­sacht wur­de (s. auch Mann/​Wasch­kow­ski, BB 2022, 1283, 1287). Des­sen völ­lig un­ge­ach­tet re­gelt Zif­fer III 2 Satz 1, 2 AGB, dass der Käu­fer be­reits (mit Aus­nah­me von Nutz­fahr­zeu­gen) zehn Ta­ge nach Über­schrei­ten ei­nes un­ver­bind­li­chen Lie­fer­ter­mins – hier: „2./​3. Quar­tal 2021“ – den Ver­käu­fer auf­for­dern kann zu lie­fern. Mit dem Zu­gang der Auf­for­de­rung kommt der Ver­käu­fer in Ver­zug. Da­nach hät­te der Klä­ger den Be­klag­ten be­reits am 10.10.2021 ei­ne ech­te Nach­frist i. S. von § 323 I BGB set­zen kön­nen. Bei un­ter­stell­tem Vor­lie­gen von „hö­he­rer Ge­walt“ hät­te der Klä­ger nach Zif­fer III 4 Satz 2 der AGB nach ei­nem Leis­tungs­auf­schub von vier Mo­na­ten ab dem ver­ein­bar­ten un­ver­bind­li­chen Lie­fer­ter­min – mit­hin nach Ab­lauf des 31.01.2022 – vom Ver­trag zu­rück­tre­ten kön­nen.

Wenn nun der Kauf­ver­trag der Par­tei­en in­di­vi­du­al­ver­trag­lich weit über Zif­fer III 2 Satz 1, 2 der AGB hin­aus­ge­hend vor­sieht, dass der Klä­ger den Be­klag­ten erst an­mah­nen kann, wenn der un­ver­bind­li­che Lie­fer­ter­min nicht le­dig­lich um zehn Ta­ge, son­dern um zwei Quar­ta­le über­schrit­ten wird – mit­hin bis zum 31.03.2022 –, so kann dies aus Sicht des Se­nats nicht da­zu füh­ren, dass im Fal­le „hö­he­rer Ge­walt“ ein klä­ge­ri­scher Rück­tritt dann erst nach Ab­lauf von noch wei­te­ren vier Mo­na­ten – so­mit nach dem 31.07.2022 – mög­lich war. Dies steht zum ei­nen nicht im Ein­klang mit Zif­fer III 4 Satz 1 AGB, wo­nach „hö­he­re Ge­walt“ nur zu ei­ner Ver­schie­bung des ver­ein­bar­ten Lie­fer­ter­mins und nicht zur zu­sätz­li­chen Ver­län­ge­rung un­ech­ter Nach­fris­ten führt. Zum an­de­ren ist dies nicht mit der Ra­tio des zwi­schen den Par­tei­en in­di­vi­du­ell ver­ein­bar­ten Auf­prei­ses von 80.000 € zu­min­dest auch für ei­ne zeit­na­he Lie­fe­rung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Kraft­fahr­zeugs zu ver­ein­ba­ren. An­ge­sichts des­sen ist das Ri­si­ko et­wai­ger Lie­fer­ver­zö­ge­run­gen, wel­che nicht auf ei­nem Ver­schul­den des Be­klag­ten be­ru­hen, als in der er­heb­li­chen, mit sechs Mo­na­ten auch weit über der Emp­feh­lung von sechs Wo­chen nach Zif­fer 2 Satz 1 der „Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen (Kraft­fahr­zeu­ge und An­hän­ger)“ des Ver­bands der Au­to­mo­bil­in­dus­trie e. V., des Ver­bands der In­ter­na­tio­na­len Kraft­fahr­zeug­her­stel­ler e. V. und des Zen­tral­ver­bands Deut­sches Kraft­fahr­zeug­ge­wer­be e. V. lie­gen­den un­ech­ten Nach­frist mit ein­ge­preist an­zu­se­hen.

Des­sen un­ge­ach­tet dürf­te der Be­ru­fung des Be­klag­ten auf die ge­nann­ten AGB-Be­stim­mun­gen schon § 305b BGB ent­ge­gen­steht.

ee) Die dann vom Klä­ger mit Schrei­ben vom 10.05.2022 zu­nächst bis 24.05.2022 ge­setz­te und mit Schrei­ben vom 16.05.2022 bis 31.05.2022 ver­län­ger­te, er­folg­los ver­stri­che­ne Frist für den Be­klag­ten zur Er­fül­lung des Kauf­ver­trags ist als an­ge­mes­sen i. S. von § 323 I BGB ein­zu­stu­fen.

aaa) Die An­ge­mes­sen­heit ist ein­zel­fall­ori­en­tiert an­hand der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen­la­ge zu er­mit­teln (OLG Karls­ru­he, Urt. v. 24.11.2011 – 9 U 83/11, ju­ris Rn. 28). Die Frist soll ei­ner­seits so lang be­mes­sen sein, dass der Schuld­ner die Ge­le­gen­heit er­hält, ei­ne im we­sent­li­chen ab­ge­schlos­se­ne Leis­tung voll­ends zu er­brin­gen (BGH, Urt. v. 10.02.1982 – VI­II ZR 27/81, ju­ris Rn. 52). An­de­rer­seits braucht sie aber nicht so lang zu sein, dass der Schuld­ner ei­ne noch gar nicht be­gon­ne­ne Leis­tung recht­zei­tig fer­tig­stel­len kann (BGH, Urt. v. 31.10.1984 – VI­II ZR 226/83, ju­ris Rn. 32). Vom Schuld­ner kön­nen nach Frist­set­zung auch größ­te An­stren­gun­gen und schnel­les Han­deln er­war­tet wer­den, da er sei­ner ur­sprüng­li­chen Leis­tungs­pflicht nicht hin­rei­chend ent­spro­chen hat (OLG Mün­chen, Urt. v. 27.07.2010 – 13 U 4916/09, ju­ris Rn. 45). Die Nach­frist kann we­sent­lich kür­zer als die ur­sprüng­li­che Lie­fer­frist für den Leis­tungs­ge­gen­stand sein (BGH, Urt. v. 18.01.1973 – VII ZR 183/70, ju­ris Rn. 19). Fehlt es – wie vor­lie­gend – an Ab­re­den der Par­tei­en über die Dau­er der Nach­frist, so be­ur­teilt sich die An­ge­mes­sen­heit ih­rer Län­ge nach ob­jek­ti­ven Maß­stä­ben und ist des­halb im Streit­fall Sa­che des Ge­richts (BGH, Urt. v. 10.02.1982 – VI­II ZR 27/81, ju­ris Rn. 50; Urt. v. 18.01.1973 – VII ZR 183/70, ju­ris Rn. 18).

bbb) Ein­ge­denk des Vor­ste­hen­den ist die vom Klä­ger ge­setz­te drei­wö­chi­ge Nach­frist – im Ge­gen­satz zum Land­ge­richt – als nicht un­an­ge­mes­sen kurz zu wer­ten.

Da­bei ist noch­mals in Er­in­ne­rung zu ru­fen, dass der er­heb­li­che, vom Klä­ger zu be­zah­len­de Auf­preis von 80.000 € un­be­strit­ten zu­min­dest auch für ei­ne zeit­na­he Lie­fe­rung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Kraft­fahr­zeugs ver­ein­bart wur­de. Gleich­wohl gab der Kauf­ver­trag vom 19.11.2020 dem Klä­ger le­dig­lich die Mög­lich­keit, erst nach Ver­strei­chen der zu­nächst un­ver­bind­li­chen Lie­fer­ter­mins im 2./​3. Quar­tal 2021 und ei­nem wei­te­ren Zeit­raum von sechs Mo­na­ten den Ver­käu­fer rechts­wirk­sam zu mah­nen. Da­mit ist die un­ech­te Nach­frist um ein Viel­fa­ches län­ger, als dies die Recht­spre­chung im Rah­men von AGB-Kon­trol­len (ge­gen­wär­tig ein­schlä­gig: § 308 Nr. 2 BGB) auch an­ge­sichts der Be­son­der­hei­ten des Neu­wa­gen­han­dels noch als an­ge­mes­sen er­ach­tet (BGH, Urt. v. 07.10.1981 – VI­II ZR 229/80, BGHZ 82, 21 = ju­ris Rn. 30 f.: sechs Wo­chen). Da­zu kommt, dass der Klä­ger selbst nach Ab­lauf der un­ech­ten Nach­frist am 31.03.2024 noch weit über ei­nen Mo­nat mit der Set­zung der ech­ten Nach­frist zu­war­te­te.

An­ge­sichts die­ses zeit­li­chen Ab­laufs ist dem vom Land­ge­richt an­ge­führ­ten Ge­sichts­punkt der üb­li­chen län­ge­ren War­te­zei­ten bei der­art sel­te­nen und hoch­prei­si­gen Kraft­fahr­zeu­gen hin­rei­chend Rech­nung ge­tra­gen. Wenn der Be­klag­ten­ver­tre­ter die­se Sicht­wei­se in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat mit Blick auf die Markt­ver­hält­nis­se bei Lu­xus­fahr­zeu­gen als un­bil­lig kri­ti­sier­te, so über­sieht er, dass es der Be­klag­te je­der­zeit in der Hand ge­habt hät­te, den un­ver­bind­li­chen Lie­fer­ter­min deut­lich spä­ter zu ver­ein­ba­ren oder gar gänz­lich of­fen­zu­las­sen. Nun muss er sich aber an den von ihm ge­trof­fe­nen ver­trag­li­chen Ab­re­den fest­hal­ten las­sen.

Schließ­lich ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass ei­ne ord­nungs­ge­mä­ße Leis­tungs­er­brin­gung durch den Be­klag­ten zum Zeit­punkt der Nach­frist­set­zung über­haupt nicht ab­seh­bar war. So schrieb der Be­klag­te noch am 09.05.2022 per Whats­App-Nach­richt, dass das Fahr­zeug auf­grund ei­ner feh­ler­haft ver­bau­ten Hoch­volt-Bat­te­rie „feh­ler­haft“ sei und so „nicht aus­ge­lie­fert wer­den“ dür­fe. Wann ein Er­satz kom­me, kön­ne „nicht ge­sagt wer­den“. Dar­auf, ob die Nicht­leis­tung auf ei­nem Ver­schul­den des Be­klag­ten be­ruht oder nicht, kommt es nicht an.

Da­ge­gen, dass der Klä­ger dann – wie er sagt – „die Reiß­lei­ne ge­zo­gen“ und mit drei Wo­chen ei­ne re­la­tiv kur­ze ech­te Nach­frist ge­setzt hat, ist so­mit nichts zu er­in­nern.

2. Der Klä­ger hat aber aus der Kla­ge­sum­me nur ei­nen An­spruch auf Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz ge­mäß § 288 I BGB. Die dar­über hin­aus gel­tend ge­mach­ten Zin­sen ste­hen ihm nicht zu.

Nach § 288 II BGB be­trägt der Zins­satz für Ent­gelt­for­de­run­gen, an de­nen ein Ver­brau­cher nicht be­tei­ligt ist, neun Pro­zent­punk­te über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz. Ent­gelt­for­de­run­gen sind For­de­run­gen auf Zah­lung ei­nes Ent­gelts als Ge­gen­leis­tung für ei­ne vom Gläu­bi­ger er­brach­te oder zu er­brin­gen­de Leis­tung (BGH, Urt. v. 06.11.2013 – KZR 61/11, ju­ris Rn. 73). Die Norm gilt nicht für Rück­ge­währan­sprü­che ge­mäß § 346 I BGB (OLG Nürn­berg, Urt. v. 26.07.2017 – 2 U 17/17, ju­ris Rn. 42, Grü­ne­berg/​Grü­ne­berg, BGB, 83. Aufl., § 288 Rn. 8, § 286 Rn. 27), da­her hat­te in­so­weit ge­ring­fü­gig Teil­kla­ge­ab­wei­sung zu er­fol­gen.

B. Die Wi­der­kla­ge ist da­mit un­be­grün­det.

Der wi­der­kla­ge­wei­se gel­tend ge­mach­te Scha­den­er­satz­an­spruch des Be­klag­ten ist hin­fäl­lig, da der Klä­ger nach sei­nem wirk­sa­men Rück­tritt vom Kauf­ver­trag nicht mehr zur Ab­nah­me des Pkw ver­pflich­tet war.

III. …

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