1. Haben die Parteien eines – hier auf der Internetplattform eBay geschlossenen – Kfz-Kaufvertrags ausdrücklich vereinbart, dass der Käufer das Fahrzeug bei der Übergabe in bar zu bezahlen habe, so ist Erfüllungsort für die Kaufpreisschuld i. S. von § 29 ZPO der für die Fahrzeugübergabe vereinbarte Ort.
  2. Ein Verweisungsbeschluss ist entgegen § 281 II 4 ZPO für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, nicht bindend, wenn sich das verweisende Gericht in diesem Beschluss nur zur eigenen Unzuständigkeit und nicht zur Zuständigkeit des Gerichts, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, befasst.

OLG Bamberg, Beschluss vom 30.06.2017 – 8 SA 17/17

Sachverhalt: Der Kläger erhob Klage zum AG Aschaffenburg – Zweigstelle Alzenau – mit dem Antrag, den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.499 € nebst Zinsen und vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten (334,75 €) zu verurteilen. Er behauptet, er habe mit dem Beklagten einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Rolls-Royce Silver Shadow geschlossen. Dieses Fahrzeug hatte der Kläger auf der Internetplattform eBay für 19.999 € zum Sofortkauf angeboten, und der Beklagte – so behauptet der Kläger – habe dieses Angebot am 10.04.2016 angenommen.

In dem eBay-Angebot war unter „Versand“ vermerkt, dass das Fahrzeug am Artikelstandort „RheinMain, Deutschland“ abzuholen sei. Unter „Zahlungen“ hieß es, dass die Möglichkeit der Barzahlung bei Abholung bestehe und es „weitere Zahlungsmethoden“ gebe.

Der Beklagte holte das streitgegenständliche Fahrzeug weder ab, noch zahlte er den Kaufpreis. Der Kläger erklärte deshalb den Rücktritt vom Kaufvertrag und veräußerte das Fahrzeug anschließend für 17.500 €. Von dem Beklagten fordert er Schadensersatz in Höhe von (19.999 € − 17.500 € =) 2.499 €.

Das AG Aschaffenburg – Zweigstelle Alzenau – fragte am 18.10.2016 bei der Stadt Riedenburg an, ob der Beklagte dort am 10.04.2016 gemeldet gewesen sei. Das Einwohnermeldeamt der Stadt Riedenburg teilte dem Gericht am 20.10.2016 mit, dass sich der Beklagte am 01.12.2015 von Riedenburg nach Birsfelden (Schweiz) abgemeldet habe. Nachfolgend wies das Amtsgericht die Parteien mit Verfügung vom 26.10.2016 darauf hin, dass sich seine örtliche Zuständigkeit nicht aus § 29 ZPO ergebe. Eine Klage auf Schadensersatz statt der Leistung wegen Nichterfüllung einer Kaufpreisschuld (§§ 280 I, III, 281 BGB) sei am Wohnsitz des Käufers zu erheben. Zuständig sei deshalb, stelle man auf den damaligen Wohnsitz des Beklagten ab, das AG Kelheim, während der Kläger vor einem schweizerischen Gericht klagen müsse, wenn man auf den (angeblich) derzeitigen Wohnsitz des Beklagten abstelle.

Der Kläger wies mit Schriftsatz vom 08.11.2016 darauf hin, dass die Parteien eine Vereinbarung über den Erfüllungsort getroffen hätten. Denn der Beklagte hätte das streitgegenständliche Fahrzeug an dessen Standort – in Omersbach im Landgerichtsbezirk Aschaffenburg – abholen und den Kaufpreis dort in bar zahlen müssen. Das AG Aschaffenburg teilte dem Kläger daraufhin mit Verfügung vom 14.11.2016 mit, dass es an seinem unter dem 26.10.2016 dargelegten Rechtsstandpunkt festhalte. Der Kläger wies anschließend – mit Schriftsatz vom 04.12.2016 – erneut darauf hin, dass seines Erachtens der Vermerk „Barzahlung bei Abholung“ in dem eBay-Angebot zu einer Vereinbarung über den Erfüllungsort geführt habe. Hilfsweise stellte er den Antrag, den Rechtsstreit an das AG Kelheim zu verweisen, weil der Beklagte seinerzeit seinen Wohnsitz in Riedenburg gehabt habe. Der Beklagte äußerte sich zu diesem Hilfsantrag nicht.

Das AG Aschaffenburg – Zweigstelle Alzenau – erklärte sich mit Beschluss vom 21.03.2017 für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das AG Kelheim. Zur Begründung führte es aus, neben einer „Barzahlung bei Abholung“ seien auch andere Zahlungsmöglichkeiten gegeben gewesen; es bleibe daher dabei, dass der Beklagte die Kaufpreisschuld an seinem damaligen Wohnsitz zu erfüllen gehabt habe.

Das AG Kelheim lehnte die Übernahme des Verfahrens mit Verfügung vom 02.02.2017 ab und gab die Akte an das AG Aschaffenburg zurück. Zur Begründung führte es aus, dass der vom AG Aschaffenburg eingeholten Auskunft des Einwohnermeldeamts der Stadt Riedenburg zu entnehmen sei, dass der Beklagte – wie er auch selbst angebe – im Zeitpunkt des behaupteten Vertragsschlusses schon nicht mehr in Riedenburg gewohnt habe. Das AG Aschaffenburg habe sich im Übrigen in den Gründen des Verweisungsbeschlusses nur mit der eigenen Unzuständigkeit, aber nicht mit der Zuständigkeit des Gerichts befasst, an das verwiesen worden sei. Die Verweisung gerade an das AG Kelheim sei deshalb unverständlich und willkürlich und somit nicht bindend. Zuständig sei wohl tatsächlich ein schweizerisches Gericht. Deshalb sei die erhobene Klage möglicherweise abzuweisen, und dies habe durch das AG Aschaffenburg zu erfolgen.

Mit „Hinweis“ vom 03.03.2017 machte das AG Aschaffenburg – Zweigstelle Alzenau – weitere Ausführungen zu der von ihm angenommenen Zuständigkeit des AG Kelheim. Diese ergebe sich aus den Angaben des Beklagten in seinem eBay-Account und daraus, dass der in Riedenburg zugestellte Mahnbescheid den Beklagten tatsächlich erreicht habe. Außerdem sei der Beklagte dem Hilfsantrag des Klägers auf Verweisung an das AG Kelheim nicht entgegengetreten.

Nachdem sich beide Parteien zu diesem „Hinweis“ geäußert hatten, legte das AG Aschaffenburg – Zweigstelle Alzenau – die Sache mit Beschluss vom 23.05.2017 dem OLG Bamberg zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor. Dieses entschied, dass das AG Aschaffenburg – Zweigstelle Alzenau – zuständig sei.

Aus den Gründen: II. Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 36 I Nr. 6 und II ZPO durch das OLG Bamberg zu entscheiden, weil das zu seinem Bezirk gehörende AG Aschaffenburg zuerst mit der Sache befasst war.

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 I Nr. 6 ZPO liegen vor, da die Amtsgerichte Aschaffenburg und Kelheim in einem negativen Kompetenzkonflikt verfangen sind und zumindest ein Gericht auf der Basis der insoweit maßgeblichen klägerischen Darstellungen und Behauptungen zuständig ist.

Örtlich zuständig ist das AG Aschaffenburg – Zweigstelle Alzenau i. Ufr.

Es entspricht höchstricherlicher Rechtsprechung (vgl. etwa BGH, Urt. v. 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, BGHZ 195, 243 = NJW-RR 2013, 309 Rn. 13), dass es im Rahmen von § 29 I ZPO auf den Erfüllungsort für die jeweils streitige Verpflichtung ankommt, der sich danach bestimmt, wo aufgrund materiell-rechtlicher Vorschriften oder aufgrund (ausdrücklicher oder konkludenter) Parteivereinbarung die im Streit befindliche vertragliche Verpflichtung zu erfüllen ist. Bei gegenseitigen Verträgen besteht deshalb im Allgemeinen kein einheitlicher Erfüllungsort, dieser ist vielmehr für jede aus dem Vertrag folgende Verpflichtung gesondert zu bestimmen (BGH, Urt. v. 07.11.2012 – VIII ZR 108/12, BGHZ 195, 243 = NJW-RR 2013, 309 Rn. 13). Maßgeblich für die Erfüllungsortzuständigkeit ist die dem erhobenen Anspruch zugrunde liegende Vertragspflicht, deren Verletzung gerügt wird. Dementsprechend erfasst der Gerichtsstand des Erfüllungsortes einer Primärverbindlichkeit auch Klagen auf Schadensersatz wegen Nicht- oder Schlechterfüllung von Haupt- oder Nebenpflichten. Der Erfüllungsort solcher „Sekundärverbindlichkeiten“ folgt grundsätzlich dem Erfüllungsort der verletzten Primärverbindlichkeit (vgl. hierzu auch Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 29 Rn. 25 – „Schadensersatz“).

Zutreffend gehen beide in dem negativen Kompetenzkonflikt verfangenen Gerichte davon aus, dass es sich bei der verletzten Primärpflicht um die Kaufpreiszahlung handelt.

Kaufpreisschulden sind, wie andere Geldschulden, im Zweifel am Wohnsitz des Schuldners bzw. am Ort seiner Niederlassung zu erfüllen (§§ 269 I und II, 270 IV BGB; BGH, Urt. v. 02.10.2002 – VIII ZR 163/01, juris Rn. 9). § 269 I BGB ist allerdings Dispositivnorm (BGH, Beschl. v. 11.11.2003 – X ARZ 91/03, BGHZ 157, 20, 23 = NJW 2004, 54). Ein abweichender Erfüllungsort kann vereinbart werden oder sich, wie dies zum Beispiel beim klassischen Ladengeschäft des täglichen Lebens angenommen wird (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 29 Rn. 25 – „Kaufvertrag“ m. w. Nachw.), aus den Umständen ergeben.

Nach den insoweit maßgeblichen Angaben des Klägers haben die Parteien vorliegend eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, wonach Barzahlung am Ort der Fahrzeugübergabe zu erfolgen hatte. Vereinbarter Erfüllungsort für die Zahlung ist demnach der für die Fahrzeugübergabe vereinbarte Ort. Dieser Ort liegt im Bezirk des AG Aschaffenburg – Zweigstelle Alzenau i. Ufr. –, das mithin für das Verfahren örtlich zuständig ist.

Unerheblich ist insoweit, dass dem Käufer grundsätzlich auch andere Möglichkeiten der Bezahlung angeboten wurden, jedenfalls solange er von dieser Wahlmöglichkeit – wie vorliegend – noch keinen Gebrauch gemacht hat.

Selbst wenn man hiervon nicht ausgehen wollte, so ergibt sich doch in keinem Fall eine Zuständigkeit des AG Kelheim. Insbesondere ist – entgegen der Auffassung des AG Aschaffenburg – eine Wohnsitzzuständigkeit jenes Gerichts nicht begründet. Denn selbst wenn vom Regelfall auszugehen wäre, nach dem die Klage auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufpreisanspruchs gemäß §  280 I, III, 281 BGB am Wohnsitz des Käufers zu stellen ist (§ 29 ZPO bzw. Art. 2 I LugÜ), so lag dieser Wohnsitz zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht im Bezirk des AG Kelheim. Ausweislich der amtlichen Mitteilung des Einwohnermeldeamts der Stadt Riedenburg (in Übereinstimmung mit den Angaben der Beklagtenseite) wohnte der Beklagte nämlich schon seit 01.04.2010 nicht mehr dort.

Der Verweisungsbeschluss des AG Aschaffenburg – Zweigstelle Alzenau i. Ufr. – vom 21.03.2017 entfaltet auch keine Bindungswirkung.

Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist zwar grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss verwiesen worden ist. Dies folgt aus der Regelung in § 281 II 4 ZPO, wonach ein auf der Grundlage von § 281 ZPO ergangener Verweisungsbeschluss für das Gericht, an das die Sache verwiesen wird, bindend ist. Die Bindungswirkung entfällt aber dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa, weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn der Verweisungsbeschluss bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BGH, Beschl. v. 19.02.2013 – X ARZ 507/12, NJW-RR 2013, 764 Rn. 7; Beschl. v. 17.05.2011 – X ARZ 109/11, NJW-RR 2011, 1364 Rn. 9; Beschl. v. 09.06.2015 – X ARZ 115/15, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Das AG Kelheim weist zutreffend darauf hin, dass die Gründe zum Beschluss vom 21.03.2017 sich ausschließlich mit der Frage der eigenen Unzuständigkeit, in keiner Weise aber mit der Frage einer Zuständigkeit des AG Kelheim befassen. Eine eingehende Befassung wäre allerdings veranlasst gewesen, zum einen, weil der Beklagte schon ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass er bei Vertragsschluss nicht in Riedenburg wohnte (und wohnhaft gemeldet war), und zum anderen, weil das AG Aschaffenburg – Zweigstelle Alzenau i. Ufr. – selbst unmittelbar vor Erlass des Verweisungsbeschlusses eine amtliche Auskunft angefordert und erhalten hatte, aus der sich ergibt, dass der Beklagte sich bereits fünf Jahre vor Vertragsschluss, nämlich am 01.12.2010, bei der Stadt Riedenburg abgemeldet hatte, weil er in die Schweiz verzogen war. Vor diesem Hintergrund ist der Verweisungsbeschluss vom 21.03.2017 nicht mehr verständlich. Daran ändern auch die vom Gericht nachgeschobenen Gründe nichts. Die Angaben in einem eBay-Account sind keineswegs im Verhältnis zu amtlichen Auskünften eines Einwohnermeldeamts als höherwertiger bzw. zuverlässiger zu bewerten.

Selbst wenn das AG Aschaffenburg – Zweigstelle Alzenau – an seiner Auffassung festhalten sollte, dass allein eine Wohnsitzzuständigkeit, mithin eine Zuständigkeit eines Schweizer Gerichts, gegeben ist, hat es hierüber selbst in eigener Zuständigkeit – etwa im Wege der Klageabweisung als unzulässig – zu befinden.

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