Er­folgt im De­ckungs­schutz­ver­fah­ren des Ver­si­che­rungs­neh­mers ei­ner Rechts­schutz­ver­si­che­rung nach dem Zeit­punkt der Be­wil­li­gungs­rei­fe ei­ne Klä­rung durch die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung (hier: durch den EuGH in den sog. Die­sel­ver­fah­ren) zu sei­nen Guns­ten, sind für die Be­ur­tei­lung des De­ckungs­schutz­an­spruchs die Er­folgs­aus­sich­ten der Kla­ge im Zeit­punkt des Schlus­ses der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Be­ru­fungs­ge­richt maß­geb­lich.

BGH, Ur­teil vom 05.06.2024 – IV ZR 140/23

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt die Be­klag­te – so­weit für die Re­vi­si­ons­in­stanz noch von Be­deu­tung – auf Fest­stel­lung der Ver­pflich­tung zur Ge­wäh­rung von De­ckungs­schutz für die au­ßer­ge­richt­li­che und erst­in­stanz­li­che Wahr­neh­mung sei­ner recht­li­chen In­ter­es­sen ge­gen die Her­stel­le­rin ei­nes von ihm er­wor­be­nen Fahr­zeugs we­gen der Ver­wen­dung un­zu­läs­si­ger Ab­schalt­ein­rich­tun­gen in An­spruch.

Der Klä­ger un­ter­hält bei der Be­klag­ten seit De­zem­ber 2018 ei­ne Rechts­schutz­ver­si­che­rung, die Scha­dens­er­satz­an­sprü­che um­fasst. Dem Ver­si­che­rungs­ver­trag lie­gen „All­ge­mei­ne Rechts­schutz-Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen A ARB/2016, Stand 01.01.2016“ (im Fol­gen­den: ARB 2016) zu­grun­de, die fol­gen­de Re­ge­lun­gen ent­hal­ten:

„§ 2 Leis­tungs­ar­ten
Der Um­fang des Ver­si­che­rungs­schut­zes kann in den For­men des § 21 bis § 29 ver­ein­bart wer­den. So­weit nicht et­was an­de­res ver­ein­bart ist, um­fasst der Ver­si­che­rungs­schutz
a) Scha­den­er­satz-Rechts­schutz
für die Gel­tend­ma­chung von Scha­den­er­satz­an­sprü­chen, so­weit die­se nicht auch auf ei­ner Ver­trags­ver­let­zung oder ei­ner Ver­let­zung ei­nes ding­li­chen Rech­tes an Grund­stü­cken, Ge­bäu­den oder Ge­bäu­de­tei­len be­ru­hen oder so­weit der Ver­si­che­rungs­schutz nicht in der Leis­tungs­art n) oder q) cc) ent­hal­ten ist;

§ 3a Ab­leh­nung des Rechts­schut­zes we­gen man­geln­der Er­folgs­aus­sich­ten oder we­gen Mut­wil­lig­keit – Stich­ent­scheid

(1) Die A kann den Rechts­schutz ab­leh­nen, wenn ih­rer Auf­fas­sung nach
a) in ei­nem der Fäl­le des § 2 a) bis g), n), q) aa) und cc) so­wie r) aa) die Wahr­neh­mung der recht­li­chen In­ter­es­sen kei­ne hin­rei­chen­de Aus­sicht auf Er­folg hat oder

c) die Wahr­neh­mung der recht­li­chen In­ter­es­sen mut­wil­lig ist. Mut­wil­lig­keit liegt dann vor, wenn der durch die Wahr­neh­mung der recht­li­chen In­ter­es­sen vor­aus­sicht­lich ent­ste­hen­de Kos­ten­auf­wand un­ter Be­rück­sich­ti­gung der be­rech­tig­ten Be­lan­ge der Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft in ei­nem gro­ben Miss­ver­hält­nis zum an­ge­streb­ten Er­folg steht.

In die­sen Fäl­len ist dem Ver­si­che­rungs­neh­mer, nach­dem die­ser die Pflich­ten ge­mäß § 17 Abs. 1 b) er­füllt hat, die Ab­leh­nung un­ver­züg­lich un­ter An­ga­be der Grün­de schrift­lich mit­zu­tei­len.

(2) Hat die A ih­re Leis­tungs­pflicht ge­mäß Abs. 1 ver­neint und stimmt der Ver­si­che­rungs­neh­mer der Auf­fas­sung der A nicht zu, kann er den für ihn tä­ti­gen oder noch zu be­auf­tra­gen­den Rechts­an­walt auf Kos­ten der A ver­an­las­sen, die­ser ge­gen­über ei­ne be­grün­de­te Stel­lung­nah­me ab­zu­ge­ben, dass die Wahr­neh­mung recht­li­cher In­ter­es­sen in ei­nem an­ge­mes­se­nen Ver­hält­nis zum an­ge­streb­ten Er­folg steht und hin­rei­chen­de Aus­sicht auf Er­folg ver­spricht. Die Ent­schei­dung ist für bei­de Tei­le bin­dend, es sei denn, dass sie of­fen­bar von der wirk­li­chen Sach- und Rechts­la­ge er­heb­lich ab­weicht.
…“

Der Klä­ger er­warb im Au­gust 2020 für 39.790 € ein ge­brauch­tes Wohn­mo­bil mit ei­nem Ki­lo­me­ter­stand von 88.600. Das Fahr­zeug un­ter­liegt kei­nem Rück­ruf durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt.

Der Klä­ger be­ab­sich­tigt, mit ei­ner Kla­ge ge­gen die Fahr­zeug­her­stel­le­rin Scha­dens­er­satz­an­sprü­che aus § 826 BGB und § 823 II BGB ge­rich­tet auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags gel­tend zu ma­chen. Der Her­stel­le­rin las­tet er an, die dort Ver­ant­wort­li­chen hät­ten das von ihm er­wor­be­ne Fahr­zeug mit un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tun­gen i. S. des Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) 715/20071Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 20.06.2007 über die Typ­ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen hin­sicht­lich der Emis­sio­nen von leich­ten Per­so­nen­kraft­wa­gen und Nutz­fahr­zeu­gen (Eu­ro 5 und Eu­ro 6) und über den Zu­gang zu Re­pa­ra­tur- und War­tungs­in­for­ma­tio­nen für Fahr­zeu­ge, ABl. 2007 L 171,1. ins­be­son­de­re mit ei­nem Ther­mo­fens­ter, aus­ge­stat­tet und ihn da­durch vor­sätz­lich und sit­ten­wid­rig ge­schä­digt.

Die da­für er­be­te­ne Kos­ten­zu­sa­ge lehn­te die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 16.12.2021 ab. Es lie­ge we­der ein Rechts­ver­stoß vor noch be­stün­den Er­folgs­aus­sich­ten in der Sa­che, und der Klä­ger ver­sto­ße ge­gen sei­ne Kos­ten­min­de­rungs­ob­lie­gen­heit. Ein mit „Stich­ent­scheid“ über­schrie­be­nes Schrei­ben der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers vom 22.12.2021 wies die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 04.01.2022 als nicht bin­dend zu­rück.

Das Land­ge­richt hat die De­ckungs­schutz­kla­ge ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung des Klä­gers hat das Ober­lan­des­ge­richt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil un­ter Zu­rück­wei­sung des Rechts­mit­tels im Üb­ri­gen ab­ge­än­dert und fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te aus dem Ver­si­che­rungs­ver­trag ver­pflich­tet ist, die Kos­ten der erst­in­stanz­li­chen Gel­tend­ma­chung von de­lik­ti­schen Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen des Klä­gers ge­gen die Mo­tor- und Fahr­zeug­her­stel­le­rin auf­grund des Kaufs des Fahr­zeugs und der von dem Klä­ger be­haup­te­ten Ma­ni­pu­la­ti­on der Ab­gas­steue­rung die­ses Fahr­zeugs aus ei­nem Streit­wert von bis zu 38.848,89 € zu tra­gen. Der De­ckungs­schutz steht un­ter der Ein­schrän­kung, dass sich der Klä­ger, wenn er den gro­ßen Scha­dens­er­satz wählt, den Vor­teil an­ge­mes­sen an­rech­nen las­sen muss, den er durch die Nut­zung des vor­ge­nann­ten Fahr­zeugs seit des­sen Er­werb er­zielt hat. Das Ober­lan­des­ge­richt hat die Be­klag­te zu­dem ver­ur­teilt, den Klä­ger von den Kos­ten des für ihn ge­fer­tig­ten An­walts­schrei­bens vom 22.12.2021 in Hö­he von 800,39 € frei­zu­stel­len. Im Üb­ri­gen hat es die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten, die da­mit die voll­stän­di­ge Ab­wei­sung der Kla­ge er­rei­chen woll­te, hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: [8]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat – so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren noch von In­ter­es­se – im We­sent­li­chen aus­ge­führt, der Klä­ger ha­be ei­nen An­spruch auf De­ckungs­schutz im te­n­o­rier­ten Um­fang, weil die be­ab­sich­tig­te Rechts­ver­fol­gung in­so­weit Aus­sicht auf Er­folg ge­mäß § 3a I lit. a ARB 2016 ha­be. Im Lich­te der Recht­spre­chung EUGH vom 21.03.2023 (EuGH, Urt. v. 21.03.2023, C–100/21, EU:C:2023:229 = NJW 2023, 1111 ff. – Mer­ce­des-Benz Group) er­schei­ne ein Scha­dens­er­satz­an­spruch aus §§ 823 II, 31 BGB i. V. mit §§ 6 I, 27 I EG-FGV, Art. 5 II VO (EG) Nr. 715/2007 und Art. 18 I, 26 I und 46 der Richt­li­nie 2007/46/EG2Richt­li­nie 2007/46/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 05.09.2007 zur Schaf­fung ei­nes Rah­mens für die Ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen und Kraft­fahr­zeug­an­hän­gern so­wie von Sys­te­men, Bau­tei­len und selbst­stän­di­gen tech­ni­schen Ein­hei­ten für die­se Fahr­zeu­ge (Rah­men­richt­li­nie), ABl. 2007 L 263, 1. auf „gro­ßen“ Scha­dens­er­satz, je­den­falls nicht un­ver­tret­bar.

[9]    Der Be­rück­sich­ti­gung der Ent­schei­dung des EuGH vom 21.03.2023 ste­he nicht ent­ge­gen, dass die­se erst nach dem Zeit­punkt der Be­wil­li­gungs­rei­fe – dem 16.12.2021 als dem Tag der De­ckungsa­b­leh­nung durch die Be­klag­te be­zie­hungs­wei­se dem 22.12.2021 als dem Tag der Stel­lung­nah­me der Klä­ger­ver­tre­ter – er­gan­gen sei. Zur Be­ur­tei­lung der Sach- und Rechts­la­ge sei zwar auf den Zeit­punkt der Be­wil­li­gungs­rei­fe ab­zu­stel­len. Aus der Ent­schei­dung des EuGH fol­ge al­ler­dings we­der ei­ne Ver­än­de­rung der zu­grun­de lie­gen­den Tat­sa­chen noch ei­ne Wei­ter­ent­wick­lung der Recht­spre­chung auf­grund ver­än­der­ter An­schau­un­gen. Viel­mehr ha­be der EuGH da­mit ei­ne – be­reits im Zeit­punkt der Be­wil­li­gungs­rei­fe – be­ste­hen­de Rechts­la­ge fest­ge­stellt. Zu­dem wür­de die Nicht­be­rück­sich­ti­gung ei­ner nach Be­wil­li­gungs­rei­fe be­ste­hen­den Rechts­la­ge, wo­nach die Er­folgs­aus­sich­ten zu be­ja­hen wä­ren, auf ei­ne blo­ße För­me­lei hin­aus­lau­fen.

[10]   Ein De­ckungs­schutz­an­spruch sei zu­dem we­der we­gen ei­nes Ver­sto­ßes des Klä­gers ge­gen sei­ne Scha­dens­min­de­rungs­ob­lie­gen­heit noch we­gen Mut­wil­lig­keit (§ 3a I lit. c ARB 2016) aus­ge­schlos­sen. Ein Ab­war­ten der wei­te­ren Ent­wick­lun­gen sei dem Klä­ger schon im Hin­blick auf ei­ne ge­ge­be­nen­falls lau­fen­de Ver­jäh­rungs­frist nicht zu­zu­mu­ten. Die pau­scha­le Be­haup­tung der Be­klag­ten, die Er­mitt­lung der Ab­schalt­ein­rich­tung kos­te nach ih­ren bis­he­ri­gen Er­fah­rungs­sät­zen zwi­schen 30.000 bis 50.000 €, ge­nü­ge nicht, um ein gro­bes Miss­ver­hält­nis zwi­schen Kos­ten und Nut­zen an­neh­men zu kön­nen.

[11]   II. Das hält recht­li­cher Nach­prü­fung stand.

[12]   1. Die Re­vi­si­on, die sich al­lein ge­gen die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts wen­det, bei der Fra­ge nach dem Vor­lie­gen hin­rei­chen­der Er­folgs­aus­sicht ge­mäß § 3a I lit. a ARB 2016 sei die Ent­schei­dung des EuGH vom 21.03.2023 (EuGH, Urt. v. 21.03.2023, C–100/21, EU:C:2023:229 = NJW 2023, 1111 ff. – Mer­ce­des-Benz Group, vor­mals Daim­ler AG) zu be­rück­sich­ti­gen, ist im gel­tend ge­mach­ten Um­fang zu­läs­sig.

[13]   Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die Zu­las­sung der Re­vi­si­on im Te­nor des an­ge­foch­te­nen Ur­teils wirk­sam auf die Fest­stel­lung der Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur Ge­wäh­rung be­din­gungs­ge­mä­ßen De­ckungs­schut­zes be­schränkt und sie in den Ent­schei­dungs­grün­den mit ei­ner ab­wei­chen­den Auf­fas­sung ei­ni­ger Ober­lan­des­ge­rich­te zu der Fra­ge, ob spä­te­re – nach dem Zeit­punkt der so­ge­nann­ten Be­wil­li­gungs­rei­fe – ein­ge­tre­te­ne Ent­wick­lun­gen in der Recht­spre­chung be­zie­hungs­wei­se Än­de­run­gen der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung für die Fra­ge nach den Er­folgs­aus­sich­ten der be­ab­sich­tig­ten Wahr­neh­mung der recht­li­chen In­ter­es­sen zu­guns­ten des Ver­si­che­rungs­neh­mers zu be­rück­sich­ti­gen sind, be­grün­det.

[14]   Die­se Fest­stel­lung kann in tat­säch­li­cher und recht­li­cher Hin­sicht un­ab­hän­gig da­von re­vi­si­ons­recht­lich über­prüft wer­den, ob ei­ne die Be­klag­te nach § 3a II ARB 2016 bin­den­de Stel­lung­nah­me vor­liegt und ob ein De­ckungs­schutz­an­spruch (auch) für die au­ßer­ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung von An­sprü­chen so­wie ein An­spruch auf Frei­stel­lung von den Kos­ten des Schrei­bens vom 22.12.2021 be­steht (vgl. Se­nat, Urt. v. 29.11.2023 – IV ZR 117/22, VersR 2024, 230 Rn. 11 ff.).

[15]   2. Im Um­fang ih­rer Zu­las­sung ist die Re­vi­si­on der Be­klag­ten un­be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat rechts­feh­ler­frei fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te in dem von ihm te­n­o­rier­ten Um­fang ver­pflich­tet ist, die Kos­ten der erst­in­stanz­li­chen Gel­tend­ma­chung von de­lik­ti­schen Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen des Klä­gers auf­grund des Fahr­zeug­kaufs zu tra­gen.

[16]   a) Zu­tref­fend und von der Re­vi­si­on un­be­an­stan­det hat das Be­ru­fungs­ge­richt zu­nächst an­ge­nom­men, dass für den gel­tend ge­mach­ten Rechts­schutz­fall – den Er­werb des Fahr­zeugs – i. S. von §§ 25a I und III, 4 I lit. a, II lit. a ARB 2016 Ver­si­che­rungs­schutz be­steht.

[17]   b) Rechts­feh­ler­frei ist das Be­ru­fungs­ge­richt auch da­von aus­ge­gan­gen, dass die Be­klag­te nicht be­rech­tigt war, ge­mäß § 3a I lit. a bis c ARB 2016 De­ckungs­schutz zu ver­sa­gen. Denn die Wahr­neh­mung der recht­li­chen In­ter­es­sen des Klä­gers hat hin­rei­chen­de Aus­sicht auf Er­folg ge­mäß § 3a I lit. a ARB 2016.

[18]   aa) Mit die­sem Ein­wand, für des­sen Vor­aus­set­zun­gen der Ver­si­che­rer be­weis­pflich­tig ist (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2008 – IV ZR 305/07, BGHZ 178, 346 Rn. 23), kann die Be­klag­te den De­ckungs­schutz zwar ab­leh­nen, wenn ih­rer Auf­fas­sung nach die Wahr­neh­mung der recht­li­chen In­ter­es­sen kei­ne hin­rei­chen­de Aus­sicht auf Er­folg hat oder die Wahr­neh­mung der recht­li­chen In­ter­es­sen mut­wil­lig ist, das heißt in ei­nem gro­ben Miss­ver­hält­nis zum an­ge­streb­ten Er­folg steht. Die aus § 114 I ZPO über­nom­me­ne For­mu­lie­rung bringt zum Aus­druck, dass der Ver­si­che­rer Ver­si­che­rungs­schutz un­ter den sach­li­chen Vor­aus­set­zun­gen ge­währt, un­ter de­nen ei­ne Par­tei die Be­wil­li­gung von Pro­zess­kos­ten­hil­fe be­an­spru­chen kann (vgl. Se­nat, Urt. v. 19.02.2003 – IV ZR 318/02, VersR 2003, 454 = ju­ris Rn. 16; Urt. v. 16.09.1987 – IVa ZR 76/86, VersR 1988, 174 = ju­ris Rn. 7). Das be­ruht dar­auf, dass die sach­li­chen An­for­de­run­gen an die hin­rei­chen­de Er­folgs­aus­sicht in der Rechts­schutz­ver­si­che­rung die glei­chen wie bei der Ge­wäh­rung von Pro­zess­kos­ten­hil­fe sind (Se­nat, Urt. v. 19.02.2003 – IV ZR 318/02, VersR 2003, 454 = ju­ris Rn. 16; Urt. v. 20.04.1994 – IV ZR 209/92, VersR 1994, 1061 = ju­ris Rn. 14 [zu ARB Stand 1988]; Urt. v. 17.01.1990 – IV ZR 214/88, VersR 1990, 414 = ju­ris Rn. 5; Urt. v. 16.09.1987 – IVa ZR 76/86, VersR 1988, 174 = ju­ris Rn. 7; st. Rspr.). Hier­nach ge­nügt es, wenn der von ei­nem Klä­ger an­ge­nom­me­ne Rechts­stand­punkt zu­min­dest ver­tret­bar er­scheint und in tat­säch­li­cher Hin­sicht die Mög­lich­keit ei­ner Be­weis­füh­rung be­steht (vgl. Se­nat, Urt. v. 16.09.1987 – IVa ZR 76/86, VersR 1988, 174 = ju­ris Rn. 10; BVerfG [1. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats], Beschl. v. 22.03.2021 – 2 BvR 353/21, Asyl­ma­ga­zin 2021, 439 = ju­ris Rn. 5; je­weils m. w. Nachw.). An die Vor­aus­set­zung der hin­rei­chen­den Er­folgs­aus­sicht sind kei­ne über­spann­ten An­for­de­run­gen zu stel­len (vgl. BVerfG [1. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats], Beschl. v. 22.03.2021 – 2 BvR 353/21, Asyl­ma­ga­zin 2021, 439 = ju­ris Rn. 5). Ei­ne hin­rei­chen­de Er­folgs­aus­sicht be­steht schon dann, wenn ein Ob­sie­gen eben­so wahr­schein­lich er­scheint wie ein Un­ter­lie­gen, der Pro­zess­aus­gang mit­hin of­fen ist (vgl. BVerfG [1. Kam­mer des Ers­ten Se­nats], Beschl. v. 13.07.2020 – 1 BvR 631/19, Fam­RZ 2020, 1559 Rn. 18 m. w. Nachw.). Hat sich noch kei­ne herr­schen­de Mei­nung ge­bil­det, so ist groß­zü­gig zu ver­fah­ren (Se­nat, Urt. v. 20.04.1994 – IV ZR 209/92, VersR 1994, 1061 = ju­ris Rn. 14, 17).

[19]   bb) Nach die­sem Maß­stab hat das Be­ru­fungs­ge­richt – ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on – zu­tref­fend an­ge­nom­men, dass die Er­folgs­aus­sich­ten für die be­ab­sich­tig­te ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung ei­nes de­lik­ti­schen Scha­dens­er­satz­an­spruchs aus §§ 823 II, 31 BGB i. V. mit §§ 6 I, 27 I EG-FGV, Art. 5 II VO (EG) Nr. 715/2007 und Art. 18 I, 26 I und 46 der RL 2007/46/EG (Rah­men­richt­li­nie) auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags vor­la­gen. Er­folgt nach dem Zeit­punkt der Be­wil­li­gungs­rei­fe ei­ne Klä­rung durch die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung (hier: durch den EuGH) zu­guns­ten des Ver­si­che­rungs­neh­mers, sind für die Be­ur­tei­lung des De­ckungs­schutz­an­spruchs die Er­folgs­aus­sich­ten im Zeit­punkt des Schlus­ses der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Be­ru­fungs­ge­richt maß­geb­lich. An­ders als die Re­vi­si­on meint, hat das Be­ru­fungs­ge­richt da­her bei der Prü­fung der Er­folgs­aus­sich­ten zu Recht die nach dem Zeit­punkt der De­ckungsa­b­leh­nung er­gan­ge­ne, dem Ver­si­che­rungs­neh­mer güns­ti­ge Klä­rung durch den EuGH (EuGH, Urt. v. 21.03.2023, C–100/21, EU:C:2023:229 = NJW 2023, 81 ff. – Mer­ce­des-Benz Group) be­rück­sich­tigt, wo­nach Art. 18 I, 26 I und 46 der RL 2007/46/EG (Rah­men­richt­li­nie) i. V. mit Art. 5 II VO (EG) Nr. 715/2007 die Ein­zel­in­ter­es­sen des in­di­vi­du­el­len Käu­fers ei­nes Kraft­fahr­zeugs schüt­zen kön­nen.

[20]   (1) Für die Fra­ge, ob die be­ab­sich­tig­te Wahr­neh­mung der recht­li­chen In­ter­es­sen des Ver­si­che­rungs­neh­mers hin­rei­chen­de Aus­sicht auf Er­folg bie­tet, ist zwar grund­sätz­lich auf den Zeit­punkt der Be­wil­li­gungs­rei­fe des De­ckungs­ge­suchs ab­zu­stel­len, das heißt auf den Zeit­punkt, in dem der Rechts­schutz­ver­si­che­rer sei­ne Ent­schei­dung trifft, hier De­zem­ber 2021 (vgl. nur OLG Karls­ru­he, Urt. v. 07.11.2023 – 12 U 81/23, VersR 2024, 158 = ju­ris Rn. 49; OLG Cel­le, Beschl. v. 14.09.2023 – 11 U 39/23, ju­ris Rn. 45; OLG Je­na, Beschl. v. 12.05.2023 – 4 U 660/22, ju­ris Rn. 73; OLG Stutt­gart, Urt. v. 02.02.2023 – 7 U 186/22, ju­ris Rn. 18; Urt. v. 20.04.2023 – 7 U 250/22, ju­ris Rn. 22; OLG Hamm, Urt. v. 13.04.2023 – I-6 U 8/22, ju­ris Rn. 27; OLG Schles­wig, Beschl. v. 12.05.2022 – 16 U 53/22, ju­ris Rn. 34; Herd­ter, in: Loo­schel­ders/​Paf­fen­holz, ARB, 2. Aufl., § 3a ARB 2010 Rn. 7; Harbau­er/​Schmitt, Rechts­schutz­ver­si­che­rung, 9. Aufl., ARB 2010 § 3a Rn. 13).

[21]   (2) Tre­ten aber – wie hier bei un­ver­än­der­tem Sach­ver­halt und gleich­blei­ben­der Rechts­la­ge – zwi­schen der ab­leh­nen­den Ent­schei­dung des De­ckungs­schutz­an­trags und der ge­richt­li­chen Ent­schei­dung über ei­ne De­ckungs­kla­ge Än­de­run­gen in der Be­ur­tei­lung der Er­folgs­aus­sich­ten ein, die sich – wie hier – zu­guns­ten des Rechts­schutz­su­chen­den aus­wir­ken und die nach dem ein­schlä­gi­gen Fach­recht zu be­rück­sich­ti­gen sind, sind die­se nach der über­wie­gen­den und zu­tref­fen­den An­sicht in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur bei der Prü­fung der Er­folgs­aus­sich­ten zu be­ach­ten (so OLG Cel­le, Beschl. v. 14.09.2023 – 11 U 39/23, ju­ris Rn. 50; OLG Hamm, Urt. v. 20.09.2023 – 20 U 240/22, VersR 2024, 113 = ju­ris Rn. 66 ff.; Urt. v. 05.05.2023 – 20 U 144/22, VersR 2023, 1290 = ju­ris Rn. 70 f.; Urt. v. 13.04.2023 – I-6 U 8/22, ju­ris Rn. 31; LG Mann­heim, Urt. v. 21.11.2023 – 11 S 6/23, ju­ris Rn. 58; LG Han­no­ver, Urt. v. 06.11.2023 – 2 O 25/23, ju­ris Rn. 21; LG Bonn, Urt. v. 05.09.2023 – 10 O 74/23, ju­ris Rn. 83 f.; LG Ham­burg, Urt. v. 19.04.2023 – 314 O 96/22, ju­ris Rn. 25; wohl auch LG Köln, Urt. v. 14.09.2023 – 24 O 391/22, ju­ris Rn. 32; wohl auch, aber of­fen­las­send OLG Je­na, Beschl. v. 12.05.2023 – 4 U 660/22, ju­ris Rn. 76; a. A. OLG Nürn­berg, Beschl. v. 11.05.2023 – 8 U 3296/22, ju­ris Rn. 6; vor­ge­hend OLG Nürn­berg, Hin­weis­be­schl. v. 16.03.2023 – 8 U 3296/22, VersR 2024, 29 = ju­ris Rn. 28; OLG Frank­furt a. M., Beschl. v. 20.12.2022 – 7 U 52/22, VersR 2023, 442 = ju­ris Rn. 31; OLG Bre­men, Beschl. v. 09.11.2022 – 3 U 13/22, BeckRS 2022, 37412 Rn. 5; OLG Schles­wig, Beschl. v. 21.06.2022 – 16 U 53/22, r+s 2022, 512 Rn. 9; je­weils zu Ge­ne­ral­an­walt Ran­tos, Schluss­an­trä­ge v. 02.06.2022 – C?100/21, ECLI:EU:C:2022:420; LG Ber­lin, Urt. v. 05.07.2023 – 4 O 104/22, ju­ris Rn. 44 f.; LG Rott­weil, Urt. v. 12.05.2023 – 3 O 63/23, ju­ris Rn. 64; LG Ber­lin, Urt. v. 22.09.2022 – 23 O 132/21, ju­ris Rn. 35; vgl. BVerfG [1. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats], Beschl. v. 22.03.2021 – 2 BvR 353/21, Asyl­ma­ga­zin 2021, 439 = ju­ris Rn. 7).

[22]   (a) Da­für spre­chen Wort­laut, Sinn und Zweck von § 3a I ARB 2016 so­wie Er­wä­gun­gen zu Bil­lig­keit und Ver­fah­rens­öko­no­mie, die Iden­ti­tät der sach­li­chen Vor­aus­set­zun­gen im Rechts­schutz­ver­si­che­rungs- und Pro­zess­kos­ten­hil­fe­ver­fah­ren so­wie die In­ten­ti­on von § 128 VVG.

[23]   (aa) An­halts­punk­te für ein Ver­ständ­nis da­hin ge­hend, dass nach dem Zeit­punkt der Be­wil­li­gungs­rei­fe zu­guns­ten des Ver­si­che­rungs­neh­mers er­folg­te Klä­run­gen der Rechts­la­ge durch die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung (hier: Klä­rung durch den EuGH) bei Be­ur­tei­lung der Er­folgs­aus­sich­ten nicht zu be­rück­sich­ti­gen sind, las­sen sich we­der dem Ver­si­che­rungs­ver­trag noch dem Wort­laut von § 3a I ARB 2016 ent­neh­men (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.09.2023 – 20 U 240/22, VersR 2024, 113 = ju­ris Rn. 66; Urt. v. 05.05.2023 – 20 U 144/22, VersR 2023, 1290 = ju­ris Rn. 71). Die Re­ge­lung lässt die­se Fra­ge viel­mehr of­fen, in­dem sie oh­ne wei­te­re Dif­fe­ren­zie­rung auf die „hin­rei­chen­de Aus­sicht auf Er­folg“ und die „Mut­wil­lig­keit“ ab­stellt. Die For­mu­lie­rung „Aus­sicht auf Er­folg“ deu­tet le­dig­lich auf ei­ne künf­ti­ge An­ge­le­gen­heit und da­mit dar­auf hin, dass der Ent­schei­dung ei­ne Pro­gno­se zu­grun­de liegt, oh­ne den da­für maß­geb­li­chen Zeit­punkt zu be­stim­men.

[24]   (bb) Für das Ver­ständ­nis des Be­ru­fungs­ge­richts, dass zu­guns­ten des Rechts­schutz­su­chen­den er­gan­ge­ne Än­de­run­gen in der Be­ur­tei­lung der Er­folgs­aus­sich­ten zu be­rück­sich­ti­gen sind, spre­chen zu­nächst der Sinn und Zweck der Re­ge­lung in § 3a I ARB 2016 und Er­wä­gun­gen zu Bil­lig­keit und Ver­fah­rens­öko­no­mie.

[25]   Mit der Re­ge­lung möch­te die Be­klag­te ver­mei­den, De­ckungs­schutz für ei­ne Rechts­ver­fol­gung zu ge­wäh­ren, die aus­sichts­los ist. Stell­te man al­lein auf den Zeit­punkt der De­ckungsa­b­leh­nung ab, oh­ne zu­guns­ten des Ver­si­che­rungs­neh­mers nach­fol­gend er­gan­ge­ne Recht­spre­chung zu be­rück­sich­ti­gen, so­dass dem Ver­si­che­rungs­neh­mer Ver­si­che­rungs­schutz ver­sagt wür­de, ob­wohl auf­grund der ge­än­der­ten recht­li­chen Be­wer­tung ei­ner gleich­blei­ben­den Sach- und Rechts­la­ge hin­rei­chen­de Er­folgs­aus­sich­ten be­ste­hen, wür­de die­sem Ziel wi­der­spro­chen. So­weit sich die Er­folgs­aus­sich­ten zwi­schen der ab­leh­nen­den Ent­schei­dung des Ver­si­che­rers und der ge­richt­li­chen Ent­schei­dung über ei­ne De­ckungs­kla­ge zu­guns­ten des Ver­si­che­rungs­neh­mers ver­än­dert ha­ben, be­steht zu­dem kein nach­voll­zieh­ba­rer Grund, den Ver­si­che­rer nicht zu ver­pflich­ten, die Kos­ten der Kla­ge – die nach ei­ner Pro­gno­se zum Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung des Be­ru­fungs­ge­richts hin­rei­chen­de Er­folgs­aus­sich­ten auf­weist – zu tra­gen. Ei­ne der­ar­ti­ge Ein­schrän­kung des Leis­tungs­ver­spre­chens des Rechts­schutz­ver­si­che­rers er­schie­ne viel­mehr un­bil­lig (eben­so OLG Hamm, Urt. v. 20.09.2023 – 20 U 240/22, VersR 2024, 113 = ju­ris Rn. 66; Urt. v. 05.05.2023 – 20 U 144/22, VersR 2023, 1290 = ju­ris Rn. 70 f.) und lie­fe auf ei­ne blo­ße För­me­lei hin­aus. Denn der Ver­si­che­rungs­neh­mer wä­re nicht dar­an ge­hin­dert, an­ge­sichts der nun­mehr für ei­ne Er­folgs­aus­sicht spre­chen­den Um­stän­de ei­nen er­neu­ten An­trag auf De­ckungs­schutz zu stel­len (vgl. OLG Cel­le, Beschl. v. 14.09.2023 – 11 U 39/23 ju­ris Rn. 50 f.; OLG Hamm, Urt. v. 13.04.2023 – I-6 U 8/22, ju­ris Rn. 31; Urt. v. 05.05.2023 – 20 U 144/22, VersR 2023, 1290 = ju­ris Rn. 71; OLG Je­na, Beschl. v. 12.05.2023 – 4 U 660/22, ju­ris Rn. 75; LG Mann­heim, Urt. v. 21.11.2023 – 11 S 6/23, ju­ris Rn. 58). Ge­for­dert wer­den kann ei­ne er­neu­te De­ckungs­an­fra­ge an den Rechts­schutz­ver­si­che­rer oder ein ge­son­der­ter Kla­ge­an­trag auf Be­ur­tei­lung zum Zeit­punkt der ge­richt­li­chen Ent­schei­dung da­ge­gen nicht, weil der An­trag re­gel­mä­ßig – wie auch hier – all­ge­mein auf De­ckungs­schutz ge­rich­tet ist und nicht nur auf Fest­stel­lung, ob die ab­leh­nen­de Ent­schei­dung des Rechts­schutz­ver­si­che­rers recht­mä­ßig war oder nicht (vgl. LG Mann­heim, Urt. v. 21.11.2023 – 11 S 6/23, ju­ris Rn. 58).

[26]   (b) Die­ses Ver­ständ­nis ent­spricht auch der Rechts­la­ge im Pro­zess­kos­ten­hil­fe­recht, das für die Aus­le­gung des ver­si­che­rungs­ver­trag­li­chen Merk­mals der hin­rei­chen­den Er­folgs­aus­sich­ten maß­geb­lich ist (vgl. nur Se­nat, Urt. v. 19.02.2003 – IV ZR 318/02, VersR 2003, 454 = ju­ris Rn. 16 m. w. Nachw.; st. Rspr.).

[27]   Den §§ 114 ff. ZPO lässt sich zwar kein ge­nau­er Be­ur­tei­lungs­zeit­raum ent­neh­men. Der Ver­weis auf die „be­ab­sich­tig­te Rechts­ver­fol­gung“ und die „Aus­sicht auf Er­folg“ in § 114 ZPO deu­tet – eben­so wie der Wort­laut von § 3a I ARB 2016 (vgl. Münch­Komm-VVG/​Rich­ter, 3. Aufl. § 128 Rn. 17) – al­lein auf ei­ne zu­künf­ti­ge An­ge­le­gen­heit und da­mit ei­ne vor­zu­neh­men­de Pro­gno­se­ent­schei­dung hin. Im Recht der Pro­zess­kos­ten­hil­fe ist aber an­er­kannt, dass es auf den letz­ten Er­kennt­nis­stand an­kommt, der in dem­je­ni­gen Zeit­punkt vor­liegt, in dem das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dung trifft. Bei der nach § 114 ZPO vor der Be­wil­li­gung von Pro­zess­kos­ten­hil­fe vor­zu­neh­men­den Über­prü­fung der Er­folgs­aus­sich­ten der be­ab­sich­tig­ten Rechts­ver­fol­gung kön­nen tat­säch­li­che Ent­wick­lun­gen, die sich bis zur Ent­schei­dung über die An­trag­stel­lung zu­tra­gen, Be­rück­sich­ti­gung fin­den (vgl. Zöl­ler/​Schultz­ky, ZPO, 35. Aufl. § 114 Rn. 21, 30 m. w. N., § 127 Rn. 16). Er­füllt et­wa der Schuld­ner den An­spruch, den der An­trag­stel­ler mit­hil­fe der be­an­trag­ten Pro­zess­kos­ten­hil­fe gel­tend ma­chen möch­te, ist Pro­zess­kos­ten­hil­fe nicht zu be­wil­li­gen. In glei­cher Wei­se ist die dem Geg­ner ge­ge­be­ne Mög­lich­keit zu be­rück­sich­ti­gen, die Ver­jäh­rungs­ein­re­de zu er­he­ben, es sei denn, dass der Geg­ner sie vor­aus­sicht­lich nicht er­he­ben wird (vgl. Zöl­ler/​Schultz­ky, ZPO, 35. Aufl. § 114 Rn. 30). Dar­aus folgt, dass ei­ne dem An­trag­stel­ler güns­ti­ge Fort­ent­wick­lung der Recht­spre­chung eben­falls be­rück­sich­tigt wer­den muss. Ei­ne ge­gen­tei­li­ge Ver­fah­rens­wei­se wä­re auch nicht ver­fah­rens­öko­no­misch, weil Ent­schei­dun­gen über die Be­wil­li­gung von Pro­zess­kos­ten­hil­fe nicht in ma­te­ri­el­le Rechts­kraft er­wach­sen (Se­nat, Beschl. v. 03.03.2004 – IV ZB 43/03, VersR 2004, 1576 = ju­ris Rn. 5, 7 f.) und der An­trag­stel­ler da­her nach ei­ner Ab­leh­nung sei­nes Ge­suchs so­gleich ei­nen neu­en An­trag stel­len könn­te, dem so­dann statt­zu­ge­ben wä­re.

[28]   Auch die Ver­fah­rens­vor­schrif­ten des Pro­zess­kos­ten­hil­fe­rechts spre­chen für ei­ne sol­che ver­fah­rens­öko­no­mi­sche Vor­ge­hens­wei­se. Sie ge­ben zu er­ken­nen, dass über die Pro­zess­kos­ten­hil­fe in ei­nem be­son­de­ren, im Ver­gleich zur Haupt­sa­che be­schleu­nig­ten Ver­fah­ren zu ent­schei­den und ins­be­son­de­re von ei­ner auf­wen­di­ge­ren Be­weis­auf­nah­me ab­zu­se­hen ist (vgl. § 118 II 3 ZPO). Dem wi­der­sprä­che es, für den Ver­si­che­rungs­neh­mer güns­ti­ge Än­de­run­gen in der Recht­spre­chung im De­ckungs­schutz­ver­fah­ren un­be­rück­sich­tigt zu las­sen und da­mit ei­ne er­neu­te An­trag­stel­lung zu pro­vo­zie­ren.

[29]   (c) Die An­sicht der Re­vi­si­on, von dem Ver­si­che­rer kön­ne nicht ver­langt wer­den, dass er im Zu­ge der Prü­fung der Er­folgs­aus­sich­ten „ge­wis­ser­ma­ßen pro­phe­tisch vor­her­sa­ge, wie sich die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung in Zu­kunft ver­än­dert“, recht­fer­tigt kein an­de­res Er­geb­nis. Ein schüt­zens­wer­tes In­ter­es­se des Ver­si­che­rers, im De­ckungs­pro­zess al­lein des­halb zu­nächst zu ob­sie­gen, weil das er­ken­nen­de Ge­richt ei­ne nach dem Zeit­punkt der Be­wil­li­gungs­rei­fe ein­ge­tre­te­ne Än­de­rung der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung ge­zielt un­be­rück­sich­tigt lässt, ist nicht er­sicht­lich. Sein Kos­ten­in­ter­es­se kann der Ver­si­che­rer in sol­chen Fall­ge­stal­tun­gen in an­de­rer Wei­se si­chern (vgl. § 93 ZPO; eben­so OLG Cel­le, Beschl. v. 14.09.2023 – 11 U 39/23, ju­ris Rn. 50).

[30]   (d) Auch die Re­ge­lung in § 128 VVG spricht für die Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts. Sie dient dem In­ter­es­se des Ver­si­che­rungs­neh­mers an ra­scher, ob­jek­ti­ver und end­gül­ti­ger Klä­rung des Ver­si­che­rungs­schut­zes bei um­strit­te­ner Er­folgs­aus­sicht oder Mut­wil­lig­keit der Wahr­neh­mung recht­li­cher In­ter­es­sen (vgl. Brün­ger, in: Stau­din­ger/​Halm/​Wendt, Ver­si­che­rungs­recht, 3. Aufl. § 128 VVG Rn. 1; Paf­fen­holz, in: Loo­schel­ders/​Pohl­mann, VVG, 4. Aufl. § 128 Rn. 2; Münch­Komm-VVG/​Rich­ter, a. a. O., § 128 Rn. 1 f.). Dem kann nur dann ent­spro­chen wer­den, wenn zu­guns­ten des Ver­si­che­rungs­neh­mers er­gan­ge­ne Recht­spre­chungs­än­de­run­gen bei der Be­ur­tei­lung der Er­folgs­aus­sicht der Rechts­ver­fol­gung Be­rück­sich­ti­gung fin­den.

[31]   (e) Ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on steht dem Ver­ständ­nis des Be­ru­fungs­ge­richts fer­ner nicht ent­ge­gen, dass Tei­le der von ihm zi­tier­ten Recht­spre­chung an­neh­men, dass sich ein Rechts­schutz­ver­si­che­rer nicht nach­träg­lich auf ei­ne zwi­schen­zeit­li­che Klä­rung zu sei­nen Guns­ten be­ru­fen kann. So liegt der Fall hier nicht, weil sich das Ur­teil des EuGH vom 21.03.2023 im Ver­gleich zu der bis da­hin er­gan­ge­nen Recht­spre­chung des BGH (vgl. Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20, VersR 2020, 1267 ff.; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 ff.; Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 190/20, VersR 2022, 254 ff.; Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19, VersR 2021, 388 ff.) zu­guns­ten des Ver­si­che­rungs­neh­mers aus­wirkt. Über­dies hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung vom 22.03.2021 (BVerfG [1. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats], Beschl. v. 22.03.2021 – 2 BvR 353/21, Asyl­ma­ga­zin 2021, 439 = ju­ris Rn. 7) zum Pro­zess­kos­ten­hil­fe­recht klar­ge­stellt, dass die Fach­ge­rich­te ih­ren von der Ver­fas­sung be­grenz­ten Ent­schei­dungs­spiel­raum nicht über­schrei­ten, wenn sie – wie hier das Be­ru­fungs­ge­richt – aus Grün­den der Bil­lig­keit und der Pro­zess­öko­no­mie da­von aus­ge­hen, dass sol­che Än­de­run­gen bei der Ent­schei­dung über den Pro­zess­kos­ten­hil­fe­an­trag zu be­rück­sich­ti­gen sind. Dem­entspre­chend ist (auch) aus­nahms­wei­se für die Be­ur­tei­lung der Er­folgs­aus­sich­ten ei­ner Kla­ge auf den Zeit­punkt der Ent­schei­dung des Ge­richts über die­sen An­trag ab­zu­stel­len, wenn nach der Be­wil­li­gungs­rei­fe des Pro­zess­kos­ten­hil­fe­an­trags Än­de­run­gen in der Be­ur­tei­lung der Er­folgs­aus­sicht ein­tre­ten, die sich – wie hier – zu­guns­ten des Rechts­schutz­su­chen­den aus­wir­ken und die nach dem ein­schlä­gi­gen Fach­recht zu be­rück­sich­ti­gen sind. Für den Be­reich der Rechts­schutz­ver­si­che­rung kann da­her nach – hier ein­zig re­le­van­ter – Klä­rung der Rechts­la­ge durch den EuGH zu­guns­ten des Ver­si­che­rungs­neh­mers – an­ders als nach ei­nem Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen oder nach Schluss­an­trä­gen des Ge­ne­ral­an­walts – nichts an­de­res gel­ten (vgl. Se­nat, Urt. v. 19.02.2003 – IV ZR 318/02, VersR 2003, 454 = ju­ris Rn. 16 m. w. Nachw.; st. Rspr.).

[32]   (3) Nach die­sen Maß­ga­ben hat das Be­ru­fungs­ge­richt frei von Rechts­feh­lern an­ge­nom­men, dass die vom Klä­ger be­ab­sich­tig­te ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung von Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen aus §§ 823 II, 31 BGB i. V. mit §§ 6 I, 27 I EG-FGV, Art. 5 II VO (EG) Nr. 715/2007 und Art. 18 I, 26 I und 46 der RL 2007/46/EG (Rah­men­richt­li­nie) Aus­sicht auf Er­folg hat.

[33]   Zum Zeit­punkt des Ab­laufs der im schrift­li­chen Ver­fah­ren ge­mäß § 128 II 2 ZPO bis zum 15.05.2023 fest­ge­setz­ten Schrift­satz­frist, die dem Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung im münd­li­chen Ver­fah­ren ent­spricht (vgl. Münch­Komm-ZPO/Frit­sche, 6. Aufl., § 128 Rn. 39), ist das Be­ru­fungs­ge­richt un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ent­schei­dung des EuGH vom 21.03.2023 (EuGH, Urt. v. 21.03.2023, C–100/21, EU:C:2023:229 = NJW 2023, 1111 Rn. 81 ff. – Mer­ce­des-Benz Group) so­wie der An­for­de­run­gen an das Vor­lie­gen hin­rei­chen­der Er­folgs­aus­sich­ten nach der Be­haup­tung des Klä­gers zum Vor­lie­gen ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung auf­grund des be­haup­te­ten Ther­mo­fens­ters rechts­feh­ler­frei da­von aus­ge­gan­gen, dass die An­nah­me ei­nes fäl­li­gen Scha­dens­er­satz­an­spruchs aus §§ 823 II, 31 BGB i. V. mit §§ 6 I, 27 I EG-FGV, Art. 5 II VO (EG) Nr. 715/2007 und Art. 18 I, 26 I und 46 der RL 2007/46/EG (Rah­men­richt­li­nie) je­den­falls nicht un­ver­tret­bar er­schien. Zu die­sem Zeit­punkt be­durf­ten die Ein­zel­hei­ten der Vor­aus­set­zun­gen und der Mo­da­li­tä­ten ei­nes sol­chen Scha­dens­er­satz­an­spruchs, ins­be­son­de­re die Fra­ge ei­nes Ver­schul­dens­er­for­der­nis­ses sei­tens des Her­stel­lers und die Fra­ge, ob mit dem In­di­vi­du­al­schutz der Vor­schrif­ten von Art. 18 I, 26 I und 46 der RL 2007/46/EG (Rah­men­richt­li­nie) i. V. mit Art. 5 II der VO (EG) Nr. 715/2007 auch der Schutz des wirt­schaft­li­chen Selbst­be­stim­mungs­rechts und da­mit der Schutz des Käu­fers vor dem Ab­schluss ei­nes un­ge­woll­ten Ver­trags er­fasst sein soll, ei­ner wei­te­ren Klä­rung, die erst durch die Ur­tei­le des BGH vom 26.06.2023 (BGH, Urt. v. 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 ff.; Urt. v. 26.06.2023 – VIa ZR 533/21, NJW 2023, 2270 ff.; Urt. v. 26.06.2023 – VIa ZR 1031/22, NJOZ 2023, 1133 ff.) ein­ge­tre­ten ist.

[34]   In die­sem Zu­sam­men­hang greift die Re­vi­si­on zu Recht auch nicht die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts an, der Klä­ger ha­be nicht ge­gen sei­ne Scha­dens­min­de­rungs­ob­lie­gen­heit ver­sto­ßen und es lie­ge kei­ne Mut­wil­lig­keit vor. Aus den zu­tref­fen­den Er­wä­gun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen da­für nicht vor.

[35]   cc) So­weit sich aus den neue­ren Ent­schei­dun­gen des BGH er­ge­ben könn­te, dass dem Klä­ger der gel­tend ge­mach­te Scha­dens­er­satz­an­spruch mög­li­cher­wei­se nicht oder nur im ge­rin­ge­ren Um­fang zu­steht, führt dies nicht zu der An­nah­me, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be rechts­feh­ler­haft ent­schie­den. Der Se­nat ver­kennt ins­be­son­de­re nicht, dass un­ter Be­rück­sich­ti­gung von nach der Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts und im An­schluss an das Ur­teil des EuGH (EuGH, Urt. v. 21.03.2023, C–100/21, EU:C:2023:229 = NJW 2023, 1111 ff. – Mer­ce­des-Benz Group) er­gan­ge­ner höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung vom 26.06.2023 (BGH, Urt. v. 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 ff.; Urt. v. 26.06.2023 – VIa ZR 533/21, NJW 2023, 2270 ff.; Urt. v. 26.06.2023 – VIa ZR 1031/22, NJOZ 2023, 1133 ff.; eben­so BGH, Urt. v. 12.10.2023 – VII ZR 412/21, ju­ris Rn. 20; Urt. v. 20.07.2023 – III ZR 267/20, NJW 2024, 361 Rn. 20) aus § 823 II BGB i. V. mit §§ 6 I, 27 I EG-FGV nur ein Scha­dens­er­satz­an­spruch des Käu­fers ei­nes mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ver­se­he­nen Fahr­zeugs auf Er­satz des Dif­fe­renz­scha­dens in­ner­halb ei­nes Rah­mens zwi­schen 5 % und 15 % des ge­zahl­ten Kauf­prei­ses in Be­tracht kom­men kann (BGH, Urt. v. 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 71 ff.), der Klä­ger hier in­des­sen die ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung des „gro­ßen“ Scha­dens­er­sat­zes be­ab­sich­tigt. Die Be­wer­tung des Tatrich­ters, dass zum Zeit­punkt sei­ner Be­ur­tei­lung hin­rei­chen­de Er­folgs­aus­sich­ten vor­la­gen, kann in der Re­vi­si­ons­in­stanz al­ler­dings nur dar­auf­hin über­prüft wer­den, ob sie auf ei­ner trag­fä­hi­gen Tat­sa­chen­grund­la­ge be­ruht, al­le er­heb­li­chen Ge­sichts­punk­te be­rück­sich­tigt und nicht ge­gen Denk­ge­set­ze oder Er­fah­rungs­sät­ze ver­stößt oder von ei­nem fal­schen Wer­tungs­maß­stab aus­geht (vgl. zur un­zu­läs­si­gen Rechts­aus­übung nach § 242 BGB Se­nat, Urt. v. 15.03.2023 – IV ZR 40/21, VersR 2023, 631 Rn. 13; Urt. v. 15.02.2023 – IV ZR 353/21, BGHZ 236, 163 Rn. 19; je­weils m. w. Nachw.). Dar­an ge­mes­sen ist das Be­ru­fungs­ur­teil nicht zu be­an­stan­den, weil es zum Zeit­punkt sei­nes Er­las­ses die wei­te­re Ent­wick­lung der Recht­spre­chung noch nicht ab­se­hen konn­te.

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