1. Gibt der Verkäufer eines Gebrauchtwagens den Kilometerstand des Fahrzeugs an, so ist diese Angabe aus der maßgeblichen Sicht eines Kaufinteressenten grundsätzlich als Angabe der tatsächlichen Laufleistung des Fahrzeugs zu verstehen und nicht als Angabe der Laufleistung, die der Kilometerzähler des Fahrzeugs anzeigt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 = NJW 2007, 1346 Rn. 15).
  2. Will ein Gebrauchtwagenhändler für die von ihm angegebene Laufleistung nicht einstehen, muss er dies gegenüber dem Käufer hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 = NJW 2007, 1346 Rn. 23). Insoweit ist der bloße Hinweis, dass der „Kilometerstand verfälscht“ sei, unzureichend. Daraus lässt sich nämlich nur schließen, dass der vom Kilometerzähler angezeigte Kilometerstand nicht der tatsächlichen Laufleistung des Fahrzeugs entspricht, nicht aber (auch), dass dass der Verkäufer lediglich die verfälschte Anzeige wiedergibt.

AG Ingolstadt, Urteil vom 15.09.2023 – 12 C 109/23

Sachverhalt: Auf der Grundlage einer von beiden Parteien unterzeichneten verbindlichen Bestellung vom 13.01.2022 erwarb die als Verbraucherin handelnde Klägerin von dem Beklagten, einem Gebrauchtwagenhändler, einen gebrauchten Pkw Audi A4 Avant zum Preis von 8.500 €.

Auf Seite 1 des Kaufvertrags ist vermerkt „Stand des km-Zählers: 163.000“; auf Seite 2 findet sich in kleiner Schrift der Vermerk „KM Stand verfälscht“. Darüber heißt es: „Durch Ankreuzen der nachfolgenden Checkbox(en) akzeptiert der/​die Käufer/-in die jeweilig beschriebenen negativen Beschaffenheitsvereinbarungen.“

Ungereimtheiten beim Kilometerstand des Fahrzeugs veranlassten die Klägerin zu Recherchen im Internet. Sie stieß dabei auf das Inserat des Vorbesitzers des Pkw, von dem der Beklagte das Fahrzeug gekauft hatte. In diesem Inserat hatte der Vorbesitzer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die tatsächliche Laufleistung des Pkw weit über 300.000 km betrage. Die Klägerin beauftragte deshalb einen Sachverständigen damit, den Kilometerstand des Fahrzeugs zu überprüfen und dessen tatsächlichen Wert zu ermitteln. In seinem Gutachten vom 25.01.2022 gab der Sachverständige die tatsachliche Laufleistung des Fahrzeugs mit mit 320.000 km an. Den wirklichen Verkehrswert des Pkw bezifferte er unter Berücksichtigung des tatsächlichen Kilometerstands mit 25.700 PLN; das entspricht 5.634,60 € (Wechselkurs am 25.01.2022: 1 € = 4,5611 PLN).

Die Klägerin erklärte gegenüber dem Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 27.04.2022 die Minderung des Kaufpreises und forderte ihn – erfolglos – auf, den über den geminderten Kaufpreis hinaus gezahlten Betrag zu erstatten. Außerdem verlangte die Klägerin – ebenfalls erfolglos – den Ersatz der außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsvergütung. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.05.2022 wurde der Beklagte gemahnt.

Mit ihrer Klagte hat die Klägerin den Beklagten – jeweils nebst Zinsen – auf Zahlung von 1.432,70 € sowie auf Ersatz vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 238,12 € in Anspruch genommen. Sie hat geltend gemacht, der streitgegenständliche Pkw sei mangelhaft, da seine tatsächliche Gesamtlaufleistung nicht 163.000 km betrage. Diesen Mangel habe ihr der Beklagte arglistig verschwiegen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und eingewandt, er habe das Fahrzeug ohne die Angabe eines Kilometerstands verkauft. Der im Kaufvertrag angegeben Kilometerstand stimme jedenfalls mit der Anzeige des Kilometerzählers des Fahrzeugs überein. Sollte dennoch ein Mangel vorliegen, berechtige dieser die Klägerin lediglich zu einer Minderung des Kaufpreises um 500 €.

Die Klage hatte ganz überwiegend Erfolg.

Aus den Gründen: I. Die Klägerin kann von dem Beklagten Zahlung in Höhe von 1.432,70 € gemäß § 441 IV 1 BGB verlangen.

1. Die Minderung wurde wirksam erklärt (§ 441 I 1 BGB). Die Klägerin hat unbestritten vorgetragen, dass sie mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27.04.2022 die Minderung des Kaufpreises gegenüber dem Beklagten erklärte.

2. Der Klägerin stand auch ein Minderungsrecht aus § 437 Nr. 2 Fall 2, § 441 I 1, § 326 V BGB zu.

a) Die Parteien haben einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen (§§ 433, 437 BGB).

Vertragspartei ist auch der Beklagte selbst und nicht die G-GbR. Wer Vertragspartei sein soll, bestimmt sich durch Auslegung aller Umstände (§§ 133, 157, 164 I 2 BGB). Aus der als Anlage K 1 vorgelegten Vertragsurkunde ist ersichtlich, dass der Rechtsformzusatz auf allen Seiten durchgestrichen wurde. Zudem ist als Inhaber der G-GbR nur der Beklagte angegeben. Eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts erfordert wegen § 705 BGB jedoch mindestens zwei Gesellschafter. Daraus folgt, dass die G-GbR als rechtsfähiges Subjekt gar nicht existiert. Das Verhalten der Parteien kann daher nur so verstanden werden, dass der Beklagte als einziges in Betracht kommendes Rechtssubjekt Vertragspartei werden sollte.

Aufgrund des Vertragsschlusses am 13.01.2022 und damit nach dem 01.01.2022 ist gemäß Art. 229 § 58 EGBGB das ab dem 01.01.2022 geltende neue Kaufrecht anzuwenden.

b) Der Pkw ist mangelhaft gemäß § 434 I, II 1 Nr. 1 BGB, da er nicht den subjektiven Anforderungen entspricht, da er nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat.

Ein Sachmangel i. S. von § 434 I, II 1 Nr. 1 BGB ist jede für den Käufer nachteilige Abweichung der tatsächlichen Ist- von der vertraglich vereinbarten Sollbeschaffenheit. Die Parteien haben als Sollbeschaffenheit einen tatsächlichen Kilometerstand von 163.000 vereinbart. Auf Seite 1 des als Anlage K 1 vorgelegten Kaufvertrags wird bei den Fahrzeugangaben unter „Stand des km-Zahlers“ ein Kilometerstand von 163.000 angegeben. Dabei sind Angaben zum Kilometerstand wie vorliegend so zu verstehen, dass damit die reale Laufleistung des Pkw gemeint ist und nicht diejenige, die vom Fahrzeug angezeigt wird (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 = NJW 2007, 1346 Rn. 15). Die Parteien haben damit als Beschaffenheit des Fahrzeugs eine tatsächliche Laufleistung von 163.000 km als Sollbeschaffenheit vereinbart.

Die Angabe auf Seite 2 „KM Stand verfälscht“ spricht nicht gegen die Vereinbarung einer Sollbeschaffenheit einer Laufleistung von 163.000 km. Will ein Gebrauchtwagenhandler für die von ihm angegebene Laufleistung nicht einstehen, muss er dies gegenüber dem Käufer hinreichend deutlich machen (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 = NJW 2007, 1346 Rn. 23). Daran fehlt es vorliegend, wie schon die Vertragsurkunde selbst zeigt. Über der Angabe „KM Stand verfälscht“ findet sich folgende Erläuterung: „Durch Ankreuzen der nachfolgenden Checkbox(en) akzeptiert der/​die Käufer/-in die jeweilig beschriebenen negativen Beschaffenheitsvereinbarungen.“ Die neben der Angabe „KM Stand verfälscht“ angebrachte Checkbox wurde ausweislich der Anlage K 1 von der Klägerin gerade nicht angekreuzt. Die Klägerin hat sich mit einem Ausschluss des Kilometerstands von der Sollbeschaffenheit damit gerade nicht einverstanden erklärt. Zudem kann ein objektiver Dritter in der Lage der Klägerin aus der Angabe „KM Stand verfälscht“ ohnehin nur schließen, dass der angezeigte Kilometerstand nicht der tatsächlichen Laufleistung entspricht. Aufgrund der ausdrücklichen Angabe des Verkäufers „Stand des km-Zahlers“ darf er jedoch davon ausgehen, dass die tatsächliche Laufleistung bei 163.000 km liegt und der Verkäufer nicht lediglich die verfälschte Anzeige wiedergibt.

Da die Klägerin unbestritten vorgetragen hat, dass der Vorbesitzer des Fahrzeugs den Kilometerstand mit circa 300.000 angegeben hat, weicht der tatsächliche Kilometerstand um mindestens 137.000 km von der vereinbarten Laufleistung von 163.000 km ab. Auf die im Gutachten vom 25.01.2023 ermittelte Fahrleistung von 320.000 km kommt es hingegen nicht an, da diese Fahrleistung erst nach Gefahrübergang ermittelt wurde.

Dieses Abweichen der tatsächlichen von der vereinbarten Beschaffenheit ist für die Klägerin nachteilig.

d) Die Voraussetzungen des § 326 V BGB i. V. mit § 441 I 1 BGB liegen ebenfalls vor. Der Verkäufer als Schuldner braucht nach § 275 I BGB nicht zu leisten. Vorliegend handelt es sich um einen Gebrauchtwagenkauf. Es ist nicht ersichtlich, dass das Fahrzeug nach dem Willen beider Parteien ersetzbar sein sollte. Deswegen ist eine Nacherfüllung in Form der Nachlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) schon nicht geschuldet (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 = NJW 2007, 1346 Rn. 17). Die Nachbesserung gemäß § 439 I Fall 1 BGB ist objektiv unmöglich (§ 275 I BGB), da es naturgesetzlich nicht möglich ist, die Laufleistung des Pkw auf 163.000 km zu verringern. Bei der Abweichung von vereinbarter und tatsächlicher Laufleistung liegt ein unbehebbarer Sachmangel vor (GH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 = NJW 2007, 1346 Rn. 17).

e) Auf die Erheblichkeit des Mangels nach § 323 V 2 BGB kommt es wegen § 441 I 2 BGB nicht an.

f} Die Gewährleistung ist auch nicht gemäß § 442 I 2 BGB ausgeschlossen. Die Vorschrift ist wegen § 475 III 2 BGB schon nicht anwendbar.

Der Gebrauchtwagenkauf stellt einen Verbrauchsgüterkauf gemäß § 474 I 1 BGB dar, sodass nach § 474 II 1 BGB § 475 III 2 BGB anwendbar ist. Die Klägerin hat unbestritten vorgetragen, dass der Beklagte gewerblicher Gebrauchtwagenverkäufer ist. Es ist daher davon auszugehen, dass er das Geschäft in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als Gebrauchtwagenhändler und damit als Unternehmer i. S. des § 14 I BGB abgeschlossen hat. Sie hat ebenfalls unbestritten vorgetragen, dass der Abschluss des Kaufvertrags nicht ihrer beruflichen, gewerblichen oder selbstständigen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Sie ist daher Verbraucher gemäß § 13 BGB. Bei dem Pkw handelt es sich um eine bewegliche Sache und damit um eine Ware (§§ 241a I, 474 I 1 BGB). Mithin liegt ein Verbrauchsgüterkauf vor (§ 474 I 1 BGB).

Ob der Beklagte einen Mangel arglistig verschwiegen hat i. S. von § 442 I 2 BGB, kann daher offenbleiben.

g) Die Gewährleistung ist auch nicht durch die Klausel „Keine Garantie. Keine Gewahrleistung.“ auf Seite 2 des Kaufvertrages ausgeschlossen. Es handelt sich bei dieser Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. von § 305 I BGB. Die Klausel ist schon nicht Vertragsbestandteil geworden. Die Klägerin hat die Checkbox daneben nicht angekreuzt, sodass es jedenfalls an ihrem Einverständnis mit der Geltung dieser Klausel gemäß § 305 II BGB fehlt. Zudem kann sich der Beklagte auf einen Ausschluss des Minderungsrechts wegen § 476 I 1 BGB ohnehin nicht berufen. Zudem würde ein solch pauschaler Gewährleistungsausschluss nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit i. S. von § 434 II 1 Nr. 1 BGB gelten, um die es vorliegend geht (vgl. vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 = NJW 2007, 1346 Rn. 31).

3. Der Minderungsbetrag beträgt 2.865,40 €. Dabei ist der Kaufpreis entsprechend § 441 III BGB herabzusetzen. Der Kaufpreis betrug 8.500 €. Es ist davon auszugehen, dass der Wert des Fahrzeugs in mangelfreiem Zustand bei Vertragsschluss dem Kaufpreis entsprochen hätte (Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl., § 441 Rn. 14), da der Beklagte nicht vorgetragen hat, dass das Fahrzeug mangelfrei einen geringeren Wert gehabt hätte. Als Wert in mangelfreiem Zustand hat die Klägerin unbestritten 5.634,60 € zugrunde gelegt. Der Beklagte hat keine sachlichen Einwände gegen die Berechnung der Klägerin vorgetragen. Daher ergibt sich ein Minderungsbetrag von 2.865,40 €. Der Klägerin steht es frei, diesen Betrag nur hälftig in Höhe von 1.432,70 € einzuklagen.

4. Daneben besteht Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß § 437 Nr. 3 Fall 1, § 280 I BGB. Die Voraussetzungen von § 437 BGB liegen vor (s. oben). Aufgrund der Lieferung des mangelhaften Pkw hat der Beklagte seine Pflicht aus § 433 I 2 BGB verletzt. Das Vertretenmüssen wird nach § 280 I 2 BGB vermutet, und der Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, die ihn entlasten würden. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten werden als Mangelfolgeschaden auch vom Schutzzweck der §§ 280 I, 437 Nr. 3 Fall 1 BGB erfasst (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 = NJW 2007, 1346 Rn. 35; OLG Köln, Urt. v. 13.05.2015 – 11 U 96/14, BeckRS 2015, 12572 Rn. 24).

Ersatzfähig ist aber nur ein Betrag von 220,27 €. Die von der Klägerin veranschlagten 15 € für die Gewerbeauskunft sind nicht zu ersetzen. Auslagen werden gemäß § 46 I RVG nur ersetzt, wenn sie erforderlich waren. Aus dem Gewerberegister können nur folgende Daten abgefragt werden: Handelsregistereintrag, Rechtsform, An- und Abmeldedatum, Niederlassung(en), Name, Privatanschrift, Geburtsdatum des/​der Geschäftsführer(s), frühere Betriebsanschrift, Geschäftsführer, Rechtsform, Firma (Unternehmensname). Alle diese Daten, soweit sie bei der Rechtsform der GbR überhaupt in Betracht kommen, sind auf der Anlage K 1 aufgeführt, insbesondere der Name des Beklagten, der alleiniger Inhaber des Autohauses ist. Eine Gewerbeauskunft war daher nicht erforderlich und ist damit nicht erstattungsfähig (vgl. Ebert, in: Mayer/​Kroiß, RVG, 8. Aufl., § 46 Rn. 64). Die Geschäftsgebühr von 165,10 € sowie die Pauschale für Telekommunikation von 20,00 € ergeben zuzüglich Umsatzsteuer einen Betrag von 220,27 €.

Aufgrund des anwaltlichen Schriftsatzes vom 16.05.2022, durch den beide Beträge entsprechend § 286 I 1 BGB angemahnt wurden, sind beide Forderungen seit dem 17.05.2022 zu verzinsen (§§ 280 I, II, 286 I 1, § 288 I BGB.

II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO

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