1. Der Ver­käu­fer kann je­der­zeit und auch still­schwei­gend auf die Rechts­fol­gen aus § 377 II, III HGB – be­zie­hungs­wei­se auf den Ein­wand der Ver­spä­tung ei­ner Män­gel­rü­ge – ver­zich­ten. Hier­für müs­sen je­doch ein­deu­ti­ge An­halts­punk­te vor­lie­gen, die der Käu­fer als (end­gül­ti­ge) Auf­ga­be des Rechts – hier: des Ver­spä­tungs­ein­wands – durch den Ver­käu­fer ver­ste­hen darf (im An­schluss an Se­nat, Urt. v. 19.06.1991 – VI­II ZR 149/90, NJW 1991, 2633, 2634; Urt. v. 25.11.1998 – VI­II ZR 259/97, NJW 1999, 1259, 1260; Urt. v. 09.11.2022 – VI­II ZR 272/20 Rn. 69 f.).
  2. Sol­che ein­deu­ti­gen An­halts­punk­te las­sen sich grund­sätz­lich noch nicht oh­ne Wei­te­res ei­nem Schrei­ben des Fahr­zeug­ver­käu­fers ent­neh­men, mit dem der Fahr­zeug­käu­fer über die Be­reit­stel­lung ei­nes Soft­ware­up­dates durch den Fahr­zeug­her­stel­ler un­ter­rich­tet, um die Ver­ein­ba­rung ei­nes Ter­mins zum Auf­spie­len des Up­dates in der Werk­statt des Fahr­zeug­ver­käu­fers ge­be­ten und auf die Über­nah­me der Kos­ten der Maß­nah­me durch den Her­stel­ler so­wie die Mög­lich­keit ei­ner für den Fahr­zeug­käu­fer kos­ten­lo­sen Über­las­sung ei­nes Er­satz­fahr­zeugs für die Dau­er der Maß­nah­me hin­ge­wie­sen wird.

BGH, Ur­teil vom 16.11.2022 – VI­II ZR 383/20

Sach­ver­halt: Die als Kauf­mann im Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­ge­ne Klä­ge­rin nimmt die Be­klag­te, die mit Fahr­zeu­gen des Volks­wa­gen­kon­zerns han­delt und ei­ne Kon­zern­toch­ter der zweit­be­klag­ten – am Re­vi­si­ons­ver­fah­ren nicht be­tei­lig­ten – Volks­wa­gen AG (nach­fol­gend: Fahr­zeug­her­stel­le­rin) ist, we­gen ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses für ei­nen Pkw und hilfs­wei­se auf Er­satz­lie­fe­rung in An­spruch.

Die un­ter ih­rer Fir­ma F han­deln­de Klä­ge­rin kauf­te von der Be­klag­ten mit Kauf­ver­trag vom 07.04.2015 für 25.390 € ei­nen ge­brauch­ten VW Ti­gu­an 2.0 TDI. Die­ses Fahr­zeug wur­de der Klä­ge­rin am 15.04.2015 über­ge­ben. Es ist mit ei­nem Die­sel­mo­tor der Bau­rei­he EA189 (Ab­gas­norm Eu­ro 5) aus­ge­stat­tet. Mo­to­ren die­ser Bau­rei­he sind – wie der Öf­fent­lich­keit auf­grund ei­ner um­fang­rei­chen Pres­se­be­richt­er­stat­tung En­de Sep­tem­ber 2015 be­kannt wur­de – mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ver­se­hen, die auf dem Prüf­stand zu ei­nem ge­rin­ge­ren Stick­oxid­aus­stoß führt als im nor­ma­len Fahr­be­trieb.

Nach ei­ner Be­an­stan­dung durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt im Ok­to­ber 2015 ent­wi­ckel­te die Fahr­zeug­her­stel­le­rin für den Mo­tor ein Soft­ware­up­date, das ei­nen vor­schrifts­ge­mä­ßen Zu­stand her­stel­len soll und vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt am 01.06.2016 frei­ge­ge­ben wur­de. Mit Schrei­ben vom 14.10.2016 teil­te die Fahr­zeug­her­stel­le­rin der Klä­ge­rin mit, dass die­ses Soft­ware­up­date be­reit­ste­he und die Klä­ge­rin, um das Up­date auf­spie­len zu las­sen, ei­nen Ter­min bei ei­nem Ser­vice­part­ner des Fahr­zeug­her­stel­le­rin ver­ein­ba­ren sol­le.

Mit Schrei­ben vom 15.11.2016 er­klär­te die Klä­ge­rin ge­gen­über der Be­klag­ten die An­fech­tung des Kauf­ver­trags we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung so­wie hilfs­wei­se den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und ver­lang­te un­ter Frist­set­zung die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs.

Mit der im April 2017 er­ho­be­nen Kla­ge hat die Klä­ge­rin zu­letzt die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Über­eig­nung des Fahr­zeugs, hilfs­wei­se die Er­satz­lie­fe­rung ei­nes Neu­fahr­zeugs aus der ak­tu­el­len Pro­duk­ti­on, und die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Fahr­zeug­her­stel­le­rin be­gehrt. Zu­dem hat die Klä­ge­rin die Frei­stel­lung von vor­ge­richt­lich im Zu­sam­men­hang mit ih­rem Rück­ab­wick­lungs­be­geh­ren ent­stan­de­nen Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 1.121,90 € und den Er­satz von Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 653,15 € nebst Zin­sen ver­langt. Die er­setzt ver­lang­ten Rechts­an­walts­kos­ten sind der Klä­ge­rin nach ih­rem Vor­trag für ih­re Ver­tre­tung in ei­nem be­hörd­li­chen Ver­fah­ren über die An­dro­hung ei­ner Fahr­zeugstill­le­gung ent­stan­de­nen.

Nach­dem die Klä­ge­rin die Kla­ge er­ho­ben hat­te, hat die Be­klag­te sie mit ei­nem an ih­ren Rechts­an­walt ge­rich­te­ten Schrei­ben vom 10.08.2017 wie folgt un­ter­rich­tet:

„Un­se­re Man­dan­tin bit­tet Sie, Ih­ren Auf­trag­ge­ber da­hin ge­hend zu in­for­mie­ren, dass die für das tech­ni­sche Up­date des Fahr­zeugs Ih­res Auf­trag­ge­bers be­nö­tig­te Soft­ware zur Ver­fü­gung steht und das Mo­tor­steu­er­ge­rät an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug – falls noch nicht ver­an­lasst – nun­mehr um­pro­gram­miert wer­den kann.

Ihr Auf­trag­ge­ber kann sich da­zu di­rekt mit der Re­pa­ra­tu­r­an­nah­me un­se­rer Man­dan­tin (Te­le­fon …) in Ver­bin­dung set­zen, da­mit ein Ter­min ver­ein­bart wer­den kann. Die Maß­nah­me wird je nach Ar­beits­um­fang zwi­schen 30 Mi­nu­ten und ei­ner Stun­de in An­spruch neh­men. Die Kos­ten da­für wer­den vom Her­stel­ler über­nom­men. Falls Ihr Auf­trag­ge­ber für die Dau­er der Maß­nah­me ein Er­satz­fahr­zeug be­nö­tigt, wird un­se­re Man­dan­tin ein ent­spre­chen­des Fahr­zeug kos­ten­los zur Ver­fü­gung stel­len.

Zur rei­bungs­lo­sen Ab­wick­lung ist es sinn­voll, wenn Ihr Auf­trag­ge­ber zu dem ver­ein­bar­ten Ter­min die­ses Schrei­ben und den Ser­vice­plan für die not­wen­di­gen Ein­tra­gun­gen mit­bringt.“

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat das Kam­mer­ge­richt die Be­klag­te – ge­stützt auf ein nach dem hilfs­wei­se er­klär­ten Rück­tritt vom Kauf­ver­trag be­ste­hen­des Rück­ab­wick­lungs­schuld­ver­hält­nis – im We­sent­li­chen an­trags­ge­mäß ver­ur­teilt. Da­bei hat es dem auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ge­rich­te­ten Kla­ge­an­trag le­dig­lich un­ter Ab­zug ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung in Hö­he von 3.355,78 € und dem auf Er­satz der Rechts­an­walts­kos­ten für das be­hörd­li­che Ver­fah­ren ge­rich­te­ten Kla­ge­an­trag le­dig­lich un­ter Ab­er­ken­nung der gel­tend ge­mach­ten Ter­mins­ge­bühr in Hö­he von 241,20 €, je­weils nebst Zin­sen, statt­ge­ge­ben.

Mit ih­rer vom Be­ru­fungs­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on hat die Klä­ge­rin zu­letzt die voll­stän­di­ge Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses er­strebt. Die Be­klag­te hat mit ih­rer – eben­falls vom Be­ru­fungs­ge­richt zu­ge­las­se­nen – Re­vi­si­on die Wie­der­her­stel­lung des land­ge­richt­li­chen Ur­teils er­rei­chen wol­len.

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten hat­te Er­folg, wäh­rend die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin er­folg­los war.

Aus den Grün­den: [10]   A. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung, so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von In­ter­es­se, im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[11]   Die ge­gen die Be­klag­te ge­rich­te­te Kla­ge auf Kauf­preis­rück­zah­lung sei al­lein we­gen des hilfs­wei­se er­klär­ten Rück­tritts der Klä­ge­rin vom Kauf­ver­trag be­grün­det ge­mäß §§ 346 I, II, 348, 437 Nr. 2 BGB, § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F. Der Rück­tritt sei nicht auf­grund ei­ner fin­gier­ten Ge­neh­mi­gung des Man­gels – der in das Fahr­zeug ein­ge­bau­ten un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung, auf­grund de­rer die Ge­fahr ei­ner Be­triebs­un­ter­sa­gung durch die zu­stän­di­ge Zu­las­sungs­be­hör­de be­ste­he – ge­mäß § 377 I und III HGB aus­ge­schlos­sen.

[12]   Der Ver­käu­fer kön­ne auf den Ein­wand der Ver­spä­tung ei­ner Män­gel­rü­ge auch still­schwei­gend ver­zich­ten, was ins­be­son­de­re be­jaht wer­de, wenn er vor­be­halt­los Nach­bes­se­rung ver­spro­chen oder den Ver­spä­tungs­ein­wand nicht er­ho­ben ha­be. Die­se Vor­aus­set­zun­gen sei­en hier ge­ge­ben. Aus dem Schrei­ben der Be­klag­ten zu 2 (ge­meint: der hie­si­gen Be­klag­ten) vom 10.08.2017 ge­he deut­lich her­vor, dass die Be­sei­ti­gung des Man­gels oh­ne Vor­be­halt und Ein­schrän­kun­gen durch­ge­führt wer­den sol­le und so­mit auf even­tu­el­le Rech­te nach § 377 III HGB in schlüs­si­ger Wei­se ver­zich­tet wor­den sei. Für die Be­klag­te als Ver­käu­fe­rin sei die hier ge­ge­be­ne Zeit­span­ne zwi­schen der Pres­se­be­richt­er­stat­tung ab En­de Sep­tem­ber 2015 und der erst im Schrei­ben der Klä­ge­rin vom 15.11.2016 er­folg­ten Män­gel­an­zei­ge – für die Klä­ge­rin er­sicht­lich – be­lang­los ge­we­sen.

[13]   B. Die­se Be­ur­tei­lung hält recht­li­cher Nach­prü­fung nicht stand.

[14]   I. Zur Re­vi­si­on der Be­klag­ten:

[15]   Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat der Klä­ge­rin zu Un­recht ei­nen An­spruch aus §§ 346 I, II, 437 Nr. 2 BGB, § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F. zu­ge­spro­chen.

[16]   1. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat rechts­feh­ler­haft an­ge­nom­men, dass die Be­klag­te auf die Gel­tend­ma­chung der Rechts­fol­gen ei­ner ver­spä­te­ten An­zei­ge der Klä­ge­rin über die Man­gel­haf­tig­keit des Fahr­zeugs we­gen der ein­ge­bau­ten un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung kon­klu­dent ver­zich­tet ha­be und die Klä­ge­rin des­halb an ei­nem hier­auf ge­stütz­ten Rück­tritt vom Kauf­ver­trag (§ 437 Nr. 2, § 323 I BGB) nicht auf­grund ei­ner ge­mäß § 377 III HGB fin­gier­ten Ge­neh­mi­gung der Kauf­sa­che ge­hin­dert sei.

[17]   a) Nach der Vor­schrift des § 377 I HGB hat im Fal­le ei­nes beid­sei­ti­gen Han­dels­ge­schäfts der Käu­fer die Wa­re un­ver­züg­lich nach der Ab­lie­fe­rung durch den Ver­käu­fer, so­weit dies nach ord­nungs­mä­ßi­gem Ge­schäfts­gang tun­lich ist, zu un­ter­su­chen und, wenn sich ein Man­gel zeigt, dem Ver­käu­fer un­ver­züg­lich An­zei­ge zu ma­chen. Un­ter­lässt er die An­zei­ge, gilt die Wa­re ge­mäß § 377 II HGB als ge­neh­migt, es sei denn, der Man­gel war bei der Un­ter­su­chung nicht er­kenn­bar. Nach § 377 III HGB muss, wenn sich ein sol­cher Man­gel spä­ter zeigt, die An­zei­ge un­ver­züg­lich nach der Ent­de­ckung ge­macht wer­den; an­de­ren­falls gilt die Wa­re auch in An­se­hung die­ses Man­gels als ge­neh­migt.

[18]   Rechts­fol­ge ei­ner ver­spä­te­ten Män­gel­an­zei­ge ist die ge­setz­li­che Fik­ti­on, dass die Wa­re trotz des ihr an­haf­ten­den Sach­man­gels als ver­trags­ge­recht an­zu­se­hen ist (vgl. BGH, Urt. v. 08.11.1979 – III ZR 115/78, NJW 1980, 782 un­ter I 3 c; Urt. v. 16.09.1987 – VI­II ZR 334/86, BGHZ 101, 337, 348; s. zur Ge­neh­mi­gungs­fik­ti­on auch Se­nat, Urt. v. 24.02.2016 – VI­II ZR 38/15, NJW 2016, 2645 Rn. 33; Urt. v. 05.12.2012 – VI­II ZR 74/12, NJW 2013, 1299 Rn. 33). Die Fra­ge der ver­trags­mä­ßi­gen Be­schaf­fen­heit der Wa­re ist in ei­nem sol­chen Fall dem Streit der Par­tei­en ent­zo­gen (vgl. Se­nat, Urt. v. 16.09.1987 – VI­II ZR 334/86, BGHZ 101, 337, 343). Die in § 437 BGB nor­mier­ten Ge­währ­leis­tungs­rech­te des Käu­fers und da­mit auch ein Rück­tritt vom Kauf­ver­trag (§ 437 Nr. 2 BGB) sind dann – vor­be­halt­lich an­de­rer, aber erst spä­ter sicht­bar wer­den­der ver­deck­ter Män­gel – aus­ge­schlos­sen (Achil­les, in: Eben­roth/​Bou­jong/​Joost/​Strohn, HGB, 4. Aufl., § 377 Rn. 194 f. m. w. Nachw.).

[19]   b) Die­se Vor­schrift fin­det auf den zwi­schen der Klä­ge­rin und der Be­klag­ten am 07.04.2015 ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag An­wen­dung, weil es sich bei die­sem – wie das Be­ru­fungs­ge­richt sei­ner Wür­di­gung zu § 377 III HGB un­aus­ge­spro­chen zu­grun­de ge­legt hat – um ei­nen bei­der­sei­ti­gen Han­dels­kauf i. S. des § 343 HGB han­delt. Die dies­be­züg­li­chen tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts las­sen ei­nen Rechts­feh­ler nicht er­ken­nen und wer­den von den Par­tei­en im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren nicht an­ge­grif­fen.

[20]   c) Die Be­klag­te ist – wo­zu das Be­ru­fungs­ge­richt kei­ne Aus­füh­run­gen ge­macht hat – ih­rer Rü­ge­ob­lie­gen­heit ge­mäß § 377 III HGB nicht recht­zei­tig nach­ge­kom­men, so­dass der in der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung lie­gen­de Man­gel als ge­neh­migt gilt. Sie hat erst­ma­lig in der Rück­tritts­er­klä­rung vom 15.11.2016 ei­ne dies­be­züg­li­che Man­gel­haf­tig­keit des Fahr­zeugs ge­gen­über der Be­klag­ten ge­rügt, was nach den von der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung ge­präg­ten Grund­sät­zen nicht als un­ver­züg­lich nach Ent­de­ckung an­zu­se­hen ist.

[21]   aa) Die Rü­ge­ob­lie­gen­heit setzt mit dem Vor­lie­gen ei­nes Man­gels der Sa­che und des­sen Er­kenn­bar­keit ein (Se­nat, Urt. v. 16.09.1987 – VI­II ZR 334/86, BGHZ 101, 337, 340). Ein ver­deck­ter Man­gel – um ei­nen sol­chen han­delt es sich bei der hier ge­ge­be­nen Aus­stat­tung des Fahr­zeugs mit ei­nem über ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung ver­fü­gen­den Mo­tor – muss un­ver­züg­lich nach sei­ner Ent­de­ckung an­ge­zeigt wer­den. Da es dann le­dig­lich noch um die Mit­tei­lung des (be­reits ent­deck­ten) Man­gels geht, kann und muss die Rü­ge im Rah­men der ge­schäft­li­chen Kor­re­spon­denz ei­nes or­dent­li­chen Kauf­manns (§ 347 I HGB) re­gel­mä­ßig oh­ne wei­te­re Ver­zö­ge­rung er­fol­gen (vgl. BGH, Urt. v. 10.01.2006 – X ZR 58/03, NJW-RR 2006, 851 Rn. 19 [zum Werk­lie­fe­rungs­ver­trag]).

[22]   Die Vor­schrift des § 377 HGB ist im In­ter­es­se der im Han­dels­ver­kehr un­er­läss­li­chen schnel­len Ab­wick­lung der Han­dels­ge­schäf­te streng aus­zu­le­gen (vgl. Se­nat, Urt. v. 30.01.1985 – VI­II ZR 238/83, BGHZ 93, 338, 348 m. w. Nachw.). Es soll mög­lichst schnell Klar­heit dar­über ge­schaf­fen wer­den, ob das Ge­schäft ord­nungs­ge­mäß ab­ge­wi­ckelt wor­den ist; der Ver­käu­fer, des­sen In­ter­es­sen nach der vom Ge­setz ge­trof­fe­nen Wer­tent­schei­dung der Vor­rang zu ge­ben ist, soll durch die den Käu­fer tref­fen­de Ob­lie­gen­heit zur un­ver­züg­li­chen Män­gel­rü­ge in die La­ge ver­setzt wer­den, ent­spre­chen­de Fest­stel­lun­gen und not­wen­di­ge Dis­po­si­tio­nen zu tref­fen, ins­be­son­de­re ei­nen mög­li­chen Scha­den ab­wen­den zu kön­nen, der sich aus Ge­währ­leis­tungs-, Scha­dens­er­satz- oder Nach­lie­fe­rungs­an­sprü­chen des Käu­fers er­ge­ben könn­te (Se­nat, Urt. v. 19.06.1991 – VI­II ZR 149/90, NJW 1991, 2633 un­ter II 2 a m. w. Nachw.).

[23]   Des­halb wird dem Käu­fer im Re­gel­fall ei­ne Er­klä­rungs­frist von (nur) we­ni­gen Ta­gen zu­ge­bil­ligt (vgl. BGH, Urt. v. 03.07.1985 – VI­II ZR 152/84, NJW-RR 1986, 52 un­ter III 1 d; Urt. v. 13.03.1996 – VI­II ZR 333/94, BGHZ 132, 175, 179; Urt. v. 10.01.2006 – X ZR 58/03, NJW-RR 2006, 851 Rn. 20; Achil­les, in: Eben­roth/​Bou­jong/​Joost/​Strohn, a. a. O., § 377 Rn. 145; Be­ckOK-HGB/​Schwart­ze, Stand: 15.04.2022, § 377 Rn. 50). Je­den­falls ist ei­ne über zwei Wo­chen nach Ent­de­ckung des Man­gels er­ho­be­ne Män­gel­rü­ge nicht mehr „un­ver­züg­lich“ i. S. des § 377 III HGB (vgl. BGH, Urt. v. 30.01.1985 – VI­II ZR 238/83, BGHZ 93, 338, 348; Urt. v. 25.06.2002 – X ZR 150/00, ju­ris Rn. 25).

[24]   bb) Un­ter Zu­grun­de­le­gung die­ses Maß­stabs ist die nach den rechts­feh­ler­frei ge­trof­fe­nen und im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren nicht an­ge­grif­fe­nen tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts erst­mals mit der Rück­tritts­er­klä­rung der Klä­ge­rin vom 15.11.2016 er­folg­te Män­gel­an­zei­ge nicht recht­zei­tig.

[25]   Ge­zeigt hat sich der in der ein­ge­bau­ten un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung lie­gen­de Man­gel des Fahr­zeugs für die Klä­ge­rin spä­tes­tens mit dem Zu­gang des Schrei­bens vom 14.10.2016, mit dem sie durch die Fahr­zeug­her­stel­le­rin dar­über in­for­miert wur­de, dass für ihr Fahr­zeug nun­mehr das er­for­der­li­che Soft­ware­up­date zur Ver­fü­gung ste­he.

[26]   Je­den­falls auf­grund die­ser Mit­tei­lung hat die Klä­ge­rin (si­che­re) Kennt­nis da­von er­langt, dass auch in ih­rem Fahr­zeug die in der Pres­se­be­richt­er­stat­tung seit Sep­tem­ber 2015 als un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung und tech­ni­sche Ma­ni­pu­la­ti­on be­zeich­ne­te Mo­tor­steue­rungs­soft­ware ein­ge­baut und das Fahr­zeug so­mit von dem so­ge­nann­ten Die­sel­ab­gas­skan­dal be­trof­fen ist.

[27]   Selbst wenn die Klä­ge­rin bis da­hin auf­grund der Pres­se­be­richt­er­stat­tung nur den Ver­dacht ei­nes ent­spre­chen­den ver­trags­wid­ri­gen Fahr­zeug­zu­stands ge­habt ha­ben soll­te, der al­ler­dings ei­nem sorg­fäl­tig han­deln­den Kauf­mann un­ter den ge­ge­be­nen Um­stän­den be­reits Ver­an­las­sung zu ei­ner dies­be­züg­li­chen Un­ter­su­chung ge­ge­ben hät­te, so hat­te sich die­ser Man­gel­ver­dacht auf­grund des an sie ge­rich­te­ten Schrei­bens der Fahr­zeug­her­stel­le­rin zu ei­nem Man­gel­be­fund ver­dich­tet und spä­tes­tens da­mit die Rü­ge­ob­lie­gen­heit nach § 377 III HGB aus­ge­löst (vgl. hier­zu Achil­les, in: Eben­roth/​Bou­jong/​Joost/​Strohn, HGB, a. a. O., § 377 Rn. 152 a. E. und Rn. 154 ff.; Be­ckOK-HGB/​Schwart­ze, a. a. O., § 377 Rn. 49; je­weils m. w. Nachw.; s. be­reits RG, Urt. v. 02.07.1920 – III 141/20, RGZ 99, 247, 249 f.).

[28]   Die erst­mals mit dem Rück­tritts­schrei­ben vom 15.11.2016 und da­mit erst mehr als ei­nen Mo­nat nach der Ent­de­ckung er­folg­te An­zei­ge ei­nes dies­be­züg­li­chen Man­gels des Fahr­zeugs bei der Be­klag­ten war da­nach nicht mehr un­ver­züg­lich.

[29]   d) Rechts­feh­ler­haft hat das Be­ru­fungs­ge­richt ei­nen Ver­zicht der Be­klag­ten auf die Rechts­fol­gen des § 377 III HGB be­jaht.

[30]   aa) Da­bei hat es im Aus­gangs­punkt (noch) rich­tig ge­se­hen, dass der Ver­käu­fer nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des BGH je­der­zeit und auch still­schwei­gend auf die Rechts­fol­gen aus § 377 II, III HGB – be­zie­hungs­wei­se den Ein­wand der Ver­spä­tung ei­ner Män­gel­rü­ge – ver­zich­ten kann und die An­nah­me ei­nes sol­chen Ver­zichts in Be­tracht kommt, wenn der Ver­käu­fer die be­an­stan­de­ten Wa­ren vor­be­halt­los zu­rück­ge­nom­men oder vor­be­halt­los Nach­bes­se­rung ver­spro­chen oder den Ein­wand der ver­spä­te­ten Män­gel­an­zei­ge nicht er­ho­ben hat (vgl. nur Se­nat, Urt. v. 19.06.1991 – VI­II ZR 149/90, NJW 1991, 2633 un­ter II 1 c aa; Urt. v. 25.11.1998 – VI­II ZR 259/97, NJW 1999, 1259 un­ter III 2 a; Urt. v. 09.11.2022 – VI­II ZR 272/20 Rn. 69; s. auch Achil­les, in: Eben­roth/​Bou­jong/​Joost/​Strohn, a. a. O., § 377 Rn. 240).

[31]   bb) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die­sen Maß­stab aber rechts­feh­ler­haft auf den fest­ge­stell­ten Sach­ver­halt an­ge­wandt. Da ein still­schwei­gen­der Ver­zicht auf Rech­te im All­ge­mei­nen nicht zu ver­mu­ten ist, müs­sen ein­deu­ti­ge An­halts­punk­te vor­lie­gen, die der Käu­fer als Auf­ga­be des Rechts – hier: des Ver­spä­tungs­ein­wands – durch den Ver­trags­part­ner ver­ste­hen darf (vgl. Se­nat, Urt. v. 19.06.1991 – VI­II ZR 149/90, NJW 1991, 2633 un­ter II 1 c bb; Urt. v. 25.11.1998 – VI­II ZR 259/97, NJW 1999, 1259 un­ter III 2 a; Urt. v. 09.11.2022 – VI­II ZR 272/20 Rn. 70 [je­weils zu § 377 HGB]; Urt. v. 26.08.2020 – VI­II ZR 351/19, BGHZ 227, 15 Rn. 62). Sol­che ein­deu­ti­gen An­halts­punk­te sind nach den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts im Streit­fall je­doch nicht ge­ge­ben; sie las­sen sich ent­ge­gen der An­sicht des Be­ru­fungs­ge­richts auch nicht dem Schrei­ben der Be­klag­ten vom 10. Au­gust 2017 ent­neh­men.

[32]   (1) Die tatrich­ter­li­che Aus­le­gung ei­ner In­di­vi­dua­l­er­klä­rung kann vom Re­vi­si­ons­ge­richt zwar nur dar­auf­hin über­prüft wer­den, ob ge­setz­li­che oder all­ge­mein an­er­kann­te Aus­le­gungs­re­geln, die Denk­ge­set­ze oder all­ge­mei­ne Er­fah­rungs­sät­ze ver­letzt sind, we­sent­li­cher Aus­le­gungs­stoff au­ßer Acht ge­las­sen wor­den ist oder die Aus­le­gung auf mit der Re­vi­si­on ge­rüg­ten Ver­fah­rens­feh­lern be­ruht (st. Rspr.; vgl. nur Se­nat, Urt. v. 09.07.2014 – VI­II ZR 376/13, BGHZ 202, 39 Rn. 42; Urt. v. 28.09.2022 – VI­II ZR 300/21, ju­ris Rn. 14; Urt. v. 09.11.2022 – VI­II ZR 272/20 Rn. 71; je­weils m. w. Nachw.).

[33]   (2) Ei­ner an die­sem Maß­stab aus­ge­rich­te­ten Prü­fung hält die Aus­le­gung des Schrei­bens vom 10.08.2017 durch das Be­ru­fungs­ge­richt je­doch nicht stand. Die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, sol­che An­halts­punk­te sei­en vor­lie­gend dem an die Klä­ge­rin ge­rich­te­ten Schrei­ben der Be­klag­ten vom 10.08.2017 zu ent­neh­men, be­ruht – wie die Re­vi­si­on der Be­klag­ten mit Recht gel­tend macht – auf ei­ner Ver­let­zung an­er­kann­ter Aus­le­gungs­re­geln. Zu die­sen ge­hört es, dass in ers­ter Li­nie der von der Par­tei ge­wähl­te Wort­laut und der dem Wort­laut zu ent­neh­men­de ob­jek­tiv er­klär­te Par­tei­wil­le zu be­rück­sich­ti­gen ist und dass bei der Aus­le­gung sämt­li­che Be­gleit­um­stän­de so­wie die In­ter­es­sen­la­ge (§§ 133, 157 BGB) zu be­ach­ten sind (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.2009 – II ZR 222/08, NJW 2010, 64 Rn. 18; Urt. v. 09.11.2022 – VI­II ZR 272/20 Rn. 73.). Zu­dem hat das Be­ru­fungs­ge­richt we­sent­li­chen Aus­le­gungs­stoff au­ßer Acht ge­las­sen.

[34]   (a) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat im Streit­fall (al­lein) auf das Schrei­ben der Be­klag­ten vom 10.08.2017 ab­ge­stellt, oh­ne sich mit dem Wort­laut der dar­in ent­hal­te­nen Er­klä­rung, mit dem Zu­sam­men­hang, in wel­chem die Er­klä­rung er­folg­te, so­wie mit den be­rech­tig­ten In­ter­es­sen der Be­klag­ten als Er­klä­ren­de und der Klä­ge­rin als Emp­fän­ge­rin die­ser Er­klä­rung aus­ein­an­der­zu­set­zen. Zur Be­grün­dung sei­ner Be­wer­tung hat es ganz über­wie­gend Aus­zü­ge aus ei­nem Be­schluss wört­lich wie­der­ge­ge­ben, der in ei­nem an­de­ren Ver­fah­ren an­ge­stell­te recht­li­che Er­wä­gun­gen zu gänz­lich an­ders lau­ten­den Er­klä­run­gen des Ver­käu­fers ei­nes gleich­falls mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ver­se­he­nen Fahr­zeugs an den Käu­fer ent­hält.

[35]   (aa) In dem vom Be­ru­fungs­ge­richt her­an­ge­zo­ge­nen Schrei­ben vom 10.08.2017 wur­de der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te der Klä­ge­rin durch die Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten der Be­klag­ten dar­über in­for­miert, dass die für das tech­ni­sche Up­date be­nö­tig­te Soft­ware zur Ver­fü­gung ste­he und nun­mehr das Mo­tor­steue­rungs­ge­rät des er­wor­be­nen Fahr­zeugs um­pro­gram­miert wer­den kön­ne. Hier­bei wies die Be­klag­te dar­auf hin, dass die mit der Maß­nah­me ver­bun­de­nen Kos­ten von der Fahr­zeug­her­stel­le­rin über­nom­men wür­den und dass sie selbst der Klä­ge­rin – falls die­se für die Dau­er der Maß­nah­me ein Er­satz­fahr­zeug be­nö­ti­ge – ein ent­spre­chen­des Fahr­zeug kos­ten­los zur Ver­fü­gung stel­len wer­de.

[36]   (bb) Die­ser Er­klä­rung der Be­klag­ten las­sen sich bei ei­ner Aus­le­gung nach dem maß­geb­li­chen ob­jek­ti­ven Emp­fän­ger­ho­ri­zont (§§ 133, 157 BGB) kei­ne ein­deu­ti­gen An­halts­punk­te ent­neh­men, wel­che auf ei­ne (end­gül­ti­ge) Auf­ga­be des Ver­spä­tungs­ein­wands nach § 377 III HGB – und der mit die­sem ver­bun­de­nen Rechts­po­si­ti­on (Ein­tritt der Ge­neh­mi­gungs­fik­ti­on) – durch die Be­klag­te schlie­ßen las­sen.

[37]   Das Schrei­ben dien­te er­kenn­bar le­dig­lich der (wei­te­ren) Un­ter­rich­tung der Klä­ge­rin als Ei­gen­tü­me­rin des Fahr­zeugs über das von der Fahr­zeug­her­stel­le­rin zur Ver­fü­gung ge­stell­te Soft­ware­up­date, das – ent­spre­chend der frü­he­ren Mit­tei­lung der Fahr­zeug­her­stel­le­rin vom 14.10.2016 selbst über de­ren Ser­vice­part­ner und da­mit auch – über die Be­klag­te auf­ge­spielt wer­den soll­te. Aus ihm er­gibt sich für den Er­klä­rungs­emp­fän­ger le­dig­lich die Ein­bin­dung der Be­klag­ten in die tech­ni­sche Durch­füh­rung der von der Fahr­zeug­her­stel­le­rin ge­gen­über der Fahr­zeug­ei­gen­tü­me­rin an­ge­bo­te­nen Maß­nah­me. Dies ver­deut­licht auch der im Schrei­ben ent­hal­te­ne Hin­weis, dass die hier­durch bei der Be­klag­ten ent­ste­hen­den Kos­ten von der Fahr­zeug­her­stel­le­rin ge­tra­gen wür­den, al­so nicht von der Be­klag­ten selbst.

[38]   Hin­ge­gen ent­hält das Schrei­ben ei­ne Er­klä­rung der Be­klag­ten zu ei­ner et­wai­gen ei­ge­nen Ein­stands­pflicht ge­gen­über der Klä­ge­rin auf­grund des ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags nicht. Ent­ge­gen der Sicht­wei­se des Be­ru­fungs­ge­richts hat die Be­klag­te mit ih­rem Schrei­ben vom 10.08.2017 nicht vor­be­halt­los ei­ne Nach­bes­se­rung ver­spro­chen. In dem Schrei­ben geht sie we­der auf die Fra­ge ein, ob der An­lass für die dort ge­nann­te Um­pro­gram­mie­rung des Mo­tor­steu­er­ge­räts durch die Fahr­zeug­her­stel­le­rin über­haupt als ver­trags­wid­ri­ge Leis­tung der Be­klag­ten im Ver­hält­nis zur Klä­ge­rin zu be­wer­ten sei, noch dar­auf, ob und ge­ge­be­nen­falls wel­che An­sprü­che der Klä­ge­rin des­halb ge­gen­über der Be­klag­ten zu­stün­den. An­de­res folgt auch nicht aus dem im Schrei­ben un­ter­brei­te­ten An­ge­bot der Be­klag­ten, der Klä­ge­rin bei Be­darf für die Dau­er der Maß­nah­me ein Er­satz­fahr­zeug – kos­ten­los – zur Ver­fü­gung zu stel­len. Denn der Zu­satz „kos­ten­los“ lässt aus Sicht der Klä­ge­rin als Emp­fän­ge­rin des Schrei­bens le­dig­lich er­ken­nen, dass sie selbst die mit der Fahr­zeug­über­las­sung ver­bun­de­nen Kos­ten nicht wür­de tra­gen müs­sen. Er trifft aber kei­ne Aus­sa­ge da­zu, ob die­se Kos­ten auch end­gül­tig von der Be­klag­ten ge­tra­gen oder von die­ser – wie auch die Kos­ten der ei­gent­li­chen Maß­nah­me – letzt­lich der Fahr­zeug­her­stel­le­rin be­rech­net wer­den wür­den.

[39]   Fer­ner ver­deut­licht der auf die Durch­füh­rung des Soft­ware­up­dates be­zo­ge­ne Zu­satz „falls noch nicht ver­an­lasst“ aus Sicht des red­li­chen Emp­fän­gers, dass An­lass des Schrei­bens vom 10.08.2017 nicht die in­di­vi­du­el­le ver­trag­li­che Be­zie­hung zwi­schen den Par­tei­en oder ein sei­tens der Klä­ge­rin bei der Be­klag­ten kon­kret an­ge­brach­tes kauf­ver­trag­li­ches Ge­währ­leis­tungs­be­geh­ren war, son­dern dass es sich in­halt­lich um ein all­ge­mei­nes In­for­ma­ti­ons­schrei­ben han­delt, das für ei­ne Viel­zahl von Fahr­zeug­hal­tern for­mu­liert wur­de. In ei­ner sol­chen Mit­tei­lung des Ver­käu­fers, mit der die­ser sei­nen Ver­trags­part­ner le­dig­lich über ei­nen ihm von drit­ter Sei­te mit­ge­teil­ten Sach­ver­halt (hier die Zur­ver­fü­gung­stel­lung des Soft­ware­up­dates durch die Fahr­zeug­her­stel­le­rin und die Ein­bin­dung in de­ren tech­ni­sche Maß­nah­men) in­for­miert, ist kein Ver­zicht auf ei­ge­ne Rech­te – hier: auf den Ein­wand ei­ner Ver­spä­tung der Män­gel­rü­ge im ei­ge­nen Ver­trags­ver­hält­nis – zu se­hen.

[40]   (b) Zu­dem hat das Be­ru­fungs­ge­richt bei sei­ner Aus­le­gung wei­te­re maß­geb­li­che Um­stän­de un­be­rück­sich­tigt ge­las­sen.

[41]   Da die Klä­ge­rin be­reits im No­vem­ber 2016 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klärt und mit ih­rer im April 2017 er­ho­be­nen Kla­ge hier­aus ab­ge­lei­te­te An­sprü­che auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses so­wie auf Scha­dens­er­satz ge­gen die Be­klag­te gel­tend ge­macht hat­te, lässt der erst im Au­gust 2017 er­folg­te Hin­weis der Be­klag­ten auf ei­ne die­sem Be­geh­ren nicht ent­spre­chen­de Um­pro­gram­mie­rung des Mo­tor­steue­rungs­ge­räts durch ei­ne Soft­ware der Fahr­zeug­her­stel­le­rin noch nicht ein­mal auf die Be­reit­schaft der Be­klag­ten zur Auf­nah­me von Ver­hand­lun­gen über die ge­rüg­ten Män­gel schlie­ßen (vgl. zur Be­deu­tung ei­nes sol­chen Ver­hal­tens für die An­nah­me ei­nes Ver­zichts: Se­nat, Urt. v. 19.06.1991 – VI­II ZR 149/90, NJW 1991, 2633 un­ter II 1 c aa; Urt. v. 25.11.1998 – VI­II ZR 259/97, NJW 1999, 1259 un­ter III 2 a). Noch we­ni­ger deu­tet der Hin­weis der Be­klag­ten auf ei­ne vor­be­halt­lo­se An­er­ken­nung ih­rer ei­ge­nen Ein­stands­pflicht we­gen ei­ner Ver­trags­wid­rig­keit des Fahr­zeugs hin.

[42]   Auch der Um­stand, dass die Be­klag­te den Ver­spä­tungs­ein­wand nicht be­reits in dem (vor­ge­richt­li­chen) Schrei­ben vom 10.08.2017 gel­tend ge­macht hat, kann nicht als still­schwei­gen­der Ver­zicht ge­deu­tet wer­den (vgl. Se­nat, Urt. v. 29.03.1978 – VI­II ZR 245/76, NJW 1978, 2394 un­ter IV 2 b; Urt. v. 19.06.1991 – VI­II ZR 149/90, NJW 1991, 2633 un­ter II 1 c bb; Urt. v. 25.11.1998 – VI­II ZR 259/97, NJW 1999, 1259 un­ter III 2 a).

[43]   2. Die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses nebst Zin­sen – und hier­an an­knüp­fend die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs mit der Rück­nah­me der Kauf­sa­che – an die Klä­ge­rin stellt sich auch nicht aus an­de­ren Grün­den als rich­tig dar (§ 561 ZPO). Da die Be­klag­te nicht auf­grund von Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) oder auf­grund ei­nes arg­lis­ti­gen Ver­schwei­gens des Sach­man­gels (§ 377 V HGB) ge­hin­dert ist, sich auf ei­ne Ver­spä­tung der Män­gel­an­zei­ge der Klä­ge­rin ge­mäß § 377 III HGB zu be­ru­fen, sind auf die Man­gel­haf­tig­keit des Fahr­zeugs we­gen der ein­ge­bau­ten un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ge­stütz­te Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che der Klä­ge­rin – ne­ben dem vor­ran­gig gel­tend ge­mach­ten An­spruch aus dem er­klär­ten Rück­tritt auch das zu­letzt hilfs­wei­se gel­tend ge­mach­te Be­geh­ren auf Lie­fe­rung ei­nes Neu­fahr­zeugs aus der ak­tu­el­len Pro­duk­ti­on – aus­ge­schlos­sen. Da­mit fehlt es auch an der recht­li­chen Grund­la­ge für die gel­tend ge­mach­ten Ne­ben­an­sprü­che (Zin­sen, An­nah­me­ver­zug).

[44]   a) Ei­ner Gel­tend­ma­chung der aus dem Rü­ge­ver­säum­nis fol­gen­den Rechts­po­si­ti­on des Ver­käu­fers kann zwar Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) ent­ge­gen­ste­hen. Die Klä­ge­rin hat je­doch nichts da­für vor­ge­tra­gen, dass sie durch ein Ver­hal­ten der Be­klag­ten – das zu­dem als treu­wid­rig zu be­ur­tei­len sein müss­te – von ei­ner frü­he­ren An­zei­ge des in der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ge­se­he­nen Man­gels ab­ge­hal­ten wur­de (vgl. Se­nat, Urt. v. 19.06.1991 – VI­II ZR 149/90, NJW 1991, 2633 un­ter II 1 c cc m. w. Nachw.).

[45]   b) Ein et­wai­ges Rü­ge­ver­säum­nis sei­tens der Klä­ge­rin bleibt auch nicht ge­mäß § 377 V HGB oh­ne Fol­gen. Da­nach kann sich der Ver­käu­fer auf die Vor­schrif­ten des § 377 (I, III) HGB nicht be­ru­fen, wenn er den Man­gel arg­lis­tig ver­schwie­gen hat. In ei­nem sol­chen Fall gilt die ge­lie­fer­te Wa­re trotz Ver­säu­mung der Rü­ge­frist nicht als ge­neh­migt (BGH, Urt. v. 08.11.1979 – III ZR 115/78, NJW 1980, 782 un­ter II). In­des lie­gen hier die­se Vor­aus­set­zun­gen nicht vor. Denn aus den vom Be­ru­fungs­ge­richt rechts­feh­ler­frei ge­trof­fe­nen und im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren nicht an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen er­ge­ben sich kei­ne An­halts­punk­te da­für, dass die Be­klag­te von der in das Fahr­zeug ein­ge­bau­ten un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags wuss­te oder hät­te wis­sen kön­nen. Sie muss sich auch nicht ein et­wai­ges Fehl­ver­hal­ten der Fahr­zeug­her­stel­le­rin zu­rech­nen las­sen.

[46]   II. Zur Re­vi­si­on der Klä­ge­rin:

[47]   Der auf un­ge­schmä­ler­te Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses oh­ne Ab­zug ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung ge­rich­te­ten Re­vi­si­on der Klä­ge­rin bleibt nach den vor­ste­hen­den Aus­füh­run­gen der Er­folg ver­sagt, weil Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che der Klä­ge­rin in­fol­ge ih­rer ver­spä­tet an­ge­brach­ten Män­gel­rü­ge nach § 377 III HGB aus­ge­schlos­sen sind. Auf die von ihr auf­ge­wor­fe­ne Fra­ge, ob un­ter eu­ro­pa­recht­li­chen Ge­sichts­punk­ten ein Ab­zug der Nut­zungs­ent­schä­di­gung beim kauf­recht­li­chen Rück­tritt aus­ge­schlos­sen ist (vgl. hier­zu Se­nat, Urt. v. 16.09.2009 – VI­II ZR 243/08, BGHZ 182, 241 Rn. 15), kommt es da­her nicht an.

[48]   C. Nach al­le­dem kann das an­ge­foch­te­ne Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts kei­nen Be­stand ha­ben, so­weit zum Nach­teil der Be­klag­ten ent­schie­den wor­den ist. Es ist in­so­weit auf­zu­he­ben (§ 562 I ZPO). Die Sa­che ist zur End­ent­schei­dung reif, so­dass der Se­nat selbst ent­schei­den kann (§ 563 III ZPO).

[49]   Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ge­rin ist die Sa­che nicht zur Neu­ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen, da­mit die­ses wei­te­re Fest­stel­lun­gen zur Fra­ge des Ver­zichts auf die Rechts­fol­gen des § 377 III HGB tref­fen kann. Die Klä­ge­rin stützt die­ses Be­geh­ren auf den Um­stand, dass der Se­nat sei­ne in­so­weit vom Be­ru­fungs­ge­richt ab­wei­chen­de Rechts­auf­fas­sung erst in der münd­li­chen Ver­hand­lung ge­äu­ßert und nicht be­reits zu ei­nem frü­he­ren Zeit­punkt ei­nen ent­spre­chen­den Hin­weis er­teilt hat. Ab­ge­se­hen da­von, dass ei­ne sol­che Hin­weis­pflicht nicht be­stand, weil schon die Ge­gen­sei­te in ih­rer Re­vi­si­ons­be­grün­dung auf die­sen Ge­sichts­punkt hin­ge­wie­sen hat, hät­te ei­ne frü­he­re Hin­wei­ser­tei­lung durch den Se­nat – wie der Klä­ger­ver­tre­ter in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat selbst ein­ge­räumt hat – nicht da­zu ge­führt, dass sie wei­te­ren Vor­trag in der Re­vi­si­ons­in­stanz hät­te hal­ten kön­nen. Auch ver­moch­te der Klä­ger­ver­tre­ter in der münd­li­chen Ver­hand­lung nicht et­wa über­gan­ge­nen Vor­trag in der Be­ru­fungs­in­stanz auf­zu­zei­gen. Sein Ver­lan­gen, die Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ge­ben, da­mit die­ses auf der Grund­la­ge der Rechts­auf­fas­sung des Se­nats der Klä­ge­rin Ge­le­gen­heit zu er­gän­zen­dem Sach­vor­trag ge­ben könn­te, fin­det in An­be­tracht die­ser Um­stän­de und mit Blick dar­auf, dass ein sol­cher Vor­trag be­reits in dem durch­ge­führ­ten Be­ru­fungs­ver­fah­ren zu dem Ge­samt­kom­plex „Rü­ge­ob­lie­gen­heit“ hät­te ge­hal­ten wer­den müs­sen, im Pro­zess­recht kei­ne Stüt­ze.

[50]   Die Be­ru­fung der Klä­ge­rin ge­gen die Ent­schei­dung des Land­ge­richts ist zu­rück­zu­wei­sen, weil die gel­tend ge­mach­ten An­sprü­che der Klä­ge­rin ge­gen die Be­klag­te nicht be­ste­hen. Ih­re Re­vi­si­on ist zu­rück­zu­wei­sen.

Hin­weis: Ge­gen die Volks­wa­gen AG als Fahr­zeug­her­stel­le­rin ist un­ter dem Ak­ten­zei­chen VI ZR 67/20 ein Re­vi­si­ons­ver­fah­ren beim VI. Zi­vil­se­nat des BGH an­hän­gig.

PDF er­stel­len