1. Art. 2 II lit. d der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter ist da­hin aus­zu­le­gen, dass ein Kraft­fahr­zeug, das in den An­wen­dungs­be­reich der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 20.06.2007 über die Typ­ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen hin­sicht­lich der Emis­sio­nen von leich­ten Per­so­nen­kraft­wa­gen und Nutz­fahr­zeu­gen (Eu­ro 5 und Eu­ro 6) und über den Zu­gang zu Re­pa­ra­tur- und War­tungs­in­for­ma­tio­nen für Fahr­zeu­ge fällt, nicht die Qua­li­tät auf­weist, die bei Gü­tern der glei­chen Art üb­lich ist und die der Ver­brau­cher ver­nünf­ti­ger­wei­se er­war­ten kann, wenn es, ob­wohl es über ei­ne gül­ti­ge EG-Typ­ge­neh­mi­gung ver­fügt und da­her im Stra­ßen­ver­kehr ver­wen­det wer­den kann, mit ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­stat­tet ist, de­ren Ver­wen­dung nach Art. 5 II die­ser Ver­ord­nung ver­bo­ten ist.
  2. Art. 5 II lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ist da­hin aus­zu­le­gen, dass ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung, die ins­be­son­de­re die Ein­hal­tung der in die­ser Ver­ord­nung vor­ge­se­he­nen Emis­si­ons­grenz­wer­te nur ge­währ­leis­tet, wenn die Au­ßen­tem­pe­ra­tur zwi­schen 15 und 33 °C liegt, nach die­ser Be­stim­mung al­lein un­ter der Vor­aus­set­zung zu­läs­sig sein kann, dass nach­ge­wie­sen ist, dass die­se Ein­rich­tung aus­schließ­lich not­wen­dig ist, um die durch ei­ne Fehl­funk­ti­on ei­nes Bau­teils des Ab­gas­rück­füh­rungs­sys­tems ver­ur­sach­ten un­mit­tel­ba­ren Ri­si­ken für den Mo­tor in Form von Be­schä­di­gung oder Un­fall zu ver­mei­den, Ri­si­ken, die so schwer wie­gen, dass sie ei­ne kon­kre­te Ge­fahr beim Be­trieb des mit die­ser Ein­rich­tung aus­ge­stat­te­ten Fahr­zeugs dar­stel­len. Ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung, die un­ter nor­ma­len Be­triebs­be­din­gun­gen den über­wie­gen­den Teil des Jah­res funk­tio­nie­ren müss­te, da­mit der Mo­tor vor Be­schä­di­gung oder Un­fall ge­schützt und der si­che­re Be­trieb des Fahr­zeugs ge­währ­leis­tet ist, kann je­den­falls nicht un­ter die in Art. 5 II lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 vor­ge­se­he­ne Aus­nah­me fal­len.
  3. Art. 3 VI der Richt­li­nie 1999/44/EG ist da­hin aus­zu­le­gen, dass ei­ne Ver­trags­wid­rig­keit, die dar­in be­steht, dass ein Fahr­zeug mit ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­rüs­tet ist, de­ren Ver­wen­dung nach Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­bo­ten ist, nicht als „ge­ring­fü­gig“ ein­ge­stuft wer­den kann, selbst wenn der Ver­brau­cher – falls er von der Exis­tenz und dem Be­trieb die­ser Ein­rich­tung Kennt­nis ge­habt hät­te – die­ses Fahr­zeug den­noch ge­kauft hät­te.

EuGH (Gro­ße Kam­mer), Ur­teil vom 14.07.2022 – C-145/20 (DS/​Por­sche In­ter Au­to GmbH & Co. KG, Volks­wa­gen AG)

Das vor­lie­gen­de Ur­teil be­trifft die Aus­le­gung von Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 20.06.2007 über die Typ­ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen hin­sicht­lich der Emis­sio­nen von leich­ten Per­so­nen­kraft­wa­gen und Nutz­fahr­zeu­gen (Eu­ro 5 und Eu­ro 6) und über den Zu­gang zu Re­pa­ra­tur- und War­tungs­in­for­ma­tio­nen für Fahr­zeu­ge (ABl. 2007 L 171, 1) so­wie von Art. 2 II lit. d und Art. 3 VI der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter (ABl. 1999 L 171, 12). Es er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen DS auf der ei­nen Sei­te und der Por­sche In­ter Au­to GmbH & Co. KG und der Volks­wa­gen AG auf der an­de­ren Sei­te we­gen ei­ner Kla­ge auf Auf­he­bung ei­nes Kauf­ver­trags über ein Kraft­fahr­zeug, das mit ei­ner Soft­ware aus­ge­rüs­tet ist, durch die die Ab­gas­rück­füh­rung die­ses Fahr­zeugs ins­be­son­de­re nach Maß­ga­be der er­mit­tel­ten Tem­pe­ra­tur ver­rin­gert wird.

Sach­ver­halt: Am 21.12.2013 kauf­te DS, ein Ver­brau­cher, von der Por­sche In­ter Au­to GmbH & Co. KG, ei­ner un­ab­hän­gi­gen Ver­trags­au­to­händ­ler­hin von Volks­wa­gen, ein Fahr­zeug der Mar­ke Volks­wa­gen, das mit ei­nem Die­sel­mo­tor des Typs EA189 der Ge­ne­ra­ti­on Eu­ro 5 aus­ge­stat­tet war.

Die­ses Fahr­zeug war mit ei­ner Soft­ware aus­ge­stat­tet, auf­grund de­ren ei­ne Ab­gas­rück­füh­rung nach zwei Be­triebs­mo­di (im Fol­gen­den: Um­schalt­lo­gik) er­folg­te. Der ers­te Mo­dus kam nur wäh­rend des Zu­las­sungs­tests, dem „New Eu­ro­pean Dri­ving Cy­cle“ (NEDC), im La­bor zum Ein­satz. In die­sem Mo­dus war die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te hö­her als im zwei­ten Mo­dus, der un­ter nor­ma­len Fahr­be­din­gun­gen zur An­wen­dung ge­lang­te. Der in Re­de ste­hen­de Fahr­zeug­typ wur­de vom deut­schen Kraft­fahrt-Bun­des­amt, der in Deutsch­land für die Typ­ge­neh­mi­gung zu­stän­di­gen Be­hör­de, zu­ge­las­sen. Die Um­schalt­lo­gik war die­ser Be­hör­de ge­gen­über nicht of­fen­ge­legt wor­den.

Aus dem Vor­la­ge­be­schluss geht her­vor, dass das Kraft­fahrt-Bun­des­amt, wenn es von der Um­schalt­lo­gik Kennt­nis ge­habt hät­te, die­sen Fahr­zeug­typ nicht ge­neh­migt hät­te. Wei­ter ist ihm zu ent­neh­men, dass DS das frag­li­che Fahr­zeug auch dann ge­kauft hät­te, wenn er von der Um­schalt­lo­gik Kennt­nis ge­habt hät­te.

Mit Ent­schei­dung vom 15.10.2015, die auf der Grund­la­ge von § 25 II EG?FGV er­las­sen wur­de, ord­ne­te das Kraft­fahrt-Bun­des­amt an, dass Volks­wa­gen die Um­schalt­lo­gik zu ent­fer­nen ha­be, um die Ver­ein­bar­keit der Mo­to­ren des Typs EA189 der Ge­ne­ra­ti­on Eu­ro 5 mit der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 her­zu­stel­len. Mit Schrei­ben vom 20.12.2016 teil­te das Kraft­fahrt-Bun­des­amt Volks­wa­gen mit, das vor­ge­schla­ge­ne Up­date vor­ge­nann­ten Soft­ware (im Fol­gen­den: Up­date der Soft­ware) sei ge­eig­net, die Vor­schrifts­mä­ßig­keit her­zu­stel­len. In der Fol­ge wur­de die EG?Typ­ge­neh­mi­gung des hier be­trof­fe­nen Fahr­zeug­typs vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt we­der wi­der­ru­fen noch zu­rück­ge­nom­men.

Am 15.02.2017 ließ DS das Up­date der Soft­ware an sei­nem Fahr­zeug durch­füh­ren. Die­ses Up­date er­setz­te die Um­schalt­lo­gik durch ei­ne Pro­gram­mie­rung, nach der der emis­si­ons­min­dern­de Mo­dus nicht nur wäh­rend des oben er­wähn­ten Zu­las­sungs­tests, son­dern auch im Fahr­be­trieb des Fahr­zeugs im Stra­ßen­ver­kehr zum Ein­satz ge­lang­te. Die Ab­gas­rück­füh­rung war je­doch nur dann voll wirk­sam, wenn die Au­ßen­tem­pe­ra­tur zwi­schen 15 und 33 °C lag (im Fol­gen­den: Ther­mo­fens­ter).

DS er­hob vor dem Lan­des­ge­richt Linz (Ös­ter­reich) Kla­ge auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses für das frag­li­che Fahr­zeug ge­gen des­sen Rück­ga­be, hilfs­wei­se Preis­min­de­rung, äu­ßerst hilfs­wei­se Fest­stel­lung der Haf­tung der Por­sche In­ter Au­to GmbH & Co. KG und der Volks­wa­gen AG für Schä­den aus dem Ein­bau ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007.

Mit Ur­teil vom 12.12.2018 wies das Lan­des­ge­richt Linz die Kla­ge ab. Die­ses Ur­teil wur­de vom Ober­lan­des­ge­richt Linz (Ös­ter­reich) mit Ur­teil vom 04.04.2019 be­stä­tigt.

DS leg­te ge­gen die­ses Ur­teil beim ös­ter­rei­chi­schen Obers­ten Ge­richts­hof, dem vor­le­gen­den Ge­richt, Re­vi­si­on mit der Be­grün­dung ein, dass das frag­li­che Fahr­zeug ei­nen Man­gel auf­wei­se, da die Um­schalt­lo­gik ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 5 IU der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 sei. Da das Up­date der Soft­ware die­sen Man­gel nicht be­ho­ben ha­be, droh­ten die­sem Fahr­zeug in­fol­ge die­ses Up­dates Wert­ver­lust und Schä­den.

Die Por­sche In­ter Au­to GmbH & Co. KG und die Volks­wa­gen AG ma­chen gel­tend, das Ther­mo­fens­ter sei ei­ne nach Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung. Die­se Ein­schät­zung wer­de vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt ge­teilt.

Das vor­le­gen­de Ge­richt ist der An­sicht, dass die Um­schalt­lo­gik ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 3 Nr. 10 und Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 sei. Je­den­falls sei das frag­li­che Fahr­zeug man­gel­haft i. S. von § 922 ABGB1§ 922 I des All­ge­mei­nen bür­ger­li­chen Ge­setz­buchs (ABGB) in sei­ner auf das Aus­gangs­ver­fah­ren an­wend­ba­ren Fas­sung be­stimmt: „Wer ei­nem an­de­ren ei­ne Sa­che ge­gen Ent­gelt über­lässt, leis­tet Ge­währ, dass sie dem Ver­trag ent­spricht. Er haf­tet al­so da­für, dass die Sa­che die be­dun­ge­nen oder ge­wöhn­lich vor­aus­ge­setz­ten Ei­gen­schaf­ten hat, dass sie sei­ner Be­schrei­bung, ei­ner Pro­be oder ei­nem Mus­ter ent­spricht und dass sie der Na­tur des Ge­schäf­tes oder der ge­trof­fe­nen Ver­ab­re­dung ge­mäß ver­wen­det wer­den kann.“, weil die­se Ab­schalt­ein­rich­tung ge­gen­über dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt nicht of­fen­ge­legt wor­den sei.

In die­sem Zu­sam­men­hang fragt sich das vor­le­gen­de Ge­richt, ob das frag­li­che Fahr­zeug an­ge­sichts der Ver­pflich­tung, ein nicht mit ei­ner sol­chen Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­rüs­te­tes Fahr­zeug zu lie­fern, ei­ne Ver­trags­wid­rig­keit im Sin­ne der Richt­li­nie 1999/44/EG auf­ge­wie­sen ha­be. Soll­te dies zu­tref­fen, wä­re sei­ner An­sicht nach zu prü­fen, ob die­ses Fahr­zeug nach dem Up­date der Soft­ware, auf­grund de­ren die Ab­gas­rück­füh­rung er­folg­te, noch im­mer mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­rüs­tet sei, und wä­ren die recht­li­chen Fol­gen ei­nes et­wai­gen Be­ste­hen­blei­bens ei­nes sol­chen Man­gels nach dem Up­date der Soft­ware zu klä­ren.

Kon­kret möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt ers­tens wis­sen, ob das Fahr­zeug, falls es, auch wenn es über ei­ne EG?Typ­ge­neh­mi­gung ver­fü­gen soll­te, mit ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­rüs­tet wä­re, de­ren Ver­wen­dung nach Art. 3 Nr. 10 und Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­bo­ten sei, i. S. von Art. 2 II lit. d der Richt­li­nie 1999/44/EG ei­ne Qua­li­tät auf­wei­sen wür­de, die bei Gü­tern der glei­chen Art üb­lich sei und die der Ver­brau­cher ver­nünf­ti­ger­wei­se er­war­ten kön­ne, und so­mit ver­mu­tet wer­den müss­te, dass es ver­trags­ge­mäß sei. Wenn es sich um ein Pro­dukt wie ein Fahr­zeug hand­le, das nor­ma­ti­ven Vor­ga­ben ge­nü­gen müs­se, er­war­te der durch­schnitt­lich in­for­mier­te, auf­merk­sa­me und ver­stän­di­ge Durch­schnitts­ver­brau­cher tat­säch­lich die Ein­hal­tung die­ser Vor­ga­ben. Dass Fahr­zeu­ge ein Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren durch­lau­fen müss­ten, ste­he die­sem Ver­ständ­nis von Art. 2 II lit. d nicht not­wen­di­ger­wei­se ent­ge­gen.

Zwei­tens fragt sich das vor­le­gen­de Ge­richt, ob das Ther­mo­fens­ter un­ter die Aus­nah­me nach Art. 5 II lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 fal­len kön­ne, auf die sich die Por­sche In­ter Au­to GmbH & Co. KG und die Volks­wa­gen AG be­ru­fen, oder ob dies je­den­falls aus­ge­schlos­sen sei, wie DS vor­trägt. In­so­weit führt das vor­le­gen­de Ge­richt aus, dass die Aus­nah­men in die­sem Art. 5 II an­ge­sichts des Ziels des Um­welt­schut­zes, das sich aus den Er­wä­gungs­grün­den 1 und 6 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ab­lei­te, eng aus­zu­le­gen sei­en. Da be­kannt sei, dass die durch­schnitt­li­che Tem­pe­ra­tur in ei­nem Teil des Uni­ons­ge­biets ein­schließ­lich Ös­ter­reichs meh­re­re Mo­na­te im Jahr un­ter 15 °C lie­ge, wer­de die Au­ßen­tem­pe­ra­tur, bei der die Ab­gas­rück­füh­rung ei­nes Fahr­zeugs wie des im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den in vol­lem Um­fang wirk­sam sei, wäh­rend ei­nes Groß­teils des Jah­res im Durch­schnitt nicht er­reicht. Un­ter die­sen Um­stän­den er­schei­ne es un­mög­lich, ei­ne der­art häu­fig funk­tio­nie­ren­de Ab­schalt­ein­rich­tung mit ei­ner die­ser Aus­nah­men zu recht­fer­ti­gen.

Drit­tens fragt sich das vor­le­gen­de Ge­richt, ob die Tat­sa­che, dass ein Fahr­zeug mit ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 aus­ge­rüs­tet sei, de­ren Ver­wen­dung nach Art. 5 II die­ser Ver­ord­nung ver­bo­ten sei, als ge­ring­fü­gi­ge Ver­trags­wid­rig­keit i. S. von Art. 3 VI der Richt­li­nie 1999/44/EG ein­ge­stuft wer­den kön­ne, da der be­trof­fe­ne Ver­brau­cher, selbst wenn er Kennt­nis von der Exis­tenz und dem Funk­tio­nie­ren die­ser Ein­rich­tung ge­habt hät­te, die­ses Fahr­zeug trotz­dem ge­kauft hät­te.

Un­ter die­sen Um­stän­den hat der Obers­te Ge­richts­hof be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem EuGH fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen:

  1. Ist Art. 2 II lit. d der Richt­li­nie 1999/44/EG da­hin aus­zu­le­gen, dass ein Kraft­fahr­zeug, das in den An­wen­dungs­be­reich der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 fällt, je­ne Qua­li­tät auf­weist, die bei Gü­tern der glei­chen Art üb­lich ist und die der Ver­brau­cher ver­nünf­ti­ger­wei­se er­war­ten kann, wenn das Fahr­zeug mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 3 Nr. 10 und Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 aus­ge­stat­tet ist, die Fahr­zeug­ty­pe aber den­noch über ei­ne auf­rech­te EG?Typ­ge­neh­mi­gung ver­fügt, so­dass das Fahr­zeug im Stra­ßen­ver­kehr ver­wen­det wer­den kann?
  2. Ist Art. 5 II lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 da­hin aus­zu­le­gen, dass ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 3 Nr. 10 die­ser Ver­ord­nung, die der­art kon­stru­iert ist, dass die Ab­gas­rück­füh­rung au­ßer­halb des Prüf­be­triebs un­ter La­bor­be­din­gun­gen im rea­len Fahr­be­trieb nur dann voll zum Ein­satz kommt, wenn die Au­ßen­tem­pe­ra­tur in­ner­halb des Ther­mo­fens­ters liegt, nach Art. 5 II lit. a die­ser Ver­ord­nung zu­läs­sig sein kann, oder schei­det die An­wen­dung der ge­nann­ten Aus­nah­me­be­stim­mung schon we­gen der Ein­schrän­kung der vol­len Wirk­sam­keit der Ab­gas­rück­füh­rung auf Be­din­gun­gen, die in Tei­len der Eu­ro­päi­schen Uni­on nur in et­wa der Hälf­te des Jah­res vor­lie­gen, von vorn­her­ein aus?
  3. Ist Art. 3 VI der Richt­li­nie 1999/44/EG da­hin aus­zu­le­gen, dass ei­ne Ver­trags­wid­rig­keit, die in der Aus­stat­tung ei­nes Fahr­zeugs mit ei­ner nach Art. 3 Nr. 10 i. V. mit Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung liegt, dann als ge­ring­fü­gig im Sin­ne der ge­nann­ten Be­stim­mung zu qua­li­fi­zie­ren ist, wenn der Über­neh­mer das Fahr­zeug in Kennt­nis ih­res Vor­han­den­seins und ih­rer Wir­kungs­wei­se den­noch er­wor­ben hät­te?

Der EuGH hat die Vor­la­ge­fra­gen wie aus den Leit­sät­zen er­sicht­lich be­ant­wor­tet.

Aus den Grün­den: Zur ers­ten Fra­ge

[46]   Mit sei­ner ers­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt im We­sent­li­chen wis­sen, ob Art. 2 II lit. d der Richt­li­nie 1999/44/EG da­hin aus­zu­le­gen ist, dass ein Kraft­fahr­zeug, das in den An­wen­dungs­be­reich der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 fällt, die Qua­li­tät auf­weist, die bei Gü­tern der glei­chen Art üb­lich ist und die der Ver­brau­cher ver­nünf­ti­ger­wei­se er­war­ten kann, und so­mit zu ver­mu­ten ist, dass es dem Kauf­ver­trag über die­ses Fahr­zeugs ent­spricht, wenn es, ob­wohl es über ei­ne gül­ti­ge EG?Typ­ge­neh­mi­gung ver­fügt und da­her im Stra­ßen­ver­kehr ver­wen­det wer­den kann, mit ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­stat­tet ist, de­ren Ver­wen­dung nach Art. 5 II die­ser Ver­ord­nung ver­bo­ten ist.

[47]   Art. 2 I der Richt­li­nie 1999/44 ver­pflich­tet den Ver­käu­fer, dem Ver­brau­cher dem Kauf­ver­trag ge­mä­ße Gü­ter zu lie­fern.

[48]   Nach Art. 2 II lit. d die­ser Richt­li­nie wird ver­mu­tet, dass Ver­brauchs­gü­ter ver­trags­ge­mäß sind, wenn sie ei­ne Qua­li­tät und Leis­tun­gen auf­wei­sen, die bei Gü­tern der glei­chen Art üb­lich sind und die der Ver­brau­cher ver­nünf­ti­ger­wei­se er­war­ten kann, wenn un­ter an­de­rem die Be­schaf­fen­heit des Gu­tes in Be­tracht ge­zo­gen wird.

[49]   In Be­zug auf ein Ver­brauchs­gut wie das im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de, näm­lich ein Kraft­fahr­zeug, ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass Art. 3 Nr. 5 der Richt­li­nie 2007/46/EG2Richt­li­nie 2007/46/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 05.09.2007 zur Schaf­fung ei­nes Rah­mens für die Ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen und Kraft­fahr­zeug­an­hän­gern so­wie von Sys­te­men, Bau­tei­len und selbst­stän­di­gen tech­ni­schen Ein­hei­ten für die­se Fahr­zeu­ge (Rah­men­richt­li­nie), ABl. 2007 L 263, 1. die „EG?Typ­ge­neh­mi­gung“ de­fi­niert als „das Ver­fah­ren, nach dem ein Mit­glied­staat be­schei­nigt, dass ein Typ ei­nes Fahr­zeugs, ei­nes Sys­tems, ei­nes Bau­teils oder ei­ner selbst­stän­di­gen tech­ni­schen Ein­heit den ein­schlä­gi­gen Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten und tech­ni­schen An­for­de­run­gen die­ser Richt­li­nie und der in An­hang IV oder XI auf­ge­führ­ten Rechts­ak­te ent­spricht“. Die­ser An­hang IV („Für die EG?Typ­ge­neh­mi­gung von Fahr­zeu­gen an­zu­wen­den­de Vor­schrif­ten“) ver­weist in sei­nem Teil I („Auf­stel­lung der Rechts­ak­te für die EG?Typ­ge­neh­mi­gung von in un­be­grenz­ter Se­rie her­ge­stell­ten Fahr­zeu­gen“) für „Emis­sio­nen leich­ter Pkw und Nutz­fahr­zeu­ge (Eu­ro 5 und 6)/​Zu­gang zu In­for­ma­tio­nen“ auf die Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007.

[50]   Fer­ner ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass nach Art. 4 III Un­ter­ab­satz 1 der Richt­li­nie die Mit­glied­staa­ten die Zu­las­sung, den Ver­kauf oder die In­be­trieb­nah­me von Fahr­zeu­gen nur ge­stat­ten, wenn die­se den An­for­de­run­gen die­ser Richt­li­nie ent­spre­chen.

[51]   Schließ­lich weist nach Art. 4 I der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 der Her­stel­ler nach, dass al­le von ihm ver­kauf­ten, zu­ge­las­se­nen oder in der Uni­on in Be­trieb ge­nom­me­nen Neu­fahr­zeu­ge über ei­ne Typ­ge­neh­mi­gung ge­mäß die­ser Ver­ord­nung und ih­ren Durch­füh­rungs­maß­nah­men ver­fü­gen.

[52]   Aus den in den Rand­num­mern 49 bis 51 des vor­lie­gen­den Ur­teils ge­nann­ten Be­stim­mun­gen er­gibt sich zum ei­nen, dass die Fahr­zeu­ge, die in den Gel­tungs­be­reich der Richt­li­nie 2007/46/EG fal­len, ei­ner Typ­ge­neh­mi­gung be­dür­fen, und zum an­de­ren, dass die­se Typ­ge­neh­mi­gung nur er­teilt wer­den kann, wenn der frag­li­che Fahr­zeug­typ den Be­stim­mun­gen der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007, ins­be­son­de­re de­nen über Emis­sio­nen, zu de­nen Art. 5 die­ser Ver­ord­nung ge­hört, ent­spricht.

[53]   Au­ßer­dem legt der Her­stel­ler nach Art. 18 I der Richt­li­nie 2007/46/EG in sei­ner Ei­gen­schaft als In­ha­ber ei­ner EG?Typ­ge­neh­mi­gung für Fahr­zeu­ge je­dem voll­stän­di­gen, un­voll­stän­di­gen oder ver­voll­stän­dig­ten Fahr­zeug, das in Über­ein­stim­mung mit dem ge­neh­mig­ten Typ her­ge­stellt wur­de, ei­ne Über­ein­stim­mungs­be­schei­ni­gung bei. Nach Art. 26 I der Richt­li­nie 2007/46/EG ist die­se Be­schei­ni­gung für die Zu­las­sung, den Ver­kauf oder die In­be­trieb­nah­me ei­nes Fahr­zeugs zwin­gend vor­ge­schrie­ben.

[54]   Wenn ein Ver­brau­cher ein Fahr­zeug er­wirbt, das zur Se­rie ei­nes ge­neh­mig­ten Fahr­zeug­typs ge­hört und so­mit mit ei­ner Über­ein­stim­mungs­be­schei­ni­gung ver­se­hen ist, kann er ver­nünf­ti­ger­wei­se er­war­ten, dass die Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 und ins­be­son­de­re de­ren Art. 5 bei die­sem Fahr­zeug ein­ge­hal­ten wer­den, und zwar auch oh­ne spe­zi­fi­sche Ver­trags­klau­seln.

[55]   Da­her ist Art. 2 II lit. d der Richt­li­nie 1999/44/EG da­hin aus­zu­le­gen, dass ein Fahr­zeug, das den An­for­de­run­gen die­ses Art. 5 nicht ent­spre­chen wür­de, nicht die Qua­li­tät und Leis­tun­gen auf­wei­sen wür­de, die bei Gü­tern der glei­chen Art üb­lich sind und die der Ver­brau­cher im Hin­blick auf die Be­schaf­fen­heit des Gu­tes ver­nünf­ti­ger­wei­se er­war­ten kann.

[56]   Wie der Ge­ne­ral­an­walt in Num­mer 149 sei­ner Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, wird die­se Aus­le­gung nicht da­durch in­fra­ge ge­stellt, dass der frag­li­che Fahr­zeug­typ über ei­ne EG?Typ­ge­neh­mi­gung ver­fügt, so­dass das Fahr­zeug im Stra­ßen­ver­kehr ver­wen­det wer­den kann. Die Richt­li­nie 2007/46/EG be­trach­tet näm­lich den Fall, dass die Rechts­wid­rig­keit ei­nes Bau­teils ei­nes Fahr­zeugs, zum Bei­spiel im Hin­blick auf die An­for­de­run­gen von Art. 5 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007, erst nach die­ser Ge­neh­mi­gung ent­deckt wird. So sieht Art. 8 VI der Richt­li­nie 2007/46/EG vor, dass die Ge­neh­mi­gungs­be­hör­de die Typ­ge­neh­mi­gung ei­nes Fahr­zeugs ent­zie­hen kann. Au­ßer­dem er­gibt sich aus Art. 13 I 1 und 3 die­ser Richt­li­nie, dass ein Mit­glied­staat, der die EG?Typ­ge­neh­mi­gung er­teilt hat, dann, wenn ihn der Her­stel­ler über ei­ne Än­de­rung der An­ga­ben in den Be­schrei­bungs­un­ter­la­gen un­ter­rich­tet, im Be­neh­men mit dem Her­stel­ler ent­schei­den kann, dass ei­ne neue EG?Typ­ge­neh­mi­gung zu er­tei­len ist, so­fern dies er­for­der­lich ist.

[57]   Dies scheint hier der Fall zu sein, da nach dem Vor­la­ge­be­schluss der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Fahr­zeug­typ ur­sprüng­lich vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt ge­neh­migt wur­de, oh­ne dass dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt das Vor­han­den­sein der Um­schalt­lo­gik of­fen­ge­legt wur­de. Au­ßer­dem er­gibt sich aus die­ser Ent­schei­dung, dass das Kraft­fahrt-Bun­des­amt, wenn es von der Um­schalt­lo­gik Kennt­nis ge­habt hät­te, kei­ne EG?Typ­ge­neh­mi­gung für die­sen Fahr­zeug­typ er­teilt hät­te.

[58]   Da­her ist auf die ers­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 2 II lit. d der Richt­li­nie 1999/44/EG da­hin aus­zu­le­gen ist, dass ein Kraft­fahr­zeug, das in den An­wen­dungs­be­reich der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 fällt, nicht die Qua­li­tät auf­weist, die bei Gü­tern der glei­chen Art üb­lich ist und die der Ver­brau­cher ver­nünf­ti­ger­wei­se er­war­ten kann, wenn es, ob­wohl es über ei­ne gül­ti­ge EG?Typ­ge­neh­mi­gung ver­fügt und da­her im Stra­ßen­ver­kehr ver­wen­det wer­den kann, mit ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­stat­tet ist, de­ren Ver­wen­dung nach Art. 5 II die­ser Ver­ord­nung ver­bo­ten ist.

Zur zwei­ten Fra­ge

[59]   Mit sei­ner zwei­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt im We­sent­li­chen wis­sen, ob Art. 5 II lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass nach die­ser Be­stim­mung ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung not­wen­dig sein kann, die un­ter an­de­rem die Ein­hal­tung der in die­ser Ver­ord­nung vor­ge­se­he­nen Emis­si­ons­grenz­wer­te nur in­ner­halb des Ther­mo­fens­ters ge­währ­leis­tet, so­dass die Ab­gas­rück­füh­rung in ei­nem Teil des Uni­ons­ge­biets le­dig­lich für un­ge­fähr sechs Mo­na­te pro Jahr voll funk­tio­niert.

[60]   Nach Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ist die Ver­wen­dung von Ab­schalt­ein­rich­tun­gen, die die Wir­kung von Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­men ver­rin­gern, un­zu­läs­sig. Von die­sem Ver­bot gibt es je­doch drei Aus­nah­men, dar­un­ter die in Art. 5 II lit. a, näm­lich wenn „die Ein­rich­tung not­wen­dig ist, um den Mo­tor vor Be­schä­di­gung oder Un­fall zu schüt­zen und um den si­che­ren Be­trieb des Fahr­zeugs zu ge­währ­leis­ten“.

[61]   Da sie ei­ne Aus­nah­me vom Ver­bot der Ver­wen­dung von Ab­schalt­ein­rich­tun­gen ent­hält, die die Wir­kung von Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­men ver­rin­gern, ist die­se Be­stim­mung eng aus­zu­le­gen (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 17.12.2020 – C-693/18, EU:C:2020:1040 Rn. 111 und 112 – CLCV u. a. [Ab­schalt­ein­rich­tung für Die­sel­mo­to­ren]).

[62]   Was zu­nächst den Be­griff „Mo­tor“ be­trifft, un­ter­schei­det An­hang I der Ver­ord­nung Nr. 692/2008, wie der Ge­ne­ral­an­walt in den Num­mern 118 und 119 sei­ner Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, aus­drück­lich zwi­schen dem Mo­tor und dem Emis­si­ons­min­de­rungs­sys­tem. Die Vor­ga­ben für den „Mo­tor“ sind näm­lich in Ab­satz 3.​3.​1.​2 die­ses An­hangs auf­ge­führt, wäh­rend die Vor­ga­ben für die „Pa­ra­me­ter des Emis­si­ons­min­de­rungs­sys­tems“ in Ab­satz 3.​3.​1.​3 die­ses An­hangs ent­hal­ten sind. Die­ser letz­te Ab­satz um­fasst un­ter den Buch­sta­ben a und c aus­drück­lich Par­ti­kel­fil­ter und die Ab­gas­rück­füh­rung. Au­ßer­dem gel­ten nach Art. 10 I Un­ter­ab­satz 2 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 692/2008 Par­ti­kel­fil­ter für die Zwe­cke die­ser Ver­ord­nung als emis­si­ons­min­dern­de Ein­rich­tun­gen.

[63]   Folg­lich sind das AGR-Ven­til, der AGR-Küh­ler und die Die­sel­par­ti­kel­fil­ter, die nach den An­ga­ben der Por­sche In­ter Au­to GmbH & Co. KG, durch das Ther­mo­fens­ter ge­schont wer­den sol­len, vom Mo­tor ge­trenn­te Bau­tei­le. Das AGR-Ven­til be­fin­det sich näm­lich in un­mit­tel­ba­rer Nä­he des Mo­tor­blocks, di­rekt am An­satz des Aus­puff­krüm­mers. Wird das AGR-Ven­til ge­öff­net, ge­lan­gen die Ab­ga­se in den Gas­an­saug­krüm­mer, da­mit sie ein zwei­tes Mal ver­brannt und mit­tels ei­nes Wär­me­tau­schers, dem AGR-Küh­ler, ge­kühlt wer­den. Der Par­ti­kel­fil­ter, der sich vor dem Aus­puff­rohr be­fin­det, er­mög­licht es sei­ner­seits, die Luft zu fil­tern, um ver­schmut­zen­de Fein­staub­par­ti­kel auf­zu­fan­gen.

[64]   Was so­dann die Be­grif­fe „Un­fall“ und „Be­schä­di­gung“ in Art. 5 II lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 be­trifft, hat der EuGH ent­schie­den, dass ei­ne die Wir­kung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems ver­rin­gern­de Ab­schalt­ein­rich­tung, um nach die­ser Be­stim­mung zu­läs­sig zu sein, es er­mög­li­chen muss, den Mo­tor vor plötz­li­chen und au­ßer­ge­wöhn­li­chen Schä­den zu schüt­zen (EuGH, Urt. v. 17.12.2020 – C-693/18, EU:C:2020:1040 Rn. 109 – CLCV u. a. [Ab­schalt­ein­rich­tung für Die­sel­mo­to­ren]).

[65]   Die Ver­schmut­zung und der Ver­schleiß des Mo­tors kön­nen da­her je­den­falls nicht als „Be­schä­di­gung“ oder „Un­fall“ im Sin­ne der ge­nann­ten Be­stim­mung an­ge­se­hen wer­den, denn sie sind im Prin­zip vor­her­seh­bar und der nor­ma­len Funk­ti­ons­wei­se des Fahr­zeugs in­hä­rent (EuGH, Urt. v. 17.12.2020 – C-693/18, EU:C:2020:1040 Rn. 110 – CLCV u. a. [Ab­schalt­ein­rich­tung für Die­sel­mo­to­ren]).

[66]   Die­se Aus­le­gung wird durch das mit der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­folg­te Ziel be­stä­tigt, das dar­in be­steht, ein ho­hes Um­welt­schutz­ni­veau si­cher­zu­stel­len und in der Uni­on die Luft­qua­li­tät zu ver­bes­sern; dies im­pli­ziert ei­ne wirk­sa­me Ver­rin­ge­rung der Stick­stoff­oxid(NOX)-Emis­sio­nen wäh­rend der ge­sam­ten nor­ma­len Le­bens­dau­er der Fahr­zeu­ge. Das Ver­bot, auf das sich Art. 5 II die­ser Ver­ord­nung be­zieht, wür­de aus­ge­höhlt und je­der prak­ti­schen Wirk­sam­keit be­raubt, wenn es zu­läs­sig wä­re, dass die Her­stel­ler Fahr­zeu­ge al­lein des­halb mit sol­chen Ab­schalt­ein­rich­tun­gen aus­stat­ten, um den Mo­tor vor Ver­schmut­zung und Ver­schleiß zu schüt­zen (EuGH, Urt. v. 17.12.2020 – C-693/18, EU:C:2020:1040 Rn. 113 – CLCV u. a. [Ab­schalt­ein­rich­tung für Die­sel­mo­to­ren]).

[67]   Nur die un­mit­tel­ba­ren Ri­si­ken für den Mo­tor in Form von Be­schä­di­gung oder Un­fall, die beim Fah­ren ei­nes Fahr­zeugs ei­ne kon­kre­te Ge­fahr her­vor­ru­fen, kön­nen da­her die Ver­wen­dung ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung nach Art. 5 II lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 recht­fer­ti­gen.

[68]   Die Aus­le­gung des Be­griffs „Be­schä­di­gung“ durch den EuGH im Ur­teil vom 17.12.2020 – C-693/18, EU:C:2020:1040 – CLCV u. a. (Ab­schalt­ein­rich­tung für Die­sel­mo­to­ren) – wird nicht durch das Vor­brin­gen der deut­schen Re­gie­rung und je­nes der Por­sche In­ter Au­to GmbH & Co. KG in­fra­ge ge­stellt, wo­nach sich aus der eng­li­schen („da­ma­ge“) und der deut­schen („Be­schä­di­gung“) Sprach­fas­sung er­ge­be, dass die­ser Be­griff nicht nur plötz­li­che und un­vor­her­seh­ba­re Er­eig­nis­se er­fas­se.

[69]   Wie näm­lich zum ei­nen der Ge­ne­ral­an­walt in Num­mer 115 sei­ner Schluss­an­trä­ge im We­sent­li­chen aus­ge­führt hat, spre­chen die De­fi­ni­tio­nen des Be­griffs in der eng­li­schen und in der deut­schen Spra­che, ob­wohl sie im Un­ter­schied zu der De­fi­ni­ti­on des­sel­ben Be­griffs („dégâts“) in der fran­zö­si­schen Spra­che nicht zwangs­läu­fig be­deu­ten, dass ei­ne Be­schä­di­gung auf ein „plötz­li­ches“ Er­eig­nis zu­rück­zu­füh­ren ist, nicht ge­gen die Aus­le­gung des Be­griffs „Be­schä­di­gung“, die der EuGH vor­ge­nom­men hat. Zum an­de­ren ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die vom EuGH vor­ge­nom­me­ne en­ge Aus­le­gung auf den in den Rand­num­mern 61 und 66 des vor­lie­gen­den Ur­teils an­ge­führ­ten Grün­den be­ruht.

[70]   Die deut­sche Re­gie­rung, die Por­sche In­ter Au­to GmbH & Co. KG und die Volks­wa­gen AG ma­chen je­doch gel­tend, dass die frag­li­che Ab­schalt­ein­rich­tung not­wen­dig sei, da sich bei zu nied­ri­gen oder zu ho­hen Tem­pe­ra­tu­ren Ab­la­ge­run­gen bei der Ab­gas­rück­füh­rung bil­den könn­ten und auf die­se Wei­se zu ei­ner fal­schen Stel­lung des AGR-Ven­tils, das heißt bei­spiels­wei­se da­zu, dass sich ein Ven­til nicht mehr öff­ne oder nicht mehr kor­rekt schlie­ßen las­se, oder so­gar zu ei­ner voll­stän­di­gen Blo­ckie­rung die­ses Ven­tils füh­ren könn­ten. Ein be­schä­dig­tes oder schlecht po­si­tio­nier­tes AGR-Ven­til kön­ne je­doch Be­schä­di­gun­gen am Mo­tor selbst ver­ur­sa­chen und ins­be­son­de­re zu Leis­tungs­ver­lus­ten des Fahr­zeugs füh­ren. Au­ßer­dem sei nicht vor­her­seh­bar und kal­ku­lier­bar, wann die Aus­fall­gren­ze des AGR-Ven­tils er­reicht wer­de, da die­se Gren­ze plötz­lich und un­vor­her­seh­bar über­schrit­ten wer­den kön­ne, selbst wenn ei­ne re­gel­mä­ßi­ge War­tung die­ses Ven­tils vor­ge­nom­men wer­de. Leis­tungs­ver­lus­te des Fahr­zeugs, die plötz­lich und un­vor­her­seh­bar auf­trä­ten, be­ein­träch­tig­ten den si­che­ren Be­trieb des Fahr­zeugs, in­dem zum Bei­spiel die Ge­fahr ei­nes schwe­ren Ver­kehrs­un­falls bei ei­nem Über­hol­vor­gang er­heb­lich er­höht wer­de.

[71]   Die Por­sche In­ter Au­to GmbH & Co. KG und die Volks­wa­gen AG ma­chen fer­ner gel­tend, dass die Ver­sot­tung von Bau­tei­len des Ab­gas­rück­füh­rungs­sys­tems da­durch, dass sie ei­ne Fehl­funk­ti­on des AGR-Ven­tils bis hin zu des­sen Ver­klem­men her­vor­ru­fen kön­ne, zu ei­nem Durch­brand des Die­sel­par­ti­kel­fil­ters und ei­nem Mo­tor­brand oder so­gar, als Fol­ge da­von, ei­nem Brand des ge­sam­ten Fahr­zeugs füh­ren kön­ne, was den si­che­ren Be­trieb des Fahr­zeugs ge­fähr­de.

[72]   In­so­weit ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass schon dem Wort­laut von Art. 5 II lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 zu ent­neh­men ist, dass ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung, um un­ter die in die­ser Be­stim­mung ent­hal­te­ne Aus­nah­me zu fal­len, nicht nur not­wen­dig sein muss, um den Mo­tor vor Be­schä­di­gung oder Un­fall zu schüt­zen, son­dern auch, um den si­che­ren Be­trieb des Fahr­zeugs zu ge­währ­leis­ten. Wie der Ge­ne­ral­an­walt in Num­mer 106 sei­ner Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, ist die­se Be­stim­mung näm­lich an­ge­sichts der Ver­wen­dung der Kon­junk­ti­on „und“ da­hin aus­zu­le­gen, dass die dar­in vor­ge­se­he­nen Vor­aus­set­zun­gen ku­mu­la­tiv sind.

[73]   Da­her kann in An­be­tracht der Tat­sa­che, dass die­se Aus­nah­me, wie in Ran­dum­mer 61 des vor­lie­gen­den Ur­teils aus­ge­führt, eng aus­zu­le­gen ist, ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de nur dann aus­nahms­wei­se zu­läs­sig sein, wenn nach­ge­wie­sen ist, dass die­se Ein­rich­tung aus­schließ­lich not­wen­dig ist, um die durch ei­ne Fehl­funk­ti­on ei­nes Bau­teils des Ab­gas­rück­füh­rungs­sys­tems ver­ur­sach­ten un­mit­tel­ba­ren Ri­si­ken für den Mo­tor in Form von Be­schä­di­gung oder Un­fall zu ver­mei­den, Ri­si­ken, die so schwer wie­gen, dass sie ei­ne kon­kre­te Ge­fahr beim Be­trieb des mit die­ser Ein­rich­tung aus­ge­stat­te­ten Fahr­zeugs dar­stel­len. Wie der Ge­ne­ral­an­walt in Nr. 126 sei­ner Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, ge­hört ei­ne sol­che Prü­fung je­doch im Aus­gangs­rechts­streit zur Wür­di­gung des Sach­ver­halts, die al­lein Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts ist.

[74]   Au­ßer­dem trifft es zwar zu, dass Art. 5 II lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 for­mell kei­ne wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen für die An­wen­dung der in die­ser Be­stim­mung vor­ge­se­he­nen Aus­nah­me vor­schreibt. Doch wür­de ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung, die un­ter nor­ma­len Be­triebs­be­din­gun­gen den über­wie­gen­den Teil des Jah­res funk­tio­nie­ren müss­te, da­mit der Mo­tor vor Be­schä­di­gung oder Un­fall ge­schützt und der si­che­re Be­trieb des Fahr­zeugs ge­währ­leis­tet wä­re, of­fen­sicht­lich dem mit die­ser Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­folg­ten Ziel, von dem die­se Be­stim­mung nur un­ter ganz be­son­de­ren Um­stän­den ei­ne Ab­wei­chung zu­lässt, zu­wi­der­lau­fen und zu ei­ner un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Be­ein­träch­ti­gung des Grund­sat­zes der Be­gren­zung der Stick­stoff­oxid(NOX)-Emis­sio­nen von Fahr­zeu­gen füh­ren.

[75]   In An­be­tracht der Tat­sa­che, dass Art. 5 II lit. a eng aus­zu­le­gen ist, kann ei­ne sol­che Ab­schalt­ein­rich­tung da­her nicht im Sin­ne die­ser Be­stim­mung not­wen­dig sein.

[76]   Lie­ße man zu, dass ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung, wie sie in Rand­num­mer 74 des vor­lie­gen­den Ur­teils be­schrie­ben ist, un­ter die in Art. 5 II lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 vor­ge­se­he­ne Aus­nah­me fal­len könn­te, wür­de dies da­zu füh­ren, dass die­se Aus­nah­me wäh­rend des über­wie­gen­den Teils ei­nes Jah­res un­ter den im Uni­ons­ge­biet herr­schen­den tat­säch­li­chen Fahr­be­din­gun­gen an­wend­bar wä­re, so­dass der in Art. 5 II der Ver­ord­nung auf­ge­stell­te Grund­satz des Ver­bots sol­cher Ab­schalt­ein­rich­tun­gen in der Pra­xis we­ni­ger häu­fig zur An­wen­dung kom­men könn­te als die­se Aus­nah­me.

[77]   Die Por­sche In­ter Au­to GmbH & Co. KG und die Volks­wa­gen AG so­wie die deut­sche Re­gie­rung ma­chen fer­ner gel­tend, dass die „Not­wen­dig­keit“ ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung nicht die best­mög­li­che Tech­nik er­for­de­re und dass der Stand der Tech­nik zum Zeit­punkt der EG?Typ­ge­neh­mi­gung zu be­rück­sich­ti­gen sei, um zu be­ur­tei­len, ob die­se Not­wen­dig­keit im Hin­blick auf den Schutz des Mo­tors und den si­che­ren Be­trieb des Fahr­zeugs i. S. von Art. 5 II lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ge­ge­ben sei. Die Ver­wen­dung ei­nes AGR-Sys­tems, das mit Ther­mo­fens­tern in je nach Ge­neh­mi­gungs­zeit­punkt un­ter­schied­li­chem Um­fang ar­bei­te, ent­spre­che aber un­strei­tig dem Stand der Tech­nik. Au­ßer­dem müs­se bei der Aus­le­gung des Be­griffs „not­wen­dig“ in die­ser Be­stim­mung dem Er­for­der­nis Rech­nung ge­tra­gen wer­den, die Um­welt­in­ter­es­sen ge­gen die wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen der Her­stel­ler ab­zu­wä­gen.

[78]   Wie der Ge­ne­ral­an­walt in Num­mer 129 sei­ner Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, geht zum ei­nen aus dem sieb­ten Er­wä­gungs­grund der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 her­vor, dass der Uni­ons­ge­setz­ge­ber bei der Fest­le­gung der Grenz­wer­te für Schad­stoff­emis­sio­nen die In­ter­es­sen der Au­to­mo­bil­her­stel­ler und ins­be­son­de­re die Kos­ten, die den Un­ter­neh­men durch die er­for­der­li­che Ein­hal­tung die­ser Wer­te auf­er­legt wer­den, be­rück­sich­tigt hat. Es ist so­mit Sa­che der Her­stel­ler, die tech­ni­schen Vor­rich­tun­gen an­zu­pas­sen und an­zu­wen­den, da­mit die­se Grenz­wer­te ein­ge­hal­ten wer­den, wo­bei die­se Ver­ord­nung kei­nes­wegs den Ein­satz ei­ner be­stimm­ten Tech­no­lo­gie vor­schreibt.

[79]   Zum an­de­ren im­pli­ziert, wie in Rand­num­mer 66 des vor­lie­gen­den Ur­teils aus­ge­führt, das mit der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­folg­te Ziel, das dar­in be­steht, ein ho­hes Um­welt­schutz­ni­veau si­cher­zu­stel­len und die Luft­qua­li­tät in der Uni­on zu ver­bes­sern, ei­ne wirk­sa­me Ver­rin­ge­rung der Stick­stoff­oxid(NOX)-Emis­sio­nen wäh­rend der ge­sam­ten nor­ma­len Le­bens­dau­er der Fahr­zeu­ge (EuGH, Urt. v. 17.12.2020 – C-693/18, EU:C:2020:1040 Rn. 113 – CLCV u. a. [Ab­schalt­ein­rich­tung für Die­sel­mo­to­ren]). Wenn aber ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung nach Art. 5 II lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 al­lein des­halb zu­ge­las­sen wür­de, weil zum Bei­spiel die Kos­ten für die For­schung hoch sind, die tech­ni­sche Aus­rüs­tung teu­er ist oder für den Nut­zer häu­fi­ge­re und kost­spie­li­ge­re War­tungs­ar­bei­ten am Fahr­zeug an­fal­len, wür­de die­ses Ziel in­fra­ge ge­stellt.

[80]   Un­ter die­sen Um­stän­den und un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Tat­sa­che, dass die­se Be­stim­mung, wie in den Rand­num­mern 61 und 73 des vor­lie­gen­den Ur­teils aus­ge­führt, eng aus­zu­le­gen ist, ist da­von aus­zu­ge­hen, dass ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung nur dann „not­wen­dig“ im Sin­ne die­ser Be­stim­mung ist, wenn zum Zeit­punkt der EG?Typ­ge­neh­mi­gung die­ser Ein­rich­tung oder des mit ihr aus­ge­stat­te­ten Fahr­zeugs kei­ne an­de­re tech­ni­sche Lö­sung un­mit­tel­ba­re Ri­si­ken für den Mo­tor in Form von Be­schä­di­gung oder Un­fall, die beim Fah­ren ei­nes Fahr­zeugs ei­ne kon­kre­te Ge­fahr her­vor­ru­fen, ab­wen­den kann.

[81]   Folg­lich ist auf die zwei­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 5 II lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung, die ins­be­son­de­re die Ein­hal­tung der in die­ser Ver­ord­nung vor­ge­se­he­nen Emis­si­ons­grenz­wer­te nur in­ner­halb des Ther­mo­fens­ters ge­währ­leis­tet, nach die­ser Be­stim­mung al­lein un­ter der Vor­aus­set­zung zu­läs­sig sein kann, dass nach­ge­wie­sen ist, dass die­se Ein­rich­tung aus­schließ­lich not­wen­dig ist, um die durch ei­ne Fehl­funk­ti­on ei­nes Bau­teils des Ab­gas­rück­füh­rungs­sys­tems ver­ur­sach­ten un­mit­tel­ba­ren Ri­si­ken für den Mo­tor in Form von Be­schä­di­gung oder Un­fall zu ver­mei­den, Ri­si­ken, die so schwer wie­gen, dass sie ei­ne kon­kre­te Ge­fahr beim Be­trieb des mit die­ser Ein­rich­tung aus­ge­stat­te­ten Fahr­zeugs dar­stel­len. Ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung, die un­ter nor­ma­len Be­triebs­be­din­gun­gen den über­wie­gen­den Teil des Jah­res funk­tio­nie­ren müss­te, da­mit der Mo­tor vor Be­schä­di­gung oder Un­fall ge­schützt und der si­che­re Be­trieb des Fahr­zeugs ge­währ­leis­tet ist, kann je­den­falls nicht un­ter die in Art. 5 II lit. a der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 vor­ge­se­he­ne Aus­nah­me fal­len.

Zur drit­ten Fra­ge

[82]   Mit sei­ner drit­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt im We­sent­li­chen wis­sen, ob Art. 3 VI der Richt­li­nie 1999/44/EG da­hin aus­zu­le­gen ist, dass ei­ne Ver­trags­wid­rig­keit, die dar­in be­steht, dass ein Fahr­zeug mit ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­rüs­tet ist, de­ren Ver­wen­dung nach Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­bo­ten ist, als „ge­ring­fü­gig“ ein­ge­stuft wer­den kann, wenn der Ver­brau­cher – falls er von der Exis­tenz und dem Be­trieb die­ser Ein­rich­tung Kennt­nis ge­habt hät­te – die­ses Fahr­zeug den­noch ge­kauft hät­te.

[83]   Nach Art. 2 III der Richt­li­nie 1999/44/EG liegt kei­ne Ver­trags­wid­rig­keit vor, wenn der Ver­brau­cher zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses Kennt­nis von der Ver­trags­wid­rig­keit hat­te oder ver­nünf­ti­ger­wei­se nicht in Un­kennt­nis dar­über sein konn­te oder wenn die Ver­trags­wid­rig­keit auf den vom Ver­brau­cher ge­lie­fer­ten Stoff zu­rück­zu­füh­ren ist.

[84]   Wie der Ge­ne­ral­an­walt in Num­mer 158 sei­ner Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, ist die­se Be­stim­mung im Aus­gangs­ver­fah­ren je­doch nicht an­wend­bar, da nicht be­strit­ten wird, dass DS zum Zeit­punkt des Kaufs des frag­li­chen Fahr­zeugs kei­ne Kennt­nis von der an­geb­li­chen Ver­trags­wid­rig­keit hat­te und ver­nünf­ti­ger­wei­se auch nicht ha­ben konn­te.

[85]   Kei­nem sol­chen sub­jek­ti­ven Ele­ment un­ter­liegt hin­ge­gen die Fra­ge, ob ei­ne Ver­trags­wid­rig­keit i. S. von Art. 3 VI der Richt­li­nie 1999/44/EG „ge­ring­fü­gig“ ist oder nicht; hier­von hängt es ab, ob der Ver­brau­cher be­rech­tigt ist, die Ver­trags­auf­lö­sung zu ver­lan­gen.

[86]   Da­her ist der Um­stand, dass ein Ver­brau­cher nach dem Kauf ei­nes Ver­brauchs­gu­tes ein­räumt, dass er die­ses Gut ge­kauft hät­te, selbst wenn er Kennt­nis von ei­ner sol­chen Ver­trags­wid­rig­keit ge­habt hät­te, für die Fest­stel­lung, ob ei­ne Ver­trags­wid­rig­keit als „ge­ring­fü­gig“ ein­zu­stu­fen ist, un­er­heb­lich.

[87]   Im Lich­te die­ser Klar­stel­lung ist zu klä­ren, ob Art. 3 VI der Richt­li­nie 1999/44/EG da­hin aus­zu­le­gen ist, dass ei­ne Ver­trags­wid­rig­keit, die dar­in be­steht, dass ein Fahr­zeug mit ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­rüs­tet ist, de­ren Ver­wen­dung nach Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­bo­ten ist, als „ge­ring­fü­gig“ ein­ge­stuft wer­den kann.

[88]   Da die Richt­li­nie 1999/44/EG den Be­griff der „ge­ring­fü­gi­gen Ver­trags­ver­let­zung“ nicht de­fi­niert, ist er ent­spre­chend sei­nem üb­li­chen Sinn im ge­wöhn­li­chen Sprach­ge­brauch aus­zu­le­gen, wo­bei der Zu­sam­men­hang, in dem er ver­wen­det wird, und die Zie­le zu be­rück­sich­ti­gen sind, die mit der Re­ge­lung ver­folgt wer­den, zu der er ge­hört (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 09.07.2020 – C-264/19, EU:C:2020:542 Rn. 29 – Con­stan­tin Film Ver­leih; Urt. v. 03.06.2021 – C-650/18, EU:C:2021:426 Rn. 83 – Un­garn/​Par­la­ment).

[89]   Was zu­nächst den ge­wöhn­li­chen Sprach­ge­brauch des Be­griffs „ge­ring­fü­gig“ be­trifft, so nimmt der Be­griff „ge­ring­fü­gi­ge Ver­trags­ver­let­zung“ auf ei­ne Ver­trags­ver­let­zung ge­rin­ger Er­heb­lich­keit Be­zug.

[90]   Was so­dann den Zu­sam­men­hang be­trifft, in dem die­ser Be­griff ver­wen­det wird, ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass durch Art. 3 III, V und VI der Richt­li­nie 1999/44/EG ei­ne kla­re Ab­fol­ge bei der Durch­füh­rung der ver­schie­de­nen Ab­hil­fe­maß­nah­men fest­ge­legt wird, auf die der Ver­brau­cher bei Ver­trags­wid­rig­keit des Ver­brauchs­gu­tes An­spruch hat (EuGH, Urt. v. 23.05.2019 – C-52/18, EU:C:2019:447 Rn. 58 – Fül­la).

[91]   So hat der Ver­brau­cher nach Art. 3 III Un­ter­ab­satz 1 die­ser Richt­li­nie zu­nächst die un­ent­gelt­li­che Nach­bes­se­rung des Ver­brauchs­gu­tes oder ei­ne un­ent­gelt­li­che Er­satz­lie­fe­rung zu ver­lan­gen, so­fern dies nicht un­mög­lich oder un­ver­hält­nis­mä­ßig ist (EuGH, Urt. v. 23.05.2019 – C-52/18, EU:C:2019:447 Rn. 59 – Fül­la).

[92]   Nur wenn der Ver­brau­cher we­der auf die Nach­bes­se­rung noch auf die Er­satz­lie­fe­rung des ver­trags­wid­ri­gen Ver­brauchs­gu­tes ei­nen An­spruch hat oder wenn der Ver­käu­fer kei­ne die­ser Ab­hil­fe­maß­nah­men bin­nen ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist oder oh­ne er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­kei­ten für den Ver­brau­cher durch­ge­führt hat, kann der Ver­brau­cher ge­mäß Art. 3 V der Richt­li­nie 1999/44/EG ei­ne Ver­trags­auf­lö­sung ver­lan­gen, so­fern es sich nicht um ei­ne ge­ring­fü­gi­ge Ver­trags­wid­rig­keit i. S. von Art. 3 VI die­ser Richt­li­nie han­delt (EuGH, Urt. v. 23.05.2019 – C-52/18, EU:C:2019:447 Rn. 60 – Fül­la).

[93]   Was schließ­lich die Zie­le der Richt­li­nie 1999/44/EG be­trifft, ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass sich aus den Er­wä­gungs­grün­den 1 und 10 bis 12 die­ser Richt­li­nie er­gibt, dass sie ei­nen ge­rech­ten Aus­gleich zwi­schen den In­ter­es­sen des Ver­brau­chers und de­nen des Ver­käu­fers her­stel­len soll, in­dem sie dem Ver­brau­cher als schwä­che­rer Ver­trags­par­tei ei­nen um­fas­sen­den und wirk­sa­men Schutz da­ge­gen ge­währt, dass der Ver­käu­fer sei­ne ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen schlecht er­füllt, und zu­gleich er­laubt, vom Ver­käu­fer an­ge­führ­te wirt­schaft­li­che Über­le­gun­gen zu be­rück­sich­ti­gen (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-65/09 und C-87/09, EU:C:2011:396 Rn. 75 – Gebr. We­ber und Putz; Urt. v. 23.05.2019 – C-52/18, EU:C:2019:447 Rn. 41 und 52 – Fül­la).

[94]   Da­her kann, wie der Ge­ne­ral­an­walt in Num­mer 160 sei­ner Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, die Ver­trags­auf­lö­sung als gra­vie­rends­te Ab­hil­fe­mög­lich­keit für den Ver­brau­cher nur ver­langt wer­den, wenn die Ver­trags­wid­rig­keit hin­rei­chend er­heb­lich ist.

[95]   Was im vor­lie­gen­den Fall die Tat­sa­che be­trifft, dass ein Fahr­zeug mit ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­rüs­tet ist, de­ren Ver­wen­dung nach Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­bo­ten ist, geht aus den Rand­num­mern 49 bis 52 des vor­lie­gen­den Ur­teils her­vor, dass ein Fahr­zeug­typ, der ei­ne sol­che Ein­rich­tung ent­hält, nicht ge­neh­migt wer­den kann. Au­ßer­dem ist fest­zu­stel­len, dass ein sol­ches Fahr­zeug die in An­hang I die­ser Ver­ord­nung vor­ge­se­he­nen Emis­si­ons­grenz­wer­te nicht ein­zu­hal­ten ver­mag. Die Er­wä­gungs­grün­de 1 und 4 bis 6 die­ser Ver­ord­nung un­ter­strei­chen die Be­deu­tung des Um­welt­schut­zes und die Er­for­der­lich­keit, die Stick­stoff­oxid(NOX)-Emis­sio­nen bei Die­sel­fahr­zeu­gen er­heb­lich zu min­dern, um die Luft­qua­li­tät zu ver­bes­sern und die Luft­ver­schmut­zungs­grenz­wer­te ein­zu­hal­ten.

[96]   Da­her kann die Tat­sa­che, dass ein Fahr­zeug mit ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­rüs­tet ist, de­ren Ver­wen­dung nach Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­bo­ten ist, nicht als ge­ring­fü­gi­ge Ver­trags­wid­rig­keit i. S. von Art. 3 VI der Richt­li­nie 1999/44/EG an­ge­se­hen wer­den.

[97]   Folg­lich ist auf die drit­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 3 VI der Richt­li­nie 1999/44/EG da­hin aus­zu­le­gen ist, dass ei­ne Ver­trags­wid­rig­keit, die dar­in be­steht, dass ein Fahr­zeug mit ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung aus­ge­rüs­tet ist, de­ren Ver­wen­dung nach Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­bo­ten ist, nicht als „ge­ring­fü­gig“ ein­ge­stuft wer­den kann, selbst wenn der Ver­brau­cher – falls er von der Exis­tenz und dem Be­trieb die­ser Ein­rich­tung Kennt­nis ge­habt hät­te – die­ses Fahr­zeug den­noch ge­kauft hät­te.

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