- Wird ein Neuwagen ohne Wasserpumpenrad und damit mit einem Sachmangel ausgeliefert und muss deshalb die erste Fahrt mehrfach wegen einer erhöhten Kühlwassertemperatur unterbrochen werden, so besteht ein hinreichend konkreter Verdacht dafür, dass durch diese erste Fahrt ein Motorschaden angelegt wurde. Dieser konkrete Verdacht ist ebenfalls unter den Begriff des Sachmangels zu subsumieren, auch wenn er bei Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer noch nicht gegeben war.
- Die Kosten, die der Käufer eines Neuwagens für Winterräder aufwendet, sind zwar – anders als die Kosten für die Montage der Winterräder – keine notwendigen Verwendungen i. S. von § 347 II 1 BGB. Der Verkäufer kann diese Kosten dem Käufer nach einem wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag aber gemäß § 437 Nr. 3 Fall 2, § 284 BGB ersetzen müssen.
LG Schweinfurt, Urteil vom 07.10.2021 – 22 O 541/20
Sachverhalt: Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags.
Sie bestellte bei der Beklagten am 14.08.2020 für 27.858,10 € einen Neuwagen Opel Astra 1.6 BiTurbo Diesel mit einer Motorleistung von 110 kW. Geliefert wurde der Klägerin allerdings letztlich – absprachegemäß – ein Opel Astra 1.6 Diesel mit einer Motorleistung von 100 kW. Für dieses Fahrzeug zahlte die Klägerin an die Beklagte vereinbarungsgemäß 27.118,50 € und holte den Pkw am 28.10.2019 gemeinsam mit M bei der Beklagten in A. ab.
Auf der Rückfahrt von A. bemerkte die Klägerin nach wenigen Kilometern auf der Autobahn einen starken Anstieg der Kühlwassertemperatur; der Motor schaltete in den Notlauf. Die Klägerin hielt sofort an und informierte die Beklagte. M fuhr den Pkw in Absprache mit der Beklagten weiter bis zu einer Autobahnabfahrt; dabei wurde erneut der Notlauf aktiviert. Auf Höhe der Autobahnabfahrt W. wurde das Fahrzeug schließlich auf Weisung der Beklagten von einem ADAC-Mitarbeiter übernommen und zum Autohaus der Beklagten verbracht. Dort stellte sich heraus, dass die Fahrzeugherstellerin den Opel Astra ohne Wasserpumpenrad ausgeliefert hatte. Die Beklagte tauschte deshalb die Wasserpumpe aus.
Die Klägerin befürchtet, dass bei ihrem Fahrzeug infolge der Überhitzung des Motors ein Motorschaden eintreten wird. Diesbezüglich teilte ihr die Beklagte mit, eine Überprüfung des Motors habe ergeben, dass dieser keinen Schaden genommen habe.
Mit Schreiben vom 18.02.2020 forderte der spätere Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte zur Ersatzlieferung eines mangelfreien Opel Astra 1.6 Diesel auf. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 04.03.2020 ab. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 27.05.2020 den Rücktritt von dem streitgegenständlichen Kaufvertrag. Gleichzeitig forderte sie die Beklagte unter Fristsetzung auf, ihr – Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkw – den Kaufpreis zu erstatten. Auf diese Aufforderung reagierte die Beklagte nicht.
Die Klägerin macht geltend, durch die Überhitzung des Kühlwassers und in deren Folge des Motors sei ein Motorschaden angelegt worden, der zu einem frühzeitigen Ausfall des Motors führen werde. Neben optisch erkennbaren Schäden infolge der Überhitzung könnten auch Schäden am Motor und seinen Bestandteilen sowie den Anbauteilen entstehen, die rein optisch nicht zu erkennen seien, zum Beispiel Gefügeveränderungen des Materials, welche langfristig zu Motorschäden führen könnten. Zu berücksichtigen sei, dass sie – die Klägerin – das Fahrzeug mit einer Laufleistung von lediglich 10 km übernommen habe. Der Motor habe sich noch am Anfang seiner „Lebenszeit“ und insbesondere am Anfang der Einfahrphase befunden. Bei einem nicht eingefahrenen Motor verursachten Überhitzungen wesentlich größere Schäden als bei einem eingefahrenen Motor. Jedenfalls sei das Risiko von Dauer- und Folgeschäden deutlich erhöht. Deshalb stehe für sie, die Klägerin, fest, dass an dem streitgegenständlichen Motor durch die Überhitzung bereits ein Schaden eingetreten sei, auch wenn dieser sich derzeit noch nicht zeige und bei einer rein optischen Überprüfung derzeit noch nicht festgestellt werden könne. Zumindest aber sei ein Schaden angelegt worden; mittel- bis langfristig werde es zu einem erheblichen Motorschaden kommen.
In dem angelegten Motorschaden – so meint die Klägerin – liege für sich genommen bereits ein Mangel des Fahrzeugs, da es ihr nicht zuzumuten sei, den Pkw bis Eintritt des Motorschadens weiterzufahren und jederzeit damit rechnen zu müssen, dass sie mit dem Fahrzeug liegen bleibe. Auch könne ihr nicht zugemutet werden, den Pkw zu behalten, nur um eventuell kurz nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistungsfrist – wenn also die Beklagte nicht mehr für Mängel des Fahrzeugs hafte – einen kapitalen Motorschaden zu erleiden. Im Übrigen – so macht die Klägerin geltend – liege nach der Rechtsprechung des BGH ein Sachmangel bereits dann vor, wenn der bloße Verdacht eines gravierenden Mangels gegeben sei.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises (27.118,50 € nebst Zinsen), Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Pkw, in Anspruch genommen und die Feststellung begehrt, dass die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug ist. Außerdem hat sie die Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten (1.358,86 € nebst Zinsen) sowie die Zahlung weiterer 2.396,02 € nebst Zinsen verlangt. Der letztgenannte Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
Kosten für ein Privatgutachten | 1.129,07 € | |
Anschaffung und Montage von Winterrädern | + | 828,87 € |
Kosten für den Wechsel von Winter- auf Sommerräder | + | 59,80 € |
Marderschutzanlage (Anschaffung und Einbau) | + | 300,28 € |
Fahrtkosten (4 × 26 km × 0,25 €) | + | 78,00 € |
Gesamtbetrag | 2.396,02 € |
Sowohl die Marderschutzanlage als auch die Winterräder können jederzeit für ein anderes Fahrzeug verwendet werden.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie behauptet, dadurch, dass der Pkw der Klägerin ohne Wasserpumpenrad maximal 15 km – davon 10 km im Notlauf – zurückgelegt habe, habe der Motor keinen Schaden genommen. Sobald ein Motor aufgrund einer Fehlermeldung in den Notlauf schalte, würden die Motordrehzahl und das Drehmoment reduziert. Es komme zu einer reduzierten Leistung, das heißt, das betroffene Fahrzeug fahre nur noch mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit. Gerade bei neueren Fahrzeugen gewährleiste der Notlauf, dass der Motor einer thermischen Überbelastung für kurze Zeit standhalte. Die Kühlung des Motors erfolge nicht nur über das Kühlmittel im Kühlkreislauf; vielmehr seien dafür auch weitere Faktoren maßgeblich. Beispielsweise werde der Motor durch den Fahrtwind gekühlt. Dies sei auch im konkreten Fall geschehen. Denn die Klägerin sei nicht etwa im Stadtverkehr („Stop-and-go“) gefahren, sondern habe „freie Bahn“ gehabt. Außerdem sei die Außentemperatur bei der streitgegenständlichen Fahrt Ende Oktober 2019 so niedrig gewesen sei, dass auch sie zu einer Kühlung des Motors beigetragen habe.
Darüber hinaus hat die Beklagte geltend gemacht, dass die Klägerin ihr jedenfalls eine Nutzungsentschädigung für die mit dem Opel Astra gefahrenen Kilometer leisten müsse.
Die Klage hatte weit überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: A. … Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 27.118,50 €, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs Zahlung eines Wertersatzes von 2.015,70 € (s. sogleich unter I). Darüber hinaus hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 2.357,02 € (s. sodann unter II). Die Beklagte befindet sich mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Verzug (s. sodann unter III). Zudem stehen der Klägerin auch die geltend gemachten Nebenforderungen zu (s. letztlich unter IV).
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 27.118,50 €, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs und Zahlung eines Wertersatzes in Höhe von 2.015,70 €. Der Anspruch folgt aus § 346 I BGB i. V. mit § 437 Nr. 2 Fall 1, § 323 I BGB.
1. Die Parteien haben einen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug geschlossen.
2. Das Fahrzeug war bei Gefahrübergang mangelbehaftet i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB.
a) Gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Im Zeitpunkt des Gefahrübergangs fehlte in dem streitgegenständlichen Fahrzeug unstreitig das Wasserpumpenrad. Hierbei handelt es sich um einen Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB.
b) Infolge dieses Sachmangels ist eine weitergehende Verschlechterung des streitgegenständlichen Fahrzeugs eingetreten, welche ebenfalls als solche unter den Mangelbegriff zu subsumieren ist. Dies steht auf Basis der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest.
aa) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der hinreichend konkrete Verdacht eines Sachmangels, ohne dass er als solcher feststeht, bereits als solcher die Voraussetzungen von § 434 I BGB erfüllen kann (vgl. OLG Naumburg, Urt. v. 06.11.2008 – 1 U 30/08, OLGR 2009, 284, 285; vgl. in anderem Kontext BGH, Urt. v. 20.06.1968 – III ZR 32/66, WM 1968, 1220 = juris Rn. 28). Ein Mangel einer Sache kann entsprechend auch vorliegen, wenn ein bestehendes Risiko bei Verwendung der Sache nicht ausgeräumt werden kann (OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.2009 – I-22 U 166/08, BeckRS 2012, 7234).
bb) Der Sachverständige S führt in seinem schriftlichen Gutachten vom 04.05.2021 aus, dass unklar sei, wie sich die Erhöhung der Kühlwassertemperatur am 28.10.2019 gezeigt habe und wie ausgeprägt der Temperaturanstieg gewesen sei. Ob die Kühlwassertemperatur so hoch gewesen sei, dass das Fahrzeug tatsächlich in den Motornotlauf geschaltet habe, weil der Motor eventuell überhitzt gewesen sei, oder ob lediglich eine moderat erhöhte Kühlwassertemperatur vorgelegen habe, die einen Warnhinweis ausgelöst habe, sei nach Aktenlage und Schilderung der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen unklar. Ein erhöhter Anteil von Silizium im Motoröl könne viele Ursachen haben; jedoch sei ein Verschleiß an Bauteilen aus Aluminiumlegierungen nicht als „wahrscheinlichste Ursache“ zu bezeichnen. Gemäß des veranlassten aktuellen Laborbefunds lägen keine Siliziumanteile vor. Da ein Verschleiß an Aluminiumbauteilen des Motors kaum plötzlich aufhören würde, sei davon auszugehen, dass ein Verschleiß an Bauteilen aus Aluminiumlegierungen nicht die Ursache für den erhöhten Siliziumanteil bei der Öluntersuchung gewesen sei. Bei einer durchgeführten Probefahrt seien keine Mängel bezüglich Leistungsabgabe, Motorlauf und Geräuschemissionen während der Fahrt festgestellt worden. Bei einer Untersuchung der Brennräume mit einer Endoskopkamera hätten sich in den Brennräumen keinerlei Beschädigungen gezeigt. Dem Fehlerspeicher des Fahrzeugs hätten keine Fehler entnommen werden können. Aus der Ölprobe sei kein außerordentlicher Verschleiß herzuleiten und die im Ölfilter vorgefundenen Partikel deuteten nicht auf eine Funktionsbeeinträchtigung hin.
Dass ein Motorschaden durch eine eventuell eingetretene Überhitzung angelegt worden sei, könne nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen ließen jedoch nicht darauf schließen, dass ein Schaden durch eine Überhitzung des Motors herbeigeführt oder angelegt worden sei, der mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit später zu einem Motorschaden führen würde. Es sei korrekt, dass Überhitzungen bei nicht eingefahrenen Motoren größere Schäden verursachen könnten als bei eingefahrenen Motoren. Dies rühre aus der Tatsache, dass die Bauteile neuer Motoren oftmals noch raue Oberflächen aufwiesen, die sich erst mit der Zeit aufeinander einschliffen. Außerdem könnten bei neuen Motoren Überreste aus der Produktion (z. B. Schleifstaub durch das Honen der Zylinder etc.) vorhanden sein. Komme zu diesen Faktoren eine starke Überhitzung und damit einhergehend eine unterschiedliche Ausdehnung der einzelnen Bauteile hinzu, so sei zu erwarten, dass größere Schäden eintreten als bei eingefahrenen Motoren.
cc) In der mündlichen Verhandlung vom 05.08.2021 hat der Zeuge M ausgeführt, dass zunächst die Klägerin das Auto gefahren habe, bis es heiß geworden sei und sie ihn angerufen habe. Nachdem er bei ihr angekommen sei, sei sie erneut gefahren, bis das Fahrzeug heiß geworden sei. Danach sei er weitergefahren. Als er losgefahren sei, sei das Auto abgekühlt gewesen. Es sei dann nach einer gewissen Zeit in den Notlauf gegangen. Er sei dann auch noch einmal stehen geblieben, um es wieder abkühlen zu lassen. Dann habe er das Auto von der Autobahn heruntergefahren. Bei der Klägerin sei das Fahrzeug nicht im Notlauf gewesen. Abweichend hiervon schilderte der Zeuge L als stetiger Beifahrer im streitgegenständlichen Fahrzeug während der Fahrt am 28.10.2019, dass das Fahrzeug – auch schon während der Fahrt durch die Klägerin – nach seiner Erinnerung jedenfalls meistens zwei Meldungen aufgezeigt habe und es mit der zweiten Meldung in den Notlauf gegangen sei. Wenn das Fahrzeug in den Notlauf gegangen sei, hätten sie immer gestoppt. Die Klägerin wiederum schilderte, dass es keine Abkühlpause mehr gegeben habe, während der Zeuge M das Fahrzeug von der Autobahn gefahren habe.
Das Gericht sieht sich nicht dazu in der Lage, die unterschiedlichen Aussagen im Wege der Beweiswürdigung einzuebnen. Jede der Aussage für sich war glaubhaft, und für das Gericht ist nicht ersichtlich, welche der Aussagen von deutlicheren Erinnerungslücken gekennzeichnet gewesen ist. Gemeinsam haben alle Schilderungen jedoch, dass die Klägerin das Fahrzeug zweimal wegen Überhitzung angehalten hat, wobei hier keine Einigkeit darüber bestand, ob das Fahrzeug sich im Notlauf befunden hat. Dass das Fahrzeug während der Fahrt durch die Klägerin im Notlauf war, ist andererseits unstreitig geblieben. Während der Fahrt durch den Zeugen M war das Fahrzeug zudem nach übereinstimmender Aussage der Zeugen M und L dann jedenfalls teilweise im Notlauf.
dd) Basierend auf diesen Anhörungen erläuterte der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 05.08.2021 ergänzend, dass es für sein Ergebnis entscheidend sei, welche Geschwindigkeit mit dem Fahrzeug gefahren worden sei und wie die Temperaturanzeige gewesen sei. Entscheidend sei, wie heiß der Motor gewesen sei. Entscheidend sei also nicht die Temperaturanzeige in Bezug auf das Kühlwasser. Denn dadurch, dass keine Pumpe eingebaut gewesen sei, sei das Wasser nie durch den Motor durchgelaufen. Dadurch habe die Kühlung von außen gefehlt. Die zweite Möglichkeit, den Motor zu kühlen, sei Öl. Dieses werde langsamer warm und kühle dann entsprechend auch langsamer ab. Er könne sich nicht vorstellen, dass hier bei den entsprechenden Pausen einmal das Öl und der Motor komplett abgekühlt seien, sondern es sei immer warm gewesen.
Es sei so, dass wenn nach dem ersten Abstellen nicht mehr gefahren worden wäre und das Fahrzeug abgeschleppt worden wäre, dann wäre es wahrscheinlich unproblematisch gewesen. Das Problem sei für ihn, dass weitergefahren worden sei. In diesem Moment seien das Öl und der Motor schon heiß gewesen und es sei dann noch mehr Hitze dazu gekommen. Das sei ungesund und stelle sich deswegen für ihn tatsächlich als problematisch dar.
Bei der Pause von 30 oder 45 Minuten sei der Motor mit Sicherheit abgekühlt, aber wir wüssten ja nicht, wie heiß er vorher gewesen sei und wie heiß er dann zu diesem Zeitpunkt letztendlich noch gewesen sei. Einigkeit habe in der Sitzung eher darin bestanden, dass bei dem zweiten und dritten Fahrtabschnitt zumindest keine großen Pausen mehr gemacht worden seien. Dadurch sei keine Zeit mehr gewesen, damit wirklich eine Abkühlung habe stattfinden können. Diesbezüglich sei dann sekundär, wie lang genau die jeweilige Pause gewesen sei. Natürlich habe auch der Fahrtwind etwas zur Abkühlung beitragen können, aber nicht viel. Hinzu komme natürlich, wenn langsam gefahren werde, dann sei auch der Fahrtwind gering, während die Motorerhitzung weiterlaufe. Er gehe davon aus, dass der Zeuge M vielleicht gedacht habe, dass was am Sensor ist. Es sei auch nicht zu erwarten gewesen, dass es hier an der Wasserpumpe lag.
Entscheidend sei, dass hier offenbar immer schnell die Kühlwassertemperaturanzeige wieder hoch gegangen sei. Entscheidend sei außerdem, dass – wenn überhaupt – nur noch kurze Pausen eingelegt worden seien. Diese seien dann letztendlich auch unerheblich gewesen. Es mache auch keinen riesigen Unterschied, ob der Notlauf bei Kilometer 5 oder bei Kilometer 9 zum ersten Mal eintrete.
Es bestehe also ein hinreichend konkreter Verdacht dafür, dass ein Motorschaden durch diese Fahrt angelegt wurde. Dieser Verdacht oder dieses Risiko könne nicht ausgeräumt werden. Es sei nicht auszuschließen, dass sich irgendwo ein Haarriss gebildet habe, der sich dann weiterentwickle, oder dass eine Dichtung einen minimalen Schaden abbekommen habe. Das mit der Dichtung könne man vor Entstehen eines Motorschadens noch abwenden, wenn man es früh genug erkenne. Bei Rissen sei das schlechter, da müssten Teile oder der Motor insgesamt getauscht werden. Genauso sei es beim Verzug von Teilen. Außerdem könnten auch die Kolben beschädigt werden.
ee) Der Sachverständige S, der dem Gericht als äußerst zuverlässiger Sachverständiger bekannt ist, hat die zu begutachtenden Fragen anhand der Aktenlage ausführlich schriftlich begutachtet und – im Rahmen des Verhältnismäßigen – eine umfassende Untersuchung des Fahrzeugs durchgeführt. Der Sachverständige hat nach erfolgter aktiver Teilnahme an der Zeugenvernehmung sein Gutachten im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung ausführlich erläutert, vertieft sowie ergänzt und sich dabei auch mit den Fragen und Einwänden der Parteien umfassend auseinandergesetzt. Seine Ausführungen waren auch für technische Laien ohne Weiteres verständlich und nachvollziehbar. Das Gericht hat die Ausführungen des Sachverständigen nachvollzogen und dabei einer kritischen Würdigung unterzogen. Es hat danach keinerlei Zweifel an der Tragfähigkeit und Richtigkeit der Ausführungen des Sachverständigen und legt sie daher seiner Überzeugungsbildung uneingeschränkt zugrunde.
Für das Gericht steht in der Folge fest, dass der konkrete Verdacht, dass ein Motorschaden im streitgegenständlichen Fahrzeug angelegt wurde, nicht ausgeräumt werden kann. Der Sachverständige hat hierbei hinreichend deutlich gemacht, dass es auf die sich widersprechenden Details in den Schilderungen der Zeugen und der Klägerin nicht ankommt. Entscheidend ist, dass das Fahrzeug weitergefahren wurde, obwohl es bereits heiß geworden war. Entscheidend ist darüber hinaus, dass nach einer längeren Pause nach dem ersten Anhalten seitens der Klägerin eine vergleichbar lange Pause nicht mehr stattgefunden hat, sodass der Motor nicht mehr deutlich abkühlen konnte. Diese beiden Tatsachen, die der Sachverständige seiner mündlichen Erläuterung im Schwerpunkt zugrunde gelegt hat, wurden von allen Beteiligten übereinstimmend geschildert. Das Gericht legt diese daher seiner Überzeugungsbildung zugrunde.
c) Diese weitergehende Verschlechterung in Form des Verdachts eines angelegten Motorschadens beruht kausal auf dem bei Gefahrübergang vorhandenen Sachmangel und war in der Folge ebenfalls von der Nacherfüllungspflicht der Beklagten umfasst (vgl. hierzu BeckOGK/Höpfner, Stand: 01.05.2021, § 439 BGB Rn. 86, 90). Insoweit ist unerheblich, dass dieser konkrete Verdacht bei Übergabe des Fahrzeugs noch nicht vorhanden gewesen ist.
Keine Auswirkung hat in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass dieser konkrete Verdacht eines angelegten Motorschadens erst dadurch verursacht wurde, dass das Fahrzeug weiter gefahren wurde, obwohl es durch entsprechende Warnmeldungen zu erkennen gegeben hatte, dass es nicht mehr gefahren werden darf. Denn unstreitig geblieben ist – insoweit hatte die Beklagte im Rahmen der ihr nachgelassenen Schriftsatzfrist die Möglichkeit des Bestreitens –, dass das Fahrzeug ab dem ersten Halt der Klägerin am 28.10.2019 nur deswegen von der Autobahn herunter- und damit weiter gefahren wurde, weil die Beklagte hierzu aufgefordert hatte. Sie hatte angekündigt, das Fahrzeug erst ab der Autobahnabfahrt abschleppen zu lassen. Insoweit ist diese weitere Verschlechterung des Fahrzeugs nur deshalb eingetreten, weil die Beklagte ihrer Nacherfüllungspflicht insoweit nicht nachgekommen ist, als sie das Fahrzeug nicht an Ort und Stelle abgeschleppt hat. Der Klägerin kann insoweit nicht der Vorwurf gemacht werden, dass das Fahrzeug noch weiter gefahren worden ist. Vielmehr ist innerhalb der Reichweite der Nacherfüllungspflicht der Beklagten eine weitere Verschlechterung des Fahrzeugs eingetreten, weil die Beklagte ihrer Nacherfüllungspflicht nicht uneingeschränkt nachgekommen ist. In der Folge bezieht sich die Nacherfüllungspflicht der Beklagten auch auf die Beseitigung dieses Mangels (vgl. hierzu BeckOGK/Höpfner, a. a. O., § 439 BGB Rn. 90).
3. Die Klägerin hat der Beklagten erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung in Bezug auf den benannten konkreten Verdacht eines angelegten Motorschadens gesetzt. Hierbei durfte sie auch die Nachlieferung als Art der Nacherfüllung wählen. Unverhältnismäßigkeit kommt vor dem Hintergrund, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug im Wege der Nachbesserung der Motor ausgetauscht werden müsste, nicht in Betracht. Dieser Einwand wurde beklagtenseits im hiesigen Verfahren auch nicht vorgebracht.
4. Mit Schreiben vom 27.05.2020 ist die Klägerin wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten (vgl. § 349 BGB).
5. Aus § 346 I BGB folgt hieraus ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Rückzahlung in Höhe von 27.118,50 €. Dieser Anspruch besteht, wie klägerseits beantragt, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
Darüber hinaus hat die Beklagte konkludent die Einrede des § 348 BGB bezogen auf ihren Anspruch auf Wertersatz erhoben (vgl. § 346 II 1 Nr. 1 BGB). Der Berechnung des Wertersatzes legt das Gericht eine geschätzte Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs von 250.000 km zugrunde. Zudem geht das Gericht von einem Kilometerstand bei Übergabe von 10 und einem Kilometerstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung von 17.849 aus. Es ergibt sich daher aus der Formel \(\frac{\text{Kaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{restliche Gesamtlaufleistung}}\) eine Nutzungsentschädigung von 2.015,70 €:
$${\frac{\text{27.118,50 €}\times\text{17.839 km}}{\text{240.000 km}}}.$$
II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weiter einen Anspruch auf Zahlung von 2.357,02 €.
1. Ersatz der Kosten für die Erstellung des außergerichtlichen Gutachtens (DEKRA Schweinfurt) in Höhe von 1.129,07 € kann die Klägerin gemäß § 437 Nr. 3 Fall 1, § 280 I BGB verlangen. Die Klägerin durfte die Einholung dieses Gutachtens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für erforderlich halten (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl. [2021], § 249 Rn. 58).
2. Auch die Kosten für die Fahrt nach Schweinfurt zwecks Erstellung des Gutachtens sind gemäß § 437 Nr. 3 Fall 1, § 280 I BGB zu ersetzen. Hieraus ergeben sich Fahrtkosten für drei Fahrten vom Wohnort der Klägerin nach Schweinfurt (je 26 km ä 0,25 €) und zurück, insgesamt also 39 €.
3. Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Kosten für das Umstecken der Räder in Höhe von 59,80 € folgt aus § 347 II 1 BGB. Bei diesen Kosten handelt es sich um notwendige Verwendungen. Verwendungen sind Vermögensaufwendungen, die (zumindest auch) der Sache zugutekommen, indem sie ihrer Wiederherstellung/Erhaltung/Verbesserung dienen (Palandt/Herrler, BGB, 80. Aufl. [2021], § 994 Rn. 2). Notwendig ist eine Verwendung, wenn sie zur Erhaltung oder ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Sache nach objektivem Maßstab zur Zeit der Vornahme erforderlich ist und nicht nur Sonderzwecken des Besitzers dient (Palandt/Herrler, a. a. O., § 994 Rn. 5). Bei den Kosten für das Umstecken der Räder in Höhe von 59,80 € handelt es sich unter Anwendung dieser Definitionen um solche notwendigen Verwendungen (vgl. hierzu Palandt/Herrler, a. a. O., § 994 Rn. 5).
4. Die Klägerin hat zudem gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anschaffung von Winterrädern nebst Montage in Höhe von 828,87 €. Die Montagekosten sind wiederum gemäß § 347 II 1 BGB zu ersetzen (vgl. soeben unter 3). Bei den Kosten für die Winterräder als solche handelt es sich demgegenüber nicht um notwendige Verwendungen i. S. des § 347 II 1 BGB. Denn keine Verwendungen sind Vermögensaufwendungen für die Zufügung nichtwesentlicher Bestandteile mangels Eigentumsverlusts (Palandt/Herrler, a. a. O., § 994 Rn. 3). Die Winterräder wurden nicht untrennbar mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbunden (vgl. § 93 BGB). Die Aufwendungen für die Winterräder sind jedoch gemäß § 437 Nr. 3 Fall 2, § 284 BGB erstattungsfähig. Denn die getätigten Aufwendungen wurden im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht und durften auch billigerweise gemacht werden. Sie sind vergeblich, auch wenn unstreitig geblieben ist, dass die Räder jederzeit für ein Ersatzfahrzeug verwendet werden können (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 275/04, BGHZ 163, 381 = NJW 2005, 2848, 2850).
5. Ebenso hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anschaffung der Marderschutzanlage in Höhe von 300,28 € aus § 437 Nr. 3 Fall 2, § 284 BGB. Die Anschaffung wurde im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht, auch wenn die Klägerin zu diesem Zeitpunkt die Beklagte bereits zur Nachlieferung aufgefordert hatte. Denn den Rücktritt hatte sie noch nicht erklärt, sodass endgültige Zustände noch nicht herbeigeführt waren.
III. Infolge des Schreibens der Klägerin vom 27.05.2020 (Anlage K 8) befindet sich die Beklagte mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Verzug (vgl. § 295 Satz 1 BGB).
IV. Der Zinsanspruch auf die zugesprochenen Beträge folgt jeweils aus §§ 288 I, 286 I 1 BGB i. V. mit § 187 I BGB analog. Der Anspruch auf Zahlung von Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 280 I, II, 286 BGB. Rechtshängigkeitszinsen entfallen hierauf gemäß §§ 291, 288 I 2 BGB i. V. mit § 187 I BGB analog seit 07.08.2020.
B. Im Übrigen, also betreffend die Zug-um-Zug-Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Wertersatz und weitere geltend gemachte Fahrtkosten, ist die Klage unbegründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen unter A I 5 und A II 2 Bezug genommen. …