Legt die als Herstellerin eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs auf Schadensersatz in Anspruch genommene Volkswagen AG in Bezug auf eine von ihr erhobene Einrede der Verjährung substanziiert dar, dass der Fahrzeugkäufer angesichts einer breiten Medienberichterstattung bereits 2015 Kenntnis davon erlangt haben müsse, dass sein Fahrzeug vom VW-Abgasskandal betroffen sei, dann obliegt es dem Käufer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, konkret und einzelfallbezogen dazu vorzutragen, weshalb gerade ihm diese Berichterstattung verborgen geblieben sei oder er angenommen habe, dass sein Fahrzeug nicht vom VW-Abgasskandal betroffen sei.
OLG Dresden, Beschluss vom 27.05.2021 – 11a U 1196/20
(nachfolgend: OLG Dresden, Beschluss vom 18.06.2021 – 11a U 1196/20)
Sachverhalt: Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 18.10.2013 für 55.938 € einen von der beklagten Volkswagen AG hergestellten Neuwagen, der mit einem EA189-Motor ausgestattet ist. Erstinstanzlich hat er von der Beklagten Schadensersatz in Höhe des um eine Nutzungsentschädigung verminderten Kaufpreises, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, begehrt. Die Beklagte hat unter anderem die Einrede der Verjährung erhoben. Der Kläger – so hat sie geltend gemacht – habe bereits 2015 positive Kenntnis davon gehabt, dass (auch) sein Fahrzeug vom „VW-Abgasskandal“ betroffen sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Schadensersatz sei verjährt. Die Beklagte habe nachgewiesen, dass der „VW-Abgasskandal“ ab dem 09.09.2015 vielfältig in den Medien bekannt gemacht worden sei. Die erst 2019 anhängig gemachte Klage habe daher die Verjährung nicht mehr unterbrechen können. Abgesehen davon habe der Kläger keinen Schaden erlitten und habe ihn die Beklagte nicht in sittenwidriger Weise vorsätzlich geschädigt.
Mit seiner dagegen gerichteten Berufung hat der Kläger geltend gemacht, dass auch die bei seinem Fahrzeug durchgeführte Installation eines Softwareupdates eine Form des Betrugs darstelle. Im Übrigen habe er, der Kläger, bereits durch den Abschluss des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug einen Schaden erlitten. Sein Anspruch auf Ersatz dieses Schadens sei nicht verjährt. Die Beklagte genüge insoweit ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht, wenn sie nur vortrage, dass er, der Kläger, angesichts des durchschnittlichen Medienkonsums in Deutschland gewusst haben müsse, das sein Fahrzeug vom „VW-Abgasskandal“ betroffen sei. Davon abgesehen sei die Rechtslage im Jahr 2015 unsicher und zweifelhaft gewesen. Den Vorwurf, infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewusst zu haben, dass sein Fahrzeug vom „VW-Abgasskandal“ betroffen sei, müsse er sich nicht gefallen lassen, zumal nicht jeder Fahrzeughalter habe erkennen können, ob sein Fahrzeug unmittelbar zu den vom „VW-Abgasskandal“ betroffenen Fahrzeugen gehöre.
Das Berufungsgericht hat den Kläger darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, seine Berufung ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.
Aus den Gründen: II. Die Berufung ist (gerade noch) zulässig.
Das Landgericht hat seine Entscheidung auf selbstständig tragende Gesichtspunkte gestützt, nämlich zum einen darauf, dass dem Kläger kein Schaden entstanden sei, und zum anderen darauf, dass ein etwaiger Anspruch mit Ablauf des 31.12.2018 verjährt sei. In einem solchen Fall muss eine Berufungsbegründungsschrift, um den Anforderungen des § 520 III 2 ZPO zu genügen, beide tragenden Gesichtspunkte des landgerichtlichen Urteils angreifen. Dem genügt die Berufungsbegründungsschrift letztlich.
1. Die Berufungsbegründung genügt zweifelsfrei den Anforderungen, soweit die Annahme des Landgerichts angegriffen wird, dem Kläger sei kein Schaden entstanden, indem sie darauf abstellt, dass bereits in dem Vertragsschluss ein Schaden des Klägers liege.
2. Auch hinsichtlich des anderen tragenden Gesichtspunkts des Landgerichts – der Verjährung – dürfte die Berufungsbegründung letztlich noch den Anforderungen des § 520 III 2 ZPO genügen.
2.1 Soweit allerdings der Kläger beanstandet, dass die Darstellung der Beklagten zur Verjährung ihrer Substanziierungslast nicht genügt habe, wird die Berufungsbegründungsschrift den Anforderungen des § 520 III 2 ZPO nicht gerecht. Die Beklagte hatte konkret und unter Beweisantritt behauptet, dass der Kläger bereits im Jahr 2015 Kenntnis von der in seinem Fahrzeug verbauten Umschaltlogik erhalten habe (Schriftsatz vom 20.02.2020, S. 27). Das Landgericht ist in der angefochtenen Entscheidung ersichtlich auf Grundlage des von der Beklagten übermittelten Medienmaterials zu der Überzeugung gelangt, dass diese Behauptung zutrifft. Diese Feststellung wird durch den allgemein gehaltenen Vortrag des Klägers, der sich nicht auf die Feststellung des Landgerichts, sondern allein auf die Art und Weise der Herleitung der Behauptung der Beklagten bezieht, nicht infrage gestellt. Auch behauptet der Kläger an keiner Stelle der Berufungsbegründungsschrift konkret, dass die Feststellung des Landgerichts, er habe im Jahr 2015 Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Dieselskandal gehabt, unzutreffend sei.
2.2 Den Anforderungen des § 520 III 2 ZPO genügt die Berufungsbegründungsschrift allein deshalb, weil in ihr auch vorgetragen wird, dass die Rechtslage im Jahr 2015 noch so unklar gewesen sei, dass eine Klageerhebung nicht zumutbar gewesen sei. Da es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht darauf ankommt, ob ein erhobener Einwand richtig ist, genügt allein diese Passage, auch den tragenden Gesichtspunkt der Verjährung anzugreifen und die Zulässigkeit der Berufung zu bewirken.
III. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss nach § 522 II ZPO zurückzuweisen, da sie zur einstimmigen Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die weiteren Voraussetzungen zur Anwendung dieser Vorschrift vorliegen.
1. Dabei geht der Senat davon aus, dass dem Kläger ein Anspruch aus § 826 BGB auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, die anhand einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 250.000 km zu berechnen ist, schon beim Kauf des Fahrzeugs im Jahr 2013 entstanden ist. Insoweit wird auf die den Parteivertretern bekannten Entscheidungen des BGH zu anderen Erwerben eines Volkswagens mit EA189-Motor vor Herbst 2015 Bezug genommen.
Die Berufung hat dennoch keine Aussicht auf Erfolg, da der Anspruch verjährt ist.
Der Kläger hat die Behauptung der Beklagten zu seiner im Jahr 2015 vorhandenen Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom sogenannten Dieselskandal nicht in beachtlicher Form bestritten. Er hat seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt.
1.1 Im Ausgangspunkt trägt zwar die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für den Verjährungsbeginn. Die Beklagte hat jedoch konkret und substanziiert vorgetragen, dass der Kläger noch im Jahr 2015 erkannt habe, dass sein Fahrzeug von der Dieselproblematik betroffen sei. Die Beklagte hat hierzu umfangreichen und detaillierten Vortrag gehalten, dass eine derart umfassende mediale Berichterstattung erfolgt und daraus abzuleiten sei, dass der Kläger wie andere Käufer eines Diesel-Volkswagens erkannt haben müsse, dass sein Fahrzeug von der Problematik betroffen sei.
1.2 Dem ist der Kläger nicht hinreichend substanziiert entgegengetreten. Der Kläger hat zwar umfangreich allgemein gehaltenen Vortrag dazu gehalten, weshalb nicht jeder Käufer eines VW-Dieselfahrzeugs im Jahr 2015 erkannt haben müsse, dass auch sein Fahrzeug betroffen sei. Er hat aber – abgesehen von einer einzigen pauschalen Erklärung, keine Kenntnis erlangt zu haben (Schriftsatz vom 09.03.2020, S. 2) – keinerlei Vortrag dazu gehalten, wieso gerade er, trotz der umfangreichen medialen Berichterstattung, keine Kenntnis erlangt hat. Hierzu verhält sich der Vortrag seines Prozessbevollmächtigten nirgends.
Die Annahme einer sekundären Darlegungslast setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urt. v. 03.06.2014 – VI ZR 394/13 Rn. 20; Urt. v. 10.12.2013 – VI ZR 534/12 Rn. 17; Urt. v. 17.03.1987 – VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 195 f.). Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substanziieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist. Eine darüber hinausgehende Substanziierungslast trifft die nicht beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (st. Rspr., vgl. BBGH, Urt. v. 03.06.2014 – VI ZR 394/13 Rn. 20).
Hier hat die im Ausgangspunkt darlegungsbelastete Beklagte umfassenden Vortrag dazu gehalten, weshalb im Regelfall ein Käufer eines VW-Dieselfahrzeugs noch im Jahr 2015 erkennen musste, dass sein Fahrzeug von der Problematik betroffen ist. Weiterer Vortrag zu dem Kenntnisstand des Klägers war der Beklagten nicht möglich, da sie keinen Einblick in den üblichen Tagesablauf des Klägers und dessen Medienkonsum hat. Demgegenüber sind diese Umstände dem Kläger bekannt; ihm es es auch zuzumuten, hierzu näher vorzutragen. Es hätte deshalb im Rahmen der sekundären Darlegungslast dem Kläger oblegen, konkreten Vortrag dazu zu halten, weshalb gerade ihm diese Berichterstattung verborgen geblieben sei oder aus welchen Umständen er angenommen habe, dass ausgerechnet sein VW-Dieselfahrzeug nicht von dem Skandal betroffen gewesen sei. Dem ist er nicht nachgekommen.
1.3 Dem Erwerber eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs war es 2015 zumutbar, aufgrund dessen, was ihm damals hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt war, Klage zu erheben und diese auf die ihm bekannten Tatsachen zu stützen. Insoweit wird auf die Darlegung im Urteil des BGH vom 17.12.2020 – VI ZR 739/20 Rn. 20 ff. –, der sich der Senat anschließt, Bezug genommen.
1.4 Aus dem gleichen Grund sind auch etwaige Ansprüche aus § 831 BGB jedenfalls verjährt.
2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch aus § 823 II BGB i. V. mit § 263 I StGB, § 31 BGB zu. Denn jedenfalls fehlt es an der Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden (vgl. hierzu ausführlich BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20 Rn. 17 ff.).
3. Der Kläger macht allein Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB, aus § 831 BGB sowie aus § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB geltend; anderer Ansprüche berühmt er sich nicht.
Hinweis: Die Berufung des Klägers wurde mit Beschluss des OLG Dresden vom 18.06.2021 – 11a U 1196/20 – zurückgewiesen. In dem Zurückweisungsbeschluss heißt es unter Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss vom 27.05.2021:
„I. … Dem ist der Kläger mit Schriftsatz vom 10.06.2021 entgegengetreten. Er meint, dem Verfahren nach § 522 II ZPO stehe entgegen, dass einige Landgerichte im Jahr 2019 und das OLG Oldenburg im Januar 2020 den Eintritt in der Verjährung in vergleichbaren Fällen mit Schluss des Jahres 2018 verneint hätten. Er führt aus, dass erforderlich für den Beginn der Verjährung sei, dass ‚die Klagepartei‘ für das konkrete Fahrzeug Kenntnis von der Betroffenheit habe und dass diese Kenntnis nicht über eine generelle Berichterstattung erreicht werde. Die Unterstellung der Beklagten, dass die Kenntnis ‚der Klagepartei‘ über die Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs 2015 bestanden habe, sei abwegig und lebensfremd. Auch grob fahrlässige Unkenntnis ‚der Klagepartei‘ liege nicht vor, da Geschädigte nicht die Pflicht treffe, im Interesse des Schädigers die Initiative zur Aufklärung des Sachverhalts zu ergreifen. Eine Kenntnis der Kläger sei auch nicht durch die Ad-hoc-Mitteilung der Beklagten vom 22.09.2015 vermittelt worden. Es bestehe auch keine Obliegenheit von Gläubigern, Presseveröffentlichungen zu verfolgen. Selbst wenn über eine bestimmte Modellreihe berichtet worden sei, führe dies nicht zur subjektiven Kenntnis der konkreten Betroffenheit des jeweils streitgegenständlichen Fahrzeugs. Konkrete Anhaltspunkte für eine Schädigung habe ‚die Klagepartei‘ nicht gehabt. Auch die Einrichtung einer Webseite zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit durch die Beklagte bewirke keine Kenntnis ‚der Klagepartei‘. Diese Seite hätte nur genutzt werden können, wenn ‚die Klagepartei‘ zunächst einmal hiervon Kenntnis gehabt habe. Auch fehle es bis heute an einer eindeutigen Erklärung der Beklagten, wer überhaupt für die Manipulation am Motor persönlich verantwortlich sei. Hinzu komme, dass auch noch heute Unklarheit über die Fähigkeit des Softwareupdates bestehe, den Mangel zu beheben; bei diesem handele es sich um eine weiterführende Form des Betrugs, da ein Thermofenster enthalten sei. Ein solches sei auch zum Zwecke des Motorschutzes nicht zulässig. Schließlich bestehe in dem Fall, dass die Ansprüche des Klägers aus unerlaubter Handlung verjährt seien, ein Anspruch aus § 852 BGB, weil nach dieser Vorschrift die Beklagte dasjenige herauszugeben habe, was sie durch das deliktische Verhalten erlangt habe. Sie könne sich nicht auf eine Entreicherung berufen.
II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und frist- und formgerecht begründete Berufung hat keinen Erfolg. Der Senat weist die Berufung gemäß § 522 II ZPO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück, weil er einstimmig der Überzeugung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung auch aus anderen Gründen nicht geboten ist.
Im Einzelnen:
1. Deliktische Ansprüche aus § 826 BGB oder § 831 BGB sind jedenfalls verjährt. Trotz des Hinweises des Senats unter II 3.1 des Senatsbeschlusses vom 27.05.2021 ist der Kläger weiterhin seiner sekundären Darlegungslast zu seinem konkreten Kenntnisstand im Jahr 2015 nicht nachgekommen. Er hat die Gelegenheit, auf den Senatsbeschluss seine konkreten Kenntnisse im Jahr 2015 darzulegen, nicht genutzt. Im Einzelnen:
2. Dem Erwerber eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs war es – wenn er zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs hatte oder nur aus grober Fahrlässigkeit keine Kenntnis hiervon hatte – 2015 zumutbar, aufgrund dessen, was ihm damals hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt war, Klage zu erheben und diese auf die ihm bekannten Tatsachen zu stützen. Insoweit wird auf das Urteil des BGH vom 17.12.2020 – VI ZR 739/20 Rn. 20 ff. –, dem sich der Senat anschließt, Bezug genommen.
Soweit der Kläger in seiner Stellungnahme anführt, dass entgegen der Auffassung des BGH eine zuverlässige Einschätzung der Rechtslage erst ab der Entscheidung des BGH vom 25.05.2020 im Verfahren VI ZR 252/19 (BGHZ 225, 316) möglich gewesen sei, stellt er allein seine Rechtsansicht gegen diejenige des BGH und des Senats, ohne dass er tragende Argumente aufzuführen vermag. Entgegen der Ansicht des Klägers setzte die Klagemöglichkeit im Jahr 2015 auch nicht voraus, dass die Beklagte darüber aufklärt hat, welche konkreten Mitarbeiter für die Entwicklung und den Einbau der streitgegenständlichen Software verantwortlich waren, da in diesem Rechtsstreit allein eine Klage gegen die Beklagte und nicht eine etwaige persönliche Inanspruchnahme von konkreten Mitarbeitern der Beklagten infrage steht.
3. Der Kläger ist seiner sekundären Darlegungslast zu seinem Kenntnisstand über die Betroffenheit seines Fahrzeuges im Jahr 2015 nicht nachgekommen. Dies führt dazu, dass die Behauptung der Beklagten, dass der Kläger bereits 2015 positive Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeuges vom Dieselskandal hatte oder jedenfalls nur grob fahrlässig nicht hatte, dieser Entscheidung als unstreitig zugrunde zu legen ist:
3.1 Wie bereits im Hinweisbeschluss ausführlich dargelegt, trägt im Ausgangspunkt zwar die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für den Verjährungsbeginn. Die Beklagte hat umfangreichen und detaillierten Vortrag zur umfassenden medialen Berichterstattung gehalten und dargelegt, dass daraus abzuleiten sei, dass der Kläger wie andere Käufer eines Dieselfahrzeugs der Marke VW mit EA189-Motor noch 2015 erkannt haben müsse, dass sein Fahrzeug von der Problematik betroffen ist. Auf dieser Grundlage stellt sich ihre konkrete Behauptung, der Kläger habe 2015 Kenntnis erlangt, nicht als Behauptung ins Blaue hinein dar. Vielmehr löst sie eine sekundäre Darlegungslast des Klägers zu den konkreten Umständen, weshalb ihm 2015 die Betroffenheit seines Fahrzeugs verborgen geblieben sei, aus:
3.1.1 Die Annahme einer sekundären Darlegungslast setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urt. v. 03.06.2014 – VI ZR 394/13 Rn. 20; Urt. v. 10.12.2013 – VI ZR 534/12 Rn. 17; Urt. v. 17.03.1987 – VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 195 f.). Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substanziieren muss, lässt sich nur aus dem Wechsel zwischen Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist. Eine darüber hinausgehende Substantiierungslast trifft die nicht beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ihr die ergänzenden Angaben zuzumuten sind (st. Rspr., vgl. bspw. BGH, Urt. v. 03.06.2014 – VI ZR 394/13 Rn. 20).
3.1.2 Hier hat die im Ausgangspunkt darlegungsbelastete Beklagte umfassend Vortrag dazu gehalten, weshalb jedenfalls im Regelfall ein Käufer eines VW-Dieselfahrzeugs der Beklagten noch im Jahr 2015 erkennen musste, dass sein Fahrzeug von der Problematik betroffen ist (vgl. zur medialen Verbreitung auch BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20 Rn. 36: ‚monatelang ein die Nachrichten beherrschendes Thema‘). Weiterer Vortrag zu dem Kenntnisstand des konkreten Klägers war der Beklagten nicht möglich, da sie keinen Einblick in den üblichen Tagesablauf des Klägers und dessen Medienkonsum hat. Demgegenüber sind diese Umstände dem Kläger bekannt; ihm ist es auch zuzumuten, hierzu vorzutragen. Es hätte daher im Rahmen der sekundären Darlegungslast dem Kläger oblegen, konkreten Vortrag dazu zu halten, weshalb gerade ihm diese Berichterstattung verborgen geblieben sei oder aus welchen Umständen er angenommen habe, dass ausgerechnet sein VW-Dieselfahrzeug nicht vom Skandal betroffen sei.
3.2 Der Kläger ist bei dieser Ausgangslage der Behauptung der Beklagten – trotz des ausführlichen Hinweises des Senats – weiterhin nicht hinreichend substanziiert entgegengetreten. Eine konkrete Darstellung des 2015 vorhandenen Wissens und Kenntnisstands des Klägers vermögen auch die allgemeinen Ausführungen seines Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 10.06.2021 dazu, dass ‚die Klagepartei‘ durch Medienberichterstattung zur Ad-Hoc-Mitteilung keine Kenntnis erlangt haben müsse, nicht zu ersetzen.
Der Kläger hat zwar bereits erstinstanzlich umfangreich allgemein gehaltenen Vortrag dazu gehalten, weshalb nicht jeder Käufer eines VW-Dieselfahrzeugs im Jahr 2015 erkannt habe, dass auch sein Fahrzeug betroffen sei. Er hat diesen allgemein gehaltenen Vortrag auch in seiner Stellungnahme zum Senatsbeschluss wiederholt und vertieft. Er hat aber im gesamten Rechtsstreit – abgesehen von einer Passage im Schriftsatz vom 09.03.2020, dort Seite 2, in der er pauschal erklärt hat, im Jahr 2015 keine Kenntnis von der Installation der unzulässigen Abschalteinrichtung in seinem Fahrzeug erlangt zu haben – keinerlei konkreten Vortrag dazu gehalten, wieso gerade er, der konkrete Kläger dieses Rechtsstreits, trotz der von der Beklagten dargestellten und vom Kläger auch nicht bestrittenen umfangreichen medialen Berichterstattung keine Kenntnis von der Betroffenheit seines eigenen Fahrzeugs erlangt habe. Hierzu verhält sich auch der neue Vortrag seines Prozessbevollmächtigten nirgends.
Es ist für den konkret zu entscheidenden Rechtsstreit unerheblich, wie allgemein der Medienkonsum und die Verständnismöglichkeiten von Käufern von VW-Fahrzeugen von Ad-hoc-Mitteilungen zu beurteilen sind. Entscheidend ist allein, wie sich dies beim Kläger dargestellt hat. Hierzu schweigt der Kläger, obwohl ihm Vortrag leicht möglich wäre.
3.3 Dann aber ist der Entscheidung der Sachvortrag der Beklagten zugrunde zu legen. Bei Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist mit Ablauf des 31.12.2015 (§§ 195, 199 I BGB) trat die Verjährung mit Ablauf des 31.12.2018 ein (§§ 187, 188 II BGB). Die Einreichung der Klage am 30.12.2019 und deren Zustellung 2020 waren dann nicht mehr geeignet, die Verjährung nach § 204 I Nr. 1 BGB zu hemmen. Andere Hemmungstatbestände hat der Kläger nicht dargestellt.
4. Dass im Motor des klägerischen Fahrzeugs mit dem Update ein ‚Thermofenster‘ eingebaut wurde, ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts. Auch wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, dass ein ‚Thermofenster‘ mit der konkreten Temperaturbeeinflussung der Abgasrückführung eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, reicht der darin liegende Gesetzesverstoß nicht aus, um das Gesamtverhalten der Beklagten bei Installation des ‚Thermofensters‘ als neues sittenwidriges, das heißt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßende Delikt zu qualifizieren. Hierzu bedürfte es der Darlegung weiterer Umstände, an der es vorliegend fehlt. Der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ist, anders als die Verwendung der Prüfstandserkennungssoftware, nicht von vornherein durch Arglist geprägt (BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19 Rn. 13 ff.). Sie führt nicht dazu, dass bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und der Stickstoffoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert wird, sondern arbeitet in beiden Fahrtsituationen im Grundsatz in gleicher Weise. Unter den für den Prüfzyklus maßgeblichen Bedingungen entspricht die Rate der Abgasrückführung im normalen Fahrtbetrieb derjenigen auf dem Prüfstand.
Konkrete weitere Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte mit der von ihr entwickelten technischen Lösung in Form des Updates ein weiteres Mal das Kraftfahrt-Bundesamt gezielt täuschen wollte mit der Folge, dass sich das Kraftfahrt-Bundesamt mit der Genehmigung des Updates wiederum über die Arbeitsweise des Abgassystems im Irrtum befunden hätte, sind nicht hinreichend dargetan. Jedenfalls für den Vorwurf besonderer Verwerflichkeit, der Voraussetzung für die Annahme eines sittenwidrigen Verhaltens des Beklagten ist, reicht der Vortrag des Klägers nicht aus.
Es kommt daher nicht darauf an, dass auch nicht ersichtlich ist, inwieweit der Kläger durch ein unzulässiges ‚Thermofenster‘ im Update einen neuen Schaden erlitten haben soll. Vor der Aufspielung des Updates war der Kläger mit dem Risiko belastet, dass die Gebrauchsfähigkeit seines Fahrzeuges infrage stand, da aufgrund der ursprünglichen Manipulation der Beklagten eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung drohte (vgl. hierzu ausführlich BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 21 ff., 49 ff.). Bei Richtigkeit der zum Update erhobenen Vorwürfe des Klägers hätte sich an diesem Zustand durch das Update letztlich nichts geändert, sodass dem Kläger kein neuer vermögenswerter Nachteil entstanden wäre.
5. Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 10.06.2021 erstmals – hilfsweise – einen Anspruch aus § 852 BGB gegen die Beklagte anführt, ist ein solcher nicht schlüssig dargelegt.
Wie der Kläger zutreffend ausführt, ist ein Anspruch aus § 852 BGB im Fall der Verjährung eines deliktischen Anspruchs darauf gerichtet, dass der Schädiger das Erlangte herauszugeben hat. Der Kläger hat jedoch nicht dargetan, was die Beklagte durch den Erwerb des Fahrzeugs erlangt hat. Die Geltendmachung eines Anspruchs nach § 852 Satz 1 BGB setzt jedoch Vortrag des Klägers dazu voraus, dass und in welcher Höhe die Beklagte, die ausweislich der von dem Kläger vorgelegten Auftragsbestätigung (Anlage K 1) nicht Verkäuferin des Fahrzeugs war, etwas aus dem Fahrzeugverkauf erlangt hat (BGH, Urt. v. 17.12.2020 – VI ZR 739/20 Rn. 29). An derartigem Vortrag fehlt es.
III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 I ZPO. …