Zur Haftung der Daimler AG wegen der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung eines Fahrzeugkäufers, dessen Fahrzeug von einem durch das Kraftfahrt-Bundesamt angeordneten verpflichtenden – Rückruf betroffen ist, weil darin eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt einer Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung zum Einsatz kommt.

LG Saarbrücken, Urteil vom 09.04.2021 – 12 O 320/19

Sachverhalt: Der Kläger nimmt die beklagte Daimler AG als Herstellerin seines Fahrzeugs, eines am 21.06.2013 erstzugelassenen Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC, mit der Behauptung auf Schadensersatz in Anspruch, dass in dem Pkw eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz komme.

Das in Rede stehende Fahrzeug, das seinerzeit eine Laufleistung von 49.063 km hatte, erwarb der Kläger von der Beklagten auf der Grundlage einer Bestellung vom 27.11.2014 zum Preis von 35.000 €; es wurde ihm am 03.12.2014 übergeben.

Zur Finanzierung des Kaufpreises schloss der Kläger mit der B-Bank AG am 27.11.2014 einen von der Beklagten vermittelten Darlehensvertrag. Danach sollte der Kläger – unter Berücksichtigung einer Anzahlung von 12.000 € – ab Januar 2015 36 Raten in Höhe von jeweils 214,46 € und eine im Dezember 2017 fällige Schlussrate von 17.850 € zahlen. Der Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC wurde der B-Bank AG zur Sicherung der Darlehensschuld übereignet.

Gemäß einer ebenfalls am 27.11.2014 zustande gekommenen „Zusatzvereinbarung über die Rückkaufbedingungen eines Pkw im Rahmen der Plus3-Finanzierung – Verbraucher“ verpflichtete sich die Beklagte, das streitgegenständliche Fahrzeug auf Wunsch des Klägers bei Fälligkeit der letzten Darlehensrate zurückzukaufen. Der Rückkaufpreis wurde basierend auf einer Laufleistung von 109.063 km auf 17.850 € festgelegt.

Hinsichtlich der im Dezember 2017 fälligen Schlussrate in Höhe von 17.850 € schloss der Kläger am 15.11.2017 einen weiteren Darlehensvertrag mit der B-Bank AG, die weiterhin Sicherungseigentümerin des Fahrzeugs blieb. Erneut kam eine „Zusatzvereinbarung über die Rückkaufbedingungen eines Pkw im Rahmen der Plus3-Finanzierung – Verbraucher“ zustande. Danach verpflichtete sich die G-GmbH, den streitgegenständlichen Pkw auf Wunsch des Klägers bei Fälligkeit der letzten Darlehensrate für 6.783 € bei einer Laufleistung von 185.250 km (48 Monate) zurückzukaufen.

Das Darlehen zahlte der Kläger im Juni 2020 vollständig an die B-Bank AG zurück.

Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 ausgestattet. Zur Reduzierung der Stickoxid(NOX)-Emissionen wird ein Teil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt. Daneben kommen in dem Pkw eine sogenannte Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung und ein sogenanntes Thermofenster zum Einsatz. Wegen der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung ist das Fahrzeug von einem durch das Kraftfahrt-Bundesamt angeordneten Rückruf betroffen. Den entsprechenden Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 21.06.2019 hat die Beklagte angefochten. Für den streitgegenständlichen Pkw bietet sie ein vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigtes Softwareupdate an, das Bestandteil des verpflichtenden Rückrufs ist.

Mit seiner auf deliktische Schadensersatzansprüche gestützten Klage hat der Kläger die Beklagte ursprünglich auf Rückzahlung der um eine Nutzungsentschädigung verminderten Anzahlung sowie der von ihm geleisteten Darlehensraten und hinsichtlich der noch ausstehenden Darlehensraten auf Freistellung in Anspruch genommen. Zuletzt hat er mit Blick darauf, dass das Darlehen seit Juni 2020 vollständig zurückgezahlt ist, beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 35.000 € nebst Zinsen und abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 17.736,63 €, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC zu verurteilen. Im Übrigen hat er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Kläger behauptet, er hätte den streitgegenständlichen Pkw nicht erworben, wenn er Kenntnis von den darin zum Einsatz kommenden unzulässigen Abschalteinrichtungen gehabt hätte. Diese bewirkten, dass die Schadstoffemissionen des Fahrzeugs optimiert würden, sobald sich dieses auf einem technischen Prüfstand befinde.

Die Beklagte, die der Erledigterklärung widersprochen hat, hat die Einrede der Verjährung erhoben und beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat ursprünglich die Auffassung vertreten, der Kläger sei mit Blick auf die Sicherungsübereignung des Pkw an die B-Bank AG nicht berechtigt, Schadensersatzansprüche gegen sie geltend zu machen. Im Übrigen – so hat die Beklagte geltend gemacht – entspreche das Abgasverhalten des streitgegenständlichen Fahrzeugs den Vorgaben der Euro-5-Norm; insbesondere entspreche das Fahrzeug dem genehmigten Typ. Die Abgasreinigung sei abhängig vom konkreten Betriebszustand des Pkw und seiner Abgasreinigungssysteme; sie erfolge auf der Grundlage einer dynamischen Berechnung, in die eine Vielzahl von Parametern und Sensordaten eingehe. Die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung sei anerkanntermaßen erforderlich, um Schäden am Motor und am Abgassystem, insbesondere eine „Versottung“ des Abgasrückführungssystems, zu vermeiden. Die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung sei nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch beim normalen Betrieb des Pkw im Straßenverkehr aktiv. Sie diene dazu, eine günstige Balance zwischen NOX-Emissionen und Dieselpartikeln beim Kaltstart des Motors herzustellen. Dadurch werde der Motor langfristig vor Beschädigungen geschützt. Dass Kraftfahrt-Bundesamt sei hinsichtlich der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung zu Unrecht von einer Prüfstandserkennung ausgegangen. Ungeachtet dessen könne daraus, dass das Kraftfahrt-Bundesamt einen auch das streitgegenständliche Fahrzeug erfassenden Rückruf angeordnet habe, nicht geschlossen werden, dass der Pkw mangelhaft sei. Insbesondere liege kein Mangel darin, dass sich außerhalb des gesetzlichen Prüfzyklus aufgrund veränderter Rahmenbedingungen das Emissionsverhalten des Fahrzeugs ändere.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 17.263,37 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC, zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Aus den Gründen: Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB analog auf Erstattung des für den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs bezahlten Kaufpreises abzüglich eines Vorteilsausgleichs für dessen Nutzung zu.

1. Der Kläger ist berechtigt, Ansprüche aus § 826 i. V. mit § 31 BGB analog gegen die Beklagte geltend zu machen.

Soweit die Beklagte ursprünglich vorgebracht hat, die Ansprüche des Klägers seien wegen der ursprünglichen Darlehensfinanzierung an die B-Bank AG abgetreten, und dem Kläger fehle als Nichteigentümer die Aktivlegitimation, ist dies unerheblich. Unabhängig von den Bestimmungen der Abtretungsklauseln in den Darlehensbedingungen der B-Bank AG, an deren Wirksamkeit die Kammer erhebliche Zweifel hat, wurden sämtliche Ansprüche sowie das Eigentum an den Kläger mit vollständiger Rückzahlung des Darlehens an die B-Bank AG übertragen. Davon ist die Kammer nach der Vorlage des Schreibens der B-Bank AG an den Kläger vom 22.06.2020 überzeugt, worin die B-Bank AG die Ablösung des Darlehens und die Übertragung des Eigentums auf den Kläger bestätigt.

Dass im Übrigen auch ein Nichteigentümer zur Geltendmachung von Ansprüchen aus § 826 i. V. mit § 31 BGB analog berechtigt ist, ist danach nicht mehr entscheidend (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 16.06.2020 – 16a U 228/19, juris Rn. 74; OLG München, Urt. v. 10.08.2020 – 21 U 2719/19, juris Rn. 24; OLG Naumburg, Urt. v. 12.12.2019 – 12 U 91/19, juris Rn. 30).

2. Die Beklagte haftet dem Kläger aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB analog.

a) Die Beklagte hat den Kläger dadurch getäuscht, dass sie einen Motor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung entwickelt und sodann die Fahrzeuge mit einer erschlichenen Typgenehmigung zwecks Weiterveräußerung an Endkunden in den Verkehr gebracht hat. Der Käufer eines Kraftfahrzeugs kann nämlich nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass keine nachträgliche Rücknahme oder Änderung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei Erteilung nicht vorgelegen haben (vgl. für Klagen gegen die Volkswagen AG: BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316; OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.02.2020 – 2 U 128/19, juris). Auf die von der Beklagten vorgebrachte Tatbestandswirkung der Typgenehmigung kommt es – selbst wenn man eine solche annehmen wollte – insoweit nicht entscheidend an. Denn auch bei einer formal vorliegenden Typgenehmigung reicht die Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts nur so weit, dass eine solche vorliegt. Dies sagt aber insbesondere in Fällen, in denen zur Täuschung der Zulassungsbehörden eine Software verbaut ist, die auf die Erkennung des Prüfstands ausgerichtet ist, nichts darüber aus, ob wegen der dann erschlichenen Typgenehmigung eine Rücknahme oder Änderung derselben droht (vgl. OLG Celle, Urt. v. 13.11.2019 – 7 U 367/18, juris Rn. 38 ff.).

b) Die im Fahrzeug des Klägers eingesetzte Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung stellt – wie auch das Kraftfahrt-Bundesamt festgestellt hat – eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. des Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge dar. Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt eine Abschalteinrichtung i. S. des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 jedenfalls dann vor, wenn die Einrichtung jeden Parameter im Zusammenhang mit dem Ablauf der in der Verordnung vorgesehenen Zulassungsverfahren erkennt, um die Leistung des Emissionskontrollsystems bei diesen Verfahren zu verbessern und so die Zulassung des Fahrzeugs zu erreichen, selbst wenn eine solche Verbesserung punktuell auch unter normalen Nutzungsbedingungen des Fahrzeugs beobachtet werden kann (EuGH, Urt. v. 17.12.2020 – C-693/18, ECLI:EU:C:2020:1040 = BeckRS 2020, 35477 Rn. 102 – CLCV). Um eine solche Einrichtung handelt es sich bei der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung (vgl. hierzu auch OLG Schleswig, Urt. v. 28.08.2020 – 1 U 137/19, juris Rn. 41, 46).

c) Hinsichtlich der im Fahrzeug des Klägers installierten Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung ist die Kammer auf der Grundlage der Ausführungen des Kraftfahrt-Bundesamtes in seinen amtlichen Auskünften überzeugt (§ 286 ZPO), dass es sich zwar nicht um eine Prüfstandserkennung, aber doch um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, deren Parameter so eng konfiguriert sind, dass sie vornehmlich unter Prüfstandsbedingungen zum Einsatz kommt.

aa) Das Kraftfahrt-Bundesamt hat auf den Hinweis- und Beweisbeschluss der Kammer vom 19.06.2020 mit den Fragen

„1. Handelt es sich bei der im Rückrufbescheid vom 21.06.2019 für die von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge des Typs GLK M220 mit dem Dieselmotor OM 651 (Euro 5) festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtung in Form der Kühlmittel-Sollwert- Temperaturregelung um eine solche, die auf die Erkennung des Prüfzyklus ausgerichtet ist oder deren Parameter so eng konfiguriert sind, dass sie vornehmlich unter Prüfstandsbedingungen eingehalten werden?

2. Falls Frage 1 bejaht wird: Es wird um weitere Auskunft darüber gebeten, mit welchen Parametern die Prüfzykluserkennung erfolgt.“

am 25.09.2020 zunächst folgende Auskunft erteilt:

„Ich kann Ihnen mitteilen, dass die von Ihnen in der ersten Frage getätigte Aussage zutreffend ist. Um Ihnen die Parameter, mit welchen die Prüfzykluserkennung erfolgt, mitteilen zu können, bedarf es vorab einer Anhörung der Daimler AG. Dieser wurde bereits angeschrieben und um Stellungnahme gebeten.“

Diese Auskunft ergänzte das Kraftfahrt-Bundesamt am 01.02.2021 unter dem gleichen Aktenzeichen wie folgt:

„Zudem bitten Sie um Beantwortung folgender Frage, sollte die erste Frage bejaht werden: ‚2. Falls Frage 1 bejaht wird: Es wird um weitere Auskunft darüber gebeten, mit welchen Parametern die Prüfzykluserkennung erfolgt.‘

Zur Beantwortung dieser Frage möchte ich zunächst zur besseren Veranschaulichung wie folgt allgemein ausführen: Bei einigen Fahrzeugvarianten des Typs Mercedes-Benz GLK wurde die Schadstoff- und Abgasstrategie ‚Geregeltes Kühlmittelthermostat‘ im Motorwarmlauf durch das Kraftfahrt-Bundesamt mit Bescheid vom 21.06.2019 als unzulässig eingestuft. Da die Daimler AG gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt hat, wurde die Unzulässigkeit dieser Abschalteinrichtung noch nicht bestandskräftig festgestellt.

Das streitgegenständliche Fahrzeug weist nach den dem Kraftfahrt-Bundesamt vorliegenden Informationen die Schadstoff- und Abgasstrategie ‚Geregeltes Kühlmittelthermostat‘ im Motorwarmlauf auf und nutzt diese auch aktiv. Die … applizierten Schaltkriterien sind so gewählt, dass wesentliche Randbedingungen des gesetzlichen Prüfverfahrens abgedeckt sind und die Sollwertabsenkung mit Sicherheit bei der gesetzlichen Prüfung Typ 1 im NEFZ aktiv ist. Außerhalb dieser Schaltkriterien wird die Regelung abgeschaltet. Wird die Funktion ‚Geregeltes Kühlmittelthermostat‘ gänzlich abgeschaltet, wird die Abgasrückführungsrate reduziert und die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter normalen Betriebsbedingungen verringert. Die Abschaltung führt zu höheren NOX-Emissionen und ist somit als Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 einzustufen. Es handelt sich aus Sicht des Kraftfahrt-Bundesamtes nicht um eine Prüfstandserkennung, aber die Schaltparameter der Funktion sind aus Sicht des Kraftfahrt-Bundesamtes an die Randbedingungen der Typ-1-Prüfung angelehnt.

Da die Daimler AG gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt hat, wurde die Unzulässigkeit dieser Abschalteinrichtung noch nicht bestandskräftig festgestellt.

Die Benennung der Parameter kann nicht erfolgen, da diese Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen können.“

bb) In der Gesamtschau der beiden Auskünfte ist die Kammer davon überzeugt, dass die im streitgegenständlichen Fahrzeug verwendete Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung nahezu nur unter Prüfstandsbedingungen zum Einsatz kommt. Daran ändert auch die Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 01.02.2021, dass die Schaltparameter der Funktion an die Prüfstandsbedingungen „angelehnt“ seien, nichts. Denn unter Berücksichtigung der Auskunft vom 25.09.2020 geht die Kammer davon aus, dass die Parameter der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung so eng konfiguriert sind, dass sie vornehmlich unter Prüfstandsbedingungen eingehalten werden. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass die Funktion im realen Straßenverkehr überhaupt eine echte schadstoffmindernde Wirkung haben sollte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der eigentliche Sinn der Funktion darin erschöpft, auf dem Prüfstand niedrige NOX-Werte zu erzielen und dabei vorzutäuschen, diese Werte würden auch im realen Straßenverkehr erreicht. Die gesamte Konstruktion war daher darauf ausgelegt, über die Manipulation zu täuschen.

Auch liegt nach Überzeugung der Kammer – anders als die Beklagte unter Bezugnahme auf eine Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes in einem anderen Verfahren meint – in der ersten Auskunft vom 25.09.2020 kein „Versehen“ des Kraftfahrt-Bundesamtes. Dies ergibt sich unmissverständlich aus der ergänzenden Auskunft zu den Schaltkriterien der Regelung in der zweiten Auskunft vom 01.02.2021.

Umstände, die diese Überzeugung der Kammer erschüttern könnten, hat die Beklagte nicht aufgezeigt.

Die Beklagte hat zwar im Schriftsatz vom 18.11.2020 (nochmals) nähere Angaben zur Wirkungsweise der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung gemacht und ist der Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 25.09.2020 entgegengetreten. Konkreten Vortrag dazu, unter welchen Bedingungen die Regelung eingesetzt wird, hat die Beklagte indes nicht gehalten. Auch im Schriftsatz vom 18.11.2020 (S. 10 ff.) hat die Beklagte lediglich abstrakt ausgeführt, von welchen Parametern (Lufttemperatur, Umgebungsdruck, Motoröltemperatur, Drehzahlbereiche) der Einsatz der Kühlmittel-Sollwerttemperatur-Regelung abhänge, ohne dabei konkrete Werte zu nennen, anhand derer die Kammer die Auffassung der Beklagten nachvollziehen könnte, dass die Regelung – anders als das Kraftfahrt-Bundesamt festgestellt hat – nicht auf Prüfstandsbedingungen im Rahmen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), die sich in Anhang 4a der UNECE-Regelung Nr. 83 in Verbindung mit Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 vom 18.07.2008 finden, ausgerichtet ist. Vielmehr hat die Beklagte sogar selbst eingeräumt, dass der Einsatz der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung während der gesetzlichen Prüfung Typ 1 „eine Selbstverständlichkeit“ sei (Schriftsatz vom 18.11.2020, S. 10).

Auch die Ausführungen im Schriftsatz vom 18.2.2021 vermögen die Überzeugung der Kammer nicht zu erschüttern. Denn dort wird erneut nur die Behauptung vorgebracht, die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung komme in gleicher Weise im Prüfstand wie im Realbetrieb zum Einsatz, ohne dass die Beklagte dabei näher auf die konkreten Schaltparameter eingegangen wäre.

Die Berufung der Beklagten auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hinsichtlich der konkreten Schaltkriterien trägt insoweit nicht (ebenso OLG Köln, Urt. v. 05.11.2020 – 7 U 35/20, juris Rn. 73 ff.; LG Wuppertal, Urt. v. 29.01.2020 – 17 O 49/19, juris Rn. 33).

Zwar ist das Interesse der Beklagten, ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Prozess nicht offenlegen zu müssen, durch Art. 12 I GG verfassungsrechtlich geschützt. Dabei ist es im Prozess allerdings Sache der Beklagten, nachvollziehbar und substanziiert darzulegen, bei welchen Informationen es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handeln soll. Zur Substanziierung muss eine Partei insoweit angeben, bei Offenlegung welcher konkreten Geheimnisse sie welche konkreten Nachteile zu befürchten hätte. Es wird nämlich nicht vermutet, dass Geschäftsdaten per se dem Geheimnisschutz unterliegen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 20.07.2010 – EnZR 24/09, NVwZ-RR 2011, 58 Rn. 35; Urt. v. 08.07.2009 – XIII ZR 314/07, NJW 2009, 2894 Rn. 30 ff.; Urt. v. 19.11.2008 – VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 46 f.; Beschl. v. 11.12.2018 – EnVR 1/18, WM 2019, 1130). Hiervon ausgehend ist weder ausreichend dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte zur Wirkungsweise der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung nur unter Verletzung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen hätte substanziiert vortragen können. Denn es wäre der Beklagten aus Sicht der Kammer auch ohne Preisgabe von technischen Details ohne Weiteres möglich, die Bedingungen zu beschreiben, unter denen die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung zur Anwendung kommt, um substanziiert dem Vorwurf entgegenzutreten, diese Abschalteinrichtung komme regelmäßig nur unter Prüfstandsbedingungen zum Einsatz. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der umfassenden Äußerungen der Beklagten zu technischen Details der Regelung im Schriftsatz vom 18.11.2020.

Inwiefern die bloße Kenntnis der Parameter, unter denen die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung eingesetzt wird, einem Wettbewerber der Beklagten nützen könnte, ist für die Kammer im Übrigen nicht zu ersehen (vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 05.11.2020 – 7 U 35/20, juris Rn. 73 ff.). Anhaltspunkte dafür werden auch von der Beklagten nicht aufgezeigt.

cc) Im Übrigen spricht für das Vorliegen einer auf den Prüfstand ausgerichteten Abschalteinrichtung auch der Umstand, dass sich die beiden im streitgegenständlichen Fahrzeug eingesetzten Abschalteinrichtungen hinsichtlich ihrer Zielrichtung widersprechen. Denn das eingesetzte Thermofenster soll, wie die Beklagte selbst nochmals im Schriftsatz vom 04.06.2020 konkret dargelegt hat und der Kammer bereits aus zahlreichen Parallelverfahren bekannt ist, der Versottung an abgasrückführenden Teilen entgegenwirken. Der gegenteilige Effekt wird aber durch eine niedrigere Verbrennungstemperatur und eine daraus resultierende niedrigere Abgastemperatur beim Einsatz der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung erzielt. Soweit ein eingesetztes Thermofenster zur Verhinderung der Beschädigung des Abgasrückführungssystems durch Versottung jedenfalls nicht als eindeutig unzulässig erachtet wird (vgl. BGH, Beschl. v. 09.03.2021 – VI ZR 889/20, juris Rn. 25 ff.; Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19, ZIP 2021, 297 Rn. 13 ff.; jeweils m. w. Nachw.), ergibt sich für den Einsatz der Kühlmittel-Sollwerttemperatur-Regelung auch nach den Darlegungen der Beklagten in den Schriftsätzen vom 18.11.2020 und vom 18.02.2021 kein anderer Grund als derjenige der Vortäuschung der Einhaltung von Abgaswerten vor allem unter den Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus.

dd) Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte es nicht. Denn die die technische Wirkungsweise der Abschalteinrichtung steht auch wegen der fehlenden Erschütterung des vom Kläger geführten Beweises durch die Beklagte in ihren Grundzügen fest. Deren rechtliche Beurteilung obliegt der Kammer im Rahmen der Rechtsanwendung.

d) Eine Rechtfertigung für den Einsatz der Regelung liegt nicht vor. Soweit Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 in bestimmten Fällen die Verwendung von Abschalteinrichtungen gestattet, sind die „erforderlichen (engen) Voraussetzungen“ (BGH, Beschl. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 13) vorliegend nicht erfüllt.

aa) Weder handelt es sich um eine Abschalteinrichtung, die notwendig ist, um den Motor vor einer Beschädigung oder einem Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten (Art. 5 II 2 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007), noch um eine Abschalteinrichtung, die nicht länger arbeitet, als dies zum Anlassen des Motors erforderlich ist (Art. 5 II 2 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 715/2007). Soweit die Beklagte dem entgegenhält, der Einsatz der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung diene dem Motorschutz, vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Denn es erscheint nicht nachvollziehbar, dass der Motorschutz, den die Beklagte erneut im Schriftsatz vom 18.11.2020 als Rechtfertigung für den Einsatz der Regelung anführt, nahezu nur unter Prüfstandsbedingungen gewährleistet werden soll, während im Realbetrieb ein solcher Schutz vom Zufall der Erfüllung der Bedingungen abhängig sein soll (ebenso OLG Naumburg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 8/20, juris Rn. 32).

bb) Funktionsbedingt kann die Regelung auch nicht als Abschalteinrichtung, die nicht länger arbeitet, als dies zum Anlassen des Motors erforderlich ist (Art. 5 II 2 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 715/2007) gerechtfertigt werden, da nach dem Vortrag der Beklagten in den Schriftsätzen vom 15.04.2020, vom 18.11.2020 und vom 18.02.2021 die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung während der gesamten Warmlaufphase des Motors und nicht nur während des Anlassens aktiv ist.

cc) Es ist auch nicht erkennbar, dass „die Bedingungen in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten“ sind (Art. 5 II 2 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 715/2007). Wie ein Vergleich mit einer früheren Fassung des Verordnungsentwurfs zeigt, ist diese – ausgehend vom Wortlaut zunächst schwer verständliche – Ausnahme nur dann einschlägig, wenn die Bedingungen, „unter denen die Einrichtung arbeitet“, im Emissionsprüfverfahren im Wesentlichen „berücksichtigt“ sind (vgl. dazu den Kommissionsentwurf vom 21.12.2005, KOM[2005]683 endg., S. 18). Die in Art. 5 II 2 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vorgesehene Privilegierung ist daher nur dann einschlägig, wenn die Abschalteinrichtung deshalb greift, weil dies durch die Prüfverfahren zur Emissionsmessung im Wesentlichen vorgegeben wird (s. auch Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste, Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen. Zur Reichweite des Verbots nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, WD 7 – 3000 – 031/16, S. 18). Dass durch die geänderte Formulierung in der verabschiedeten Fassung der Vrordnung (EG) Nr. 715/2007 ein anderer Aussagegehalt beabsichtigt war, ist nicht ersichtlich (in diesem Sinne deutlicher nunmehr auch Art. 19 Satz 2 lit. c [Verbot von Abschalteinrichtungen] der am 01.01.2016 in Kraft getretenen Verordnung (EU) Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.01.2013 über die Genehmigung und Marktüberwachung von zwei- oder dreirädrigen und vierrädrigen Fahrzeugen, ABl. 2013 L 60, 52). Anhaltspunkte, dass die im Fahrzeug des Klägers vorhandene Abschalteinrichtung durch die Prüfverfahren zur Emissionsmessung vorgegeben war, sind indes weder dargelegt noch ersichtlich.

e) Der bei dem Kläger durch die Täuschung entstandene Schaden liegt im Abschluss des Kaufvertrags, ohne dass es insoweit auf den tatsächlichen Marktwert des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Zeitpunkt des Erwerbs ankommt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist allein maßgebend, dass der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 44 ff.; Urt. v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, VersR 2015, 75 Rn. 18 m. w. Nachw.). Das ist hier der Fall. Denn der Kläger hätte nach der Lebenserfahrung den streitgegenständlichen Vertrag nicht abgeschlossen, weil wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung die Entziehung der EG-Typgenehmigung bzw. die Anordnung von Nebenbestimmungen sowie bei deren Nichterfüllung die Stilllegung des Fahrzeugs drohte, wodurch der Hauptzweck des Fahrzeugs, dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, bereits vor der tatsächlichen Stilllegung unmittelbar gefährdet war (vgl. OLG Köln, Urt. v. 06.09.2019 – 19 U 51/19, juris Rn. 44, in einem Parallelverfahren gegen die hiesige Beklagte unter Verweis auf OLG Köln, Beschl. v. 16.07.2018 – 27 U 10/18, juris Rn. 11 ff. [Verfahren gegen die Volkswagen AG]).

f) Das Verhalten der Beklagten verstieß auch gegen die guten Sitten. Bei Vorliegen einer Software, die – wie hier – letztlich auf die Erkennung des Prüfzyklus ausgerichtet ist, ist das gegebenenfalls eingesetzte Mittel – Täuschung einer öffentlichen Stelle sowie einer Vielzahl potenzieller Kunden – als besonders verwerflich anzusehen. Von erheblicher Bedeutung ist insoweit, dass der einzig denkbare Zweck einer solchen Täuschung und des Einsatzes der Software eine Kostensenkung und damit einhergehend eine Gewinnmaximierung und ein Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten wäre. Denn es erscheint lebensfremd, dass die Beklagte die rechtlichen Risiken mit Blick auf die Zulassung der Fahrzeuge sowie auf eine mögliche strafrechtliche Verfolgung eingeht, ohne dass sie sich hiervon einen wirtschaftlichen Nutzen verspricht. Die Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten im konkreten Fall folgt aus dem Umstand, dass sie die Motorsteuerungssoftware der Fahrzeuge gezielt so programmiert hat, dass der Eindruck entsteht, dass das Fahrzeug geringere Stickstoffoxidemissionen aufweise, als es im regulären Fahrbetrieb tatsächlich der Fall ist. Dabei hat die Beklagte in Kauf genommen, dass von vorneherein zumindest die Gefahr einer erforderlichen Rückrufaktion des Kraftfahrt-Bundesamtes gegenüber den Käufern bei Aufdeckung der Beeinflussung der Testergebnisse bestand (ebenso OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 07.11.2019 – 6 U 119/18, juris; OLG Köln, Urt. v. 05.11.2020 – 7 U 35/20, juris; in Fällen gegen die hiesige Beklagte). Dabei ist das Verhalten auch dann als sittenwidrig einzustufen, wenn gerade keine Prüfstandserkennung, sondern – wie hier – eine vornehmlich auf den Prüfstand ausgerichtete Abschalteinrichtung vorliegt.

Die Beklagte kann sich dabei unter den gegebenen Umständen auch nicht darauf berufen, dass sie, wie das Kammergericht und das OLG Naumburg in vergleichbaren Fällen angenommen haben, beim Einbau der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung eine vertretbare Auslegung getroffen habe (vgl. KG, Urt. v. 22.12.2020 – 21 U 1032/20, Anlage zum Schriftsatz vom 22.03.2021; OLG Naumburg, Urt. v. 02.12.2020 – 5 U 92/20, Anlage zum Schriftsatz vom 17.03.2021; jeweils zu einem Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC [Euro 5]). Denn anders als in den Verfahren beim Kammergericht und beim OLG Naumburg ist die Kammer hier aufgrund der amtlichen Auskünfte des Kraftfahrt-Bundesamtes nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Anwendungsbereich der im streitgegenständlichen Fahrzeug eingesetzten Kühlmittel- Sollwert-Temperaturregelung von der Beklagten so eng gewählt wurde, dass von vornherein von einer Ausrichtung der Abschalteinrichtung auf die Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus auszugehen ist, sodass auch keine vertretbare Auslegung bezüglich der Zulässigkeit in Betracht kommt (vgl. auch OLG Naumburg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 8/20, juris Rn. 38).

Darüber hinaus vermag die Kammer im vorliegenden Fall in der Frage der Sittenwidrigkeit keinen Unterschied zu den von der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits entschiedenen Fällen der Aufwärmstrategie in Motoren der AUID AG zu erkennen, die zwar ebenfalls theoretisch unter Realbedingungen zum Einsatz kam, aber dennoch faktisch aufgrund der gewählten Parameter nahezu nur unter Prüfstandsbedingungen aktiv war, und ohne die die Stickoxidgrenzwerte – wie hier – auf dem Prüfstand nicht eingehalten werden konnten (vgl. dazu OLG Saarbrücken, Beschl. v. 31.08.2020 – 2 U 66/20, BeckRS 2020, 44017; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 24.02.2021 – 4 U 257/19, juris; OLG Oldenburg, Urt. v. 16.10.2020 – 11 U 2/20, juris; Urt. v. 14.01.2021 – 1 U 160/20, juris; OLG Koblenz, Urt. v. 05.6.2020 – 8 U 1803/19, juris). Dass sich das Kammergericht und das OLG Naumburg zu dieser Rechtsprechung ohne nähere Auseinandersetzung grundsätzlich in Widerspruch setzen wollten, ist insoweit nicht anzunehmen.

g) Bei der Beklagten liegen auch die subjektiven Voraussetzungen für eine Haftung aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB analog vor.

Die Beklagte handelte mit Schädigungsvorsatz und kannte die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände (vgl. zu diesen Voraussetzungen grundlegend BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 60 ff.). Die Kammer geht insoweit davon aus, dass der Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung in die Motorsteuerungssoftware mit Wissen und Wollen eines oder mehrerer Mitglieder des Vorstands der Beklagten erfolgt und somit der Beklagten gemäß § 31 BGB analog zuzurechnen ist. Ebenfalls ist davon auszugehen, dass dieser oder sonstige verfassungsmäßig berufene Vertreter des Vorstands auch in der Vorstellung handelten, dass die so ausgestatteten Motoren in Fahrzeuge der Beklagten eingebaut würden und für diese unter Täuschung der zuständigen Behörde die EG-Typgenehmigung beantragt würde, obwohl die materiellen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, und die Fahrzeuge sodann in den Verkehr gebracht werden würden (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 60 ff.; OLG Naumburg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 8/20, juris Rn. 36 ff.).

aa) Die Haftung aus § 31 BGB analog erstreckt sich auf alle Personen einer juristischen Person, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, sodass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren (vgl. nur BGH, Urt. v. 05.03.1998 – III ZR 183/96, NJW 1998, 1854, 1856). Dabei ist die Haftung nach § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB analog begründet, wenn zumindest eine dieser Personen den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 35; Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 13 m. w. Nachw.).

bb) Die Voraussetzungen für eine entsprechende Haftung sind hier vonseiten des Klägers ausreichend dargelegt worden. Der Kläger hat vorgetragen, dass die Entscheidung über den Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen durch Organe der Beklagten in dem Bewusstsein erfolgte, über die Zulassungsfähigkeit der betroffenen Fahrzeuge zu täuschen. Dieser Vortrag gilt nach § 138 III ZPO als zugestanden, da die Beklagte den Vortrag nur unzureichend bestritten hat. Da die Beklagte, wie in der obergerichtlichen Rechtsprechung zu Recht für Fälle wie hier angenommen wird (vgl. etwa OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 24.2.2021 – 4 U 257/19, juris Rn. 38 f.; Urt. v. 07.11.2019 – 6 U 119/18, juris Rn. 24; OLG Naumburg, Urt. v. 18.09.2020 – 8 U 8/20, juris Rn. 27 f.), eine sekundäre Darlegungslast trifft, konnte sie sich nicht darauf beschränken, den Vortrag der Klägerseite einfach zu bestreiten. Dieser Vortrag ist für den Kläger nicht nachprüfbar und nicht einlassungsfähig, zumal es entgegen den Ausführungen der Beklagten nicht darauf ankommt, dass die Kenntnis in der Person eines Vorstands im aktienrechtlichen Sinne vorliegt. Der Sinn der sekundären Darlegungslast besteht darin, der beweisbelasteten Partei weiteren Vortrag zu ermöglichen. Wenn die Beklagte aber nicht darlegt, welche interne Verantwortlichkeit hinsichtlich des Einbaus der unzulässigen Abschalteinrichtung besteht, kann die Klägerseite keinen weiteren Vortrag im Hinblick auf die Kenntnisse der entscheidenden Personen sowie die Zurechenbarkeit bringen. Es erscheint insoweit fernliegend, dass der Vorstand der Beklagten oder andere maßgebliche Personen, deren Wissen und Verhalten sie sich zurechnen lassen muss, mit Blick auf die Tragweite des Erwerbs und des Einbaus der Motorsteuerungssoftware in den entsprechenden Entscheidungsprozess nicht eingebunden gewesen sein sollten (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 07.11.2019 – 6 U 119/18, juris Rn. 24).

h) Die Beklagte hat im Rahmen des Schadensersatzanspruchs des § 826 BGB sämtliche dem Kläger aus der sittenwidrigen Schädigung entstandenen Schäden zu ersetzen (§§ 249 ff. BGB). Nach den in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen steht dem Kläger insoweit im Rahmen der Naturalrestitution ein Anspruch auf „Rückgängigmachung“ der Folgen des geschlossenen Vertrags zu, das heißt, er kann das Erlangte dem Schädiger zur Verfügung stellen und seine Aufwendungen ersetzt verlangen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 44 ff.; Urt. v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, VersR 2015, 75 Rn. 28; jeweils m. w. Nachw.). Dem Kläger steht danach ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu.

aa) Allerdings muss sich der Kläger den durch die Nutzung des Fahrzeugs seit Abschluss des Kaufvertrages erlangten Vorteil anrechnen lassen. Denn dem Geschädigten dürfen neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Der Anspruch des Klägers ist daher von vornherein nur mit der Einschränkung begründet, dass gleichzeitig die Vorteile, die ihm aus dem aufgrund des Verhaltens der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag erwachsen sind, herausgegeben werden (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 64 ff.; Urt. v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, VersR 2015, 75 Rn. 39).

bb) Für die Schätzung des für den Vorteilsausgleich maßgebenden Gebrauchsvorteils ist die sogenannte lineare Berechnungsmethode als geeignete Schätzgrundlage nach § 287 ZPO anerkannt (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 80; Urt. v. 31.03.2006 – V ZR 51/05, BGHZ 167, 108 = NJW 2006, 1582 Rn. 12 ff.; Beschl. v. 09.12.2014 – VIII ZR 196/14, SP 2015, 277 Rn. 3). Danach errechnet sich der Wert des für jeden gefahrenen Kilometer in Ansatz zu bringenden Nutzungswertersatzes für ein Gebrauchtfahrzeug in der Weise, dass der Bruttokaufpreis ins Verhältnis zu der zu erwartenden Gesamtlaufleistung abzüglich der Laufleistung des Fahrzeugs bei Kauf gesetzt wird. In Bezug auf die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu erwartende Gesamtlaufleistung ist dabei wiederum eine Schätzung nach § 287 ZPO vorzunehmen, bei der unter Berücksichtigung aller Umstände eine Gesamtfahrleistung von 250.000 km anzunehmen ist (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.02.2020 – 2 U 128/19, juris Rn. 60 ff.; ebenso OLG Koblenz, Urt. v. 16.09.2019 – 12 U 61/19, WM 2019, 1929 = juris Rn. 78; OLG Celle, Urt. v. 20.11.2019 – 7 U 244/18, juris Rn. 37; OLG Hamm, Urt. v. 10.9.2019 – I-13 U 149/18, NJW-RR 2019, 1428 Rn. 78; OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 108).

cc) Der anzurechnende Gebrauchsvorteil beträgt danach

$${\frac{\text{35.000 € [Bruttokaufpreis]}\times\text{101.827 km [unstreitig gefahrene Kilometer]}}{\text{250.000 km}-\text{49.063 km}}}=\text{17.736,63 €},$$

sodass sich ein Schadensersatzanspruch in Höhe von (35.000 € − 17.736,63 € =) 17.263,37 € ergibt.

ee) Der Geltendmachung des Schadens steht auch nicht entgegen, dass dem Kläger mit Abschluss des ersten Darlehensvertrags im Jahr 2014 von der Niederlassung der Beklagten ein Rückgaberecht zum 27.11.2017 eingeräumt wurde, das der Kläger nicht ausgeübt hat.

Dabei kann hier dahinstehen, ob und unter welchen Umständen ein Geschädigter, der aufgrund eines verbrieften Rückgaberechts die Möglichkeit hat, das Fahrzeug zu einem in Unkenntnis der dort eingebauten Umschaltlogik vereinbarten und damit aus jetziger Sicht günstigen Preis zu veräußern, gehalten sein kann, von dieser Möglichkeit im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gemäß § 254 I, II 1 BGB Gebrauch zu machen (vgl. OLG München, Urt. v. 17.12.2019 – 18 U 3363/19, BeckRS 2019, 33717 Rn. 78 f.; LG Magdeburg, Urt. v. 24.10.2019 – 10 O 1191/19, BeckRS 2019, 26960 Rn. 29). Zwar kann nach dieser Vorschrift ein Mitverschulden, das zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, auch darin bestehen, dass der Schuldner es unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Dies ist dann der Fall, wenn der Geschädigte diejenigen Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder -minderung ergreifen würde (BGH, Urt. v. 17.03.2011 – IX ZR 162/08, WM 2011, 1529 Rn. 17 m. w. Nachw.).

Davon kann unter den gegebenen Umständen aber nicht ausgegangen werden. Dabei kann dem Kläger das nicht ausgeübte Rückgaberecht im Jahr 2017 schon deshalb nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil dem Kläger im November 2017 die Tatsache, dass in seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist, noch nicht bekannt war. Jedenfalls liegen vor dem Hintergrund, dass der Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes für das streitgegenständliche Fahrzeug erst im Jahr 2019 erfolgte, keine gegenteiligen Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Klägers vor.

Auf das weitere vereinbarte Rückgaberecht zum November 2021 kommt es im Übrigen wegen der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens durch den Kläger und des damit verbundenen Wegfalls des Rückgaberechts nicht mehr an.

3. Der Zinsausspruch folgt aus §§ 291, 288 I 2 BGB.

4. Soweit der Kläger den Rechtsstreit im Hinblick auf die vollständige Rückzahlung des Darlehens für das streitgegenständliche Fahrzeug teilweise für erledigt erklärt hat, ist die Erledigungserklärung, nachdem die Beklagte der klägerischen Erledigungserklärung widersprochen hat, dahin gehend auszulegen, dass der Kläger insoweit die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits beantragt.

Dieser nach §§ 256 I, 264 Nr. 2 ZPO zulässige Feststellungsantrag (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 24.07.2018 – VI ZR 330/17, VersR 2019, 243 Rn. 57 m. w. Nachw.; für Fälle wie hier vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.11.2019 – 17 U 146/19, juris Rn. 134) ist allerdings unbegründet.

Der Kläger hat nicht zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen, dass sich die Klage in Höhe der Differenz der Nutzungsentschädigung zum Zeitpunkt der vollständigen Rückzahlung des Darlehens im Juni 2020 und dem nunmehr beantragten Betrag erledigt hat. Gleiches gilt, soweit der Kläger hinsichtlich der ursprünglich beantragten Freistellung von weiteren Darlehensverbindlichkeiten die Erledigung des Rechtsstreits erklärt hat. Zwar stand dem Kläger – wie gezeigt – im Juni 2020 ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zu. Der Kläger hätte aber angesichts des Widerspruchs der Beklagten gegen die Erledigungserklärung nachweisen müssen, dass ihm dieser Anspruch auch in der mit der Klage geltend gemachten Höhe zustand. Dieser Nachweis ist sowohl für den Zahlungsantrag als auch für den Freistellungsantrag schon deshalb nicht erbracht, weil nicht beweissicher nachvollzogen werden kann, welche Laufleistung das streitgegenständliche Fahrzeug im Zeitpunkt der vollständigen Rückzahlung des Darlehens hatte und damit offenbleibt, ob die vom Kläger zu diesem Zeitpunkt veranschlagte Nutzungsentschädigung – die derjenigen in der Klageschrift vom 30.09.2019 entspricht – zutreffend ermittelt war. Mangels eines entsprechenden Vortrags und wegen der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit von Sonderzahlungen durch den Kläger lässt sich darüber hinaus auch nicht beweissicher nachvollziehen, in welcher Höhe dem Kläger zu diesem Zeitpunkt noch ein Freistellungsanspruch gegen die Beklagte zustand.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I 1 ZPO. …

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