Ein Ver­kaufs­mit­ar­bei­ter in ei­nem Au­to­haus gilt nach § 56 HGB grund­sätz­lich als er­mäch­tigt, Bar­zah­lun­gen von Kun­den in Emp­fang zu neh­men und üb­li­che Preis­nach­läs­se zu ge­wäh­ren.

OLG Karls­ru­he, Ur­teil vom 16.10.2020 – 10 U 3/20

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en, die ei­nen Kfz-Kauf­ver­trag ge­schlos­sen ha­ben, strei­ten im Kern dar­über, ob der Be­klag­te den Kauf­preis für das Fahr­zeug ge­zahlt hat oder nicht.

Am 21.02.2018 be­stell­te der Be­klag­te bei der Klä­ge­rin, die meh­re­re Au­to­häu­ser be­treibt, ei­nen Pkw mit Son­der­aus­stat­tung zum Preis von (zu­nächst) 90.000 €. Die­se Be­stel­lung be­stä­tig­te die Klä­ge­rin mit Schrei­ben vom 01.03.2018. In der Fol­ge­zeit wur­de die ge­wünsch­te Son­der­aus­stat­tung mehr­fach er­gänzt, wo­durch sich je­weils der Kauf­preis er­höh­te, und zwar zu­letzt – im Au­gust 2018 – auf 96.900 €. Das be­stell­te Fahr­zeug wur­de dem Be­klag­ten am 18.10.2018 über­ge­ben.

En­de Ok­to­ber 2018 tauch­te A, der als An­ge­stell­ter der Klä­ge­rin die Ver­trags­ver­hand­lun­gen mit dem Be­klag­ten ge­führt hat­te, un­ter. A ist we­gen Ver­mö­gens­straf­ta­ten vor­be­straft und mitt­ler­wei­le we­gen Un­ter­schla­gung und Be­trugs in die­sem und in ei­nem wei­te­ren, ähn­li­chen Fall vor dem Schöf­fen­ge­richt an­ge­klagt wor­den.

Nach­dem A un­ter­ge­taucht war, er­klär­te die Klä­ge­rin den Rück­tritt von dem mit dem Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag we­gen Nicht­zah­lung des Kauf­prei­ses. Der Be­klag­te trat dem ent­ge­gen und be­rief sich dar­auf, den Kauf­preis bar an A ge­zahlt zu ha­ben.

Die Klä­ge­rin hat erst­in­stanz­lich die Her­aus­ga­be des an den Be­klag­ten ge­lie­fer­ten Pkw ver­langt. Hilfs­wei­se hat sie von dem Be­klag­ten die Zah­lung des Kauf­prei­ses von 96.900 € und wei­ter hilfs­wei­se die Zah­lung ei­nes rest­li­chen Kauf­prei­ses von 6.900 € be­gehrt. Dar­über hin­aus hat sie den Be­klag­ten auf Zah­lung ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung für mit dem Pkw zu­rück­ge­leg­te Ki­lo­me­ter in Hö­he von ins­ge­samt 11.507,84 € so­wie dar­auf in An­spruch ge­nom­men, ei­ne von dem Be­klag­ten ver­ur­sach­te Wert­min­de­rung in Hö­he von 50.000 € zu er­set­zen.

Die Klä­ge­rin hat gel­tend ge­macht, sie sei zum Rück­tritt von dem mit dem Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kfz-Kauf­ver­trag be­rech­tigt ge­we­sen, weil der Be­klag­te den ver­ein­bar­ten Kauf­preis für den Pkw nicht ge­zahlt ha­be. Die Klä­ge­rin hat be­strit­ten, dass der Be­klag­te Bar­zah­lun­gen an A ge­leis­tet ha­be, und ge­meint, dass sie sich sol­che oh­ne­hin nicht ent­ge­gen­hal­ten las­sen müss­te, weil A nicht zum Emp­fang von Bar­zah­lun­gen be­rech­tigt ge­we­sen sei. Die Fahr­zeug­über­ga­be – so hat die Klä­ge­rin be­haup­tet – sei un­ab­hän­gig von der Kauf­preis­schuld des Be­klag­ten auf­grund ei­nes ge­son­der­ten Be­nut­zungs­ver­trags er­folgt.

Der Be­klag­te hat in ers­ter In­stanz be­haup­tet, er ha­be Bar­zah­lun­gen in Hö­he von ins­ge­samt 90.000 € an A ge­leis­tet, die die­ser auch je­weils quit­tiert ha­be. Im Ein­zel­nen ha­be er am 28.03.2018 ei­ne An­zah­lung in Hö­he von 20.000 €, am 18.10.2018 wei­te­re 46.000 € so­wie am 22.10.2018 rest­li­che 24.000 € ge­zahlt. Au­ßer­dem ha­be er sich im Ok­to­ber 2018 mit A dar­auf ge­ei­nigt, den Kauf­preis wie­der auf 90.000 € zu re­du­zie­ren.

Wi­der­kla­gend hat der Be­klag­te die Her­aus­ga­be der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II (Fahr­zeug­brief) so­wie den Er­satz vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten be­gehrt.

Das Land­ge­richt hat den Be­klag­ten nach ei­ner Be­weis­auf­nah­me zur Her­aus­ga­be des Fahr­zeugs so­wie zur Zah­lung der von der Klä­ge­rin ver­lang­ten Nut­zungs­ent­schä­di­gung ver­ur­teilt. Die wei­ter­ge­hen­de Kla­ge (Scha­dens­er­satz in Hö­he von 50.000 €) und die Wi­der­kla­ge hat es ab­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat das Land­ge­richt aus­ge­führt, dass A nicht zum Emp­fang des Kauf­prei­ses be­rech­tigt ge­we­sen sei. Dies ha­be der Be­klag­te auch er­ken­nen kön­nen, weil das Au­to­haus der Klä­ge­rin über ei­nen ge­son­der­ten Kas­sen­be­reich ver­fü­ge. Auch aus den von dem Be­klag­ten vor­ge­leg­ten Quit­tun­gen er­ge­be sich kein Rechts­schein ei­ner Emp­fangs­voll­macht. Ein sol­cher Rechts­schein sei schon auf­grund der äu­ße­ren Um­stän­de – Stan­dard­quit­tun­gen für ho­he Bar­zah­lun­gen beim Kauf ei­nes Lu­xus­fahr­zeugs oh­ne Zu­sam­men­hang mit ei­ner Rech­nung – zwei­fel­haft. Je­den­falls aber feh­le es an der wei­te­ren Vor­aus­set­zung, dass die quit­tier­ten Zah­lun­gen ge­ra­de auf die Kauf­preis­schuld er­folgt sei­en. Der Be­klag­te ha­be nicht glaub­haft dar­ge­stellt, wes­halb er die Bar­zah­lun­gen zu den ge­nann­ten Zeit­punk­ten auf die Kauf­preis­schuld ha­be leis­ten wol­len, ob­wohl die­se laut Kauf­ver­trag erst bei Fahr­zeug­über­ga­be fäl­lig sein soll­te. Im Üb­ri­gen ha­be der Be­klag­te nicht da­von aus­ge­hen dür­fen, mit der Zah­lung von ins­ge­samt 90.000 € sei­ne Ver­pflich­tung aus dem Kauf­ver­trag zu er­fül­len. Ei­ne Her­ab­set­zung des Kauf­prei­ses von 96.900 € auf 90.000 € sei nicht be­wie­sen.

Mit sei­ner da­ge­gen ge­rich­te­ten Be­ru­fung woll­te der Be­klag­te wei­ter­hin die Ab­wei­sung der Kla­ge so­wie die Her­aus­ga­be der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II und den Er­satz vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 2.217,45 € nebst Zin­sen er­rei­chen. Das Rechts­mit­tel hat­te im We­sent­li­chen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Die Klä­ge­rin kann vom Be­klag­ten we­der die Her­aus­ga­be des Fahr­zeugs … noch Nut­zungs­er­satz ver­lan­gen; statt­des­sen ist sie ihm zur Her­aus­ga­be des Fahr­zeug­briefs ver­pflich­tet. Denn der Kauf­preis ist be­zahlt.

Im Ein­zel­nen:

1. Der Klä­ge­rin steht kein An­spruch auf Rück­ab­wick­lung aus § 346 I BGB zu. Sie konn­te nicht wirk­sam von dem mit dem Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag zu­rück­tre­ten. Es liegt kein Rück­tritts­grund nach § 323 I BGB vor. Denn der Be­klag­te hat durch Bar­zah­lun­gen in Hö­he von ins­ge­samt 90.000 € den Kauf­preis wirk­sam und voll­stän­dig an die Be­klag­te ge­leis­tet.

a) Auf­grund der Be­weis­auf­nah­me steht fest, dass der Be­klag­te dem Zeu­gen A ins­ge­samt 90.000 € in bar über­ge­ben hat.

Die Be­weis­last für die Bar­zah­lun­gen liegt beim Be­klag­ten. Zwar hat grund­sätz­lich der nach § 323 I BGB zu­rück­tre­ten­de Gläu­bi­ger – hier die Klä­ge­rin – die Vor­aus­set­zun­gen des Rück­tritts zu be­wei­sen (Stau­din­ger/Schwar­ze, BGB, Neu­be­arb. 2020, § 323 Rn. F 1). Das än­dert aber nichts an der Be­weis­last des Schuld­ners – hier des Be­klag­ten – für die von ihm be­haup­te­te Er­fül­lung (Stau­din­ger/Schwar­ze, a. a. O., § 323 Rn. F 4 m. w. Nachw.; Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 79. Aufl. [2020], § 363 Rn. 1).

Die­sen Be­weis hat der Be­klag­te er­bracht. Der Zeu­ge A hat aus­drück­lich be­stä­tigt, dass er die Bar­zah­lun­gen des Be­klag­ten ent­ge­gen­ge­nom­men hat und dass die Un­ter­schrif­ten auf den ent­spre­chen­den Quit­tun­gen von ihm stam­men. Die­se Un­ter­schrif­ten stim­men auch nach dem Schrift­bild so­wohl mit der vom Zeu­gen A im Ter­min ge­leis­te­ten Ver­gleichs­un­ter­schrift als auch mit der Un­ter­schrift des Zeu­gen un­ter der von der Klä­ge­rin vor­ge­leg­ten in­ter­nen Ver­fah­rens­an­wei­sung (…; lag im Ter­min im Ori­gi­nal vor) über­ein.

Hin­sicht­lich der Ent­ge­gen­nah­me des Bar­gelds und der Echt­heit der Quit­tun­gen ist der Se­nat von der Rich­tig­keit der An­ga­ben des Zeu­gen A über­zeugt. Der Se­nat ver­kennt da­bei nicht, dass im Üb­ri­gen er­heb­li­che Zwei­fel an der Glaub­wür­dig­keit des Zeu­gen A be­ste­hen und er die an ihn ge­stell­ten Fra­gen un­ter Be­ru­fung auf sein Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht nach § 384 Nr. 2 ZPO auch nur in aus­ge­wähl­tem Um­fang be­ant­wor­tet hat. Bei der Ent­ge­gen­nah­me der Bar­zah­lun­gen und der Aus­stel­lung der Quit­tun­gen han­delt es sich je­doch er­sicht­lich um Um­stän­de, die für den Zeu­gen in dem ge­gen ihn an­hän­gi­gen Straf­ver­fah­ren ge­ge­be­nen­falls be­las­tend sein kön­nen. Es ist da­mit kein Grund er­sicht­lich, wes­halb er in die­sem Punkt die Un­wahr­heit sa­gen und sich da­mit un­nö­tig be­las­ten soll­te.

Nach­dem der Zeu­ge A die Echt­heit der von ihm aus­ge­stell­ten Quit­tun­gen, die im Üb­ri­gen je­weils auch ei­nen Fir­mens­tem­pel der Klä­ge­rin tra­gen, über­zeu­gend be­stä­tigt hat, war die Ein­ho­lung ei­nes Schrift­sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens ent­behr­lich.

Zu­sätz­lich be­stä­tigt wer­den die Bar­zah­lun­gen auch durch die da­mit im Kern über­ein­stim­men­den Aus­sa­gen der Zeu­gin X und des Zeu­gen Y so­wie durch die An­ga­ben des Be­klag­ten in des­sen per­sön­li­cher An­hö­rung durch den Se­nat, fer­ner ins­be­son­de­re durch das vom Zeu­gen Y ge­fer­tig­te Kurz­vi­deo über den ers­ten Zah­lungs­ter­min, das im Be­ru­fungs­ter­min ge­mein­sam in Au­gen­schein ge­nom­men wur­de und das zwar nicht den Mo­ment der Geld­über­ga­be selbst zeigt, auf dem aber ein grö­ße­res Bün­del Geld­schei­ne auf dem Schreib­tisch des Zeu­gen A zu er­ken­nen ist, wäh­rend die­ser im Hin­ter­grund in sei­nem Bü­ro­schrank räumt.

Letzt­lich geht auch die Klä­ge­rin selbst da­von aus, dass der Zeu­ge A (wie be­reits in der Ver­gan­gen­heit) in die­sem und in Par­al­lel­fäl­len „mas­siv Gel­der ver­un­treut und un­ter­schla­gen hat“. Das aber setzt vor­aus, dass er die­se Gel­der – wie vom Be­klag­ten vor­ge­tra­gen – er­hal­ten hat.

b) Dass die Bar­zah­lun­gen dem Zweck die­nen soll­ten, die Kauf­preis­for­de­rung zu til­gen, kann kei­nem ver­nünf­ti­gen Zwei­fel un­ter­lie­gen. Ei­ne an­de­re Zweck­be­stim­mung ist nicht er­kenn­bar. Dem steht auch nicht ent­ge­gen, dass die schrift­li­chen Ver­trags­un­ter­la­gen ei­ne Zah­lung in Ra­ten und vor Fahr­zeug­über­ga­be nicht aus­drück­lich vor­sa­hen. Ab­ge­se­hen da­von, dass ei­ne Ra­ten­zah­lung vor Über­ga­be da­mit zu­min­dest auch nicht aus­ge­schlos­sen war, lau­tet die – of­fen­bar for­mu­lar­mä­ßi­ge – Ein­tra­gung in der Auf­trags­be­stä­ti­gung vom 03.08.2018 voll­stän­dig: „Zah­lung nach Ver­ein­ba­rung, an­dern­falls ef­fek­tiv bei Über­nah­me“. Hier hat der Be­klag­te plau­si­bel vor­ge­tra­gen, dass we­gen der spe­zi­ell ge­wünsch­ten Son­der­an­fer­ti­gung ei­ne An­zah­lung ver­langt wur­de, was ei­ne ent­spre­chen­de münd­li­che Zah­lungs­ver­ein­ba­rung dar­stellt. Das An­zah­lungs­ver­lan­gen ha­ben auch die Zeu­gen A und Y über­ein­stim­mend – in­so­weit über­zeu­gend und glaub­haft – be­stä­tigt. Die wei­te­ren Ra­ten wur­den bei und nach der Fahr­zeug­über­nah­me ge­zahlt.

c) Die Zah­lun­gen hat­ten auch Er­fül­lungs­wir­kung ge­gen­über der Klä­ge­rin (§ 362 BGB). Denn sie muss sich die An­nah­me der Gel­der durch ih­ren Mit­ar­bei­ter, den Zeu­gen A, zu­rech­nen las­sen.

Des­sen Emp­fangs­voll­macht folgt al­ler­dings nicht aus § 370 BGB. Die­se Vor­schrift be­trifft le­dig­lich den Über­brin­ger ei­ner Quit­tung. Der Zeu­ge A hat die Quit­tun­gen hier je­doch selbst – als Ver­tre­ter der Klä­ge­rin – aus­ge­stellt, sie al­so nicht le­dig­lich über­bracht.

Die Emp­fangs­voll­macht des Zeu­gen A für die Klä­ge­rin er­gibt sich je­doch aus § 56 HGB. Da­nach gilt, wer in ei­nem La­den an­ge­stellt ist, als er­mäch­tigt zu Ver­käu­fen und Emp­fang­nah­men, die in ei­nem der­ar­ti­gen La­den ge­wöhn­lich ge­sche­hen. Der Zeu­ge A war im Au­to­haus der Klä­ge­rin als Ver­käu­fer an­ge­stellt. Im Au­to­han­del sind Bar­zah­lun­gen auch über hö­he­re Sum­men ge­ne­rell nicht un­ge­wöhn­lich (OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 28.04.2008 – 1 U 239/07, NJW-RR 2009, 1043, 1044 f.). Das gilt auch für den Kauf in ei­nem Au­to­haus. Denn auch dort wird der Käu­fer das mit ei­ner Vor­aus-Über­wei­sung ver­bun­de­ne In­sol­venz­ri­si­ko scheu­en. Dass er zu­min­dest ge­le­gent­lich Bar­zah­lun­gen an­ge­nom­men hat, hat auch der Zeu­ge A aus­drück­lich und in­so­weit für den Se­nat über­zeu­gend be­stä­tigt; auch hier gilt, dass die­ser Punkt für ihn eher un­güns­tig ist, so­dass kein Grund zu lü­gen er­kenn­bar ist.

Dass die Klä­ge­rin ih­ren Mit­ar­bei­tern durch in­ter­ne An­wei­sun­gen Bar­geld­an­nah­men ver­bo­ten hat, be­traf le­dig­lich das In­nen­ver­hält­nis des Zeu­gen A zur Klä­ge­rin, ist hin­ge­gen für die Emp­fangs­voll­macht im Au­ßen­ver­hält­nis zum Be­klag­ten un­er­heb­lich. Dass dem Be­klag­ten die in­ter­nen Vor­ga­ben der Klä­ge­rin be­kannt ge­we­sen wä­ren, trägt die Klä­ge­rin nicht vor.

Die Emp­fangs­voll­macht aus § 56 HGB ist auch nicht in sons­ti­ger Wei­se ein­ge­schränkt wor­den. Zum Teil wird er­wo­gen, dass der La­den­in­ha­ber die Emp­fangs­voll­macht für Zah­lun­gen da­durch kon­klu­dent ein­schrän­ken kann, dass er deut­lich sicht­ba­re Kas­sen­be­rei­che ein­rich­tet und da­mit zum Aus­druck bringt, dass au­ßer­halb die­ser Kas­sen kei­ne Zah­lun­gen er­fol­gen sol­len (vgl. Münch­Komm-HGB/Krebs, 4. Aufl. [2016], § 56 Rn. 33 m. w. Nachw.). Die­se Dis­kus­si­on be­zieht sich aber auf Selbst­be­die­nungs­lä­den, ins­be­son­de­re Su­per­märk­te (dort im Ein­zel­fall ei­ne Ein­schrän­kung ver­nei­nend OLG Karls­ru­he, Urt. v. 07.05.1980 – 13 U 217/79, MDR 1980, 849 f.; auf den Ein­zel­fall ab­stel­lend auch Staub/Joost, HGB, 5. Aufl. [2008], § 56 Rn. 45). Das ist mit der hie­si­gen Fall­ge­stal­tung ei­nes Au­to­hau­ses nicht ver­gleich­bar. Re­gel­mä­ßig und so auch hier er­folgt im Au­to­haus der ge­sam­te Kauf­pro­zess von der An­bah­nung über die Ver­trags­ver­hand­lung und den -ab­schluss bis hin zur Ab­wick­lung im Aus­tausch zwi­schen Ver­kaufs­mit­ar­bei­ter und Kun­den. Für den Kun­den bleibt in der Re­gel der han­deln­de Ver­kaufs­mit­ar­bei­ter über den gan­zen Ver­trags­pro­zess hin­weg der ein­zi­ge An­sprech­part­ner. Der Kun­de darf da­her grund­sätz­lich auch dann, wenn es im Au­to­haus ei­nen ge­son­der­ten Kas­sen­be­reich gibt, da­von aus­ge­hen, dass er Zah­lun­gen un­mit­tel­bar an „sei­nen“ Ver­kaufs­mit­ar­bei­ter leis­ten kann. Das gilt um­so mehr, wenn – wie hier – der Kas­sen­be­reich oh­ne­hin nur für den Er­werb von Mer­chan­di­sing-Ar­ti­keln zu klei­ne­ren Bar­geld­be­trä­gen ein­ge­rich­tet ist.

d) Nur die­ses Er­geb­nis ent­spricht auch ei­ner sach­ge­rech­ten Ri­si­ko­ver­tei­lung: Das Ri­si­ko, dass ei­ner ih­rer An­ge­stell­ten Gel­der un­ter­schlägt, trägt in ers­ter Li­nie die Klä­ge­rin, die die­sen An­ge­stell­ten be­wusst aus­ge­wählt hat und die ihn für ih­re Zwe­cke ein­setzt, nicht hin­ge­gen der Kun­de.

Es kann auch nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Be­klag­ten­sei­te mit dem Zeu­gen A zu­las­ten der Klä­ge­rin kol­lu­siv zu­sam­men­ge­wirkt hät­te. Kon­kre­te An­halts­punk­te hier­für hat die Klä­ge­rin nicht dar­le­gen kön­nen und sind auch sonst nicht er­sicht­lich. Es han­delt sich um ei­nen durch­aus schwer­wie­gen­den Vor­wurf, so­dass es über­rascht, mit wel­cher Leicht­fer­tig­keit die Klä­ge­rin ihn ge­gen­über dem Be­klag­ten und an­de­ren ih­rer Kun­den er­hebt, oh­ne ihn nä­her kon­kre­ti­sie­ren zu kön­nen.

Plau­si­ble Sze­na­ri­en für ein – wie auch im­mer ge­ar­te­tes – kol­lu­si­ves Zu­sam­men­wir­ken zeigt die Klä­ge­rin nicht auf. Der Be­klag­te ver­fügt aus sei­nen Ein­nah­men als … of­fen­bar über aus­rei­chen­de Geld­mit­tel und hat­te zu­vor be­reits mehr­fach Lu­xus­fahr­zeu­ge ge­kauft. Dem­nach be­stand für ihn – so­weit er­sicht­lich – kein An­lass, zu be­trü­ge­ri­schen Mit­teln zu grei­fen. Das gilt um­so mehr, als er of­fen als Käu­fer in Er­schei­nung trat und da­mit für ihn das Ri­si­ko, bei ei­nem et­wai­gen Be­trug als­bald über­führt zu wer­den, auf der Hand lie­gen muss­te. Wes­halb der Be­klag­te, der in in­ter­es­sier­ten Krei­sen of­fen­bar durch­aus über ei­ne er­heb­li­che Po­pu­la­ri­tät ver­fügt, oh­ne Not sei­nen Ruf hät­te aufs Spiel set­zen sol­len, er­schließt sich nicht.

Auf­sei­ten des Zeu­gen A hin­ge­gen er­scheint ein kri­mi­nel­les Vor­ge­hen 0 von dem nach in­so­weit über­ein­stim­men­dem Vor­trag bei­der Par­tei­en aus­zu­ge­hen ist – nur dann sinn­voll, wenn er tat­säch­lich Gel­der vom Be­klag­ten und den wei­te­ren Kun­den ver­ein­nahmt hat. Da­bei ist ein Han­deln oh­ne Mit­wis­ser­schaft der je­wei­li­gen Kun­den durch­aus plau­si­bel, weil der Zeu­ge auf die­se Wei­se die Zah­lun­gen in vol­ler Hö­he un­ter­schla­gen konn­te. Hin­ge­gen hät­te er bei ei­nem kol­lu­si­ven Zu­sam­men­wir­ken mit dem Kun­den den kri­mi­nel­len Ge­winn mit ihm tei­len müs­sen. Dann aber ist nicht oh­ne Wei­te­res plau­si­bel, wes­halb der Zeu­ge A be­reit ge­we­sen sein soll­te, die zwin­gend zu er­war­ten­de Straf­ver­fol­gung al­lein auf sich zu neh­men.

e) Durch die Zah­lung von 90.000 € hat der Be­klag­te die Kauf­preis­schuld voll­stän­dig er­füllt.

aa) Der Be­klag­te hat be­wei­sen kön­nen, dass der Kauf­preis im Ok­to­ber 2018 von zwi­schen­zeit­lich 96.900 € wie­der auf den ur­sprüng­li­chen Be­trag von 90.000 € re­du­ziert wur­de.

Die Zeu­gen Y und A ha­ben die­se Re­du­zie­rung über­ein­stim­mend be­stä­tigt. Auch in die­sem Punkt be­stand für den Zeu­gen A kein Grund zu lü­gen. Er hat die Re­du­zie­rung plau­si­bel und über­zeu­gend da­mit be­grün­det, dass die Lie­fe­rung erst acht Mo­na­te nach der Be­stel­lung er­folg­te und sich da­mit zwar for­mal in­ner­halb des in der Auf­trags­be­stä­ti­gung ge­nann­ten un­ver­bind­li­chen Lie­fer­ter­mins hielt, dass er dem Be­klag­ten aber münd­lich ei­ne we­sent­lich frü­he­re Lie­fe­rung zu­ge­sagt ha­be. Denn er kön­ne „ja dem Kun­den schlecht er­klä­ren, dass ei­ne Aus­lie­fe­rung erst ein Jahr spä­ter … er­folgt“ (wie es sich aus der nicht vom Zeu­gen A vor­ge­nom­me­nen Ein­tra­gung in der for­ma­len Auf­trags­be­stä­ti­gung er­ge­ben hät­te).

Vor al­lem aber wird die be­haup­te­te Re­du­zie­rung durch schrift­li­che Kauf­ver­trags­un­ter­la­gen be­stä­tigt: Auf zwei spä­te­ren Ab­rech­nungs­bö­gen, die aus dem Com­pu­ter­sys­tem der Klä­ge­rin er­stellt wur­den und ih­ren Fir­mens­tem­pel samt Un­ter­schrift des Zeu­gen A tra­gen, ist der Kauf­preis mit 90.000 € an­ge­ge­ben.

bb) Die­se Re­du­zie­rung muss die Klä­ge­rin auch ge­gen sich gel­ten las­sen.

Dass der Zeu­ge A zu ei­ner ei­gen­mäch­ti­gen Re­du­zie­rung im In­nen­ver­hält­nis zur Klä­ge­rin nicht be­fugt war, ist für das Au­ßen­ver­hält­nis zum Be­klag­ten un­er­heb­lich. In­so­weit gel­ten die obi­gen Aus­füh­run­gen zur Ver­tre­tungs­voll­macht nach § 56 HGB ent­spre­chend. Dem steht auch nicht ent­ge­gen, dass die ur­sprüng­li­che Be­stel­lung und die spä­te­re Auf­trags­er­wei­te­rung auf Klä­ger­sei­te je­weils nicht vom Zeu­gen A, son­dern durch ge­son­der­tes Schrei­ben von des­sen Vor­ge­setz­ten be­stä­tigt wor­den wa­ren. Dies muss­te dem Be­klag­ten als ju­ris­tisch nicht ver­sier­tem Kun­den schon nicht auf­fal­len; je­den­falls muss­te er dar­aus nicht oh­ne Wei­te­res den Schluss zie­hen, dass der Zeu­ge A, der die ge­sam­ten Ver­kaufs­ver­hand­lun­gen mit dem Be­klag­ten ei­gen­stän­dig für die Klä­ge­rin ge­führt hat­te, nicht zur Ge­wäh­rung von Preis­nach­läs­sen be­voll­mäch­tigt sei. Das gilt je­den­falls für ei­nen – wie hier – nicht auf­fäl­lig ho­hen Ra­batt (un­ter 10 %), der zu­dem im Er­geb­nis wie­der dem ur­sprüng­lich ver­ein­bar­ten Kauf­preis ent­sprach (wenn auch nun bei zu­sätz­li­chen Son­der­aus­stat­tun­gen).

Auch et­wa ab­wei­chen­de Ver­kaufs­be­din­gun­gen der Klä­ge­rin ste­hen nicht ent­ge­gen. Denn die Voll­machts­fik­ti­on des La­den­an­ge­stell­ten aus § 56 HGB lässt sich je­den­falls nicht durch "ein­fa­che", das heißt nicht deut­lich her­vor­ge­ho­be­ne All­ge­mei­ne Ge­schäfts­be­din­gun­gen be­sei­ti­gen (vgl. Münch­Komm-HGB/Krebs, a. a. O., § 56 Rn. 35; Münch­Kommm-BGB/Ba­se­dow, 8. Aufl. [2019], § 305b Rn. 17; BeckOGK/Quantz, Stand: 01.05.2020, § 307 BGB Voll­machts­klau­sel Rn. 32).

Dar­über hin­aus hat der Zeu­ge A ge­gen­über dem Be­klag­ten zu­min­dest den Ein­druck er­weckt, er ha­be die Re­du­zie­rung auch mit sei­nem Vor­ge­setz­ten ab­ge­spro­chen. Das er­gibt sich aus den An­ga­ben des Zeu­gen Y und wird be­stä­tigt durch die all­ge­mei­ne Aus­sa­ge des Zeu­gen A, dass er der­ar­ti­ge Ver­trags­än­de­run­gen mit sei­nem Vor­ge­setz­ten grund­sätz­lich ab­ge­spro­chen ha­be. Das lässt es plau­si­bel er­schei­nen, dass der Zeu­ge A ei­ne sol­che Ab­spra­che hier zu­min­dest vor­gab, ge­ge­be­nen­falls um die – sei es auch re­du­zier­te – Kauf­preis­zah­lung als­bald im We­ge der Un­ter­schla­gung für sich selbst ver­ein­nah­men zu kön­nen und ei­nen Kon­flikt mit dem Be­klag­ten zu ver­mei­den, der für den Zeu­gen A das Ri­si­ko ei­ner so­for­ti­gen Auf­de­ckung hin­sicht­lich der be­reits un­ter­schla­ge­nen An­zah­lung in sich barg. Ob der Zeu­ge A die Re­du­zie­rung tat­säch­lich ab­ge­spro­chen hat­te, muss­te der Be­klag­te nicht über­prü­fen. Viel­mehr durf­te er in­so­weit auf des­sen An­ga­ben ver­trau­en.

2. Man­gels wirk­sa­men Rück­tritts steht der Klä­ge­rin auch kein Nut­zungs­er­satz aus § 346 I Fall 2 BGB zu. Der Be­klag­te war viel­mehr auf­grund des Kauf­ver­trags zur fort­ge­setz­ten Nut­zung des Fahr­zeugs be­rech­tigt.

3. Die Wi­der­kla­ge ist hin­sicht­lich der Her­aus­ga­be des Fahr­zeug­briefs be­grün­det (§ 433 I BGB oder § 985 BGB i. V. mit § 952 BGB [ana­log]). Da­bei geht der Se­nat da­von aus, dass die Par­tei­en sich be­reits bei Über­ga­be des Fahr­zeugs still­schwei­gend auf ei­ne be­ding­te Über­eig­nung ge­ei­nigt ha­ben, auf­grund de­rer das Ei­gen­tum an dem Fahr­zeug nach voll­stän­di­ger Kauf­preis­zah­lung und nach Ab­lauf des ge­son­dert ver­ein­bar­ten Nut­zungs­zeit­raums von vier Mo­na­ten mit ei­ner Lauf­leis­tung von zu­min­dest 8.000 km auf den Be­klag­ten über­ge­gan­gen ist, oh­ne dass es da­zu in die­sem Zeit­punkt noch ei­ner wei­te­ren ding­li­chen Ei­ni­gung be­durf­te. Letzt­lich kann das aber auch da­hin­ste­hen. Denn an­dern­falls wä­re die Klä­ge­rin aus dem Kauf­ver­trag zur Über­eig­nung des Fahr­zeugs ver­pflich­tet und da­mit auch zur Her­aus­ga­be des zu­ge­hö­ri­gen Fahr­zeug­briefs.

4. Kei­nen An­spruch hat der Be­klag­te aber auf Er­stat­tung sei­ner vor­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten (§§ 280 I, II, 286 BGB). Im We­sent­li­chen sind die­se für die Rechts­ver­tei­di­gung ge­gen das Rück­ga­be­ver­lan­gen der Klä­ge­rin an­ge­fal­len. Im We­ge des Scha­dens­er­sat­zes könn­te der Be­klag­te die Er­stat­tung der An­walts­kos­ten da­her nur dann nach § 280 BGB ver­lan­gen, wenn die un­be­rech­tig­te Gel­tend­ma­chung des Rück­tritts sich als schuld­haf­te Ver­let­zung ver­trag­li­cher Ne­ben­pflich­ten durch die Klä­ge­rin dar­stel­len wür­de. Das ist bei der un­be­rech­tig­ten Gel­tend­ma­chung von An­sprü­chen nicht oh­ne Wei­te­res der Fall, so­lan­ge sie sich auf ei­ne ver­tret­ba­re recht­li­che Be­grün­dung stüt­zen kann (Pa­landt/Grü­ne­berg, a. a. O., § 280 Rn. 27). So liegt es hier: Dass die Gel­tend­ma­chung des Rück­tritts recht­lich ver­tret­bar war, zeigt sich schon dar­an, dass sie erst­in­stanz­lich Er­folg hat­te. So­weit sich die vor­ge­richt­li­che Tä­tig­keit der Rechts­an­wäl­tin des Be­klag­ten dar­über hin­aus auch auf die ak­ti­ve Gel­tend­ma­chung von Ge­gen­an­sprü­chen (Her­aus­ga­be des Fahr­zeug­briefs) er­streck­te, hat sich da­durch der Ge­gen­stands­wert nicht er­höht, so­dass hier­für kei­ne zu­sätz­li­chen An­walts­kos­ten ent­stan­den sind. …

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