Ein Verkaufsmitarbeiter in einem Autohaus gilt nach § 56 HGB grundsätzlich als ermächtigt, Barzahlungen von Kunden in Empfang zu nehmen und übliche Preisnachlässe zu gewähren.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.10.2020 – 10 U 3/20
Sachverhalt: Die Parteien, die einen Kfz-Kaufvertrag geschlossen haben, streiten im Kern darüber, ob der Beklagte den Kaufpreis für das Fahrzeug gezahlt hat oder nicht.
Am 21.02.2018 bestellte der Beklagte bei der Klägerin, die mehrere Autohäuser betreibt, einen Pkw mit Sonderausstattung zum Preis von (zunächst) 90.000 €. Diese Bestellung bestätigte die Klägerin mit Schreiben vom 01.03.2018. In der Folgezeit wurde die gewünschte Sonderausstattung mehrfach ergänzt, wodurch sich jeweils der Kaufpreis erhöhte, und zwar zuletzt – im August 2018 – auf 96.900 €. Das bestellte Fahrzeug wurde dem Beklagten am 18.10.2018 übergeben.
Ende Oktober 2018 tauchte A, der als Angestellter der Klägerin die Vertragsverhandlungen mit dem Beklagten geführt hatte, unter. A ist wegen Vermögensstraftaten vorbestraft und mittlerweile wegen Unterschlagung und Betrugs in diesem und in einem weiteren, ähnlichen Fall vor dem Schöffengericht angeklagt worden.
Nachdem A untergetaucht war, erklärte die Klägerin den Rücktritt von dem mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag wegen Nichtzahlung des Kaufpreises. Der Beklagte trat dem entgegen und berief sich darauf, den Kaufpreis bar an A gezahlt zu haben.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Herausgabe des an den Beklagten gelieferten Pkw verlangt. Hilfsweise hat sie von dem Beklagten die Zahlung des Kaufpreises von 96.900 € und weiter hilfsweise die Zahlung eines restlichen Kaufpreises von 6.900 € begehrt. Darüber hinaus hat sie den Beklagten auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für mit dem Pkw zurückgelegte Kilometer in Höhe von insgesamt 11.507,84 € sowie darauf in Anspruch genommen, eine von dem Beklagten verursachte Wertminderung in Höhe von 50.000 € zu ersetzen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei zum Rücktritt von dem mit dem Beklagten geschlossenen Kfz-Kaufvertrag berechtigt gewesen, weil der Beklagte den vereinbarten Kaufpreis für den Pkw nicht gezahlt habe. Die Klägerin hat bestritten, dass der Beklagte Barzahlungen an A geleistet habe, und gemeint, dass sie sich solche ohnehin nicht entgegenhalten lassen müsste, weil A nicht zum Empfang von Barzahlungen berechtigt gewesen sei. Die Fahrzeugübergabe – so hat die Klägerin behauptet – sei unabhängig von der Kaufpreisschuld des Beklagten aufgrund eines gesonderten Benutzungsvertrags erfolgt.
Der Beklagte hat in erster Instanz behauptet, er habe Barzahlungen in Höhe von insgesamt 90.000 € an A geleistet, die dieser auch jeweils quittiert habe. Im Einzelnen habe er am 28.03.2018 eine Anzahlung in Höhe von 20.000 €, am 18.10.2018 weitere 46.000 € sowie am 22.10.2018 restliche 24.000 € gezahlt. Außerdem habe er sich im Oktober 2018 mit A darauf geeinigt, den Kaufpreis wieder auf 90.000 € zu reduzieren.
Widerklagend hat der Beklagte die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) sowie den Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten begehrt.
Das Landgericht hat den Beklagten nach einer Beweisaufnahme zur Herausgabe des Fahrzeugs sowie zur Zahlung der von der Klägerin verlangten Nutzungsentschädigung verurteilt. Die weitergehende Klage (Schadensersatz in Höhe von 50.000 €) und die Widerklage hat es abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass A nicht zum Empfang des Kaufpreises berechtigt gewesen sei. Dies habe der Beklagte auch erkennen können, weil das Autohaus der Klägerin über einen gesonderten Kassenbereich verfüge. Auch aus den von dem Beklagten vorgelegten Quittungen ergebe sich kein Rechtsschein einer Empfangsvollmacht. Ein solcher Rechtsschein sei schon aufgrund der äußeren Umstände – Standardquittungen für hohe Barzahlungen beim Kauf eines Luxusfahrzeugs ohne Zusammenhang mit einer Rechnung – zweifelhaft. Jedenfalls aber fehle es an der weiteren Voraussetzung, dass die quittierten Zahlungen gerade auf die Kaufpreisschuld erfolgt seien. Der Beklagte habe nicht glaubhaft dargestellt, weshalb er die Barzahlungen zu den genannten Zeitpunkten auf die Kaufpreisschuld habe leisten wollen, obwohl diese laut Kaufvertrag erst bei Fahrzeugübergabe fällig sein sollte. Im Übrigen habe der Beklagte nicht davon ausgehen dürfen, mit der Zahlung von insgesamt 90.000 € seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag zu erfüllen. Eine Herabsetzung des Kaufpreises von 96.900 € auf 90.000 € sei nicht bewiesen.
Mit seiner dagegen gerichteten Berufung wollte der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage sowie die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II und den Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.217,45 € nebst Zinsen erreichen. Das Rechtsmittel hatte im Wesentlichen Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Die Klägerin kann vom Beklagten weder die Herausgabe des Fahrzeugs … noch Nutzungsersatz verlangen; stattdessen ist sie ihm zur Herausgabe des Fahrzeugbriefs verpflichtet. Denn der Kaufpreis ist bezahlt.
Im Einzelnen:
1. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückabwicklung aus § 346 I BGB zu. Sie konnte nicht wirksam von dem mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zurücktreten. Es liegt kein Rücktrittsgrund nach § 323 I BGB vor. Denn der Beklagte hat durch Barzahlungen in Höhe von insgesamt 90.000 € den Kaufpreis wirksam und vollständig an die Beklagte geleistet.
a) Aufgrund der Beweisaufnahme steht fest, dass der Beklagte dem Zeugen A insgesamt 90.000 € in bar übergeben hat.
Die Beweislast für die Barzahlungen liegt beim Beklagten. Zwar hat grundsätzlich der nach § 323 I BGB zurücktretende Gläubiger – hier die Klägerin – die Voraussetzungen des Rücktritts zu beweisen (Staudinger/Schwarze, BGB, Neubearb. 2020, § 323 Rn. F 1). Das ändert aber nichts an der Beweislast des Schuldners – hier des Beklagten – für die von ihm behauptete Erfüllung (Staudinger/Schwarze, a. a. O., § 323 Rn. F 4 m. w. Nachw.; Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. [2020], § 363 Rn. 1).
Diesen Beweis hat der Beklagte erbracht. Der Zeuge A hat ausdrücklich bestätigt, dass er die Barzahlungen des Beklagten entgegengenommen hat und dass die Unterschriften auf den entsprechenden Quittungen von ihm stammen. Diese Unterschriften stimmen auch nach dem Schriftbild sowohl mit der vom Zeugen A im Termin geleisteten Vergleichsunterschrift als auch mit der Unterschrift des Zeugen unter der von der Klägerin vorgelegten internen Verfahrensanweisung (…; lag im Termin im Original vor) überein.
Hinsichtlich der Entgegennahme des Bargelds und der Echtheit der Quittungen ist der Senat von der Richtigkeit der Angaben des Zeugen A überzeugt. Der Senat verkennt dabei nicht, dass im Übrigen erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen A bestehen und er die an ihn gestellten Fragen unter Berufung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO auch nur in ausgewähltem Umfang beantwortet hat. Bei der Entgegennahme der Barzahlungen und der Ausstellung der Quittungen handelt es sich jedoch ersichtlich um Umstände, die für den Zeugen in dem gegen ihn anhängigen Strafverfahren gegebenenfalls belastend sein können. Es ist damit kein Grund ersichtlich, weshalb er in diesem Punkt die Unwahrheit sagen und sich damit unnötig belasten sollte.
Nachdem der Zeuge A die Echtheit der von ihm ausgestellten Quittungen, die im Übrigen jeweils auch einen Firmenstempel der Klägerin tragen, überzeugend bestätigt hat, war die Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens entbehrlich.
Zusätzlich bestätigt werden die Barzahlungen auch durch die damit im Kern übereinstimmenden Aussagen der Zeugin X und des Zeugen Y sowie durch die Angaben des Beklagten in dessen persönlicher Anhörung durch den Senat, ferner insbesondere durch das vom Zeugen Y gefertigte Kurzvideo über den ersten Zahlungstermin, das im Berufungstermin gemeinsam in Augenschein genommen wurde und das zwar nicht den Moment der Geldübergabe selbst zeigt, auf dem aber ein größeres Bündel Geldscheine auf dem Schreibtisch des Zeugen A zu erkennen ist, während dieser im Hintergrund in seinem Büroschrank räumt.
Letztlich geht auch die Klägerin selbst davon aus, dass der Zeuge A (wie bereits in der Vergangenheit) in diesem und in Parallelfällen „massiv Gelder veruntreut und unterschlagen hat“. Das aber setzt voraus, dass er diese Gelder – wie vom Beklagten vorgetragen – erhalten hat.
b) Dass die Barzahlungen dem Zweck dienen sollten, die Kaufpreisforderung zu tilgen, kann keinem vernünftigen Zweifel unterliegen. Eine andere Zweckbestimmung ist nicht erkennbar. Dem steht auch nicht entgegen, dass die schriftlichen Vertragsunterlagen eine Zahlung in Raten und vor Fahrzeugübergabe nicht ausdrücklich vorsahen. Abgesehen davon, dass eine Ratenzahlung vor Übergabe damit zumindest auch nicht ausgeschlossen war, lautet die – offenbar formularmäßige – Eintragung in der Auftragsbestätigung vom 03.08.2018 vollständig: „Zahlung nach Vereinbarung, andernfalls effektiv bei Übernahme“. Hier hat der Beklagte plausibel vorgetragen, dass wegen der speziell gewünschten Sonderanfertigung eine Anzahlung verlangt wurde, was eine entsprechende mündliche Zahlungsvereinbarung darstellt. Das Anzahlungsverlangen haben auch die Zeugen A und Y übereinstimmend – insoweit überzeugend und glaubhaft – bestätigt. Die weiteren Raten wurden bei und nach der Fahrzeugübernahme gezahlt.
c) Die Zahlungen hatten auch Erfüllungswirkung gegenüber der Klägerin (§ 362 BGB). Denn sie muss sich die Annahme der Gelder durch ihren Mitarbeiter, den Zeugen A, zurechnen lassen.
Dessen Empfangsvollmacht folgt allerdings nicht aus § 370 BGB. Diese Vorschrift betrifft lediglich den Überbringer einer Quittung. Der Zeuge A hat die Quittungen hier jedoch selbst – als Vertreter der Klägerin – ausgestellt, sie also nicht lediglich überbracht.
Die Empfangsvollmacht des Zeugen A für die Klägerin ergibt sich jedoch aus § 56 HGB. Danach gilt, wer in einem Laden angestellt ist, als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden gewöhnlich geschehen. Der Zeuge A war im Autohaus der Klägerin als Verkäufer angestellt. Im Autohandel sind Barzahlungen auch über höhere Summen generell nicht ungewöhnlich (OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.04.2008 – 1 U 239/07, NJW-RR 2009, 1043, 1044 f.). Das gilt auch für den Kauf in einem Autohaus. Denn auch dort wird der Käufer das mit einer Voraus-Überweisung verbundene Insolvenzrisiko scheuen. Dass er zumindest gelegentlich Barzahlungen angenommen hat, hat auch der Zeuge A ausdrücklich und insoweit für den Senat überzeugend bestätigt; auch hier gilt, dass dieser Punkt für ihn eher ungünstig ist, sodass kein Grund zu lügen erkennbar ist.
Dass die Klägerin ihren Mitarbeitern durch interne Anweisungen Bargeldannahmen verboten hat, betraf lediglich das Innenverhältnis des Zeugen A zur Klägerin, ist hingegen für die Empfangsvollmacht im Außenverhältnis zum Beklagten unerheblich. Dass dem Beklagten die internen Vorgaben der Klägerin bekannt gewesen wären, trägt die Klägerin nicht vor.
Die Empfangsvollmacht aus § 56 HGB ist auch nicht in sonstiger Weise eingeschränkt worden. Zum Teil wird erwogen, dass der Ladeninhaber die Empfangsvollmacht für Zahlungen dadurch konkludent einschränken kann, dass er deutlich sichtbare Kassenbereiche einrichtet und damit zum Ausdruck bringt, dass außerhalb dieser Kassen keine Zahlungen erfolgen sollen (vgl. MünchKomm-HGB/Krebs, 4. Aufl. [2016], § 56 Rn. 33 m. w. Nachw.). Diese Diskussion bezieht sich aber auf Selbstbedienungsläden, insbesondere Supermärkte (dort im Einzelfall eine Einschränkung verneinend OLG Karlsruhe, Urt. v. 07.05.1980 – 13 U 217/79, MDR 1980, 849 f.; auf den Einzelfall abstellend auch Staub/Joost, HGB, 5. Aufl. [2008], § 56 Rn. 45). Das ist mit der hiesigen Fallgestaltung eines Autohauses nicht vergleichbar. Regelmäßig und so auch hier erfolgt im Autohaus der gesamte Kaufprozess von der Anbahnung über die Vertragsverhandlung und den -abschluss bis hin zur Abwicklung im Austausch zwischen Verkaufsmitarbeiter und Kunden. Für den Kunden bleibt in der Regel der handelnde Verkaufsmitarbeiter über den ganzen Vertragsprozess hinweg der einzige Ansprechpartner. Der Kunde darf daher grundsätzlich auch dann, wenn es im Autohaus einen gesonderten Kassenbereich gibt, davon ausgehen, dass er Zahlungen unmittelbar an „seinen“ Verkaufsmitarbeiter leisten kann. Das gilt umso mehr, wenn – wie hier – der Kassenbereich ohnehin nur für den Erwerb von Merchandising-Artikeln zu kleineren Bargeldbeträgen eingerichtet ist.
d) Nur dieses Ergebnis entspricht auch einer sachgerechten Risikoverteilung: Das Risiko, dass einer ihrer Angestellten Gelder unterschlägt, trägt in erster Linie die Klägerin, die diesen Angestellten bewusst ausgewählt hat und die ihn für ihre Zwecke einsetzt, nicht hingegen der Kunde.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagtenseite mit dem Zeugen A zulasten der Klägerin kollusiv zusammengewirkt hätte. Konkrete Anhaltspunkte hierfür hat die Klägerin nicht darlegen können und sind auch sonst nicht ersichtlich. Es handelt sich um einen durchaus schwerwiegenden Vorwurf, sodass es überrascht, mit welcher Leichtfertigkeit die Klägerin ihn gegenüber dem Beklagten und anderen ihrer Kunden erhebt, ohne ihn näher konkretisieren zu können.
Plausible Szenarien für ein – wie auch immer geartetes – kollusives Zusammenwirken zeigt die Klägerin nicht auf. Der Beklagte verfügt aus seinen Einnahmen als … offenbar über ausreichende Geldmittel und hatte zuvor bereits mehrfach Luxusfahrzeuge gekauft. Demnach bestand für ihn – soweit ersichtlich – kein Anlass, zu betrügerischen Mitteln zu greifen. Das gilt umso mehr, als er offen als Käufer in Erscheinung trat und damit für ihn das Risiko, bei einem etwaigen Betrug alsbald überführt zu werden, auf der Hand liegen musste. Weshalb der Beklagte, der in interessierten Kreisen offenbar durchaus über eine erhebliche Popularität verfügt, ohne Not seinen Ruf hätte aufs Spiel setzen sollen, erschließt sich nicht.
Aufseiten des Zeugen A hingegen erscheint ein kriminelles Vorgehen 0 von dem nach insoweit übereinstimmendem Vortrag beider Parteien auszugehen ist – nur dann sinnvoll, wenn er tatsächlich Gelder vom Beklagten und den weiteren Kunden vereinnahmt hat. Dabei ist ein Handeln ohne Mitwisserschaft der jeweiligen Kunden durchaus plausibel, weil der Zeuge auf diese Weise die Zahlungen in voller Höhe unterschlagen konnte. Hingegen hätte er bei einem kollusiven Zusammenwirken mit dem Kunden den kriminellen Gewinn mit ihm teilen müssen. Dann aber ist nicht ohne Weiteres plausibel, weshalb der Zeuge A bereit gewesen sein sollte, die zwingend zu erwartende Strafverfolgung allein auf sich zu nehmen.
e) Durch die Zahlung von 90.000 € hat der Beklagte die Kaufpreisschuld vollständig erfüllt.
aa) Der Beklagte hat beweisen können, dass der Kaufpreis im Oktober 2018 von zwischenzeitlich 96.900 € wieder auf den ursprünglichen Betrag von 90.000 € reduziert wurde.
Die Zeugen Y und A haben diese Reduzierung übereinstimmend bestätigt. Auch in diesem Punkt bestand für den Zeugen A kein Grund zu lügen. Er hat die Reduzierung plausibel und überzeugend damit begründet, dass die Lieferung erst acht Monate nach der Bestellung erfolgte und sich damit zwar formal innerhalb des in der Auftragsbestätigung genannten unverbindlichen Liefertermins hielt, dass er dem Beklagten aber mündlich eine wesentlich frühere Lieferung zugesagt habe. Denn er könne „ja dem Kunden schlecht erklären, dass eine Auslieferung erst ein Jahr später … erfolgt“ (wie es sich aus der nicht vom Zeugen A vorgenommenen Eintragung in der formalen Auftragsbestätigung ergeben hätte).
Vor allem aber wird die behauptete Reduzierung durch schriftliche Kaufvertragsunterlagen bestätigt: Auf zwei späteren Abrechnungsbögen, die aus dem Computersystem der Klägerin erstellt wurden und ihren Firmenstempel samt Unterschrift des Zeugen A tragen, ist der Kaufpreis mit 90.000 € angegeben.
bb) Diese Reduzierung muss die Klägerin auch gegen sich gelten lassen.
Dass der Zeuge A zu einer eigenmächtigen Reduzierung im Innenverhältnis zur Klägerin nicht befugt war, ist für das Außenverhältnis zum Beklagten unerheblich. Insoweit gelten die obigen Ausführungen zur Vertretungsvollmacht nach § 56 HGB entsprechend. Dem steht auch nicht entgegen, dass die ursprüngliche Bestellung und die spätere Auftragserweiterung auf Klägerseite jeweils nicht vom Zeugen A, sondern durch gesondertes Schreiben von dessen Vorgesetzten bestätigt worden waren. Dies musste dem Beklagten als juristisch nicht versiertem Kunden schon nicht auffallen; jedenfalls musste er daraus nicht ohne Weiteres den Schluss ziehen, dass der Zeuge A, der die gesamten Verkaufsverhandlungen mit dem Beklagten eigenständig für die Klägerin geführt hatte, nicht zur Gewährung von Preisnachlässen bevollmächtigt sei. Das gilt jedenfalls für einen – wie hier – nicht auffällig hohen Rabatt (unter 10 %), der zudem im Ergebnis wieder dem ursprünglich vereinbarten Kaufpreis entsprach (wenn auch nun bei zusätzlichen Sonderausstattungen).
Auch etwa abweichende Verkaufsbedingungen der Klägerin stehen nicht entgegen. Denn die Vollmachtsfiktion des Ladenangestellten aus § 56 HGB lässt sich jedenfalls nicht durch "einfache", das heißt nicht deutlich hervorgehobene Allgemeine Geschäftsbedingungen beseitigen (vgl. MünchKomm-HGB/Krebs, a. a. O., § 56 Rn. 35; MünchKommm-BGB/Basedow, 8. Aufl. [2019], § 305b Rn. 17; BeckOGK/Quantz, Stand: 01.05.2020, § 307 BGB Vollmachtsklausel Rn. 32).
Darüber hinaus hat der Zeuge A gegenüber dem Beklagten zumindest den Eindruck erweckt, er habe die Reduzierung auch mit seinem Vorgesetzten abgesprochen. Das ergibt sich aus den Angaben des Zeugen Y und wird bestätigt durch die allgemeine Aussage des Zeugen A, dass er derartige Vertragsänderungen mit seinem Vorgesetzten grundsätzlich abgesprochen habe. Das lässt es plausibel erscheinen, dass der Zeuge A eine solche Absprache hier zumindest vorgab, gegebenenfalls um die – sei es auch reduzierte – Kaufpreiszahlung alsbald im Wege der Unterschlagung für sich selbst vereinnahmen zu können und einen Konflikt mit dem Beklagten zu vermeiden, der für den Zeugen A das Risiko einer sofortigen Aufdeckung hinsichtlich der bereits unterschlagenen Anzahlung in sich barg. Ob der Zeuge A die Reduzierung tatsächlich abgesprochen hatte, musste der Beklagte nicht überprüfen. Vielmehr durfte er insoweit auf dessen Angaben vertrauen.
2. Mangels wirksamen Rücktritts steht der Klägerin auch kein Nutzungsersatz aus § 346 I Fall 2 BGB zu. Der Beklagte war vielmehr aufgrund des Kaufvertrags zur fortgesetzten Nutzung des Fahrzeugs berechtigt.
3. Die Widerklage ist hinsichtlich der Herausgabe des Fahrzeugbriefs begründet (§ 433 I BGB oder § 985 BGB i. V. mit § 952 BGB [analog]). Dabei geht der Senat davon aus, dass die Parteien sich bereits bei Übergabe des Fahrzeugs stillschweigend auf eine bedingte Übereignung geeinigt haben, aufgrund derer das Eigentum an dem Fahrzeug nach vollständiger Kaufpreiszahlung und nach Ablauf des gesondert vereinbarten Nutzungszeitraums von vier Monaten mit einer Laufleistung von zumindest 8.000 km auf den Beklagten übergegangen ist, ohne dass es dazu in diesem Zeitpunkt noch einer weiteren dinglichen Einigung bedurfte. Letztlich kann das aber auch dahinstehen. Denn andernfalls wäre die Klägerin aus dem Kaufvertrag zur Übereignung des Fahrzeugs verpflichtet und damit auch zur Herausgabe des zugehörigen Fahrzeugbriefs.
4. Keinen Anspruch hat der Beklagte aber auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten (§§ 280 I, II, 286 BGB). Im Wesentlichen sind diese für die Rechtsverteidigung gegen das Rückgabeverlangen der Klägerin angefallen. Im Wege des Schadensersatzes könnte der Beklagte die Erstattung der Anwaltskosten daher nur dann nach § 280 BGB verlangen, wenn die unberechtigte Geltendmachung des Rücktritts sich als schuldhafte Verletzung vertraglicher Nebenpflichten durch die Klägerin darstellen würde. Das ist bei der unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nicht ohne Weiteres der Fall, solange sie sich auf eine vertretbare rechtliche Begründung stützen kann (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 280 Rn. 27). So liegt es hier: Dass die Geltendmachung des Rücktritts rechtlich vertretbar war, zeigt sich schon daran, dass sie erstinstanzlich Erfolg hatte. Soweit sich die vorgerichtliche Tätigkeit der Rechtsanwältin des Beklagten darüber hinaus auch auf die aktive Geltendmachung von Gegenansprüchen (Herausgabe des Fahrzeugbriefs) erstreckte, hat sich dadurch der Gegenstandswert nicht erhöht, sodass hierfür keine zusätzlichen Anwaltskosten entstanden sind. …