Verlangt der Käufer eines Gebrauchtwagens wegen eines Mangels „sofort“ die Rückabwicklung des Kaufvertrags, obwohl er dem Verkäufer zunächst erfolglos eine Frist zur Nachbesserung hätte setzen müssen (§ 323 I BGB), dann verweigert der Verkäufer eine Nachbesserung nicht i. S. von § 323 II Nr. 1 BGB ernsthaft und endgültig, wenn er sich zu einer Instandsetzung des Fahrzeugs nur mit der Einschränkung bereit erklärt, dass der Käufer einen Teil der Reparaturkosten trägt.
LG Bielefeld, Beschluss vom 24.09.2020 – 22 S 111/20
Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der Beklagten am 17.10.2018 für 1.390 € einen gebrauchten Pkw VW Golf IV. Der Kilometerstand dieses am 30.04.2003 erstzugelassenen Fahrzeugs betrug seinerzeit 483.800.
Im schriftlichen Kaufvertrag heißt es:
„Bei oben genanntem Fahrzeug handelt es sich um ein Schrott-/Bastlerfahrzeug, zur ausschließlichen Verwertung von Ersatzteilen. Der Verkauf erfolgt ausdrücklich unter Ausschluss jeglicher Sachmangelhaftung und ohne jegliche Garantie.“
Unter „Sonstige Vereinbarungen“ heißt es unter anderem, das Fahrzeug werde „aufgrund des Alters und der km-Leistung … absolut ohne jegliche Gewährleistung und Garantie verkauft“, es sei aber „besser wie der km-Stand vermuten lässt“. Außerdem finden sich im Kaufvertrag die Angaben „TÜV: 3/2020“ und „grüne Plakette“.
Am 19.10.2018 ließ sich bei dem Pkw erst nach einigen Kilometern ein anderer Gang einlegen.
Der Kläger forderte die Beklagte daraufhin zur Rückabwicklung des Kaufvertrags auf. Dieses Verlangen wiederholte er mit anwaltlichem Schreiben vom 26.02.2019, nachdem ein zunächst ins Auge gefasster Tausch des Fahrzeugs gegen ein anderes Fahrzeug der Beklagten gescheitert war. Die Beklagte verwies mit Schreiben vom 08.03.2019 auf den im Kaufvertrag enthaltenen Gewährleistungsausschluss und bot an, das Fahrzeug zu reparieren, wenn der Kläger sich mit 500 € an den tatsächlichen Reparaturkosten in Höhe von voraussichtlich 800 € beteilige. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 04.04. und vom 14.06.2019 mit, dass für ihn eine Reparatur des Pkw nicht in Betracht komme.
Zur Begründung seiner in erster Line auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichteten Klage hat der geltend gemacht, dass das streitgegenständliche Fahrzeug einen Getriebeschaden aufweise. Die Beklagte sei bereits am 25.10.2018, einen Tag nach dem Kauf, und auch am 22.11.2018 per E-Mail darauf hingewiesen worden, dass sich das Fahrzeug nicht schalten lasse, wenn es kalt sei. Der im Kaufvertrag enthaltene Gewährleistungsausschluss sei unwirksam, weil hier ein Umgehungsgeschäft i. S. von § 474 I 1, § 476 I 2 BGB vorliege. Er, der Kläger, habe der Beklagten auch keine Frist zur Nachbesserung setzen müssen. Denn die Beklagte sei nicht gewillt gewesen, den Pkw unentgeltlich zu reparieren.
Die Beklagte hat mit Blick auf die hohe Laufleistung des Pkw von über 438.000 km eingewandt, dass es sich um Verschleiß handele, falls tatsächlich ein Getriebeschaden vorliege. Im Übrigen habe der Kläger sie weder zur Nachbesserung aufgefordert, noch habe er sich bereit erklärt, ihr das Fahrzeug für eine Nachbesserung zur Verfügung zu stellen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen (AG Minden, Urt. v. 30.04.2020 – 22 C 38/20) Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufvertrags (§ 346 I BGB i. V. mit §§ 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 323, 440 BGB) habe, weil er der Beklagten entgegen § 323 I BGB keine Frist zur Nachbesserung gesetzt habe und eine Fristsetzung auch nicht entbehrlich gewesen sei.
Die 22. Zivilkammer des LG Bielefeld hat darauf hingewiesen, dass sie beabsichtige, die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil durch Beschluss nach § 522 II ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe.
Aus den Gründen: Das Amtsgericht hat mit zutreffender Begründung den Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug mangels Nacherfüllungsverlangens des Klägers verneint und deshalb die Klage abgewiesen. Die hiergegen vom Kläger mit der Berufung erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Das Urteil des Amtsgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch vermögen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine abweichende Entscheidung zu rechtfertigen (§ 513 I ZPO).
Die Aufforderung zur Leistung oder Nacherfüllung i. S. des § 323 I BGB erfordert eine bestimmte und eindeutige Aufforderung (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 323 Rn. 13 m. w. Nachw.). Die bloße Aufforderung des Schuldners zur Erklärung über seine Leistungsfähigkeit oder Leistungsbereitschaft genügt hierfür grundsätzlich nicht (MünchKomm-BGB/Ernst, 8. Aufl., § 323 Rn. 61).
Eine solches bestimmtes und eindeutiges Nacherfüllungsverlangen hat der Kläger aber der Beklagten gegenüber zu keinem Zeitpunkt gestellt. Nach den unstreitigen Tatbestandsfeststellungen, die der Kläger auch nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen hat, hat er nämlich bereits zwei Tage nach dem Kauf des Fahrzeugs von der Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrags gefordert. Aus sämtlichen nachfolgenden – in erster Instanz vorgelegten – außergerichtlichen Schreiben des Klägers geht, worauf das Amtsgericht zutreffend abgestellt hat, hervor, dass der Kläger eine Reparatur in grundsätzlicher Form abgelehnt hat und vielmehr kategorisch von Beginn an auf eine Rückabwicklung des Kaufvertrags gedrungen hat. Eine Aufforderung zur Nacherfüllung im obigen Sinne hat der Kläger danach gegenüber der Beklagten gerade nicht verbalisiert.
Eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung gemäß § 323 II Nr. 1 BGB, die das vorgenannte Nacherfüllungsverlangen entbehrlich werden ließe, kann zudem insbesondere nicht in dem vorgerichtlichen Schreiben der Beklagten vom 08.03.2019 (Anlage K 5) erblickt werden. Denn zum einen bezog sich dieses Schreiben auf ein anwaltliches Schreiben des Klägers vom 26.02.2019 (Anlage K 4), mit welchem der Kläger die Beklagte explizit unter Hinweis auf den bereits erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag zur Rückgewähr des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs aufgefordert hatte, nicht aber zur Nacherfüllung. Zum anderen ist der Kläger auf das initiale Reparaturangebot der Beklagten bereits dem Grunde nach nicht eingegangen, sondern hat vielmehr mit nachgehendem Schreiben vom 04.04.2019 (Anlage K 6) unmissverständlich und vorbehaltslos gegenüber der Beklagten klargestellt, dass eine Reparatur für ihn nicht in Betracht kommt. Unter diesen Umständen kann – wovon auch das Amtsgericht frei von Rechtsfehlern ausgegangen ist – der Vorbehalt der Beklagten mit vorbezeichnetem Schreiben vom 08.03.2019, eine Reparatur des Wagens nur gegen Kostenbeteiligung durch den Kläger durchführen zu wollen, nicht als ernsthafte Weigerung der Beklagten zur (für den Kläger kostenlosen) Nachbesserung im Sinne eines letzten Wortes begriffen werden.
Soweit der Kläger erstmalig im Berufungsverfahren weitere vorgerichtliche Korrespondenz der Parteien vorgelegt hat, ist er hiermit und dem begleitenden neuen Sachvortrag gemäß § 529 I Nr. 2, § 531 II 1 ZPO präkludiert, da er Zulassungsgründe weder dargetan hat noch solche sonst ersichtlich sind. Die Beklagte ist der Wirksamkeit dieser vorgerichtlichen Erklärungen bzw. der Zurechnung dieser Erklärungen an den Kläger auch entgegengetreten. Überdies ist unter Berücksichtigung obiger Ausführungen auch in diesen Erklärungen ein bestimmtes und eindeutiges Nacherfüllungsverlangen des Klägers nicht zu sehen.
Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung der Kammer aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 II 1 ZPO).