1. Zur Min­de­rung des Kauf­prei­ses für ei­nen Ge­braucht­wa­gen, der – ent­ge­gen ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. von § 434 I 1 BGB („un­fall­frei“) – meh­re­re nicht fach­ge­recht re­pa­rier­te Un­fall­schä­den auf­weist.
  2. Ob sich die An­ga­be ei­nes pri­va­ten Ge­braucht­wa­gen­ver­käu­fers, das Fahr­zeug sei un­fall­frei, nur auf sei­ne Be­sitz­zeit be­zieht, kann of­fen­blei­ben, wenn dem Ver­käu­fer be­kannt ist, dass das Fahr­zeug vor sei­ner Be­sitz­zeit ei­nen – über ei­nen blo­ßen Ba­ga­tell­scha­den hin­aus­ge­hen­den und des­halb dem Käu­fer zu of­fen­ba­ren­den – Un­fall­scha­den er­lit­ten hat, und er die­sen dem Käu­fer ver­schweigt. Dann näm­lich fällt dem Ver­käu­fer in­so­weit ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung (§ 123 I Fall 1 BGB) zur Last, so­dass er sich ge­mäß § 444 Fall 1 BGB auf ei­nen mit dem Käu­fer ver­ein­bar­ten Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss nicht be­ru­fen darf.

OLG Ko­blenz, Ur­teil vom 27.08.2020 – 2 U 2164/19

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von dem Be­klag­ten mit schrift­li­chem Kauf­ver­trag vom 26.10.2016 ei­nen ge­brauch­ten Pkw zum Preis von 14.000 €. In dem Kauf­ver­trags­for­mu­lar heißt es un­ter „II. Ge­währ­leis­tung“:

„Das Fahr­zeug wird wie be­sich­tigt und un­ter Aus­schluss der Sach­män­gel­haf­tung ver­kauft, so­weit nicht un­ter Zif­fer III. ei­ne be­stimm­te Zu­si­che­rung er­folgt. Die­ser Aus­schluss gilt nicht für Scha­dens­er­satz­an­sprü­che aus Sach­män­gel­haf­tung, die auf ei­ner vor­sätz­li­chen oder grob fahr­läs­si­gen Ver­let­zung von Pflich­ten des Ver­käu­fers be­ru­hen, so­wie bei der schuld­haf­ten Ver­let­zung von Le­ben, Kör­per und Ge­sund­heit.“

Un­ter „III. Zu­si­che­run­gen des Ver­käu­fers“ heißt es:

„Der Ver­käu­fer si­chert Fol­gen­des zu (nicht Zu­tref­fen­des bit­te strei­chen):

☐ …
☐ …
☐ …
☒ Das Fahr­zeug hat­te, seit es im Ei­gen­tum des Ver­käu­fers war, kei­nen Un­fall­scha­den / fol­gen­de Un­fall­schä­den:

In dem Feld dar­un­ter fin­det sich der hand­schrift­li­che, von dem Be­klag­ten stam­men­de Ver­merk „Un­fall­frei­es Pkw“.

Der Be­klag­te hat­te das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug we­ni­ge Mo­na­te zu­vor, näm­lich mit schrift­li­chem Kauf­ver­trag vom 07.06.2016, von V er­wor­ben. In die­sem Kauf­ver­trag heißt es un­ter „Ge­gen­stand“: „Fahr­zeug hat­te Un­fall­scha­den vor­ne“. Ei­ni­ge Zei­len dar­un­ter steht fett ge­druckt: „Fahr­zeug hat Vor­schä­den!“.

Nach­dem der Klä­ger glaub­te, an dem Pkw un­fall­be­ding­te Vor­schä­den fest­ge­stellt zu ha­ben, ließ er das Fahr­zeug von dem Sach­ver­stän­di­gen G be­gut­ach­ten. Die­ser be­zif­fer­te die Kos­ten für ei­ne fach­ge­rech­te Re­pa­ra­tur des Fahr­zeugs mit 5.435,31 € net­to. Dar­auf­hin for­der­te der Klä­ger den Be­klag­ten mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 15.11.2016 die Zah­lung die­ses Be­trags auf; au­ßer­dem ver­lang­te er den Er­satz der Kos­ten, die er für die Be­gut­ach­tung des Fahr­zeugs (980,44 €) auf­ge­wen­det hat­te, so­wie den Er­satz von Rechts­an­walts­kos­ten. Der Be­klag­te wies die gel­tend ge­mach­ten An­sprü­che mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 02.12.2016 zu­rück.

Mit sei­ner Kla­ge hat der Klä­ger den Be­klag­ten auf Zah­lung von 6.415,75 € nebst Zin­sen so­wie auf Frei­stel­lung von Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 650,34 € in An­spruch ge­nom­men.

Der Klä­ger hat gel­tend ge­macht, das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ha­be vor sei­ner Be­sitz­zeit im Be­reich der hin­te­ren rech­ten Fahr­zeug­sei­te und der Fahr­zeug­front ei­nen er­heb­li­chen Vor­scha­den er­lit­ten und sei an­schlie­ßend nicht fach­ge­recht in­stand ge­setzt wor­den. Der Pkw ha­be des­halb bei Ge­fahr­über­gang nicht die ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit ge­habt, denn er sei nicht (un­ein­ge­schränkt) un­fall­frei ge­we­sen. Hin­sicht­lich des Un­fall­scha­dens fal­le dem Be­klag­ten zu­dem ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung zur Last. Der Min­der­wert be­tra­ge 5.435,31 € net­to, weil für ei­ne fach­ge­rech­te Re­pa­ra­tur des Fahr­zeugs Kos­ten in die­ser Hö­he auf­ge­wen­det wer­den müss­ten. Dar­über hin­aus – so hat der Klä­ger ge­meint – müs­se ihm der Be­klag­te die Kos­ten für das vor­ge­richt­lich ein­ge­hol­te Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten in Hö­he von 980,44 € er­set­zen.

Der Be­klag­te hat sich da­mit ver­tei­digt, dass sich die Zu­si­che­rung der Un­fall­frei­heit le­dig­lich auf sei­ne Be­sitz­zeit be­zo­gen ha­be. Im Rah­men der Ver­kaufs­ver­hand­lun­gen ha­be er dem Klä­ger den zwi­schen ihm, dem Be­klag­ten, und V ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag vor­ge­legt. V ha­be sei­ner­zeit er­klärt, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw vor­ne ei­nen Park­scha­den er­lit­ten ha­be. Von ei­nem Scha­den im Tür­be­reich ha­be er, der Be­klag­te, nichts ge­wusst. Im Üb­ri­gen – so hat der Be­klag­te ge­meint – ha­be der Klä­ger we­der den Min­der­wert des Fahr­zeugs zu­tref­fend be­rech­net, noch sei­en die Kos­ten für das Gut­ach­ten des G an­ge­mes­sen.

Das Land­ge­richt hat den Be­klag­ten nach ei­ner Be­weis­auf­nah­me un­ter der Ab­wei­sung der Kla­ge im Üb­ri­gen da­zu ver­ur­teilt, an den Klä­ger 5.677,25 € nebst Zin­sen zu zah­len und ihn von Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 571,44 € frei­zu­stel­len. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, der Klä­ger ha­be den Kauf­preis für das Fahr­zeug um 5.677,25 € min­dern dür­fen. Die Par­tei­en hät­ten näm­lich ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung (§ 434 I 1 BGB) des In­halts ge­trof­fen, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw un­fall­frei sei. Den Ein­trag „un­fall­frei­es Pkw“ im Kauf­ver­trag ha­be nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me der Be­klag­te selbst vor­ge­nom­men. Die ent­spre­chen­de Zeu­gen­aus­sa­ge der Ehe­frau des Klä­gers sei in­so­weit stim­mig und in sich schlüs­sig; sie de­cke sich mit dem, was im schrift­li­chen Kauf­ver­trag nie­der­ge­legt wor­den sei. Dies ha­be der Be­klag­te nicht zu wi­der­le­gen ver­mocht. Des­sen Ein­wen­dun­gen ge­gen die vom Sach­ver­stän­di­gen S ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen grif­fen nicht durch. Der Sach­ver­stän­di­ge ha­be sich ei­ner an­ge­mes­se­nen Me­tho­de zur Er­mitt­lung des Min­der­werts be­dient und sei zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass sich ein wei­te­rer Min­der­wert dar­aus er­ge­be, dass auf dem Markt für Un­fall­fahr­zeu­ge – auch we­gen der Un­kal­ku­lier­bar­keit von Re­pa­ra­tur­kos­ten – nur ge­rin­ge­re Prei­se ge­zahlt wür­den.

Ge­gen die­ses Ur­teil ha­ben bei­de Par­tei­en Be­ru­fung ein­ge­legt.

Der Klä­ger hat gel­tend ge­macht, das Land­ge­richt ha­be ihm of­fen­bar ver­se­hent­lich nicht auch ei­nen An­spruch auf Er­satz der für das Gut­ach­ten des G auf­ge­wen­de­ten Kos­ten zu­er­kannt. Die­ser An­spruch er­ge­be sich aus § 439 II BGB. Dar­über hin­aus ha­be der Be­klag­te ihn, den Klä­ger, von vor­ge­richt­lich ent­stan­de­nen Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von wei­te­ren 78,90 € frei­zu­stel­len.

Der Be­klag­te hat mit sei­nem Rechts­mit­tel (wei­ter­hin) die voll­stän­di­ge Ab­wei­sung der Kla­ge er­rei­chen wol­len. Er hat dem Land­ge­richt vor­ge­wor­fen, ver­kannt zu ha­ben, dass sich die Zu­si­che­rung der Un­fall­frei­heit le­dig­lich auf sei­ne – des Be­klag­ten – Be­sitz­zeit be­zo­gen ha­be. Dem­entspre­chend ha­be das Land­ge­richt dies­be­züg­li­chen ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Vor­trag über­gan­gen. Die Be­weis­wür­di­gung des Land­ge­richts sei in­so­fern feh­ler­haft, als es we­der die au­gen­schein­li­chen Ver­stän­di­gungs­schwie­rig­kei­ten noch be­rück­sich­tigt ha­be, dass die um­fas­sen­de Zu­si­che­rung der Un­fall­frei­heit über die ei­ge­ne Be­sitz­zeit hin­aus un­üb­lich sei. Au­ßer­dem ha­be das Land­ge­richt nicht die vom Sach­ver­stän­di­gen S er­mit­tel­te Wert­min­de­rung zu­grun­de le­gen dür­fen, da er, der Be­klag­te, be­strit­ten ha­be, dass die an­ge­nom­me­nen Män­gel be­reits bei Ge­fahr­über­gang vor­ge­le­gen hät­ten. Selbst wenn man un­ter­stel­le, dass die Män­gel schon bei Ge­fahr­über­gang vor­han­den ge­we­sen sei­en, sei das Gut­ach­ten in sich un­schlüs­sig und wi­der­sprüch­lich und fu­ße zu­dem auf ei­ner fal­schen Me­tho­dik. Rest­wert­bör­sen sei­en auf die Ver­äu­ße­rung von Fahr­zeu­gen aus­ge­rich­tet, die bei ei­nem Ver­kehrs­un­fall ei­nen To­tal­scha­den er­lit­ten hät­ten, so­dass der Wert des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw nicht mit­hil­fe ei­ner Rest­wert­bör­se er­mit­telt wer­den kön­ne. Dies gel­te um­so mehr, als dort le­dig­lich Händ­ler­ein­kaufs­prei­se ge­bo­ten wür­den, die un­ter den Ver­kaufs­prei­sen für End­ver­brau­cher lä­gen. In­dem das Land­ge­richt die­se be­reits erst­in­stanz­lich ge­äu­ßer­ten Be­den­ken nicht be­rück­sich­tigt ha­be, ha­be es sei­nen – des Be­klag­ten – An­spruch auf Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs (Art. 103 I GG) ver­letzt.

Bei­de Be­ru­fun­gen hat­ten je­weils teil­wei­se Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … 1. Wie das Land­ge­richt zu­tref­fend er­kannt hat, steht dem Klä­ger dem Grun­de nach ein Min­de­rungs­recht in Form ei­nes Rück­zah­lungs­an­spruchs nach § 434 I 1, § 437 Nr. 2 Fall 2, § 441 I, III, IV 1 BGB zu. Der vom Be­klag­ten er­wor­be­ne Pkw ent­sprach näm­lich nicht der ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit.

a) Der Se­nat folgt da­bei der Auf­fas­sung des Land­ge­richts, wo­nach die Par­tei­en hier ei­ne das Fahr­zeug un­be­grenzt er­fas­sen­de Un­fall­frei­heit ver­ein­bart ha­ben. An das in­so­weit vom Land­ge­richt ge­fun­de­ne Be­wei­s­er­geb­nis ist der Se­nat nach § 529 I Nr. 1 ZPO ge­bun­den. Kon­kre­te An­halts­punk­te, die Zwei­fel an der Rich­tig­keit und Voll­stän­dig­keit der ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Fest­stel­lun­gen be­grün­den und des­halb ei­ne er­neu­te Fest­stel­lung ge­bie­ten, lie­gen nicht vor. Das Land­ge­richt hat die an­ge­bo­te­nen Zeu­gen­be­wei­se er­ho­ben und die Par­tei­en nach § 141 ZPO per­sön­lich an­ge­hört; da­bei hat es vor dem Hin­ter­grund der schrift­lich ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen die Aus­sa­ge der Zeu­gin E – im Un­ter­schied zu der der Zeu­gin F – mit plau­si­bler Be­grün­dung für über­zeu­gend ge­hal­ten. So­weit der Be­klag­te die (blo­ße) Mög­lich­keit ei­ner an­de­ren Be­wer­tung des Be­wei­s­er­geb­nis­ses dar­stellt, reicht dies nicht aus, um die erst­in­stanz­li­che Be­weis­wür­di­gung zu er­schüt­tern, da sie le­dig­lich die ei­ge­ne Be­weis­wür­di­gung an die Stel­le der land­ge­richt­li­chen setzt (vgl. OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 01.07.2016 – I-7 U 68/15, BeckRS 2016, 13232 Rn. 19).

b) Aber auch, wenn man mit dem Be­klag­ten da­von aus­gin­ge, dass sich die Ver­ein­ba­rung der Un­fall­frei­heit le­dig­lich auf des­sen Be­sitz­zeit be­schränk­te, wä­re der Be­klag­te ver­pflich­tet ge­we­sen, den Klä­ger über die vor sei­ner Be­sitz­zeit ein­ge­tre­te­nen – und ihm be­kann­ten – Un­fall­schä­den auf­zu­klä­ren. Ein ent­spre­chen­des Un­ter­las­sen stellt sich da­her als arg­lis­ti­ges Ver­schwei­gen dar, wes­halb sich der Be­klag­te nach § 444 Fall 1 BGB nicht auf den im Üb­ri­gen ge­trof­fe­nen Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss be­ru­fen kann. Der Be­klag­te wuss­te näm­lich seit dem An­kauf des Pkw, dass die­ser über ei­nen Un­fall­scha­den vor­ne so­wie wei­te­re Vor­schä­den ver­füg­te. Dass er dies dem Klä­ger of­fen­bart ha­be, hat die erst­in­stanz­lich durch­ge­führ­te Be­weis­auf­nah­me ge­ra­de wi­der­legt. In An­be­tracht des Um­stands, dass die Un­fall­frei­heit aus­drück­lich Ge­gen­stand der Kauf­ver­trags­ver­hand­lun­gen war, muss­te der Be­klag­te auch da­von aus­ge­hen, dass es dem Klä­ger ge­ra­de dar­auf an­kam, die­ser al­so den Kauf­ver­trag bei an­der­wei­ti­ger Kennt­nis nicht oder nicht in die­ser Wei­se ge­schlos­sen hät­te.

c) Dass der Pkw zum Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs nicht un­fall­frei war, er­gibt sich be­reits aus dem Kauf­ver­trag zwi­schen dem Be­klag­ten und des­sen Ver­äu­ße­rer, in dem ex­pli­zit von ei­nem „Un­fall­scha­den vor­ne“ die Re­de ist, des Wei­te­ren aus der Aus­sa­ge des Zeu­gen V, wo­nach dar­über hin­aus ei­ne Tür nachla­ckiert wor­den war. Das kon­kre­te Aus­maß der Un­fall­schä­den kann an die­ser Stel­le da­hin­ste­hen; je­den­falls lag aus­weis­lich der dies­be­züg­lich nicht an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Sach­ver­stän­di­gen S mit ei­nem In­stand­set­zungs­auf­wand von knapp 4.000 € brut­to kein Ba­ga­tell­scha­den vor.

d) Dem Klä­ger steht we­gen die­ses Man­gels ein Min­de­rungs­recht nach §  437 Nr. 2 Fall 2, § 441 BGB zu, wo­bei er nach § 441 IV 1 BGB den ent­spre­chend zu viel ge­zahl­ten Be­trag zu­rück­ver­lan­gen kann.

2. Die Hö­he der dem Klä­ger zu­ste­hen­den Min­de­rung be­misst der Se­nat ge­mäß § 441 III 1 mit 3.288,67 €.

a) Bei der Min­de­rung ist der Kauf­preis in dem Ver­hält­nis her­ab­zu­set­zen, in wel­chem zur Zeit des Ver­trags­schlus­ses der Wert der Sa­che in man­gel­frei­em Zu­stand zu dem wirk­li­chen Wert ge­stan­den ha­ben wür­de (§ 441 III 1 BGB). Maß­geb­lich ist da­bei fol­gen­de For­mel:

\text{Ge­min­der­ter Kauf­preis} = {\frac{\text{wirk­li­cher Wert der Sa­che}\times\text{ur­sprüng­li­cher Kauf­preis}}{\text{Wert der Sa­che in man­gel­frei­em Zu­stand }}}.

Ins Ver­hält­nis zu set­zen sind der Wert der Sa­che in man­gel­frei­em Zu­stand und ihr wirk­li­cher Wert, je­weils im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses; maß­geb­lich ist je­weils der ob­jek­ti­ve Ver­kehrs­wert des Kauf­ge­gen­stands (Be­ckOK-BGB/Faust, Stand: 01.08.2020, § 441 Rn. 10).

b) Aus­weis­lich des erst­in­stanz­lich ein­ge­hol­ten Gut­ach­tens des Sach­ver­stän­di­gen S, wel­ches wie das Land­ge­richt auch der Se­nat sei­ner Be­rech­nung zu­grun­de legt, be­trug der Fahr­zeug­wert in man­gel­frei­em Zu­stand zum maß­geb­li­chen Stich­tag, den das Gut­ach­ten nach dem an­er­kann­ten DAT-Be­wer­tungs­sys­tem er­mit­telt hat, 14.426 € brut­to, wo­bei ein Lis­ten­n­eu­preis von 47.528 € zu­grun­de ge­legt wur­de.

So­weit das Land­ge­richt zur Be­stim­mung des wirk­li­chen Werts, al­so des Werts im vor­lie­gen­den man­gel­haf­ten Zu­stand, die vom Sach­ver­stän­di­gen S vor­ge­nom­me­ne Me­tho­de des Ein­stel­lens des Fahr­zeugs in ei­ne Rest­wert­bör­se her­an­ge­zo­gen hat, ver­mag sich der Se­nat die­ser Vor­ge­hens­wei­se nicht an­zu­schlie­ßen.

Im Aus­gangs­punkt ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass es sich bei der Un­fall­wa­gen­ei­gen­schaft des Wa­gens um das Feh­len ei­ner Be­schaf­fen­heit han­delt, die sich nicht (mehr) her­stel­len lässt, so­dass ei­ne Be­rech­nung nach auf­zu­wen­den­den Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten dem Grun­de nach aus­schei­det (vgl. Eg­gert, in: Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 14. Aufl. [2020], Rn. 3598). Der Man­gel der Ei­gen­schaft als Un­fall­wa­gen kann sich da­her al­lein in ei­nem mer­kan­ti­len Min­der­wert aus­wir­ken (vgl. auch BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VI­II ZR 253/05, ju­ris Rn. 22). Den mer­kan­ti­len Min­der­wert des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs – nach fach­ge­rech­ter (fik­ti­ver) Re­pa­ra­tur der vor­han­de­nen Un­fall­schä­den – hat der Sach­ver­stän­di­ge S in sei­nem Gut­ach­ten vom 08.08.2018 auf 300 € be­zif­fert, was als sol­ches – von der Fra­ge der zu­läs­si­gen Be­rech­nungs­me­tho­de ab­ge­se­hen – von den Par­tei­en nicht be­an­stan­det wur­de.

Die­ser Wert al­lei­ne kann je­doch nicht den Min­de­rungs­be­trag ab­bil­den, da dies au­ßer Acht las­sen wür­de, dass das Fahr­zeug an meh­re­ren Stel­len Un­fall­schä­den auf­weist, die ge­ra­de nicht fach­män­nisch re­pa­riert wor­den sind. Ei­ne sol­che fach­ge­rech­te Re­pa­ra­tur wä­re aber die Vor­aus­set­zung für die An­nah­me bloß ei­nes mer­kan­ti­len Min­der­werts. Die fach­ge­rech­te Be­sei­ti­gung der Un­fall­schä­den wür­de aus­weis­lich des Sach­ver­stän­di­gen Kos­ten in Hö­he von 3.675,60 € brut­to (mit­hin 3.088,74 € net­to) ver­ur­sa­chen (vgl. Gut­ach­ten vom 08.08.2018). Auch die­ser Be­trag wur­de als sol­cher von den Par­tei­en nicht in­fra­ge ge­stellt. So­weit der Be­klag­te be­strei­tet, dass al­le fest­ge­stell­ten Schä­den be­reits bei Ge­fahr­über­gang vor­ge­le­gen hät­ten, kann dem ne­ben den Re­ge­lun­gen aus dem schrift­li­chen An­kauf­ver­trag so­wie der Aus­sa­ge des Zeu­gen V, der er­gän­zend von ei­ner nachla­ckier­ten Tür spricht, ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den, dass der vom Klä­ger be­auf­trag­te Pri­vat­sach­ver­stän­di­ge G in sei­nem Gut­ach­ten, wel­ches auf ei­nem nur we­ni­ge Ta­ge nach der Über­ga­be des Fahr­zeugs statt­ge­fun­den Be­sich­ti­gungs­ter­min be­ruht, prak­tisch die näm­li­chen Vor­schä­den fest­ge­stellt hat, so­dass der Se­nat – wie auch das Land­ge­richt – nach § 286 ZPO von dem Vor­han­den­sein der ent­spre­chen­den Schä­den bei Ge­fahr­über­gang über­zeugt ist.

Die­se fik­ti­ven (Net­to-)Re­pa­ra­tur­kos­ten müs­sen zur Be­mes­sung des Min­de­rungs­be­trags zu dem mer­kan­ti­len Min­der­wert hin­zu­ad­diert wer­den, denn nur auf die­se Wei­se wird das Fahr­zeug auch tech­nisch ge­se­hen in den Zu­stand ver­setzt, den es laut den Ver­ein­ba­run­gen der Par­tei­en im Kauf­ver­trag hät­te ha­ben sol­len (vgl. zu die­sem Er­geb­nis auch OLG Hamm, Urt. v. 16.12.2009 – 11 U 191/08, BeckRS 2010, 9520). Des­halb er­scheint ent­ge­gen der Vor­ge­hens­wei­se des LG Ber­lin (Urt. v. 20.12.2005 – 5 O 210/05, ju­ris Rn. 23) zu­min­dest im Streit­fall die Be­rück­sich­ti­gung der vol­len Re­pa­ra­tur­kos­ten – und nicht le­dig­lich ei­ne dem Ver­hält­nis zwi­schen dem Wert des Fahr­zeugs bei Kauf­ver­trags­schluss und dem Neu­wert ent­spre­chen­den Quo­te – für den maß­geb­li­chen Min­der­wert ge­recht­fer­tigt, ins­be­son­de­re da ei­ne Re­du­zie­rung ent­spre­chend dem Grund­satz „neu für alt“ bei vor­nehm­lich op­ti­schen Schä­den nicht in Be­tracht kommt.

c) Die vom Sach­ver­stän­di­gen in sei­nem Er­gän­zungs­gut­ach­ten ge­wähl­te Me­tho­de, das Fahr­zeug in ei­ne Rest­wert­bör­se ein­zu­stel­len, er­ach­tet der Se­nat an­ders als das Land­ge­richt in­so­weit als we­nig über­zeu­gend, da die Rest­wert­bör­se, wie der Be­klag­te zu Recht ein­ge­wandt hat, auf die Ver­äu­ße­rung von Fahr­zeu­gen mit ei­nem To­tal­scha­den nach ei­nem Ver­kehrs­un­fall aus­ge­rich­tet ist und nicht den Markt wie­der­gibt, der dem Klä­ger bei ei­ner Wei­ter­ver­äu­ße­rung des er­wor­be­nen Fahr­zeugs zur Ver­fü­gung ste­hen wür­de.

d) Da es sich bei den nicht fach­män­nisch re­pa­rier­ten Un­fall­schä­den grund­sätz­lich nicht um ei­nen un­be­heb­ba­ren Sach­man­gel han­delt, wä­re dem Be­klag­ten vor Gel­tend­ma­chung der Min­de­rung dies­be­züg­lich grund­sätz­lich ei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung zu set­zen ge­we­sen. Die­se ent­fällt je­doch, da der Be­klag­te den Un­fall­scha­den arg­lis­tig ver­schwie­gen hat­te (s. oben) und da­mit die für ei­ne Nach­er­fül­lung er­for­der­li­che Ver­trau­ens­grund­la­ge be­schä­digt ist (vgl. BGH, Urt. v. 09.01.2008 – VI­II ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 19).

e) Setzt man schließ­lich den so er­mit­tel­ten Min­der­wert von 3.388,74 € in Re­la­ti­on zu dem Ver­hält­nis zwi­schen ge­leis­te­tem Kauf­preis und wirk­li­chem Wert des Fahr­zeugs, so er­gibt sich ein Min­de­rungs­be­trag von 3.288,67 €, wel­chen der Klä­ger nach § 437 Nr. 2 Fall 2, § 441 IV 1 BGB zu­rück­for­dern kann.

3. Der An­spruch auf Er­stat­tung der Kos­ten für den Pri­vat­sach­ver­stän­di­gen in Hö­he von 980,44 e, wel­che ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­klag­ten der Hö­he nach nicht zu be­an­stan­den sind, er­gibt sich aus § 437 Nr. 1, § 439 II BGB (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.2014 – VI­II ZR 275/13, BGHZ 201, 83 = NJW 2014, 2351 Rn. 10 ff.); dem An­spruch auf Frei­stel­lung von den nach ei­nem Ge­gen­stands­wert von 4.269,11 € zu be­mes­sen­den vor­ge­richt­li­chen An­walts­ge­büh­ren in Hö­he von 492,54 € liegt § 437 Nr. 3 Fall 1, § 280 I BGB zu­grun­de. …

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