Ist der Kauf eines (hochpreisigen) Neuwagens – hier: eines Rolls-Royce Dawn – sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer ein Handelsgeschäft i. S. des §§ 343, 344 HGB, dann hat der Käufer grundsätzlich die Obliegenheit, das Fahrzeug unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer zu untersuchen und einen dabei zutage getretenen Mangel dem Verkäufer unverzüglich anzuzeigen (§ 377 I HGB ). Daran ändert nichts, dass das der Verkäufer das Fahrzeug vor der Übergabe an den Käufer „durchgesehen“ hat. Mit einer solchen „Übergabedurchsicht“ ist insbesondere kein (konkludenter) Verzicht des Verkäufers auf den Einwand verbunden, die Mängelrüge des Käufers sei verspätet.
OLG München, Beschluss vom 25.05.2020 – 7 U 5611/19
(vorangehend: OLG München, Beschluss vom 16.03.2020 – 7 U 5611/19)
Sachverhalt: Die klagende Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) bestellte bei der Beklagten, einer Rolls-Royce-Vertragshändlerin, am 15.09.2016 einen Rolls-Royce Dawn zum Preis von 314.647,90 €. In einer Anlage zur Bestellung ist vermerkt, dass dieser Pkw über „Front Massage Seats“ verfügen soll. Die Beklagte bestätigte die Bestellung am 26.09.2016.
Am 12.10.2016 schloss die Klägerin mit der L-GmbH einen Leasingvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug. Dieses wurde der Klägerin am 03.02.2017 übergeben.
Ausweislich der Betriebsanleitung verfügt der Pkw über sogenannte Aktivsitze, deren Funktionsweise in der Betriebsanleitung wie folgt beschrieben wird:
„Eine aktive Veränderung der Sitzfläche hilft, Verspannungen und Ermüdungserscheinungen der Muskulatur und dadurch Rückenschmerzen im Lendenwirbelbereich zu vermeiden“.
Der Geschäftsführer der Klägerin nutzte das streitgegenständliche Fahrzeug zunächst nur für kürzere Fahrten von längstens einer Stunde. Für längere Fahrten engagierte er einen Fahrer. Bei einer längeren Fahrt im Sommer 2018, die der Geschäftsführer der Klägerin selbst durchführte, wollte er die Massagefunktion des Fahrersitzes aktivieren, konnte allerdings keine Massagewirkung wahrnehmen. Dies teilte er der Beklagten mit Schreiben vom 20.08.2018 mit. Diese tauschte im September 2018 tauschte die Sitzeinheit aus.
Nachdem der Geschäftsführer der Klägerin anschließend keine Verbesserung der Massagefunktion verspürt und dies der Beklagten mitgeteilt hatte, erklärte ihm die Beklagte, dass der Pkw – wie in der Betriebsanleitung angegeben – über „Aktivsitze“ und nicht über Massagesitze verfüge. Im Zeitraum vom 24.09. bis zum 28.09.2018 verstärkte die Beklagte die Sitzunterkonstruktion und erhöhte den Aufblasdruck.
Am 12.10.2018 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag und setzte der Beklagten eeine Frist zur Rückabwicklung dieses Vertrags bis zum 19.10.2018. Die Beklagte wies die von der Klägerin geltend gemachten Gewährleistungsansprüche zurück.
Die Klägerin macht geltend, die Vordersitze in dem streitgegenständlichen Pkw seien keine „Front Massage Seats“, sodass dem Fahrzeug eine vereinbarte Beschaffenheit fehle. einer „Massagesitzfunktion“. Zudem habe die Beklagte sie arglistig getäuscht, weil in der Bestellung von Massagesitzen die Rede sei, obwohl tatsächlich Aktivsitze gemeint seien. § 377 HGB – so meint die Klägerin – sei im Streitfall nicht anzuwenden, weil der Käufer eines Neuwagens das Fahrzeug nur bei konkreten Anhaltspunkten für einen Mangel untersuchen müsse. Zudem habe die Beklagte dadurch, dass sie Nachbesserungsversuche unternommen habe, konkludent auf die Anwendung von § 377 HGB verzichtet.
Die Klägerin hat in erster Linie die Rückabwicklung des Kaufvertrags (Zahlung von 320.222,30 € nebst Zinsen an die L-GmbH, Zug um Zug gegen Übergabe Fahrzeugs) und die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begehrt. Hilfsweise hat sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug die Massagefunktion der Vordersitze dergestalt herzustellen, dass für Fahrer und Beifahrer eine Massagebewegung sowohl in der Sitzfläche als auch entlang der Rückenlehne deutlich wahrnehmbar ist. Außerdem hat die Klägerin die Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten (4.723,40 € nebst Zinsen) verlangt.
Die Beklagte hat einen Mangel des Rolls-Royce Dawn in Abrede gestellt und geltend gemacht, dass die Klägerin den aus ihrer Sicht vorliegenden Mangel nicht unverzüglich i. S. von § 377 I, III HGB angezeigt habe. Der Austausch der Sitze und die weiteren Reparaturmaßnahmen seien nur aus Kulanz erfolgt und nicht als Anerkenntnis einer Gewährleistungspflicht zu werten.
Das Landgericht hat de Klage abgewiesen (LG München I, Urt. v. 30.08.2019 – 22 O 1189/19). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nicht mangelhaft sei. Im Übrigen seien Gewährleistungsansprüche der Klägerin schon deshalb ausgeschlossen, weil das Fahrzeug gemäß § 377 II, III HGB als von der Klägerin genehmigt gelte.
Mit ihrer Berufung verfolgte die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel grundsätzlich vollumfänglich weiter. Allerdings verlangt sie die Rückzahlung des Kaufpreises statt an die L-GmbH an sich selbst, da sie den Rolls-Royce Dawn mittlerweile erworben hatte.
Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen, nachdem es mit Hinweisbeschluss vom 16.03.2020 dargelegt hatte, warum das Rechtsmittel aus seiner Sicht keine Aussicht auf Erfolg habe. In diesem Hinweisbeschluss heißt es:
„Die Würdigung des Landgerichts ist frei von Rechtsfehlern (§§ 513 I, 546 ZPO). Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht angenommen, dass schon kein Sachmangel vorliege und im Übrigen Gewährleistungsansprüche der Klägerin schon deshalb ausgeschlossen wären, weil das Fahrzeug nach § 377 HGB als genehmigt gelte, und deshalb die Klage abgewiesen.
Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen.
Die hiergegen vonseiten der Klägerin mit der Berufung vorgebrachten Einwände, die eingebauten Vordersitze seien keine ‚Massage Seats‘, eine Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nach § 377 I HGB bestehe bei Neuwagen nicht, die Beklagte habe aber jedenfalls durch die von ihr vorgenommenen Nachbesserungsversuche konkludent auf ihre Rechte aus § 377 I HGB verzichtet, und die Beklagte habe die Mangelhaftigkeit auch arglistig verschwiegen, vermögen ihrer Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen.
1. Wie das Landgericht unter B I 1 seines Urteils in jeder Hinsicht zutreffend festgestellt hat, war das streitgegenständliche Fahrzeug nicht mangelhaft i. S. des § 434 I BGB. Auf die diesbezüglichen Ausführungen kann daher uneingeschränkt Bezug genommen werden. Ergänzend sei aufgrund des diesbezüglichen Berufungsangriffes nur noch Folgendes ausgeführt:
Noch zutreffend stellt der Beklagtenvertreter darauf ab, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung auch konkludent getroffen werden kann, wenn der Käufer dem Verkäufer bestimmte Anforderungen an den Kaufgegenstand zur Kenntnis bringt und dieser zustimmt. Der Beklagtenvertreter leitet aus der Anlage I zum Kaufvertrag, in der als Ausstattung des streitgegenständlichen Pkw ‚Massage Seats‘ aufgeführt sind, ab, dass damit eine deutlich wahrnehmbare Massagefunktion sowohl in der Rückenlehne als auch in der Sitzfläche vereinbart gewesen sei. Aus der Bezeichnung ‚Massage Seats‘ lässt sich allerdings nicht entnehmen, in welchen Teilen des Sitzes eine Massagefunktion vorhanden sein muss (in der Rückenlehne, der Sitzfläche oder beiden) und wie stark spürbar diese Massagefunktion sein muss. Dass der Geschäftsführer der Klägerin mit ‚Massage Seats‘ die Massagesitze in anderen Rolls-Royce-Typen konnotierte, hat er bei Vertragsabschluss der Beklagten gegenüber nicht offengelegt. Entgegen der Auffassung der Berufung hätte er dies aber tun müssen. Denn allein aus der Tatsache, dass der Geschäftsführer der Klägerin vor dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs ein Rolls-Royce-Modell nutzte, das die von ihm gewünschten Sitze aufwies, musste sich für die Beklagte nicht ergeben, dass er dies auch für die streitgegenständliche Baureihe voraussetzte, obwohl diese serienmäßig nur Sitze mit einer schwächeren Massagefunktion in der Sitzfläche aufweist. Kauft ein Käufer ein Fahrzeug einer anderen Baureihe als der bisher von ihm gefahrenen desselben Herstellers, wird damit nicht automatisch stillschweigend vereinbart, dass das neue Fahrzeug mindestens über die selben Ausstattungsmerkmale verfügt wie das bisher genutzte, wenn das jeweilige Ausstattungsmerkmal nur allgemein umschrieben ist. Wenn dem Geschäftsführer tatsächlich so viel an der Massagefunktion gelegen wäre, hätte er sich vor Abschluss des Kaufvertrags durch eine entsprechende Nachfrage bei der Beklagten darüber Klarheit verschaffen müssen.
Aus der Preiskategorie ergibt sich für den streitgegenständlichen Fall nichts anderes, da es auch bei Luxusautomobilen Ausstattungsunterschiede gibt.
2. Selbst wenn – wie nicht – eine Mangelhaftigkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu bejahen sein sollte, würde das Fahrzeug aber nach § 377 II HGB als von der Klägerin genehmigt gelten.
a) Der Senat folgt nicht der von Eggert in Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl. (2020), Rn. 3946, vertretenen Ansicht, auf die sich die Klägerin stützt, die geringe Fehlerwahrscheinlichkeit bei fabrikneuen Kraftfahrzeugen sei ein einleuchtender Grund dafür, auch einen Kaufmann von einer allgemeinen Pflicht zur Untersuchung freizustellen, sodass Neufahrzeuge ungeprüft in Betrieb genommen werden könnten (in die gleiche Richtung, aber unklar Oetker/Koch, HGB, 6. Aufl. [2019], § 377 Rn. 45: ‚Bei Waren von hohem Wert (z. B. Neu-Kfz) […] kann die Untersuchung nahezu ganz entfallen.‘).
Für eine solche allgemeine Einschränkung gibt es in § 377 I HGB keinen Anhalt. Dieser statuiert im Ausgangspunkt die Obliegenheit des Käufers zu einer grundsätzlich von ihm vorzunehmenden Prüfung des Kaufgegenstands und – bei Feststellung eines offenen Mangels – zur unverzüglichen Rüge gegenüber dem Verkäufer. Nur wenn die Untersuchung im Einzelfall ‚nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang‘ nicht tunlich ist (z. B. bei technischer Unmöglichkeit), kann sie entfallen (RG, Urt. v. 26.06.1929 – I 17/29, RGZ 125, 76, 79). Nach der Rechtsprechung des BGH kann dabei selbst ein bestehender Handelsbrauch den kaufmännischen Käufer nicht von jeder Untersuchungspflicht entbinden, sondern lediglich die Art und den Umfang der Untersuchungspflicht beeinflussen (BGH, Urt. v. 17.09.2002 – X ZR 248/00, juris Rn. 18). Selbst wenn Fehler der Kaufsache selten sein sollten, würde dies – auch bei Markenwaren – nicht ausreichen, um die Untersuchung überflüssig werden zu lassen (RG, Urt. v. 26.06.1929 – I 17/29, RGZ 125, 76, 79; MünchKomm-HGB/Grunewald, 4. Aufl. [2018], § 377 Rn. 42; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 39. Aufl. [2020], § 377 Rn. 26 a. E., G. Müller, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. [2015], § 377 Rn. 93; für die Anwendbarkeit des § 377 HGB beim Neuwagenkauf auch OLG Hamm, Urt. v. 06.02.2006 – 2 U 197/05, das die Frage nicht einmal problematisiert).
Welche Anforderungen an die Art und Weise der demnach grundsätzlich vorzunehmende Untersuchung zu stellen sind, lässt sich nicht allgemein festlegen. Es ist vielmehr darauf abzustellen, welche in den Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs fallenden Maßnahmen einem ordentlichen Kaufmann im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung auch der schutzwürdigen Interessen des Verkäufers zur Erhaltung seiner Gewährleistungsrechte zugemutet werden können. Dabei kommt es auf die objektive Sachlage und auf die allgemeine Verkehrsanschauung an, wie sie sich hinsichtlich eines Betriebs vergleichbarer Art herausgebildet hat. Die Anforderungen an eine Untersuchung sind letztlich durch eine Interessenabwägung zu ermitteln, die in erster Linie dem Tatrichter obliegt. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Vorschriften über die Mängelrüge in erster Linie den Interessen des Verkäufers dienen. Er soll, was auch dem allgemeinen Interesse an einer raschen Abwicklung der Geschäfte im Handelsverkehr entspricht, nach Möglichkeit davor geschützt werden, sich längere Zeit nach der Lieferung oder nach der Abnahme der Sache etwaigen, dann nur schwer feststellbaren Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt zu sehen. Andererseits dürfen im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zwischen Verkäufer und Käufer die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Untersuchung nicht überspannt werden. Denn ansonsten könnte der Verkäufer, aus dessen Einflussbereich der Mangel kommt, in die Lage versetzt werden, das aus seinen eigenen fehlerhaften Leistungen herrührende Risiko auf dem Wege über die Mängelrüge auf den Käufer abzuwälzen. Anhaltspunkte für die Grenzen der Zumutbarkeit bilden vor allem der für eine Überprüfung erforderliche Kosten- und Zeitaufwand, die dem Käufer zur Verfügung stehenden technischen Prüfungsmöglichkeiten, das Erfordernis eigener technischer Kenntnisse für die Durchführung der Untersuchung bzw. die Notwendigkeit, die Prüfung von Dritten vornehmen zu lassen (BGH, Urt. v. 24.02.2016 – VIII ZR 38/15 Rn. 20–22).
Im streitgegenständlichen Fall wäre – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – die von der Klägerin behauptete ungenügende Massagefunktion ohne Weiteres durch eine simple Funktionsprüfung festzustellen gewesen; eine Aktivierung der Massagefunktion nach Ablieferung des streitgegenständlichen Fahrzeugs hätte nämlich bereits ausgereicht, um den vermeintlichen Mangel festzustellen. Dazu wäre nur ein einziger Tastendruck vorzunehmen gewesen (vgl. den Auszug aus der Bedienungsanleitung lt. S. 4 des Klageschriftsatzes). Der Einsatz von Prüftechnik wäre deshalb ebenso wenig erforderlich gewesen wie die Heranziehung externen technischen Sachverstands. Es wären nicht einmal technische Kenntnisse der Klägerin erforderlich gewesen. Aufgrund des damit für die Klägerin verbundenen, nur minimalen und daher ohne Weiteres zumutbaren Prüfaufwands überwiegt das Interesse der Beklagten an rascher Klarheit über das Bestehen von Gewährleistungsansprüchen das dagegen stehende Interesse der Klägerin an der Vermeidung von Prüfungsaufwand bei Weitem, zumal § 377 I HGB in erster Linie den Verkäuferinteressen dienen soll.
Die Klägerin hätte daher den von ihr im Rahmen der ihr obliegenden Untersuchungspflicht unschwer festzustellenden und daher (unterstellten) offenen Mangel alsbald nach Ablieferung des streitgegenständlichen Fahrzeugs am 03.02.2017 gemäß § 377 I HGB rügen müssen. Da eine Rüge jedoch erst am 20.08.2018 erfolgte, gilt das Fahrzeug nach § 377 II HGB als genehmigt.
b) Daran ändert auch die unstreitige Tatsache nichts, dass die Klägerin den Rolls-Royce TeleService mitgekauft hat. Denn dabei handelt es sich um eine Zusatzleistung der Beklagten, durch die laut der im Schriftsatz des Klägervertreters vom 13.05.2019 (dort S. 5 und 6) wiedergegebenen Leistungsbeschreibung ‚wichtige Informationen zur Wartung direkt an [den] autorisierten Rolls-Royce Händler übertragen‘ werden. Die Wartung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, das heißt die Überprüfung des Fahrzeugs auf im Laufe des Betriebs eintretenden Verschleiß oder Schäden, hat aber nichts mit der Prüfung des Fahrzeugs nach der Ablieferung auf anfängliche Mängel i. S. des § 377 I HGB zu tun. Auch beziehen sich die vom Rolls-Royce TeleService erhobenen Informationen nach der Leistungsbeschreibung auf ‚überwachte Verschleißteile‘, den Fahrzeugstatus und den Ladezustand der Batterie. Dass die Frontsitze durch den Rolls-Royce TeleService überwacht würden, ist schon nicht vorgetragen.
c) Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Klägerin, durch die Reparaturversuche der Beklagten im Herbst 2018 habe diese konkludent auf die Verspätungsrüge nach § 377 I HGB verzichtet.
In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, das der Verkäufer auf den Einwand der Verspätung einer Mängelrüge auch stillschweigend verzichten kann. Die Möglichkeit eines derartigen Verzichts wird für den Geltungsbereich des § 377 HGB insbesondere dann bejaht, wenn der Verkäufer die beanstandeten Waren vorbehaltlos zurückgenommen oder vorbehaltlos Nachbesserung versprochen oder den Verspätungseinwand nicht erhoben hat (BGH, Urt. v. 25.11.1998 – VIII ZR 259/97, juris Rn. 17). Die obergerichtliche Rechtsprechung hat dies auf die vorbehaltlose Nachbesserung ausgedehnt (OLG Stuttgart, Urt. v. 20.09.1997 – 10 U 246/06, juris Rn. 26).
Im streitgegenständlichen Fall fehlt es aber bereits an der notwendigen Vorbehaltslosigkeit der Nachbesserung durch die Beklagte. Denn in der E-Mail des M vom 11.09.2018 an den Geschäftsführer der Klägerin (wiedergegeben im Klageschriftsatz, S. 5) wird ausdrücklich mitgeteilt, dass ‚England‘, i. e. die Herstellerin, der Auffassung sei, dass die im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Sitze der ‚Serienstand‘ seien. Damit wird der Standpunkt vertreten, dass die Sitze vertragsgemäß und deshalb nicht mangelhaft seien. Ein trotzdem vorgenommener Austausch ist dann aber keine vorbehaltlose Nachbesserung, die einen Verzicht auf die Verspätungsrüge nach § 377 I HGB begründen könnte, sondern, da die Beklagte gerade nicht von einem Mangel ausgeht, lediglich eine Kulanzleistung.
d) Fernliegend ist schließlich die Behauptung der Klägerseite, die Beklagte habe die (unterstellte) Mangelhaftigkeit vorsätzlich verschwiegen und deshalb arglistig gehandelt, sodass er sich gemäß § 377 V HGB nicht auf die Untersuchungspflicht nach § 377 I HGB berufen könne. Dieser Vortrag ist nicht geeignet, um die Voraussetzungen des § 377 V HGB als erfüllt anzusehen.
Nach der Rechtsprechung des BGH setzt Arglist i. S. des § 377 V HGB nämlich voraus, dass die Beklagte als Verkäuferin die Mangelhaftigkeit kannte oder zumindest mit dieser Möglichkeit rechnete und ihr bewusst war, dass der Klägerin der Mangel unbekannt sein könne und sie bei Kenntnis der Sachlage die angebotene Ware nicht als Vertragserfüllung annehmen werde (BGH, Urt. v. 25.09.1985 – VIII ZR 175/84, juris Rn. 19). Bei einem – wie hier (vgl. oben) – unschwer feststellbaren offenen (unterstellten) Mangel ist von Arglist nur auszugehen, wenn die Verkäuferin mit einem Untersuchungs- und Rügeversäumnis durch die Klägerin rechnet und ihr bewusst ist, dass die Kaufsache für die Klägerin unbrauchbar ist (BGH, Urt. v. 25.09.1985 – VIII ZR 175/84, juris Rn. 21; Hopt, in: Baumbach/Hopt, a. a. O., § 377 Rn. 53).
Wie sich allein schon aus der Tatsache ergibt, dass die Klägerin das streitgegenständliche Fahrzeug trotz des offenen (unterstellten) Mangels von der Übergabe am 03.02.2017 bis zur Rüge am 20.08.2018 und damit mehr als eineinhalb Jahre beanstandungslos nutzte, war das Fahrzeug jedenfalls für die Klägerin nicht unbrauchbar. Damit liegt aber schon allein deshalb keine Arglist vor.
Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Landgerichts unter 2 e des angegriffenen Urteils Bezug genommen, die der Senat aus den dort angegebenen Gründen für in jeder Hinsicht zutreffend erachtet und die deshalb nicht noch einmal wiederholt werden müssen.
Ein Beweis für die bestrittene Behauptung der Klägerin ist schließlich auch nicht angeboten.“
Aus den Gründen: II. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG München I … ist gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erforderen und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Die Stellungnahme des Klägervertreters vom 14.05.2020 gibt keinen Anlass, von den Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 16.03.2020 abzuweichen.
1. Den in der Stellungnahme vom 14.05.2020 erneut erhobenen Einwand der Klägerseite, es sei nicht erforderlich gewesen, dass der Geschäftsführer der Klägerin gegenüber der Beklagten offenlege, dass er mit der Bezeichnung ‚Massage Seats‘ die Massagesitze in anderen Rolls-Royce-Typen in Verbindung bringe, hat der Senat bereits im Hinweisbeschluss vom 16.03.2020 (dort S. 3) für nicht durchgreifend erachtet. Neue Argumente hierzu hat der Kläger auch in der Stellungnahme vom 14.05.2020 nicht vorgebracht. Es ist im Übrigen in jeder Hinsicht fernliegend anzunehmen, ein Pkw-Verkäufer müsse den Käufer eines neuen Fahrzeugs, der bei ihm bereits in der Vergangenheit einen Pkw der gleichen Marke, aber eines anderen Typs gekauft habe, über jede Abweichung des neuen Fahrzeugs von der Ausstattung des typverschiedenen früher gekauften Pkw aufklären.
2. Hinsichtlich der von Eggert in Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl. (2020), Rn. 3946, vertretenen Meinung zur Entbehrlichkeit einer Untersuchung des gekauften Fahrzeugs hat sich der Senat bereits ausführlich in seinem Hinweisbeschluss vom 16.03.2020 (dort S. 3–5) geäußert und eine Untersuchung i. S. des § 377 HGB auch bei Neuwagen weiterhin für erforderlich gehalten. Dass die Beklagte vor der Übergabe des Fahrzeugs ihrerseits eine „Übergabedurchsicht“ des Fahrzeugs vorgenommen und hierüber eine Bescheinigung erstellt hat, ändert daran nichts und führt insbesondere nicht zu einem (konkludenten) Verzicht der Beklagten auf die klägerische Untersuchungspflicht aus § 377 I HGB.
3. Ein konkludenter Verzicht der Beklagten auf die Verspätungsrüge folgt auch nicht – wie bereits im Hinweisbeschluss des Senats vom 16.03.2020, S. 6 ausgeführt – aus dem Reparaturversuch der Beklagten. Inwiefern sich aus der in der Stellungnahme des Klägervertreters vom 14.05.2020 (dort S. 3) in Bezug genommenen Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten „wobei die glauben, dass es Serienstand ist“ ergeben soll, dass die Beklagte davon ausging, dass die im streitgegenständlichen Fahrzeug eingebauten Sitze nicht dem Serienzustand entsprächen und deshalb mangelhaft seien, erschließt sich nicht.
Da somit schon kein Sachmangel vorliegt und im Übrigen die Mängelrüge nicht rechtzeitig erfolgt wäre, ist auch der Hilfsantrag unbegründet.
Nach alledem bleibt die Berufung ohne Erfolg.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. …