- Nach einem Rücktritt vom Kaufvertrag sind sämtliche Rückgewährpflichten (Rückzahlung des Kaufpreises, Rückgewähr der Kaufsache) einheitlich dort zu erfüllen, wo sich die Kaufsache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vertragsgemäß befindet. Dieser sogenannte Austauschort ist bei einem – hier mangelbedingten – Rücktritt von einem Kfz-Kaufvertrag regelmäßig am Wohnsitz des Käufers anzusiedeln; auf den tatsächlichen Standort des Fahrzeugs kommt es nicht an.
- Ein angeblich mangelhaftes Fahrzeug, das dem Verkäufer zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen zur Verfügung gestellt wurde, befindet sich jedenfalls dann nicht mehr vertragsgemäß beim Verkäufer, wenn dieser eine Nachbesserung abgelehnt und den Käufer zur Abholung des Fahrzeugs aufgefordert hat. Vielmehr sind (auch) in diesem Fall – unabhängig vom tatsächlichen Standort des Fahrzeugs – sämtliche Rückgewährpflichten einheitlich am Wohnsitz des Käufers zu erfüllen.
OLG Jena, Urteil vom 09.04.2020 – 4 U 1208/19
Sachverhalt: Der Kläger kaufte von dem Beklagten mit schriftlichem Vertrag vom 02.08.2018 einen Gebrauchtwagen, einen BMW X3 2.0d, zum Preis von 7.995 €. Dieses Fahrzeug wurde dem Kläger am 13.08.2018 übergeben.
In der Folgezeit wurde der Pkw seitens der Autohaus K-GmbH & Co. KG in Saalfeld untersucht. Bei dieser Untersuchung, für die der Kläger 227,48 € aufwandte, wurde festgestellt, dass der Turbolader zerstört und das Abgassystem nachhaltig beschädigt sei. Die Instandsetzung des Fahrzeugs erfordere einen Kostenaufwand von 5.400,40 € brutto.
Der Kläger verlangte von dem Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 06.09.2018 Nachbesserung. Der Beklagte holte den streitgegenständlichen Pkw absprachegemäß auf seine Kosten am 18.10.2018 bei der Autohaus K-GmbH & Co. KG in Saalfeld ab und verbrachte das Fahrzeug nach Brüsewitz. Beim Abladen stellte er fest, dass die Auspuffanlage demontiert worden war; sie wurde am 08.11.2018 nachgeliefert.
Anschließend teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er das Fahrzeug nicht nachbessern werde, da es sich bei den defekten Teilen um Verschleißteile handele. Er bot dem Kläger an, den Pkw zum Festpreis von 2.975 € zu reparieren oder gegen Zahlung eines geringen Betrags zu erwerben. Weitere Forderungen des Klägers wies der Beklagte zurück. Der Kläger erklärte daraufhin mit anwaltlichem Schreiben vom 28.12.2018 den Rücktritt von dem mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag. Für dessen Rückabwicklung sowie die Leistung von Schadenersatz setzte er dem Beklagten – erfolglos – eine Frist bis zum 04.01.2019.
Mit seiner beim LG Gera erhobenen Klage hat der Kläger den Beklagten auf Zahlung von 10.732,48 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgewähr des streitgegenständlichen Fahrzeugs, in Anspruch genommen. Darüber hinaus hat er den Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten (958,19 € nebst Zinsen) und die Feststellung begehrt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Pkw in Annahmeverzug befinde.
Der Kläger behauptet, seine Ehefrau E habe das Fahrzeug genutzt. Nachdem sie mit dem Pkw insgesamt gerade einmal 818 km zurückgelegt habe, habe sie am 01.09.2018 ein deutliches Pfeifgeräusch aus dem Motorraum des Fahrzeugs bemerkt, die Motorleistung habe spürbar nachgelassen, und die DDE-Warnleuchte habe aufgeleuchtet. E habe die Fahrt umgehend unterbrochen und veranlasst, dass das Fahrzeug auf das Betriebsgelände der Autohaus K-GmbH & Co. KG in Saalfeld abgeschleppt werde. Sowohl der Turbolader als auch der Dieselpartikelfilter – so meint der Kläger – seien keine Verschleißteile, da sie keiner normalen nutzungs- und altersbedingten Abnutzung unterlägen.
Der Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des LG Gera gerügt und behauptet, der Kläger habe etwa drei Wochen nach der Übergabe des Fahrzeugs telefonisch eingeräumt, dass er mit vollem Dieselpartikelfilter und trotz Aufleuchtens einer Warnleuchte weitergefahren sei. Nur deshalb – so hat der Beklagte behauptet – sei es zu dem Defekt am Turbolader gekommen. Dieser Defekt habe dann seinerseits dazu geführt, dass die Motorleistung abgenommen habe und das Fahrzeug nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei.
Der Beklagte hat widerklagend die Zahlung von Transport- und Standkosten in Höhe von insgesamt 557 € nebst Zinsen begehrt. Diesbezüglich hat er behauptet, die Parteien hätten nicht vereinbart, dass er das Fahrzeug auf eigene Kosten in Saalfeld abhole. Er habe dem Kläger vielmehr angeboten, den Pkw in Brüsewitz zu untersuchen und dann zu entscheiden, ob ein Gewährleistungsanspruch vorliege oder nicht, und dieses Angebot von einem Transportauftrag des Klägers abhängig gemacht. Der Kläger habe ihn daraufhin angewiesen, das Fahrzeug abzuholen. Für den Transport des Fahrzeugs sei eine Vergütung von 375 € brutto üblich und angemessen. Darüber hinaus – so hat der Beklagte gemeint – stünden ihm Standkosten für die Zeit vom 01.05. bis zum 20.05.2019 in Höhe von 10 € pro Tag und damit insgesamt 200 € zu.
Der Kläger hat insoweit geltend gemacht, er habe dem Beklagten keinen Transportauftrag erteilt, sondern im lediglich die Abholung des Pkw gestattet. Eine Vereinbarung bezüglich irgendwelcher Standkosten hätten die Parteien nicht getroffen.
Das LG Gera hat die Klage als unzulässig abgewiesen (LG Gera, Urt. v. 22.10.2019 – 3 O 532/19). Es hat ausgeführt, der Beklagte habe seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des LG Schwerin, und das LG Gera sei auch nicht gemäß § 29 I ZPO örtlich zuständig. Das gelte selbst dann, wenn man mit der herrschenden Meinung annehme, dass nach einem Rücktritt vom Kaufvertrag sämtliche Rückgewährpflichten einheitlich den dem Ort zu erfüllen seien, an dem sich die Kaufsache im Zeitpunkt des Rücktritts vertragsgemäß befinde. Denn das von dem Kläger zurückzugewährende Fahrzeug befinde sich bestimmungsgemäß bei dem Beklagten, nachdem er den Pkw aufgrund des Nachbesserungsverlangens des Klägers abgeholt und nach Brüsewitz verbracht habe.
Auf die Berufung des Klägers wurde – wie vom Kläger hauptsächlich beantragt – das Urteil des LG Gera gemäß § 538 II 1 Nr. 3, Satz 2 ZPO aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
Aus den Gründen: II. … 1. Das Landgericht hätte die Klage nicht wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abweisen dürfen. Der Kläger durfte gemäß § 35 ZPO nach seiner Wahl die Klage vor dem LG Gera erheben, weil dort der Gerichtsstand des Erfüllungsorts gegeben ist (§ 29 I ZPO).
Nach der Regelung des § 29 I ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis auch das Gericht zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Der insofern maßgebliche Ort richtet sich nach dem materiellen Recht (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.10.2015 – I-28 U 91/15, juris Rn. 27). Maßgeblich können spezielle gesetzliche Regelungen, vertragliche Regelungen und – nachrangig – die allgemeine Vorschrift des § 269 I BGB sein.
Nach dem vom Kläger zur Klagebegründung vorgetragenen Sachverhalt soll ihm gegen den Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 7.995 € sowie daneben auf Schadensersatz zustehen, weil er wirksam von dem am 02.08.2018 mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag über das Fahrzeug BMW X3 zurückgetreten sei.
Das materielle Recht über den Kaufvertrag enthält keine abschließende Regelung, an welchem Ort die hier streitige Verpflichtung zur Rückzahlung des Kaufpreises zu erfüllen ist. Abzustellen ist vielmehr auf § 269 I BGB. Danach richtet sich der Ort für die Leistung nach der von den Parteien getroffenen Bestimmung oder nach den Begleitumständen, die sich insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses ergeben. Wenn sich insoweit keine Feststellungen treffen lassen, bildet der Wohnsitz des Verkäufers, der vermeintlich die Rückzahlung des Kaufpreises schuldet, den maßgeblichen Leistungsort.
Die Parteien haben hier bei Abschluss des Kaufvertrags keine ausdrückliche Bestimmung getroffen, wie im Falle der Rückabwicklung des Vertrags zu verfahren sei. Sie haben lediglich für die Übergabe und Übereignung nach § 433 I 1 BGB die Niederlassung des Beklagten in Brüsewitz bestimmt. Nicht geregelt ist hingegen der Leistungsort beim Vorliegen von Mängeln. Jedoch kann den Parteien der mutmaßliche Wille unterstellt werden, dabei nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen vorgehen zu wollen. Dann ergibt sich aus §§ 433 I, 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 323, 440, 346 ff. BGB, dass ein Käufer bei wirksamer Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der Kaufsache hat (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.10.2015 – I-28 U 91/15, juris Rn. 28–30), so wie der Kläger dies hier auch beantragt hat.
Die herrschende Auffassung in der jüngeren obergerichtlichen Rechtsprechung geht davon aus, dass die Rückzahlung des Kaufpreises ebenso wie die Rückgabe der Sache an dem sogenannten Austauschort zu erfolgen hat, nämlich dort, wo sich die veräußerte Sache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vertragsgemäß befindet (vgl. – jeweils m. w. Nachw. auch aus der Literatur – OLG Hamm, Urt. v. 27.11.2019 – 31 U 114/18, juris Rn. 77; OLG München, Urt. v. 04.10.2018 – 24 U 1279/18, juris Rn. 7, 10; OLG Stuttgart, Urt. v. 13.01.2016 – 9 U 183/15, juris Rn. 3 f.; OLG Hamm, Urt. v. 20.10.2015 – I-28 U 91/15, juris Rn. 33; OLG Bamberg, Beschl. v. 24.04.2013 – 8 SA 9/13, juris Rn. 21; OLG Schleswig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11, juris Rn. 18). Dabei handelt es sich regelmäßig um den Wohnsitz des Käufers (vgl. die aufgeführte Rechtsprechung). Dieser Auffassung schließt sich der Senat unter Hinweis auf die überzeugende Argumentation in den aufgeführten Entscheidungen an.
Damit wäre zunächst die Zuständigkeit des LG Gera begründet gewesen. Denn dort befand sich das Fahrzeug nach dem Willen beider Parteien nach der beiderseitigen Erfüllung der Verpflichtungen aus § 433 BGB.
Dieser Gerichtsstand besteht auch trotz des Bemühens des Klägers um eine Nacherfüllung, in dessen Zuge das Fahrzeug zu dem Beklagten nach Brüsewitz verbracht worden ist und wo es sich weiterhin befindet, fort. Zwar mag sich während der Phase der Nacherfüllung der vertragsgemäße Erfüllungsort ändern, jedoch ist jedenfalls nach dem Abschluss der Mängelbeseitigung oder nach der Weigerung, diese durchzuführen, der vertragsgemäße Standort weiterhin am Wohnsitz des Klägers, unabhängig davon, wo sich das Fahrzeug tatsächlich befindet.
Nach einer jüngeren Entscheidung des BGH ist der Erfüllungsort für die Nacherfüllung (§ 439 I BGB), soweit keine besonderen vertraglichen Vereinbarungen getroffen worden sind, der Wohn- und Geschäftssitz des Schuldners (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16, juris Rn. 21 ff.). Das bedeutet, dass der Kläger, wenn er einen Nacherfüllungsanspruch geltend gemacht hätte, vor dem LG Schwerin hätte klagen müssen. Der Kläger begehrt mit seiner Klage jedoch keine Nacherfüllung.
Zum Zeitpunkt des Rücktritts befand sich das Fahrzeug dann aber nicht (mehr) vertragsgemäß bei dem Beklagten. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn der Beklagte den Nacherfüllungsanspruch anerkannt und die Mängelbeseitigung durchgeführt hätte (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16, juris Rn. 21 ff.). Dieses Ansinnen hat der Beklagte jedoch nach der Untersuchung der Kaufsache, die ihm der Kläger grundsätzlich ermöglichen musste (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16, juris Rn. 21 ff.), mit Schreiben vom 16.10.2018 abgelehnt. Ab diesem Zeitpunkt befand sich das Fahrzeug dann nicht mehr vertragsgemäß bei dem Beklagten. Dementsprechend hat der Beklagte den Kläger zur Abholung des Fahrzeugs aufgefordert. Das zeigt, dass auch der Beklagte davon ausgegangen ist, dass der Ort, wo sich das Fahrzeug vertragsgemäß befinden solle, der Wohnort des Klägers sei. Auf den tatsächlichen Standort des Fahrzeugs kommt es, ebenso wie vor dem Nacherfüllungsbegehren, nicht an, da es auf den nach dem Willen der Parteien vertragsgemäßen Standort ankommt. Dieser ist und bleibt am Wohnort des Klägers. Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung hätte sich das Fahrzeug nach dem Willen der Parteien daher (wieder) am Wohnort des Klägers befinden müssen. Hier müsste der Leistungsaustausch erfolgen.
Dagegen spricht auch nicht die Entscheidung des Reichsgerichts vom 18.02.1902 (III 397/01, juris), denn dort wird ebenfalls darauf abgestellt, wo sich die Ware nach dem Willen der Parteien befindet. Dies ist bei einem Fahrzeugkauf – wie bereits oben dargelegt – regelmäßig am Wohnort des Käufers. Ein nicht erfolgreiches Nacherfüllungsansinnen oder auch eine fehlgeschlagene Mängelbeseitigung führen zu keiner diesbezüglichen Willensänderung. Auch das vom Landgericht zitierte OLG München (vgl. Urt. v. 04.10.2018 – 24 U 1279/18, juris Rn. 7) stellt darauf ab, an welchem Ort sich die Kaufsache nach beiderseitiger Erfüllung vertragsgemäß befindet. Auch das wäre hier der Wohnort des Klägers, an dem sich das Fahrzeug nach ordnungsgemäßer Erfüllung bzw. Nacherfüllung wieder befinden würde.
Die vom Landgericht aufgeführten praktischen Erwägungen, nämlich, dass es widersinnig sei, das Fahrzeug zunächst zum Käufer zu verbringen, dort den Vertrag rückabzuwickeln und dann das Fahrzeug wieder zum Beklagten zu verbringen, sind nicht von der Hand zu weisen. Gleichwohl ist der Nacherfüllungsanspruch nach dem Willen der Parteien und auch nach den Regelungen der §§ 434 ff. BGB von dem Rückabwicklungsverhältnis zu trennen mit der Folge, dass sich auch der vertragsgemäße Standort ändern kann. Zudem spricht die etwaige tatsächliche Abwicklung des Kaufvertrags nicht zwingend für die Ansicht des Landgerichts. Im Fall einer Entscheidung zugunsten des Klägers bliebe es den Parteien unbenommen, das Fahrzeug nach Rückzahlung des Kaufpreises beim Beklagten zu belassen und die Rückabwicklung auf diese Weise zu vereinfachen. Bei Unterliegen des Klägers wäre das Fahrzeug ohnehin beim Beklagten abzuholen. Die Begutachtung im Rahmen der Beweisaufnahme kann ebenso durch einen im Landgerichtsbezirk Schwerin ansässigen Sachverständigen erfolgen. Dem schriftlichen Gutachten folgt auch nicht stets eine mündliche Anhörung des Sachverständigen. Im Übrigen können diese berechtigten verfahrensrechtlichen Überlegungen die materiell-rechtlichen Regelungen zum Erfüllungsort nicht überlagern.
Damit verbleibt es dabei, dass das LG Gera nach § 29 I ZPO auch örtlich zuständig ist.
2. Der Rechtsstreit ist noch nicht entscheidungsreif. Eine Sachentscheidung durch den Senat kann nicht erfolgen.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, das Urteil ist für vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. OLG München, Urt. v. 04.10.2018 – 24 U 1279/18, juris Rn. 6 f.)
4. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen (vgl. OLG München, Urt. v. 04.10.2018 – 24 U 1279/18, juris Rn. 14, 18). Im Übrigen hat der Senat lediglich über die Frage der Zuständigkeit entschieden, die der Revision nicht zugänglich ist (§ 545 II ZPO; vgl. OLG München, Urt. v. 04.10.2018 – 24 U 1279/18, juris Rn. 14, 18).