Für die Be­ur­tei­lung, ob das Ver­hal­ten ei­nes Bie­ters auf der In­ter­net­platt­form eBay, der an ei­ner Viel­zahl von Auk­tio­nen teil­ge­nom­men hat, als rechts­miss­bräuch­lich ein­zu­stu­fen ist, kön­nen abs­trak­te, ver­all­ge­mei­ne­rungs­fä­hi­ge Kri­te­ri­en, die den zwin­gen­den Schluss auf ein Vor­ge­hen als „Ab­bruch­jä­ger“ zu­las­sen, nicht auf­ge­stellt wer­den. Es hängt viel­mehr von ei­ner dem Tatrich­ter ob­lie­gen­den Ge­samt­wür­di­gung der kon­kre­ten Ein­zel­fal­l­um­stän­de ab, ob die je­weils vor­lie­gen­den In­di­zi­en ei­nen sol­chen Schluss tra­gen.

BGH, Ur­teil vom 22.05.2019 – VI­II ZR 182/17

Sach­ver­halt: Der Be­klag­te bot En­de März/An­fang April 2012 ei­nen Pi­rel­li-Rad­satz für ei­nen Au­di A6 mit ei­nem Start­preis von 1 € auf der In­ter­net­platt­form eBay zum Kauf ge­gen Höchst­ge­bot an. Er be­en­de­te die Auk­ti­on vor­zei­tig. Zu die­sem Zeit­punkt war der Klä­ger mit ei­nem Ge­bot von 201 € Höchst­bie­ten­der. Nach den sei­ner­zeit gel­ten­den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen von eBay kam ein Kauf­ver­trag mit dem Höchst­bie­ten­den auch bei vor­zei­ti­ger Be­en­di­gung der Auk­ti­on zu­stan­de, es sei denn, der An­bie­ter war zur Rück­nah­me des An­ge­bots „ge­setz­lich“ be­rech­tigt.

Der Be­klag­te hat gel­tend ge­macht, der Rad­satz sei aus der Ga­ra­ge des Zeu­gen R ent­wen­det wor­den, wo­von er, der Be­klag­te, erst un­mit­tel­bar vor dem Ab­bruch der Auk­ti­on er­fah­ren ha­be.

Der Klä­ger hat­te seit dem Jahr 2009 in gro­ßem Um­fang Ge­bo­te bei eBay-Auk­tio­nen ab­ge­ge­ben. Mit E-Mail vom 04.04.2012 for­der­te der Klä­ger den Be­klag­ten ver­geb­lich auf, den an­ge­bo­te­nen Rad­satz, dem er zu­letzt ei­nen Wert von min­des­tens 1.701 € zu­ge­mes­sen hat­te, ge­gen Zah­lung von 201 € her­aus­zu­ge­ben. Mit Schrei­ben vom 24.01.2013 trat der Klä­ger vom Kauf­ver­trag zu­rück und for­der­te Scha­dens­er­satz.

Der auf Zah­lung von 1.500 € nebst Zin­sen ge­rich­te­ten Kla­ge hat das Amts­ge­richt dem Grun­de nach statt­ge­ge­ben. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die Be­ru­fung des Be­klag­ten zu­rück­ge­wie­sen. Des­sen Re­vi­si­on, mit der er sei­nen Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag wei­ter­ver­folg­te, hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: [6]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[7]    Dem Klä­ger ste­he dem Grun­de nach ein An­spruch auf Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung ge­gen den Be­klag­ten aus §§ 280 I, III, 281 I 1 BGB zu.

[8]    Die Par­tei­en hät­ten nach den sei­ner­zeit maß­geb­li­chen All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen von eBay ei­nen wirk­sa­men Kauf­ver­trag ge­mäß § 433 I BGB über den Pi­rel­li-Rad­satz ab­ge­schlos­sen, denn der Klä­ger sei zum Zeit­punkt des Ab­bruchs der Auk­ti­on Höchst­bie­ten­der mit dem Be­trag von 201 € ge­we­sen.

[9]    Der Be­klag­te ha­be nicht nach­wei­sen kön­nen, zum vor­zei­ti­gen Ab­bruch der Auk­ti­on be­rech­tigt ge­we­sen zu sein. Zwar kön­ne auch ein Dieb­stahl des Auk­ti­ons­gu­tes nach höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung ei­nen Ab­bruch der Auk­ti­on recht­fer­ti­gen. Die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes sol­chen be­rech­tig­ten Auk­ti­ons­ab­bruchs tra­ge nach all­ge­mei­nen Grund­sät­zen der Ver­käu­fer. Dem Be­klag­ten sei je­doch der Nach­weis nicht ge­lun­gen, dass ge­ra­de der Rad­satz, auf den der Klä­ger ge­bo­ten ha­be, ge­stoh­len wor­den sei. Der Klä­ger ha­be durch Über­rei­chung ei­nes zwei­ten Auk­ti­ons­an­ge­bots des Be­klag­ten für ei­nen Pi­rel­li-Rad­satz, be­en­det am 23.03.2012, dar­ge­legt, dass es zu­min­dest zwei Auk­ti­ons­an­ge­bo­te des Be­klag­ten im frag­li­chen Zeit­raum ge­ge­ben ha­be. Dass der streit­ge­gen­ständ­li­che Rad­satz aus der Ga­ra­ge des Zeu­gen R ent­wen­det wor­den sei, las­se sich des­sen Aus­sa­ge aber nicht ent­neh­men.

[10]   Der Be­klag­te kön­ne dem An­spruch des Klä­gers nicht ge­mäß § 242 BGB den Ein­wand des rechts­miss­bräuch­li­chen Ver­hal­tens ent­ge­gen­hal­ten. Die An­nah­me ei­nes Rechts­miss­brauchs müs­se nach der Recht­spre­chung auf be­son­de­re Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt blei­ben.

[11]   Es kön­ne nicht als rechts­miss­bräuch­lich an­ge­se­hen wer­den, wenn je­mand bei ei­ner In­ter­net­auk­ti­on ge­zielt auf sol­che Wa­ren bie­te, die mit ei­nem weit un­ter dem Markt­wert lie­gen­den Min­dest­ge­bot an­ge­bo­ten wür­den, und er zu­gleich sein Höchst­ge­bot auf ei­nen Be­trag li­mi­tie­re, der im­mer noch deut­lich un­ter dem Markt­preis lie­ge. Denn der Ver­käu­fer ei­ner sol­chen On­line­auk­ti­on be­grün­de das Ri­si­ko ei­nes un­güns­ti­gen Auk­ti­ons­ver­laufs selbst, in­dem er ei­nen nied­ri­gen Start­preis un­ter­halb des Markt­prei­ses oh­ne Min­dest­ge­bot fest­set­ze.

[12]   Es sei auch nicht zu miss­bil­li­gen, wenn sich ein Käu­fer in ei­ner Viel­zahl von Fäl­len sol­che für den Ver­käu­fer ris­kan­ten Auk­ti­ons­an­ge­bo­te zu­nut­ze ma­che und auf die­se Ge­bo­te weit un­ter­halb des Markt­prei­ses ab­ge­be, um bei ei­nem für ihn güns­ti­gen und für den Ver­käu­fer un­güns­ti­gen Auk­ti­ons­ver­lauf ein „Schnäpp­chen“ zu ma­chen. Al­lein die Quan­ti­tät füh­re dann nicht zur Miss­bil­li­gung. Dass ein so­ge­nann­ter Schnäpp­chen­jä­ger be­son­ders güns­ti­ge Kauf­ab­schlüs­se an­stre­be, ver­sto­ße auch dann nicht ge­gen das An­stands­ge­fühl, wenn der Käu­fer in ei­ner gro­ßen An­zahl von Fäl­len so vor­ge­he. Nicht zu be­an­stan­den sei dann auch die Gel­tend­ma­chung von Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen durch ei­nen sol­chen „Schnäpp­chen­jä­ger“, wenn der An­bie­ter die Auk­ti­on oh­ne zu­rei­chen­den Grund vor­zei­tig ab­bre­che und da­mit den Er­werb zum „Schnäpp­chen­preis“ zu ver­ei­teln su­che.

[13]   Die Gren­ze zu ei­nem miss­bil­li­gens­wer­ten Ver­hal­ten sei erst dann über­schrit­ten, wenn der Bie­ter nicht den An­kauf der an­ge­bo­te­nen Wa­re an­stre­be, son­dern in Wahr­heit den Ab­bruch der Auk­ti­on, um da­nach Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gel­tend ma­chen zu kön­nen. Las­se sich fest­stel­len, dass ein Bie­ter im Fal­le des Er­folgs sei­nes Ge­bots den Kauf­ge­gen­stand re­gel­mä­ßig nicht ab­neh­me, sei dem Ver­käu­fer der Ein­wand des Rechts­miss­brauchs zu­zu­bil­li­gen.

[14]   Es kön­ne hier in­des nicht fest­ge­stellt wer­den, dass es sich bei dem Klä­ger um ei­nen sol­chen „Ab­bruch­jä­ger“ han­de­le.

[15]   Dies er­ge­be sich zu­nächst nicht aus der An­zahl der vom Klä­ger im Ver­trags­zeit­raum ab­ge­ge­be­nen Ge­bo­te oder der Ge­samt­sum­me der ge­bo­te­nen Geld­be­trä­ge, da dies auch auf den als „Schnäpp­chen­jä­ger“ auf­tre­ten­den Bie­ter zu­trä­fe, oh­ne dass des­sen Ver­hal­ten zu miss­bil­li­gen sei. Die Ge­samt­sum­me der ge­bo­te­nen Geld­be­trä­ge sei schon des­we­gen un­er­heb­lich, weil auch der „Schnäpp­chen­jä­ger“ bei der Ab­ga­be von weit un­ter dem Markt­wert lie­gen­den Höchst­ge­bo­ten re­gel­mä­ßig über­bo­ten wer­de, bei der Auk­ti­on dann nicht zum Zu­ge kom­me und auch den An­ge­bots­preis nicht zu ent­rich­ten ha­be. Kei­ne recht­li­che Be­deu­tung ha­be fer­ner die An­zahl der vom Klä­ger ver­wen­de­ten Pseud­ony­me. Glei­ches gel­te für die Kün­di­gung der Mit­glied­schaft des Klä­gers durch eBay nach dem Er­lass der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung.

[16]   Es lä­gen hin­sicht­lich der Ernst­haf­tig­keit sei­ner Er­werbs­ab­sich­ten im Jahr 2012 auch kei­ne hin­rei­chen­den An­halts­punk­te da­für vor, dass es dem Klä­ger vor­ran­gig um die Gel­tend­ma­chung ei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs nach ei­nem Ab­bruch der Auk­ti­on ge­gan­gen sei und er den Rad­satz tat­säch­lich nicht ha­be er­wer­ben wol­len. Der Klä­ger ha­be er­klärt, al­le von ihm er­stei­ger­ten Wa­ren auch ab­ge­nom­men zu ha­ben und in ei­ni­gen Fäl­len so­gar beim Ab­bruch von Auk­tio­nen im Ver­gleichs­we­ge ei­nen hö­he­ren als den von ihm zu­nächst ge­bo­te­nen Preis ge­zahlt zu ha­ben. In ei­ner grö­ße­ren An­zahl von Fäl­len, vom Klä­ger ent­spre­chend sei­ner An­ga­be in ei­nem frü­he­ren Ver­fah­ren mit sei­ner­zeit cir­ca 100 be­zif­fert, ha­be er nach dem Ab­bruch ei­ner Auk­ti­on Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gel­tend ge­macht. Da vom Klä­ger hier­nach al­le Wa­ren, auf die er ge­bo­ten ha­be, auch ab­ge­nom­men wor­den sei­en, ha­be bei ihm ei­ne Er­werbs­ab­sicht be­stan­den.

[17]   Al­lein der Zeit­ab­lauf zwi­schen der Be­en­di­gung der Auk­ti­on und der ge­richt­li­chen Gel­tend­ma­chung ei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs sei hier kein be­weis­kräf­ti­ges In­diz für ei­ne man­geln­de ei­ge­ne Er­werbs­ab­sicht des Klä­gers. Vor­lie­gend ha­be der Klä­ger sei­nen Pri­mär­an­spruch be­reits am 04.04.2012 gel­tend ge­macht. Dass er sei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch so­dann erst An­fang des Jah­res 2013 gel­tend und erst im Jahr 2015 bei Ge­richt an­hän­gig ge­macht ha­be, spre­che nicht ge­gen sei­ne Er­werbs­ab­sicht im April 2012.

[18]   Nach al­lem las­se sich dem Klä­ger nicht wi­der­le­gen, dass er sich in ers­ter Li­nie als „Schnäpp­chen­jä­ger“ be­tä­tigt ha­be, dem es vor­ran­gig um den Er­werb von Wa­ren deut­lich un­ter dem Markt­wert ge­gan­gen sei und al­len­falls nach­ran­gig um die Gel­tend­ma­chung von Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen im Fal­le ei­nes un­be­rech­tig­ten Auk­ti­ons­ab­bruchs. Die­ses Ver­hal­ten sei je­doch nicht rechts­miss­bräuch­lich.

[19]   II. Die­se Be­ur­tei­lung hält recht­li­cher Nach­prü­fung stand, so­dass die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen ist. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat dem Klä­ger rechts­feh­ler­frei ei­nen An­spruch auf Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung ge­mäß §§ 280 I, III, 281 I BGB dem Grun­de nach zu­er­kannt.

[20]   1. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat oh­ne Rechts­feh­ler an­ge­nom­men, dass der Klä­ger nach den sei­ner­zeit für die Par­tei­en maß­geb­li­chen All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen der In­ter­net­platt­form eBay ei­nen wirk­sa­men Kauf­ver­trag mit dem Be­klag­ten ge­mäß § 433 BGB über den an­ge­bo­te­nen Rad­satz ab­ge­schlos­sen hat. Ins­be­son­de­re hat es rechts­feh­ler­frei – und in­so­weit von der Re­vi­si­on auch nicht an­ge­grif­fen – fest­ge­stellt, der Be­klag­te ha­be den Nach­weis nicht er­bracht, dass ihm ge­ra­de der Rad­satz, auf den der Klä­ger ge­bo­ten hat­te, ge­stoh­len wor­den war und er des­halb die In­ter­net­auk­ti­on et­wa aus be­rech­tig­tem Grund vor­zei­tig ab­ge­bro­chen hät­te.

[21]   2. Der Be­klag­te kann dem Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klä­gers, wie das Be­ru­fungs­ge­richt eben­falls frei von Rechts­feh­lern ent­schie­den hat, auch nicht den Ein­wand des Rechts­miss­brauchs (§ 242 BGB) ent­ge­gen­hal­ten.

[22]   a) Die An­nah­me ei­nes Rechts­miss­brauchs er­for­dert ei­ne sorg­fäl­ti­ge und um­fas­sen­de Prü­fung al­ler maß­geb­li­chen Um­stän­de des Ein­zel­falls und muss auf be­son­de­re Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt blei­ben (Se­nat, Urt. v. 12.11.2014 – VI­II ZR 42/14, NJW 2015, 548 Rn. 11; BGH, Urt. v. 27.04.1977 – IV ZR 143/76, BGHZ 68, 299, 304). Die Be­ur­tei­lung, ob das Ver­hal­ten ei­nes Bie­ters auf der In­ter­net­platt­form eBay, der an ei­ner Viel­zahl von Auk­tio­nen teil­ge­nom­men hat, als rechts­miss­bräuch­lich zu qua­li­fi­zie­ren ist, ist in ers­ter Li­nie dem Tatrich­ter vor­be­hal­ten. Sie kann vom Re­vi­si­ons­ge­richt nur dar­auf über­prüft wer­den, ob das Be­ru­fungs­ge­richt den Sach­ver­halt rechts­feh­ler­frei fest­ge­stellt, al­le maß­geb­li­chen Ge­sichts­punk­te be­rück­sich­tigt so­wie den zu­tref­fen­den recht­li­chen Maß­stab an­ge­wandt hat und ob sei­ne Wer­tung ge­gen Denk- und Er­fah­rungs­sät­ze ver­stößt (Se­nat, Urt. v. 15.03.2017 – VI­II ZR 270/15, NJW 2017, 1474 Rn. 20; Urt. v. 04.02.2015 – VI­II ZR 154/14, BGHZ 204, 145 Rn. 16 m. w. Nachw.). Ein sol­cher Rechts­feh­ler ist dem Be­ru­fungs­ge­richt in­des nicht un­ter­lau­fen.

[23]   b) Wie auch die Re­vi­si­on nicht ver­kennt, ist es für sich ge­nom­men nicht zu be­an­stan­den, dass ein Bie­ter sich als so­ge­nann­ter Schnäpp­chen­jä­ger be­tä­tigt, der bei In­ter­net­auk­tio­nen ge­zielt auf Wa­ren bie­tet, die zu ei­nem weit un­ter Markt­wert lie­gen­den Min­dest­ge­bot an­ge­bo­ten wer­den. Eben­so we­nig ist es miss­bil­li­gens­wert, wenn ein sol­cher Bie­ter sein Höchst­ge­bot auf ei­nen deut­lich un­ter dem Markt­wert der Wa­re lie­gen­den Be­trag be­grenzt. Denn es macht ge­ra­de den Reiz ei­ner sol­chen In­ter­net­auk­ti­on aus, dass der Bie­ter die Chan­ce hat, den Auk­ti­ons­ge­gen­stand zu ei­nem Schnäpp­chen­preis zu er­wer­ben, wäh­rend um­ge­kehrt der Ver­äu­ße­rer die Chan­ce wahr­nimmt, durch den Me­cha­nis­mus des Über­bie­tens ei­nen für ihn vor­teil­haf­ten Preis zu er­zie­len (vgl. Se­nat, Urt. v. 28.03.2012 – VI­II ZR 244/10, NJW 2012, 2723 Rn. 20 f.; Urt. v. 12.11.2014 – VI­II ZR 42/14, NJW 2015, 548 Rn. 10). Im Üb­ri­gen ist es der Ver­käu­fer, der in sol­chen Fäl­len von sich aus durch die Wahl ei­nes nied­ri­gen Start­prei­ses un­ter­halb des Markt­werts oh­ne Ein­rich­tung ei­nes Min­dest­prei­ses das Ri­si­ko ei­nes für ihn un­güns­ti­gen Auk­ti­ons­ver­laufs ein­ge­gan­gen ist (Se­nat, Urt. v. 12.11.2014 – VI­II ZR 42/14, NJW 2015, 548 Rn. 12 m. w. Nachw.). An der Be­ur­tei­lung die­ser Aus­gangs­la­ge än­dert sich auch dann nichts, wenn ein Bie­ter sich in ei­ner Viel­zahl von Fäl­len sol­che für den Ver­käu­fer ris­kan­ten Auk­ti­ons­an­ge­bo­te zu­nut­ze macht, um ein für ihn güns­ti­ges „Schnäpp­chen“ zu er­zie­len, weil al­lein die Quan­ti­tät ei­nes von der Rechts­ord­nung im Ein­zel­fall ge­bil­lig­ten Vor­ge­hens in der Re­gel nicht zu des­sen Miss­bil­li­gung führt.

[24]   c) Ein rechts­miss­bräuch­li­ches Ver­hal­ten ei­nes Bie­ters bei In­ter­net­auk­tio­nen kommt da­ge­gen, wo­von das Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend aus­ge­gan­gen ist, dann in Be­tracht, wenn sei­ne Ab­sicht von vorn­her­ein nicht auf den Er­folg des Ver­trags, son­dern auf des­sen Schei­tern ge­rich­tet ist, er al­so den an­ge­bo­te­nen Ge­gen­stand gar nicht er­wer­ben will, son­dern auf den Ab­bruch der Auk­ti­on ab­zielt, um dar­auf­hin Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gel­tend ma­chen zu kön­nen (sog. Ab­bruch­jä­ger).

[25]   Al­ler­dings las­sen sich abs­trak­te, ver­all­ge­mei­ne­rungs­fä­hi­ge Kri­te­ri­en, die den zwin­gen­den Schluss auf ein Vor­ge­hen als „Ab­bruch­jä­ger“ in die­sem Sin­ne zu­lie­ßen, nicht auf­stel­len. Es hängt viel­mehr von der dem Tatrich­ter ob­lie­gen­den Ge­samt­wür­di­gung der kon­kre­ten Ein­zel­fal­l­um­stän­de ab, ob die je­weils vor­lie­gen­den In­di­zi­en ei­nen sol­chen Schluss tra­gen.

[26]   Auch in­so­fern ist die Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts aus Rechts­grün­den nicht zu be­an­stan­den. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat sich nicht die Über­zeu­gung da­von ver­schaf­fen kön­nen, dass ei­ne ent­spre­chen­de, nicht auf Ver­trags­durch­füh­rung, son­dern auf den Ab­bruch und so­mit das Schei­tern des Ver­trags ge­rich­te­te Ab­sicht beim Klä­ger vor­han­den ge­we­sen ist. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die An­ga­ben des Zeu­gen S so­wie die des Klä­gers bei sei­ner An­hö­rung so­wie er­sicht­lich al­le we­sent­li­chen Um­stän­de des Ein­zel­falls ge­wür­digt.

[27]   So­weit die Re­vi­si­on gel­tend macht, ver­schie­de­ne – vom Be­ru­fungs­ge­richt aus­drück­lich ge­wür­dig­te – Um­stän­de (Ge­samt­sum­me der ge­bo­te­nen Geld­be­trä­ge, An­zahl der Ge­gen­stän­de, auf die ein Ge­bot ab­ge­ge­ben wor­den sei, Zeit­ab­lauf bis zur ge­richt­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs im vor­lie­gen­den Fall) lie­ßen zu­min­dest ins­ge­samt den Schluss dar­auf zu, dass es dem Klä­ger nur um das Schei­tern des Ver­trags und dar­aus re­sul­tie­ren­de Scha­dens­er­satz­an­sprü­che ge­gan­gen und er in die­sem Sin­ne ein „Ab­bruch­jä­ger“ ge­we­sen sei, setzt sie le­dig­lich ih­re ei­ge­ne Wer­tung an die Stel­le der tatrich­ter­li­chen Wür­di­gung des Be­ru­fungs­ge­richts, zeigt aber ei­nen Rechts­feh­ler nicht auf. Das Glei­che gilt für wei­te­re von der Re­vi­si­on her­an­ge­zo­ge­ne, vom Be­ru­fungs­ge­richt nicht aus­drück­lich er­ör­ter­te Ein­zel­um­stän­de (Ge­bo­te vor­nehm­lich auf hoch­prei­si­ge Ge­gen­stän­de, re­gel­mä­ßi­ge Be­nen­nung der­sel­ben Zeu­gen in ver­schie­de­nen Ge­richts­ver­fah­ren, an de­nen der Klä­ger als Par­tei be­tei­ligt ge­we­sen sei).

[28]   aa) Oh­ne Er­folg macht die Re­vi­si­on (un­ter Be­zug­nah­me auf ein vom LG Darm­stadt [Urt. v. 21.11.2014 – 24 S 53/14] auf­ge­ho­be­nes Ur­teil des AG Groß-Gerau vom 16.07.2014 – 62 C 26/14) gel­tend, ein Rück­schluss auf ein rechts­miss­bräuch­li­ches Ver­hal­ten des Be­klag­ten sei be­reits aus der Viel­zahl sei­ner Ge­bo­te zu zie­hen, weil bei nor­ma­lem Ver­lauf der Auk­tio­nen nicht da­mit ge­rech­net wer­den kön­ne, dass er die Ge­samt­sum­me sei­ner Ge­bo­te tat­säch­lich wer­de auf­brin­gen kön­nen.

[29]   In­so­weit hat das Be­ru­fungs­ge­richt bei sei­ner Wür­di­gung rechts­feh­ler­frei dar­auf ab­ge­stellt, dass die Ge­samt­sum­me der ge­bo­te­nen Geld­be­trä­ge schon des­we­gen un­er­heb­lich ist, weil ein Bie­ter bei der Ab­ga­be von weit un­ter dem Markt­wert lie­gen­den Höchst­ge­bo­ten re­gel­mä­ßig über­bo­ten wird, bei der Auk­ti­on dann nicht zum Zu­ge kommt und dem­zu­fol­ge auch den an­ge­bo­te­nen Preis nicht zu ent­rich­ten hat. Er muss bei ei­nem nor­ma­len Ver­lauf der Auk­tio­nen da­her ge­ra­de nicht da­mit rech­nen, die Ge­samt­sum­me sei­ner An­ge­bo­te auch auf­brin­gen zu müs­sen. Wie das Be­ru­fungs­ge­richt zu Recht an­ge­nom­men hat, zielt sei­ne Vor­ge­hens­wei­se statt­des­sen in ei­ner den In­ter­net­auk­tio­nen im­ma­nen­ten und nicht zu miss­bil­li­gen­den Wei­se dar­auf ab, bei ei­ner ge­rin­gen An­zahl von Auk­tio­nen, dann aber zu ei­nem für ihn auf­bring­ba­ren „Schnäpp­chen­preis“, zum Zu­ge zu kom­men.

[30]   Aus dem­sel­ben Grund kann – ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on – in­so­weit auch nicht von ei­nem Vor­täu­schen ei­ner tat­säch­lich nicht vor­han­de­nen Leis­tungs­fä­hig­keit des Klä­gers als Bie­ter aus­ge­gan­gen wer­den. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat im Ge­gen­teil viel­mehr fest­ge­stellt, dass der Klä­ger die Ar­ti­kel, auf die er – er­folg­reich – ge­bo­ten hat, auch je­weils ab­ge­nom­men hat. Zu­dem hat er nach den von der Re­vi­si­on nicht an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen in ei­ni­gen Fäl­len – nach ei­nem vor­zei­ti­gen Ab­bruch der Auk­ti­on – so­gar im Ver­gleichs­we­ge ei­nen hö­he­ren als den von ihm ge­bo­te­nen Preis da­für ge­zahlt.

[31]   Die von der Re­vi­si­on in die­sem Zu­sam­men­hang er­ho­be­ne Ver­fah­rens­rüge, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be die Bei­zie­hung an­de­rer Pro­zess­ak­ten ver­säumt, in de­nen der Klä­ger als An­spruch­stel­ler auf­ge­tre­ten sei, hat der Se­nat ge­prüft, aber nicht für durch­grei­fend er­ach­tet; von ei­ner Be­grün­dung wird ge­mäß § 564 Satz 1 ZPO ab­ge­se­hen.

[32]   bb) Eben­so geht der Ein­wand der Re­vi­si­on fehl, es sei zu­las­ten des Klä­gers zu be­rück­sich­ti­gen, dass er für die Ge­gen­stän­de, auf die er ge­bo­ten ha­be, in ih­rer Viel­zahl kei­ne tat­säch­li­che Ver­wen­dung und da­her kein er­kenn­ba­res In­ter­es­se an ih­rem Er­werb ge­habt ha­be. Rechts­feh­ler­frei hat das Be­ru­fungs­ge­richt in­so­weit fest­ge­stellt, dass es un­er­heb­lich ist, wo­für der Klä­ger die an­ge­bo­te­nen Wa­ren, die er für ei­nen weit un­ter dem Markt­preis lie­gen­den Preis er­wer­ben woll­te, zu ver­wen­den be­ab­sich­tig­te. Ob der Klä­ger den Rad­satz für sich selbst oder ei­nen Drit­ten er­wer­ben, wei­ter­ver­schen­ken oder – mit Ge­winn – wei­ter­ver­äu­ßern woll­te, lässt als blo­ßes Kauf­mo­tiv kei­ne trag­fä­hi­gen Rück­schlüs­se auf ei­ne feh­len­de Er­werbs­ab­sicht des Klä­gers zu.

[33]   cc) Schließ­lich bleibt auch der Ver­weis der Re­vi­si­on auf den in ei­nem ob­iter dic­tum des Se­nats (Urt. v. 24.08.2016 – VI­II ZR 182/15, WM 2016, 2145 Rn. 13) be­jah­ten Rechts­miss­brauch in ei­nem Fall, in wel­chem das dor­ti­ge Be­ru­fungs­ge­richt ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch ei­nes „Ab­bruch­jä­gers“ we­gen rechts­miss­bräuch­li­chen Bie­ter­ver­hal­tens ver­neint hat­te (LG Gör­litz, Urt. v. 08.07.2015 – 2 S 213/14, ju­ris), oh­ne Er­folg. Je­nes Be­ru­fungs­ge­richt hat in­so­weit zu Recht dar­auf ab­ge­stellt, dass sei­ner­zeit ne­ben dem Mit­bie­ten bei ei­ner Viel­zahl von Auk­tio­nen zu­sätz­li­che be­son­ders zu miss­bil­li­gen­de Um­stän­de im Ver­hal­ten des da­ma­li­gen Bie­ters hin­zu­tra­ten. So hat die­ser Bie­ter bei ei­ner nach­fol­gen­den, ihm be­kannt ge­wor­de­nen Auk­ti­on über den­sel­ben Ge­gen­stand nicht mit­ge­bo­ten, sei­ne (ver­meint­li­chen) An­sprü­che an ei­nen Zeu­gen ab­ge­tre­ten und die­ser sei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch an­schlie­ßend erst sehr spät ge­richt­lich gel­tend ge­macht, als er da­von aus­ge­hen konn­te, dass der Ge­gen­stand be­reits an ei­nen Drit­ten ver­äu­ßert wor­den war. Die­se Be­son­der­hei­ten lie­gen im vor­lie­gen­den Fall je­doch nicht vor. Denn an­ders als in dem dem vor­ge­nann­ten Se­nats­ur­teil zu­grun­de­lie­gen­den Fall, in dem der dor­ti­ge Käu­fer da­von aus­ge­hen konn­te, dass der Ver­käu­fer lan­ge Zeit nach der Auk­ti­on den an­ge­bo­te­nen Ge­gen­stand an­der­wei­tig ver­äu­ßert hat­te und er des­halb Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung gel­tend ma­chen konn­te, schied hier ei­ne zwi­schen­zeit­li­che an­der­wei­ti­ge Ver­äu­ße­rung des an­ge­bo­te­nen Rad­sat­zes be­reits des­halb aus, weil der Be­klag­te ei­nen Dieb­stahl des Rad­sat­zes gel­tend ge­macht hat­te. Da­mit war auch ei­ne an­der­wei­ti­ge, et­wa schutz­wür­di­ge Dis­po­si­ti­on des Be­klag­ten im Ver­trau­en auf das Aus­blei­ben (wei­te­rer) For­de­run­gen im hier vor­lie­gen­den Fall zwi­schen erst­ma­li­ger Gel­tend­ma­chung des Scha­dens­er­satz­an­spruchs und ei­ner ge­richt­li­chen Durch­set­zung in ei­nem Zeit­raum von über zwei Jah­ren nicht be­rührt.

[34]   dd) Die Re­vi­si­on sieht zwar ein maß­geb­li­ches In­diz für ein Vor­ge­hen des Klä­gers als „Ab­bruch­jä­ger“ dar­in, dass er in den Jah­ren 2013/2014 – al­so in ei­nem deut­lich nach der In­ter­net­auk­ti­on vom März/April des Jah­res 2012 lie­gen­den Zeit­raum – in ei­ner sehr gro­ßen An­zahl von Auk­tio­nen mit ei­nem au­ßer­ge­wöhn­lich ho­hen Ge­samt­be­trag der ins­ge­samt ab­ge­ge­be­nen Ge­bo­te (et­wa 14.000 Auk­tio­nen mit ei­nem Ge­samt­be­trag von mehr als 52 Mil­lio­nen Eu­ro) teil­ge­nom­men und nach sei­nen im Jahr 2014 selbst ge­mach­ten An­ga­ben in et­wa 100 Fäl­len Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gel­tend ge­macht hat. Dies hat das Be­ru­fungs­ge­richt hier je­doch rechts­feh­ler­frei – auch im Hin­blick auf die sons­ti­gen In­di­zi­en in der Ge­samt­schau al­ler Um­stän­de – nicht für aus­schlag­ge­bend er­ach­tet, weil das spä­te­re Ver­hal­ten des Klä­gers kei­ne Rück­schlüs­se auf ei­ne et­wa feh­len­de Er­werbs­ab­sicht im Zeit­punkt der In­ter­net­auk­ti­on im vor­lie­gen­den Fall zu­lässt, zu­mal der Klä­ger die von ihm er­stei­ger­ten Ge­gen­stän­de je­weils ab­ge­nom­men hat.

[35]   ee) Die von der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Be­klag­ten in der Re­vi­si­ons­ver­hand­lung pau­schal ge­äu­ßer­te Auf­fas­sung, von ei­nem rechts­miss­bräuch­li­chen Ver­hal­ten des Klä­gers sei schon des­halb aus­zu­ge­hen, weil er sei­ner ‚se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last‘ nicht nach­ge­kom­men sei, geht fehl. Sie ver­kennt, dass sich der Klä­ger zu den Um­stän­den (In­di­zi­en), aus de­nen der Be­klag­te ein rechts­miss­bräuch­li­ches Ver­hal­ten des Klä­gers her­lei­ten will, sehr wohl in sei­ner münd­li­chen An­hö­rung vor dem Be­ru­fungs­ge­richt im Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung vom 28.06.2017 ge­äu­ßert hat. Hier hat er un­ter an­de­rem An­ga­ben zur An­zahl der von ihm im Jahr 2012 ab­ge­ge­be­nen Ge­bo­te, zur An­zahl der Ver­fah­ren, in de­nen er Scha­dens­er­satz gel­tend ge­macht hat, und zur Art der Ar­ti­kel, auf die er ge­bo­ten hat, ge­macht.

[36]   So­weit die Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te des Be­klag­ten in der Re­vi­si­ons­ver­hand­lung (erst­mals) be­an­stan­det hat, dass das Be­ru­fungs­ge­richt den Zeu­gen S zur An­zahl der vom Klä­ger im Jahr 2012 ab­ge­ge­be­nen Ge­bo­te nicht ver­nom­men ha­be, ist die­se Ver­fah­rens­rüge schon des­halb un­be­acht­lich, weil sie nicht in­ner­halb der Re­vi­si­ons­be­grün­dungs­frist er­ho­ben wor­den ist (§ 557 III 2, § 551 ZPO).

[37]   ff) Ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on wird ein In­ter­net-Ver­käu­fer durch die Wür­di­gung des Be­ru­fungs­ge­richts auch nicht recht­los ge­stellt. Der Ver­käu­fer hat es viel­mehr selbst in der Hand, den von ihm an­ge­bo­te­nen Ar­ti­kel nicht zu ei­nem für ihn un­güns­ti­gen Preis zu ver­kau­fen, in­dem er ei­nen Min­dest­preis fest­setzt und er es un­ter­lässt, die In­ter­net­auk­ti­on un­be­rech­tigt vor­zei­tig ab­zu­bre­chen.

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