- Es ist inzwischen allgemein bekannt, dass die Volkswagen AG in Gewinnerzielungsabsicht Dieselmotoren des Typs EA189 mit einer Software versehen hat, die eine Manipulation der Schadstoffemissionen bewirkt. Damit hat die Volkswagen AG die Käufer der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich geschädigt, sodass sie ihnen gemäß § 826 BGB Schadensersatz leisten muss.
- Muss die – am Kaufvertrag nicht beteiligte – Volkswagen AG dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Pkw gemäß § 826 BGB den Kaufpreis Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs erstatten, so hat der Käufer der Volkswagen AG keine Nutzungsentschädigung für die mit dem Fahrzeug zurückgelegten Kilometer zu zahlen. Eine entsprechende Verpflichtung widerspräche vielmehr dem Gedanken des Schadensersatzes wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung.
LG Augsburg, Urteil vom 14.11.2018 – 021 O 4310/16
Sachverhalt: Der Kläger erwarb Mitte 2012 von der Beklagten zu 1 einen VW Golf Plus Trendline 1.6 TDI. Nachdem der Kläger den Kaufpreis in Höhe von 29.907,66 € gezahlt hatte, wurde ihm der Pkw am 22.06.2012 übergeben.
Das Fahrzeug ist mit einem EA189-Dieselmotor ausgestattet und deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen; es erfüllt nicht die Voraussetzungen der Euro-5-Abgasnorm. Der Kläger forderte die Beklagte zu 1 deshalb mit Schreiben vom 27.07.2016 – erfolglos – auf, bis zum 10.08.2016 anzuerkennen, dass der Pkw mangelhaft sei, weil darin eine die Schadstoffemissionen manipulierende Software zum Einsatz komme, und diesen Mangel zu beseitigen oder beseitigen zu lassen. Gleichzeitig wurde die Beklagte zu 1 – ebenfalls erfolglos – aufgefordert, das dem Kläger wegen der Manipulationssoftware zustehende Recht auf Minderung bzw. den dem Kläger deshalb zustehenden Anspruch auf Schadensersatz bis zum 10.08.2016 schriftlich anzuerkennen.
Der Kläger behauptet, sein Pkw sei bereits bei Übergabe mangelhaft gewesen, weil er unstreitig Euro-5-Emissionsgrenzwerte nicht einhalte. Deshalb – so meint der Kläger – habe er gegen die Beklagte zu 1 vertragliche Schadensersatzansprüche, zumal er der Beklagten zu 1 gemäß § 281 II BGB und § 440 Satz 1 BGB keine Frist zur Nacherfüllung habe setzen müssen. Gegen die Beklagte zu 2, der Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs (Volkswagen AG), habe er deliktische Schadensersatzansprüche, weil der Einsatz der Manipulationssoftware ein deliktisches und sittenwidriges Verhalten sei. Jedenfalls der Beklagten zu 2 müsse er – der Kläger – keine Nutzungsentschädigung zahlen, weil die Typgenehmigungen der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge kraft Gesetzes erloschen seien.
Mit seiner Klage hat der Kläger ursprünglich im Wesentlichen die Feststellungen begehrt, dass ihm die Beklagten Schäden, die aus der Manipulation seines Fahrzeugs resultierten, ersetzen müssten und dass er gegenüber der Beklagten zu 1 zur Minderung des Kaufpreises berechtigt sei.
Nach Klageerhebung – mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 29.08.2018 – hat der Kläger den Rücktritt von dem streitgegenständlichen Kfz-Kaufvertrag erklärt.
Er hat zuletzt im Wesentlichen beantragt, die Beklagten zur Zahlung von 29.907,66 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Pkw, zu verurteilen und den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen.
Die Beklagte zu 1 hat unter anderem geltend gemacht, der Pkw des Klägers sei nicht mangelhaft, weil seine Gebrauchstauglichkeit nicht eingeschränkt sei. Der vom Kläger gerügte Mangel könne durch das Aufspielen eines Softwareupdates behoben werden; ein merkantiler Minderwert verbleibe nicht. Im Übrigen sei die Klage bereits deshalb unbegründet, weil das Wahlrecht des Klägers zwischen Rücktritt und Minderung bereits erloschen sei.
Die Beklagte zu 2 ist der Ansicht, das LG Augsburg sei für die gegen sie erhobene Klage nicht zuständig. Jedenfalls aber sei diese Klage unbegründet, weil ihr – der Beklagten zu 2 – eine Täuschung über Abgaswerte oder ein sittenwidriges Verhalten nicht nachgewiesen werden könnten.
Die Klage hatte nur hinsichtlich der Beklagten zu 2 Erfolg.
Aus den Gründen: I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das LG Augsburg auch gegenüber der Beklagten zu 2 örtlich zuständig. Gegenüber der Beklagten zu 2 werden Ansprüche aus unerlaubter Handlung geltend gemacht. Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Diese Tatortzuständigkeit erfasst auch den Erfolgsort. Dies ist bei deliktischen oder sittenwidrigen Handlungen der Wohnort des Geschädigten.
II. Die Klage ist nur gegenüber der Beklagten zu 2 begründet.
1. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu 2 einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB.
Gegenüber der Beklagten zu 2 liegt keine unzulässige Änderung der Ausübung eines Gestaltungsrechts vor, denn die ursprünglich gegen die Beklagte zu 2 gerichteten Anträge und die zuletzt gestellten Anträge sind beide auf Schadensersatzansprüche wegen deliktischen Handelns gerichtet.
Der Beklagten zu 2 ist auch ein sittenwidriges Verhalten vorzuwerfen. Es ist inzwischen allgemein bekannt und unstreitig, dass die Beklagte zu 2 in Dieselmotoren des Typs EA189 eine Manipulationssoftware eingebaut hat, die zur Manipulation von Abgasgrenzwerten führte. Dieses Verfahren zielte darauf ab, Umsatzzahlen und im Ergebnis eigenen Gewinn der Beklagten zu 2 durch Täuschung der Kunden zu erzielen. Dieses Vorgehen der Beklagten zu 2 wurde massenhaft angewendet. Dies stellt ein sittenwidriges Verhalten i. S. von § 826 BGB dar.
Gegenüber der Beklagten zu 2 ist der Kläger auch nicht zum Nutzungsersatz verpflichtet (vgl. EuGH, Urt. v. 17.04.2008 – C?404/06, NJW 2008, 1433 – Quelle AG/Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände), denn dies widerspräche dem Gedanken des Schadensersatzes nach sittenwidriger Schädigung.
Der Antrag auf Feststellung, dass sich die Beklagte zu 2 mit der Rücknahme des im Klageantrag genannten Pkw im Annahmeverzug befindet, war zurückzuweisen, denn der Beklagten zu 2 hat der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug nicht in einer Annahmeverzug begründenden Weise angeboten. Insoweit geht das Gericht allerdings von einer geringfügigen Zuvielforderung i. S. von § 92 II Nr. 1 ZPO gegenüber der Beklagten zu 2 aus.
Die geltend gemachten Zinsen sind nach § 291 BGB begründet.
2. Gegenüber der Beklagten zu 1 ist die Klage unbegründet, denn ihr gegenüber hatte der Kläger sowohl vorgerichtlich als auch mit den ursprünglichen Klageanträgen Minderung geltend gemacht. Der zuletzt von dem Kläger gegenüber der Beklagten zu 1 gestellte Antrag auf Rückabwicklung des Kaufvertrags nach erklärtem Rücktritt ist unbegründet, denn Rücktritt und Minderung schließen einander aus. Deshalb ist ein Übergang von der Minderung zum Rücktritt nicht möglich.
Deliktische Ansprüche sind gegenüber der Beklagten zu 1 nicht gegeben, denn sie muss sich etwaiges Verhalten der Beklagten zu 2 nicht zurechnen lassen.
3. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagte zu 1 scheiden mangels eines begründeten Hauptanspruchs aus. Gegenüber der Beklagten zu 2 ist eine vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit der Klägervertreter nicht nachgewiesen. …