Ein Käu­fer, der ei­ne man­gel­haf­te Kauf­sa­che be­hält und den Man­gel (zu­nächst) nicht be­sei­ti­gen lässt, kann vom Ver­käu­fer, wenn die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen An­spruch auf „klei­nen“ Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung (§ 437 Nr. 3, §§ 280 I, II, 281 BGB) er­füllt sind, Scha­dens­er­satz in Hö­he der fik­ti­ven Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten ver­lan­gen. Dem steht nicht ent­ge­gen, dass der für das Werk­ver­trags­recht zu­stän­di­ge VII. Zi­vil­se­nat des BGH sei­ne Recht­spre­chung zur Scha­dens­be­mes­sung nach fik­ti­ven Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten mit Ur­teil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17 – auf­ge­ge­ben hat. Denn die­se Recht­spre­chungs­än­de­rung ist im Kauf­recht nicht nach­zu­voll­zie­hen, weil dort ei­ne dem § 637 III BGB ent­spre­chen­de Vor­schrift fehlt und da­her der Käu­fer vom Ver­käu­fer kei­nen Vor­schuss für die zur Be­sei­ti­gung des Man­gels er­for­der­li­chen Auf­wen­dun­gen ver­lan­gen kann.

OLG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 09.10.2018 – 24 U 194/17

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin ver­langt von der Be­klag­ten, von der sie ein Haus­grund­stück in K. er­wor­ben hat, Scha­dens­er­satz.

Im no­ta­ri­el­len Kauf­ver­trag vom 25.10.2012 heißt es un­ter an­de­rem:

„B. … III. 1. Das auf dem Grund­stück er­rich­te­te Ge­bäu­de wur­de et­wa im Jah­re 1968 er­rich­tet und be­fin­det sich in ei­nem sei­nem Al­ter und dem Er­hal­tungs­auf­wand ent­spre­chen­den Zu­stand. Der Bau­zu­stand ist dem Käu­fer auf­grund ei­ge­ner Nut­zung der Pra­xis­räu­me im Erd­ge­schoss be­kannt. Der Käu­fer er­kennt den der­zei­ti­gen Zu­stand des Kauf­ge­gen­stan­des als ver­trags­ge­mäß an und er­wirbt den Grund­be­sitz in dem ge­gen­wär­ti­gen Zu­stand und in den be­ste­hen­den tat­säch­li­chen Grund­stücks­gren­zen.

Ei­ne Haf­tung des Ver­käu­fers für je­de Art von Sach­män­geln des Grund­stücks und des auf­ste­hen­den Ge­bäu­des wird aus­drück­lich aus­ge­schlos­sen. …

5. … Der Ver­käu­fer er­klärt wei­ter­hin, dass die vor­han­de­ne Be­bau­ung bau­recht­lich ge­neh­migt ist und kei­ne be­hörd­li­chen Auf­la­gen zu der Be­bau­ung und Nut­zung der Be­bau­ung be­ste­hen, die nicht er­füllt wä­ren. Die­se 'An­ga­ben wer­den als Be­schaf­fen­heit des Kauf­ge­gen­stan­des zum ge­gen­wär­ti­gen Zeit­punkt ver­ein­bart.“

Das Grund­stück ist mit ei­nem drei­ge­schos­si­gen Ge­bäu­de be­baut, in dem sich Wohn- und Ge­wer­be­ein­hei­ten be­fin­den. Im Dach­ge­schoss des Ge­bäu­des be­fin­den sich zwei Woh­nun­gen, von de­nen im Zeit­punkt des Über­gangs der Nut­zen und Las­ten des Grund­stücks auf die Klä­ge­rin nur ei­ne ver­mie­tet war. Die Klä­ge­rin be­trieb als Mie­te­rin seit dem 01.10.2003 in dem Ge­bäu­de ei­ne Arzt­pra­xis, die sich zu­nächst im ers­ten Ober­ge­schoss be­fand und spä­ter ins Erd­ge­schoss ver­la­gert wur­de, in dem zu­vor ei­ne Apo­the­ke be­trie­ben wor­den war.

Nach Ab­schluss des Kauf­ver­trags wand­te sich die Klä­ge­rin, die bau­li­che Ver­än­de­run­gen an dem er­wor­be­nen Ge­bäu­de vor­neh­men woll­te, über ih­ren Ar­chi­tek­ten an die Bau­auf­sichts­be­hör­de in K. Die­se teil­te der Klä­ge­rin mit E-Mail vom 08.04.2014 mit, dass ei­ne Nut­zung der Räu­me im Dach­ge­schoss zu Wohn­zwe­cken nicht ge­neh­migt wor­den und ei­ne Nut­zungs­än­de­rung nicht be­an­tragt wor­den sei. Ei­ne Nut­zungs­än­de­rung sei mög­lich; in­so­weit sei je­doch ein Bau­an­trag ein­zu­rei­chen. In der Fol­ge­zeit stell­te sich her­aus, dass auch ei­ne ge­werb­li­che Nut­zung der Räu­me im ers­ten Ober­ge­schoss nicht ge­neh­migt wor­den war.

Mit Schrei­ben vom 06.05.2014 for­der­te die Klä­ge­rin die Be­klag­te un­ter Hin­weis auf den zur Er­lan­gung ei­ner nach­träg­li­chen Ge­neh­mi­gung zu er­war­ten­den Sa­nie­rungs­auf­wand auf, ih­re Haf­tung dem Grun­de nach an­zu­er­ken­nen. Die Be­klag­te wies An­sprü­che der Klä­ge­rin mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 16.06.2014 mit der Be­grün­dung zu­rück, dass die im Kauf­ver­trag ge­trof­fe­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung den dar­ge­stell­ten Sach­ver­halt nicht um­fas­se.

Un­ter dem 16.11.2014 lei­te­te die Klä­ge­rin ein selbst­stän­di­ges Be­weis­ver­fah­ren ein. Sie be­haup­tet, nach dem in die­sem Ver­fah­ren ein­ge­hol­ten Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten be­dür­fe es zur Her­stel­lung ei­nes ge­neh­mi­gungs­fä­hi­gen Zu­stands bau­li­cher Maß­nah­men, die mit ei­nem Kos­ten­auf­wand von 29.050 € zu­züg­lich Um­satz­steu­er (5.519,50 €) ver­bun­den sei­en. Für die­se Kos­ten – so meint die Klä­ge­rin – müs­se die Be­klag­te haf­ten, weil die im no­ta­ri­el­len Kauf­ver­trag ent­hal­te­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung auch die be­hörd­li­cher­seits er­laub­te Nut­zung des Ge­bäu­des um­fas­se.

Die Be­klag­te hat die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­ho­ben.

Das Land­ge­richt hat die Be­klag­te mit Ur­teil vom 26.10.2017 un­ter an­de­rem zur Zah­lung von 29.050 € ver­ur­teilt. Da­ge­gen rich­tet sich die Be­ru­fung der Be­klag­ten, die meint, das Land­ge­richt ha­be rechts­feh­ler­haft die fünf­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist nach § 438 I Nr. 2 lit. a BGB für ein­schlä­gig er­ach­tet. Tat­säch­lich gel­te die zwei­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist nach § 438 I Nr. 3 BGB.

Die Be­ru­fung hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Das Land­ge­richt hat der Kla­ge zu Recht im We­sent­li­chen statt­ge­ge­ben.

Zu­tref­fend ist das Land­ge­richt da­von aus­ge­gan­gen, dass der Klä­ge­rin auf­grund des Feh­lens ei­ner kauf­ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit des Ge­bäu­des Scha­dens­er­satz­an­sprü­che ge­mäß §§ 433 I, 434 I 1, § 437 Nr. 3, §§ 280 I, III, 281 BGB zu­ste­hen, die nicht ver­jährt sind und von de­nen die Klä­ge­rin bei Ver­trags­schluss auch kei­ne Kennt­nis hat­te.

So­weit das Land­ge­richt zu­tref­fend wei­te­re An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen be­jaht (z. B. Ent­behr­lich­keit ei­ner Frist­set­zung zur Män­gel­be­sei­ti­gung durch die Klä­ge­rin), Fest­stel­lungs­an­trä­gen statt­ge­ge­ben und die Scha­dens­hö­he ge­mäß dem vom Sach­ver­stän­di­gen H ge­schätz­ten Be­trag zur Her­stel­lung ei­nes ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stands in Hö­he von 29.050 € (vgl. Gut­ach­ten vom 13.11.2015, S. 19) an­ge­setzt hat, ist die Be­klag­te dem in der Be­ru­fungs­be­grün­dung nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten, wes­halb Aus­füh­run­gen des Se­nats hier­zu nicht ver­an­lasst sind.

1. Das ver­kauf­te Haus hat­te nicht die ver­trag­lich ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit ge­mäß § 434 I 1 BGB. Der ver­ein­bar­te all­ge­mei­ne Aus­schluss der Sach­män­gel­haf­tung er­streck­te sich dar­auf nicht (vgl. hier­zu auch BGH, Urt. v. 06.11.2015 – V ZR 78/14, ju­ris 9; Urt. v. 13.03.2013 – VI­II ZR 186/12, ju­ris Rn. 20; Urt. v. 19.12.2012 – VI­II ZR 96/12, ju­ris Rn. 19; Urt. v. 19.12.2012 – VI­II ZR 117/12, ju­ris Rn. 15; Urt. v. 29.11.2006 – VI­II ZR 92/06, ju­ris Rn. 31).

Zu­tref­fend hat das Land­ge­richt die von der Be­klag­ten über­nom­me­ne Haf­tung für die bau­recht­li­che Ge­neh­mi­gung der vor­han­de­nen Be­bau­ung als ver­trag­lich ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit, auch im Hin­blick auf die Nut­zung als Wohn­raum (Dach­ge­schoss) und Ge­wer­be­raum (1. OG), als be­grün­det an­ge­se­hen.

In der Ent­schei­dung des für Im­mo­bi­li­enkauf­recht zu­stän­di­gen V. Zi­vil­se­nats des BGH vom 31.10.1997 hat die­ser aus­ge­führt, dass die Ver­si­che­rung ei­nes Ver­käu­fers, dass die „auf­ste­hen­den Ge­bäu­de“ be­hörd­li­cher­seits ge­neh­migt und ab­ge­nom­men sind, vom Käu­fer nach Treu und Glau­ben und un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­sit­te so ver­stan­den wer­den muss, dass die ver­kauf­ten Ge­bäu­de bau­recht­lich ge­neh­migt sind und die be­hörd­li­che Ge­neh­mi­gung so­wie die Ab­nah­me sich nicht nur auf das Mau­er­werk, den Grund­riss und die Auf­tei­lung des Hau­ses be­zie­hen, son­dern die Nut­zung des Ge­bäu­des ein­schlie­ßen, die dem Aus­bau­zu­stand, den das Haus mit sei­nen Räum­lich­kei­ten bei Ver­trags­schluss kon­kret auf­weist, ent­spricht. Ist das nicht der Fall, muss der Ver­käu­fer den Käu­fer hier­auf aus­drück­lich hin­wei­sen und sei­ne Zu­si­che­rung ent­spre­chend ein­gren­zen. Es ge­nügt in­so­weit nicht, dass das Haus ent­spre­chend der er­teil­ten Bau­ge­neh­mi­gung er­rich­tet und von der Bau­auf­sichts­be­hör­de ab­ge­nom­men wur­de. Denn die Zu­si­che­rung be­zieht sich nicht auf den Zeit­punkt der Er­rich­tung und be­hörd­li­chen End­ab­nah­me des Hau­ses, son­dern auf den des Ver­kaufs. Sie er­streckt sich folg­lich auf al­le nach Fer­tig­stel­lung des Bau­werks er­folg­ten ge­neh­mi­gungs­be­dürf­ti­gen Än­de­run­gen (V ZR 248/96, ju­ris Rn. 9). Der die­ser Ent­schei­dung zu­grun­de lie­gen­de Sach­ver­halt be­traf die Nut­zung ei­nes hier­für nicht ge­neh­mig­ten Spitz­bo­dens im Dach­ge­schoss als Wohn­raum.

Die­se Grund­sät­ze hat der V. Zi­vil­se­nat in sei­ner Ent­schei­dung vom 17.09.1999 (V ZR 220/98, ju­ris Rn. 9) be­kräf­tigt. Dort war die Nut­zung ei­nes Spitz­bo­dens und die von Kel­ler­räu­men zu Wohn­zwe­cken nicht ge­neh­migt ge­we­sen.

So­weit sich die­se vor der Schuld­rechts­re­form er­gan­ge­nen Ent­schei­dun­gen des BGH auf zu­ge­si­cher­te Ei­gen­schaf­ten i. S. des § 459 II BGB a.F. be­zo­gen, än­dert dies nichts. Denn der Be­schaf­fen­heits­be­griff im neu­en Recht um­fasst grund­sätz­lich auch all die­je­ni­gen Merk­ma­le der Kauf­sa­che, die nach frü­he­rem Recht zu­si­che­rungs­fä­hi­ge Ei­gen­schaf­ten wa­ren. Dies folgt be­reits dar­aus, dass die Ga­ran­tie der Be­schaf­fen­heit nach neu­em Recht der frü­he­ren Ei­gen­schafts­zu­si­che­rung ent­spricht und folg­lich de­ren An­wen­dungs­be­reich ab­de­cken muss (vgl. Stau­din­ger/Ma­tu­sche-Beck­mann, BGB, Neu­be­arb. 2013, § 434 Rn. 51 m. zahl­rei­chen w. Nachw.).

Die vom BGH ent­wi­ckel­ten Grund­sät­ze, de­nen der Se­nat folgt, sind auch im zu ent­schei­den­den Fall an­wend­bar. Die ver­wen­de­ten Be­griff­lich­kei­ten (hier: „vor­han­de­ne Be­bau­ung“; ge­nann­te Ent­schei­dun­gen des BGH: „auf­ste­hen­de Ge­bäu­de“) sind vom Wort­sinn her ver­gleich­bar und be­zie­hen sich un­ter Her­an­zie­hung all­ge­mei­ner Aus­le­gungs­grund­sät­ze (§§ 133, 157 BGB) un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Treu und Glau­ben so­wie der Ver­kehrs­sit­te je­weils auf die vom Kauf­ver­trag er­fass­ten Bau­wer­ke als mit dem Erd­bo­den ver­bun­de­ne, un­be­weg­li­che Sa­chen (vgl. hier­zu Stau­din­ger/Ma­tu­sche-Beck­mann, a. a. O., § 438 Rn. 41 m. w. Nachw.). Da­mit um­fasst die kauf­ver­trag­li­che Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung auch die bei Ver­trags­schluss vor­han­de­ne Nut­zung der Ge­bäu­de­tei­le zu Wohn­zwe­cken bzw. zur ge­werb­li­chen Nut­zung.

So­weit die Be­klag­te meint, die zum Zeit­punkt des Be­sitz­über­gangs auf die Klä­ge­rin nicht ver­mie­te­te Dach­ge­schoss­woh­nung sei von der Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung „er­laub­te Nut­zung zu Wohn­zwe­cken“ nicht um­fasst, so be­ruht dies auf ei­nem Rechts­irr­tum. Denn dass die­ser Teil des Dach­ge­schos­ses als Woh­nung aus­ge­baut und zu­vor als sol­che auch ver­mie­tet wor­den war, steht zwi­schen den Par­tei­en nicht im Streit. Die Klä­ge­rin durf­te des­halb be­rech­tig­ter­wei­se er­war­ten, dass die­se bei­den Par­tei­en be­kann­te Nut­zung auch zu­künf­tig oh­ne Ge­set­zes­ver­stoß wür­de er­fol­gen dür­fen, denn Ge­gen­tei­li­ges hat die Be­klag­te in den Ver­trags­ver­hand­lun­gen nicht an­ge­ge­ben.

2. Zu­tref­fend ist das Land­ge­richt wei­ter da­von aus­ge­gan­gen, dass hier die fünf­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist des § 438 I Nr. 2 BGB An­wen­dung zu fin­den hat, was da­zu führt, dass kei­ne Ver­jäh­rung ein­ge­tre­ten ist. So­wohl das im Jahr 2014 ein­ge­lei­te­te selbst­stän­di­ge Be­weis­ver­fah­ren (§ 204 I Nr. 7 BGB) als auch die im Jahr 2016 er­ho­be­ne und im Fol­ge­jahr er­wei­ter­te Kla­ge (§ 204 I Nr. 1 BGB) ha­ben die mit Über­ga­be des Kauf­ob­jekts (§ 438 II BGB) im Jahr 2012 be­gon­ne­ne Ver­jäh­rung ge­hemmt.

Wie vom Land­ge­richt rich­tig aus­ge­führt, be­zie­hen sich die feh­len­den Nut­zungs­ge­neh­mi­gun­gen al­lein auf das Bau­werk und nicht auf das Grund­stück. Denn er­for­der­lich zur Her­stel­lung der Ge­neh­mi­gungs­fä­hig­keit wä­ren bau­li­che Ver­än­de­run­gen des Ge­bäu­des (und nicht des Grund­stücks). Auch die­sen Aus­füh­run­gen schließt der Se­nat sich an und ver­weist zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen hier­auf. So­weit die Be­klag­te in der Be­ru­fungs­be­grün­dung gel­tend macht, § 438 I Nr. 2 lit. a und lit. b BGB knüpf­ten an die Sub­stanz des Bau­werks und ein­ge­brach­te Bau­ma­te­ria­li­en an, wäh­rend für Män­gel des Grund­stücks die­se Ver­jäh­rungs­fris­ten nicht ein­schlä­gig sei­en, so ist das für sich ge­nom­men zu­tref­fend. Da­bei über­sieht die Be­klag­te in­des bei ih­rer wei­te­ren Ar­gu­men­ta­ti­on, dass es hier al­lein um Män­gel des Bau­werks geht, wäh­rend Män­gel des Grund­stücks, die der zwei­jäh­ri­gen Ver­jäh­rung un­ter­ste­hen wür­den, nicht in Re­de ste­hen. Wie vom Land­ge­richt zu­tref­fend her­aus­ge­ar­bei­tet, müs­sen Män­gel am Bau­werk und am Grund­stück un­ter­schie­den wer­den. Die un­ter­schied­li­chen Fris­ten der Ver­jäh­rung be­ru­hen dar­auf, dass Män­gel an Bau­wer­ken ty­pi­scher­wei­se erst nach ei­ni­ger Zeit fest­stell­bar sind, wäh­rend Grund­stücks­män­gel (z. B. Aus­sicht, Grö­ße, Bo­den­kon­ta­mi­na­ti­on) in der Re­gel ei­ner schnel­le­ren Fest­stel­lung un­ter­lie­gen (vgl. hier­zu Er­man/Gru­ne­wald, BGB, 15. Aufl. [2017], § 438 Rn. 7 m. w. Nachw.).

So­weit die Be­klag­te meint, § 438 I Nr. 2 lit. a BGB ver­fol­ge das Ziel, Bau­hand­wer­ker zu schüt­zen, so irrt sie. Die Ver­jäh­rungs­frist für Bau­ma­te­ria­li­en nach § 438 I Nr. 2 lit. b BGB wur­de mit der Schuld­rechts­re­form neu ein­ge­führt, um die Stel­lung der Bau­hand­wer­ker, die ge­mäß § 634a I Nr. 2 BGB fünf Jah­re lang haf­ten, beim Kauf man­gel­haf­ter Bau­ma­te­ria­li­en, die von ih­nen in ein Bau­werk ein­ge­baut wur­den, zu schüt­zen. Sie ha­ben so die Mög­lich­keit, ih­rer­seits fünf Jah­re ge­gen­über dem Ver­käu­fer der man­gel­haf­ten Bau­ma­te­ria­li­en Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che gel­tend zu ma­chen (vgl. hier­zu nur Stau­din­ger/Ma­tu­sche-Beck­mann, a. a. O., § 438 Rn. 41 f. m. w. Nachw.) und so­mit in­ner­halb der Zeit, in der sie selbst vom Bau­herrn/Be­stel­ler in An­spruch ge­nom­men wer­den kön­nen. Bis zur Schuld­rechts­re­form galt § 477 BGB a.F., der die Ver­jäh­rung bei Män­geln von be­weg­li­chen Sa­chen auf sechs Mo­na­te von der Ab­lie­fe­rung an be­schränk­te.

Mit den hier vor­lie­gen­den Män­geln am Bau­werk durch die feh­len­den Nut­zungs­ge­neh­mi­gun­gen hat die­ser Kom­plex nichts zu tun und soll­te auch nicht ver­mengt wer­den. Al­lein ent­schei­dend ist, dass sich der Sach­man­gel auf das Bau­werk und nicht auf das Grund­stück be­zieht, wes­halb die fünf­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist An­wen­dung fin­det.

3. Das Vor­brin­gen der Be­klag­ten, die Klä­ge­rin ha­be die feh­len­de Ge­neh­mi­gung der ge­werb­li­chen Nut­zung des ers­ten Ober­ge­schos­ses ge­kannt und sei des­halb mit An­sprü­chen in­so­weit aus­ge­schlos­sen (§ 442 I BGB), ist be­reits un­sub­stan­zi­iert. Nach­voll­zieh­ba­re In­di­zi­en zur be­haup­te­ten Kennt­nis der Klä­ge­rin bzw. ih­rer grob fahr­läs­si­gen Un­kennt­nis hat die Be­klag­te nicht ge­nannt und sich mit de­ren Vor­brin­gen, dass bau­recht­li­che Er­for­der­nis­se und das Vor­lie­gen be­hörd­li­cher Nut­zungs­ge­neh­mi­gun­gen vor dem Be­trieb ei­ner Arzt­pra­xis nicht über­prüft wür­den, nicht aus­ein­an­der­ge­setzt. Im Üb­ri­gen ist sie als Ver­käu­fe­rin für ei­ne Kennt­nis oder grob fahr­läs­si­ge Un­kennt­nis der Klä­ge­rin dar­le­gungs- und be­weis­ver­pflich­tet (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.2010 – V ZR 181/09, ju­ris Rn. 15, 17; Stau­din­ger/Ma­tu­sche-Beck­mann, a. a. O., § 442 Rn. 40 m. w. Nachw.). Be­weis hat sie in­des eben­falls nicht an­ge­tre­ten.

4. Die Klä­ge­rin be­rech­net den gel­tend ge­mach­ten Scha­den an­hand der Scha­dens­schät­zung des Sach­ver­stän­di­gen H in sei­nem im Rah­men des selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­rens er­stell­ten Gut­ach­tens vom 13.11.2015. Dem ist das Land­ge­richt zu Recht und von der Be­ru­fung un­be­an­stan­det ge­folgt.

Ob die Klä­ge­rin ih­ren Scha­den über­haupt auf­grund ei­ner fik­ti­ven Scha­dens­be­rech­nung be­mes­sen kann, er­scheint auf­grund des ak­tu­ell zum Werk­ver­trags­recht er­gan­ge­nen Ur­teils des BGH vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17 – al­ler­dings dis­kus­si­ons­wür­dig. Dar­in ist der für das Werk­ver­trags­recht zu­stän­di­ge VII. Zi­vil­se­nat des BGH von sei­ner stän­di­gen Recht­spre­chung ab­ge­rückt, wo­nach ein Be­stel­ler, der ein man­gel­haf­tes Werk be­hält und den Man­gel nicht be­sei­ti­gen lässt, den Scha­den ent­we­der nach dem Wert­un­ter­schied zwi­schen dem hy­po­the­ti­schen Wert oh­ne Man­gel und dem tat­säch­li­chen Wert mit Man­gel be­mes­sen kann oder al­ter­na­tiv nach der Hö­he der fik­ti­ven Man­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten, die den Min­der­wert über­stei­gen kön­nen und bei Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit ge­mäß § 252 II 1 BGB zu be­gren­zen sind (BGH, Urt. v. 22.02.2018 – VII ZR 46/17, ju­ris Rn. 26 ff.). An der letzt­ge­nann­ten Al­ter­na­ti­ve hält der BGH für Werk­ver­trä­ge aus­drück­lich nicht mehr fest: Das Ver­mö­gen des Be­stel­lers sei erst um die Hö­he der fik­ti­ven Auf­wen­dun­gen ver­min­dert, wenn er die Kos­ten hier­für tat­säch­lich be­glei­che. Ei­ne Scha­dens­be­mes­sung nach fik­ti­ven Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten bil­de das Leis­tungs­de­fi­zit im Wert­ver­trags­recht auch bei wer­ten­der Be­trach­tung nicht zu­tref­fend ab, füh­re viel­mehr häu­fig zu ei­ner Über­kom­pen­sa­ti­on; ein Er­satz fik­ti­ver Kos­ten für nicht ge­trof­fe­ne Dis­po­si­tio­nen schei­de da­her aus (BGH, Urt. v. 22.02.2018 – VII ZR 46/17, ju­ris Rn. 31 ff.). Die Mög­lich­kei­ten, die Wert­dif­fe­renz als Scha­den gel­tend zu ma­chen oder auch Min­de­rung zu ver­lan­gen, stel­le ei­ne aus­rei­chen­de Kom­pen­sa­ti­on des Be­stel­lers dar. Wenn der Be­stel­ler sich ent­schei­de, den Man­gel selbst auf Kos­ten des Un­ter­neh­mers zu be­sei­ti­gen, kön­ne er die tat­säch­lich auf­ge­wand­ten Kos­ten als Scha­den er­setzt ver­lan­gen. Vor Be­glei­chung der Kos­ten kön­ne er Be­frei­ung von den zur Män­gel­be­sei­ti­gung ein­ge­gan­ge­nen Ver­bind­lich­kei­ten ver­lan­gen, über­dies ei­nen Vor­schuss ge­mäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB (BGH, Urt. v. 22.02.2018 – VII ZR 46/17, ju­ris Rn. 44 ff.).

Ob die­se Ent­schei­dung Aus­wir­kun­gen auf die Recht­spre­chung zum Kauf­recht hat, ist noch nicht höchst­rich­ter­lich ge­klärt. Die für das Kauf­recht zu­stän­di­gen Zi­vil­se­na­te (V. Zi­vil­se­nat und VI­II. Zi­vil­se­nat) des BGH ha­ben bis­her in stän­di­ger Recht­spre­chung un­ter Be­zug­nah­me auf die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung des für Werk­ver­trags­recht zu­stän­di­gen VII. Se­nats an­ge­nom­men, dass ein Käu­fer sei­nen zu er­set­zen­den Scha­den im Rah­men des klei­nen Scha­dens­er­sat­zes auf der Grund­la­ge der Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten un­ab­hän­gig von ei­ner Be­sei­ti­gung des Man­gels be­rech­nen kön­ne (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2015 – VI­II ZR 104/14, ju­ris Rn. 12; Urt. v. 11.12.2015 – V ZR 26/15, ju­ris Rn. 21; Urt. v. 04.04.2014 – V ZR 275/12, ju­ris Rn. 33; Urt. v. 15.06.2012 – V ZR 198/11, ju­ris Rn. 31).

Die­se im vor­lie­gen­den Fall ent­schei­dungs­er­heb­li­che Fra­ge be­ant­wor­tet der Se­nat da­hin ge­hend, dass es je­den­falls für das Kauf­recht bei der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung ver­bleibt. Die Än­de­rung der Recht­spre­chung zum Werk­ver­trags­recht be­ruht – auch nach den ei­ge­nen Aus­füh­run­gen des VII. Zi­vil­se­nats des BGH (Urt. v. 22.02.2018 – VII ZR 46/17, ju­ris Rn. 70) – auf den Be­son­der­hei­ten des Werk­ver­trags­rechts. Zwar be­steht nach den Er­fah­run­gen des Se­nats in Fäl­len wie dem vor­lie­gen­den Im­mo­bi­li­en­kauf­ver­trag, bei dem der Käu­fer ein män­gel­be­haf­te­tes Haus er­wirbt, eben­falls die Ge­fahr ei­ner Über­kom­pen­sa­ti­on des Scha­dens. Al­ler­dings kommt es nach Auf­fas­sung des Se­nats ent­schei­dend dar­auf an, dass es im Werk­ver­trags­recht kei­nes An­spruchs auf Er­stat­tung fik­ti­ver Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten be­darf, weil der Be­stel­ler ein Selbst­vor­nah­me­recht ge­mäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB hat und in die­sem Rah­men ei­nen Vor­schuss für die zur Be­sei­ti­gung des Man­gels er­for­der­li­chen Kos­ten ver­lan­gen kann. Ei­ne ent­spre­chen­de Norm gibt es im Kauf­recht hin­ge­gen nicht. So­lan­ge dies so bleibt, soll­te der Käu­fer aber sei­nen Scha­den an­hand der fik­ti­ven Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten be­mes­sen kön­nen. An­sons­ten müss­te er un­ter Um­stän­den er­heb­li­che Kos­ten vor­fi­nan­zie­ren, was ihm in An­be­tracht des vor­an­ge­gan­ge­nen, meist fi­nan­zier­ten Kaufs der Im­mo­bi­lie tat­säch­lich gar nicht mög­lich ist.

III. …

IV. We­gen der Rechts­fra­ge, ob der Käu­fer ei­ner Im­mo­bi­lie ei­nen durch Män­gel der Kauf­sa­che be­grün­de­ten Scha­den nach den fik­ti­ven Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten be­mes­sen kann, wird die Re­vi­si­on ge­mäß § 543 II Nr. 1 ZPO zu­ge­las­sen. Die­se Fra­ge hat im Hin­blick auf das Ur­teil des BGH vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17 –, die zum Werk­ver­trags­recht er­gan­gen ist, grund­sätz­li­che Be­deu­tung. Es stellt sich die Fra­ge, ob und in­wie­weit die dor­ti­gen Aus­füh­run­gen zum Scha­dens­er­satz nach den §§ 280 I, III, 281 BGB – auf die so­wohl das Werk­ver­trags­recht in § 634 Nr. 4 BGB als auch das Kauf­recht in § 437 Nr. 3 BGB ver­wei­sen – auch für das Kauf­recht gel­ten.

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