1. Ei­ne be­weg­li­che Sa­che kommt dem Ei­gen­tü­mer nicht i. S. von § 935 I BGB ab­han­den, wenn er den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz frei­wil­lig auf­gibt. Die Be­sitz­auf­ga­be ist nicht des­halb un­frei­wil­lig, weil sie auf ei­ner Täu­schung be­ruht, denn die Be­sitz­auf­ga­be ist ein Re­alakt und kei­ne Wil­lens­er­klä­rung.
  2. Kos­ten für ei­ne den Ver­zug erst be­grün­den­de Erst­mah­nung sind kein Ver­zugs­scha­den; der Schuld­ner muss sie dem Gläu­bi­ger des­halb nicht ge­mäß §§ 280 I, II, 286 I 1 BGB er­set­zen.

OLG Hamm, Ur­teil vom 12.07.2018 – 5 U 133/17

Sach­ver­halt: Der Be­klag­te er­warb am 05.05.2008 ei­ne Ro­lex-Her­ren­arm­band­uhr zum Preis von 12.000 € samt da­zu­ge­hö­ri­ger Ga­ran­tie­kar­te. Die­se ist in fran­zö­si­scher Spra­che ver­fasst. Sie weist den – nicht mit dem Be­klag­ten iden­ti­schen – Erst­käu­fer der Uhr aus und zer­ti­fi­ziert die Echt­heit der­sel­ben.

Ein Jahr spä­ter ent­schloss sich der Be­klag­te, die Uhr wie­der zu ver­kau­fen. Er traf er sich des­halb am 13.05.2009 mit ei­nem un­ter dem Na­men „U“ auf­tre­ten­den Un­be­kann­ten, der In­ter­es­se an der Uhr zeig­te, im Ho­tel H in Düs­sel­dorf. U gab an, er wol­le die Uhr im Ho­tel G, das dem Ho­tel H schräg ge­gen­über liegt, von ei­nem Ex­per­ten prü­fen las­sen. Der Be­klag­te über­gab U die Uhr, be­hielt aber die Ga­ran­tie­kar­te zu­rück. U nahm die Uhr an sich und ver­ließ da­mit das Ho­tel H, oh­ne zu­rück­zu­keh­ren.

Der Be­klag­te er­stat­te­te dar­auf­hin Straf­an­zei­ge ge­gen U. Die Staats­an­walt­schaft stell­te das Ver­fah­ren ein, weil sie die Iden­ti­tät des Tä­ters nicht er­mit­teln konn­te.

Am 23.02.2016 er­warb der Klä­ger die streit­ge­gen­ständ­li­che Uhr oh­ne Ga­ran­tie­kar­te von dem Ge­brauchtuh­ren­händ­ler D, von dem er be­reits zu­vor ge­brauch­te Ro­lex-Uh­ren er­wor­ben hat­te, zum Preis von 14.500 €. An­läss­lich ei­ner Re­vi­si­on über­gab der Klä­ger die Uhr An­fang Sep­tem­ber ih­rem Her­stel­ler. Die­se stell­te fest, dass die Uhr zur Sach­fahn­dung aus­ge­schrie­ben war; sie wur­de dar­auf­hin am 06.09.2016 po­li­zei­lich be­schlag­nahmt und si­cher­ge­stellt.

In der Fol­ge hob die Staats­an­walt­schaft die Be­schlag­nah­me der Uhr auf. Sie stell­te ei­nen Hin­ter­le­gungs­an­trag bei der Hin­ter­le­gungs­stel­le des AG Düs­sel­dorf, das die Uhr un­ter an­nahm und bis heu­te bei der Jus­tiz­kas­se Nord­rhein-West­fa­len in Hamm ver­wahrt. Als mög­li­che Emp­fangs­be­rech­tig­te der Uhr be­nann­te die Staats­an­walt­schaft in ih­rem An­trag den Klä­ger und den Be­klag­ten.

Der Klä­ger hat ge­meint, er ha­be ge­gen den Be­klag­ten ei­nen An­spruch auf Er­tei­lung der Zu­stim­mung zur Her­aus­ga­be der Uhr, da er die Uhr je­den­falls gut­gläu­big er­wor­ben ha­be. Der Rechts­schein des Be­sit­zes ha­be für die Ei­gen­tü­mer­stel­lung des D ge­spro­chen. Er – der Klä­ger – sei hin­sicht­lich der Ei­gen­tü­mer­stel­lung des D auch gut­gläu­big ge­we­sen; ins­be­son­de­re kön­ne das Feh­len der Ga­ran­tie­kar­te kei­ne Bös­gläu­big­keit be­grün­den, da die Ga­ran­tie­kar­te le­dig­lich die Echt­heit der Uhr zer­ti­fi­zie­re. Die Si­tua­ti­on sei des­halb nicht mit der beim Kauf ei­nes Ge­braucht­wa­gens ver­gleich­bar.

Die Uhr sei dem Be­klag­ten nicht ab­han­den­ge­kom­men; viel­mehr ha­be der Be­klag­te dem U den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz – wenn auch täu­schungs­be­dingt – wil­lent­lich ver­schafft. U sei auch nicht Be­sitz­die­ner des Be­klag­ten ge­we­sen, da er we­der in ab­hän­gi­ger Stel­lung für den Be­klag­ten tä­tig noch des­sen Wei­sun­gen un­ter­wor­fen ge­we­sen sei, nach­dem sich der Be­klag­te sei­ner tat­säch­li­chen Ver­fü­gungs­macht über die Uhr ent­äu­ßert hat­te.

Der Be­klag­te hat be­haup­tet, er ha­be mit U ver­ein­bart, dass die­ser die Uhr nach der Prü­fung durch den Ex­per­ten zu­rück­brin­gen sol­le.

Er hat ge­meint, der Klä­ger ha­be das Ei­gen­tum an der Uhr nicht gut­gläu­big er­wer­ben kön­nen, da ihm – dem Be­klag­ten – die Uhr ab­han­den­ge­kom­men sei. Bei der Über­las­sung der Uhr an U ha­be es sich le­dig­lich um ei­ne Be­sitz­lo­cke­rung ge­han­delt, die an den tat­säch­li­chen Be­sitz­ver­hält­nis­sen nichts ge­än­dert ha­be. Den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz ha­be er ge­gen sei­nen Wil­len erst ver­lo­ren, als U nicht zu­rück­ge­kehrt sei.

Ein gut­gläu­bi­ger Er­werb schei­te­re zu­dem an der Bös­gläu­big­keit des Klä­gers. Die­se re­sul­tie­re dar­aus, dass der Klä­ger beim Er­werb der Uhr kei­ne Ga­ran­tie­kar­te er­hal­ten ha­be. Ro­lex-Uh­ren wür­den aber re­gel­mä­ßig nur mit Ga­ran­tie­kar­te ver­kauft. Er­hal­te der Käu­fer kei­ne ent­spre­chen­de Kar­te, be­grün­de dies al­lein schon gro­be Fahr­läs­sig­keit. An­ge­sichts des Prei­ses von 14.500 € hät­ten den Klä­ger oh­ne­hin er­höh­te Nach­for­schungs­ob­lie­gen­hei­ten ge­trof­fen.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Auf die Wi­der­kla­ge des Be­klag­ten hat es den Klä­ger ver­ur­teilt, ge­gen­über dem AG Düs­sel­dorf die Her­aus­ga­be der streit­ge­gen­ständ­li­chen Uhr an den Be­klag­ten zu be­wil­li­gen.

Ein An­spruch des Klä­gers ge­gen den Be­klag­ten schei­te­re dar­an, dass der Klä­ger nicht Ei­gen­tü­mer der Uhr ha­be wer­den kön­nen, da die­se dem Be­klag­ten ab­han­den­ge­kom­men sei. U sei mit An­nah­me der Uhr Be­sitz­die­ner des Be­klag­ten ge­wor­den; der Be­klag­te sei folg­lich un­mit­tel­ba­rer Be­sit­zer ge­blie­ben und ha­be den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz ge­gen sei­nen Wil­len ver­lo­ren, als U die Uhr nicht zu­rück­ge­bracht ha­be. Übe näm­lich ein Kauf­in­ter­es­sent über ei­nen zu Prü­fungs­zwe­cken über­las­se­nen Ge­gen­stand nach der Ver­kehrs­an­schau­ung die tat­säch­li­che Ge­walt nur nach den Wei­sun­gen des Ver­käu­fers aus, sei der Käu­fer nicht als un­mit­tel­ba­rer Be­sit­zer, son­dern le­dig­lich als Be­sitz­die­ner zu qua­li­fi­zie­ren. Hier ha­be U dem Wei­sungs­recht des Be­klag­ten un­ter­stan­den, da er die Uhr nach den glaub­haf­ten An­ga­ben des Be­klag­ten ha­be zu­rück­brin­gen sol­len. Dass der Be­klag­te mög­li­cher­wei­se nicht mehr auf U ha­be ein­wir­ken kön­nen, nach­dem die­ser das Ho­tel ver­las­sen hat­te, sei zum ei­nen ir­re­le­vant, da für die Ein­ord­nung als Be­sitz­die­ner kei­ne un­un­ter­bro­che­ne Ein­wir­kungs­mög­lich­keit not­wen­dig sei. Zum an­de­ren ha­be der Be­klag­te durch Ein­be­hal­ten der Ga­ran­tie­kar­te sei­ne Ein­fluss­mög­lich­kei­ten auf die Uhr auf­recht­er­hal­ten.

Die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung des Klä­gers hat­te im We­sent­li­chen Er­folg.

Aus den Grün­den: Die … Be­ru­fung des Klä­gers hat Er­folg, so­weit sie sich ge­gen die Ab­wei­sung sei­nes An­trags auf Zu­stim­mung zur Her­aus­ga­be der Uhr bzw. die ei­ge­ne Ver­ur­tei­lung zur Er­klä­rung je­ner Zu­stim­mung rich­tet. So­weit die Be­ru­fung die vor­ge­richt­lich ent­stan­de­nen Rechts­an­walts­kos­ten be­trifft, bleibt sie er­folg­los.

I. Der An­spruch des Klä­gers auf Er­tei­lung der Zu­stim­mung zur Her­aus­ga­be der Uhr er­gibt sich aus § 812 I 1 Fall 2 BGB.

1. Da­mit das AG Düs­sel­dorf als Hin­ter­le­gungs­stel­le die Uhr an ei­nen der Be­tei­lig­ten her­aus­ge­ben darf, be­darf es im Rah­men ei­nes Prä­ten­den­ten­streits ge­mäß § 22 III Nr. 1 HintG NRW der Be­wil­li­gung der Her­aus­ga­be durch die üb­ri­gen Be­tei­lig­ten. Der (wah­re) Be­rech­tig­te kann die Ab­ga­be die­ser Er­klä­rung ge­mäß § 812 I 1 Fall 2 BGB von den üb­ri­gen Prä­ten­den­ten ver­lan­gen, die ih­re Rechts­po­si­ti­on auf sei­ne Kos­ten er­langt ha­ben; in­so­weit ist es oh­ne Be­deu­tung, ob die Vor­aus­set­zun­gen für die Hin­ter­le­gung vor­la­gen. Ob der An­spruch be­steht, rich­tet sich nicht nach dem In­nen­ver­hält­nis zwi­schen den Prä­ten­den­ten, son­dern aus­schließ­lich nach dem ma­te­ri­el­len Rechts­ver­hält­nis zwi­schen dem hin­ter­le­gen­den Schuld­ner – hier der Staats­an­walt­schaft – und dem Klä­ger (BGH, Urt. v. 30.01.2015 – V ZR 63/13, ju­ris Rn. 8; Urt. v. 16.11.2012 – V ZR 179/11, ju­ris Rn. 10; Urt. v. 15.10.1999 – V ZR 141/98, ju­ris Rn. 25). Dies be­ruht dar­auf, dass die Hin­ter­le­gung zur Er­fül­lung ei­ner ge­gen den Hin­ter­le­gen­den ge­rich­te­ten For­de­rung er­folgt (§ 372 Satz 2 BGB; BGH, Urt. v. 30.01.2015 – V ZR 63/13, ju­ris Rn. 8; Urt. v. 13.11.1996 – VI­II ZR 210/95, ju­ris Rn. 10).

Nach die­sen Maß­stä­ben kann der Klä­ger als wah­rer Be­rech­tig­ter an der Uhr die Zu­stim­mung zur Her­aus­ga­be vom Be­klag­ten ver­lan­gen, da er ei­nen An­spruch auf Her­aus­ga­be aus § 111n StPO bzw. § 985 BGB ge­gen die Staats­an­walt­schaft hat­te, be­vor die­se die Uhr hin­ter­leg­te. Der Klä­ger war und ist Ei­gen­tü­mer der Uhr, die Staats­an­walt­schaft war spä­tes­tens nach En­de der Be­schlag­nah­me und bis zur Hin­ter­le­gung Be­sit­ze­rin oh­ne Recht zum Be­sitz (§ 986 BGB).

2. Der Klä­ger ist mit dem Er­werb der Uhr von D Ei­gen­tü­mer der Uhr ge­wor­den. Aus­gangs­punkt für die­ses Er­geb­nis bil­det die Ei­gen­tums­ver­mu­tung des § 1006 I 1 BGB, nach der zu­guns­ten des Be­sit­zers ei­ner be­weg­li­chen Sa­che ver­mu­tet wird, dass er Ei­gen­tü­mer der Sa­che sei. Zwar ist der Klä­ger in­zwi­schen nicht mehr Be­sit­zer der Uhr, als frü­he­rer Be­sit­zer kann er sich aber auf die Ei­gen­tums­ver­mu­tung des § 1006 II BGB be­ru­fen. Dass der Be­klag­te sich als frü­he­rer Be­sit­zer eben­falls auf die Ei­gen­tums­ver­mu­tung des § 1006 II BGB be­ru­fen kann, ist un­er­heb­lich, da die Ver­mu­tung aus dem zeit­lich spä­te­ren Be­sitz der Ver­mu­tung aus dem frü­he­ren Be­sitz vor­geht (BGH, Urt. v. 30.01.2015 – V ZR 63/13, ju­ris Rn. 34; Stau­din­ger/Gurs­ky, BGB, Neu­be­arb. 2012, § 1006 Rn. 19).

Die Ver­mu­tung zu­guns­ten des Klä­gers ver­moch­te der Be­klag­te nicht zu wi­der­le­gen (§ 292 Satz 1 ZPO; zu den An­for­de­run­gen an die Wi­der­le­gung: BGH, Urt. v. 03.03.2017 – V ZR 268/15, ju­ris Rn. 20 ff.).

a) Ent­ge­gen den Aus­füh­run­gen des Land­ge­richts ist die Uhr dem Be­klag­ten ins­be­son­de­re nicht ge­mäß § 1006 I 2 BGB, der auch auf § 1006 II BGB An­wen­dung fin­det (Pa­landt/Herr­ler, BGB, 77. Aufl. [2018], § 1006 Rn. 6; Stau­din­ger/Gurs­ky, a. a. O., § 1006 Rn. 21), ab­han­den­ge­kom­men.

Ein Ab­han­den­kom­men i. S. des § 935 I 1 BGB setzt vor­aus, dass der Ei­gen­tü­mer oder sein Be­sitz­mitt­ler den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz oh­ne sein Wil­len ver­lo­ren hat (BGH, Urt. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13, ju­ris Rn. 8; Urt. v. 16.04.1969 – VI­II ZR 64/67, ju­ris Rn. 16; Urt. v. 15.11.1951 – III ZR 21/51, ju­ris Rn. 62; Stau­din­ger/Wie­gand, BGB, Neu­be­arb. 2017, § 935 Rn. 4). Dies war vor­lie­gend nicht der Fall.

Im Zeit­punkt des Be­sitz­ver­lusts, dem Ver­schwin­den des U, war der Be­klag­te nicht mehr un­mit­tel­ba­rer Be­sit­zer i. S. des § 854 I BGB. Den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz hat­te er durch die Über­ga­be der Uhr und das Ent­las­sen des U be­reits auf die­sen über­tra­gen. Dass die Über­las­sung täu­schungs­be­dingt er­folg­te, be­grün­det kei­ne Un­frei­wil­lig­keit, da die Be­sitz­auf­ga­be Re­alakt und nicht Wil­lens­er­klä­rung ist (Pa­landt/Herr­ler, a. a. O., § 935 Rn. 5; Stau­din­ger/Wie­gand, a. a. O., § 935 Rn. 11).

Der Be­klag­te ist ins­be­son­de­re nicht des­halb un­mit­tel­ba­rer Be­sit­zer ge­blie­ben, weil U als Be­sitz­die­ner i. S. des § 855 BGB ein­zu­ord­nen wä­re. Es ist in die­sem Zu­sam­men­hang un­er­heb­lich, ob der Be­klag­te mit U ei­ne (aus­drück­li­che) Ver­ein­ba­rung zur Rück­ga­be der Uhr schloss, was der Klä­ger ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Land­ge­richts zu­läs­si­ger­wei­se ge­mäß § 138 IV ZPO mit Nicht­wis­sen be­strit­ten hat. Denn selbst nach dem Vor­trag des Be­klag­ten konn­te U kein Be­sitz­die­ner sein.

aa) Be­sitz­die­ner i. S. des § 855 BGB ist, wer die tat­säch­li­che Ge­walt über ei­ne Sa­che für ei­nen an­de­ren in des­sen Haus­halt oder Er­werbs­ge­schäft oder in ei­nem ähn­li­chen Ver­hält­nis aus­übt, ver­mö­ge des­sen er den sich auf die Sa­che be­zie­hen­den Wei­sun­gen des an­de­ren Fol­ge zu leis­ten hat. Da­zu muss nach dem BGH ein nach au­ßen er­kenn­ba­res so­zia­les Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis be­grün­det wer­den (BGH, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, ju­ris Rn. 13; Urt. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13, ju­ris Rn. 10; Urt. v. 30.05.1958 – V ZR 295/56, ju­ris Rn. 23), das dem Be­sitz­herrn zu­min­dest fak­tisch die Mög­lich­keit gibt, sei­nen Wil­len ge­gen­über dem Be­sitz­die­ner durch­zu­set­zen (BGH, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, ju­ris Rn. 13; Urt. v. 13.12.2013 – V ZR 58/13, ju­ris Rn. 10; Stau­din­ger/Gut­zeit, BGB, Neu­be­arb. 2012, § 855 Rn. 16). Be­sitz­die­ner ist nicht je­der, der Wei­sun­gen des Ei­gen­tü­mers der Sa­che zu be­fol­gen hat, son­dern nur der­je­ni­ge, dem­ge­gen­über der Ei­gen­tü­mer die Ein­hal­tung sei­ner Wei­sun­gen im Nicht­be­fol­gungs­fall auf­grund ei­nes Di­rek­ti­ons­rechts oder ver­gleich­ba­rer Be­fug­nis­se un­mit­tel­bar selbst durch­set­zen kann (BGH, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, ju­ris Rn. 13).

bb) Ein so­zia­les Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis wie zum Bei­spiel ein Ar­beits­ver­hält­nis, mit dem recht­lich wie fak­tisch Wei­sungs­rech­te des Be­sitz­herrn ein­her­ge­hen, be­stand zwi­schen dem Be­klag­ten und U nicht. Es fehlt auch an ei­ner struk­tu­rell ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on, die ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung von § 855 BGB recht­fer­ti­gen könn­te (vgl. BGH, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, ju­ris Rn. 14).

Ei­ne struk­tu­rell ver­gleich­ba­re Si­tua­ti­on ha­ben Tei­le der In­stanz­recht­spre­chung in Fäl­len von Ge­fäl­lig­keits­über­las­sun­gen an­ge­nom­men, da zu er­war­ten sei, dass sich der Ge­fäl­lig­keits­nut­zer auf­grund sei­ner Loya­li­tät ge­gen­über dem Er­lau­ben­den an des­sen Wei­sun­gen hal­ten wer­de. Er­for­der­lich sei je­doch stets, dass der Be­sitz­herr stän­dig auf die Sa­che zu­grei­fen kön­ne (OLG Stutt­gart, Beschl. v. 12.02.2009 – 10 U 3/09, ju­ris Rn. 4; OLG Nürn­berg, Urt. v. 02.06.1989& – 8 U 2161/88, ju­ris Rn. 47; Er­man/A. Lo­renz, BGB, 15. Aufl. [2017], § 855 Rn. 13; Stau­din­ger/Gut­zeit, a. a. O., § 855 Rn. 30).

Eben­falls ei­ne struk­tu­rell ver­gleich­ba­re, die ana­lo­ge An­wen­dung des § 855 BGB recht­fer­ti­gen­de Si­tua­ti­on nahm das OLG Köln in ei­ner Ent­schei­dung vom 18.04.2005 – 19 U 10/05 – für den Fall ei­ner Pro­be­fahrt mit ei­nem Kfz zur An­bah­nung ei­nes Kauf­ver­trags­ab­schlus­ses an.

cc) Der vor­lie­gen­de Fall ist aber nicht mit dem ei­ner Ge­fäl­lig­keits­über­las­sung und auch nicht mit dem ei­ner Pro­be­fahrt im Rah­men ei­nes avi­sier­ten Kauf­ver­trags­ab­schlus­ses ver­gleich­bar. Auch über die­se Fall­grup­pen hin­aus ge­bie­tet die In­ter­es­sen­la­ge der Par­tei­en kei­ne ana­lo­ge An­wen­dung des § 855 BGB.

(1) Zu­nächst han­del­te es sich bei der Über­las­sung der Uhr schon nicht um ei­ne Ge­fäl­lig­keit (vgl. Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 77. Aufl. [2018], Einl. v. § 241 Rn. 7 m. w. Nachw.). Ei­ne sol­che An­nah­me ist be­reits we­gen des schlich­ten Werts der Uhr ab­we­gig. Dar­über hin­aus und ganz we­sent­lich soll­te die Über­las­sung aus Sicht des Be­klag­ten auch ge­ra­de dem Kauf­ver­trags­ab­schluss die­nen. Die er­heb­li­chen wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen der Par­tei­en las­sen die An­nah­me ei­nes Ge­fäl­lig­keits­ver­hält­nis­ses nicht zu. Selbst wenn man je­doch ein sol­ches Ver­hält­nis an­nimmt, hat­te der Be­klag­te, nach­dem U das Ho­tel ver­las­sen hat­te, kei­ner­lei Zu­griffs­mög­lich­keit mehr auf die Uhr. Er konn­te al­so die Wei­sung zur Rück­ga­be nicht mehr un­mit­tel­bar selbst durch­set­zen. Auch der Ein­be­halt der Ga­ran­tie­kar­te führ­te nicht da­zu, dass der Be­klag­te ei­ne Ein­fluss­mög­lich­keit auf die Uhr be­hielt. Die Ga­ran­tie­kar­te ent­hält näm­lich zum ei­nen je­den­falls ab dem Zweit­ver­kauf kei­ne Aus­sa­ge über die Be­rech­ti­gung an der Uhr, zum an­de­ren gibt es selbst nach dem Vor­trag des Be­klag­ten ei­nen re­le­van­ten Markt für Uh­ren oh­ne Ga­ran­tie­kar­te, sie blieb al­so un­pro­ble­ma­tisch ver­kehrs­fä­hig.

(2) Auch ist die Si­tua­ti­on nicht mit der bei ei­ner Pro­be­fahrt zur An­bah­nung ei­nes Kauf­ver­trags­schlus­ses ver­gleich­bar. Zwar sind die Fäl­le im Aus­gangs­punkt gleich­ge­la­gert, da auch im Fall des OLG Köln ei­ne Sa­che, näm­lich ein Kfz, zweck­ge­rich­tet über­las­sen wur­de. Al­ler­dings be­traf die Ent­schei­dung ei­ne Pro­be­fahrt, wel­che täg­li­cher Pra­xis im Fahr­zeug­han­del ent­spricht. Das OLG Köln be­zog sich fol­ge­rich­tig aus­drück­lich auf die Ver­kehrs­an­schau­ung und fol­ger­te, dass der Pro­be­fah­ren­de auf­grund der zeit­lich und da­mit not­wen­di­ger­wei­se auch ört­lich ein­ge­schränk­ten Über­las­sung des Fahr­zeugs die tat­säch­li­che Ge­walt hier­über nur nach Wei­sung des Be­sitz­herrn aus­übe (OLG Köln, Beschl. v. 18.04.2005 – 19 U 10/05, ju­ris Rn. 3). Da der Fahr­zeug­händ­ler auch re­gel­mä­ßig den Füh­rer­schein des In­ter­es­sen­ten prü­fen wird und das Fahr­zeug – je­den­falls so­lan­ge das Ori­gi­nal­kenn­zei­chen an­ge­bracht bleibt – an­hand des­sen iden­ti­fi­ziert wer­den kann, mag dies Um­stän­de dar­stel­len, die In­ter­es­sen­ten an­hal­ten kön­nen, ent­spre­chend den Wei­sun­gen des Fahr­zeug­händ­lers zu han­deln, wo­mit die vom OLG Köln zu­grun­de ge­leg­te Ver­kehrs­an­schau­ung zu­min­dest nicht aus­ge­schlos­sen er­scheint. Der BGH hat bis­lang of­fen­ge­las­sen, ob es ei­ne sol­che Ver­kehrs­an­schau­ung gibt (BGH, Urt. v. 17.03.2017 – V ZR 70/16, ju­ris Rn. 12).

Es ist je­doch nicht an­ge­zeigt, die­se Ver­kehrs­an­schau­ung auf den vor­lie­gen­den Fall zu über­tra­gen, denn es ent­spricht nicht all­ge­mei­ner Pra­xis, ei­ne Uhr im Wert von über 10.000 € an ei­ne nicht nä­her be­kann­te Per­son zu über­ge­ben. Mit der Über­ga­be und dem Ent­las­sen des U ver­lor der Be­klag­te je­den Zu­griff auf die Uhr. Es sind auch kei­ne sons­ti­gen Um­stän­de er­sicht­lich, die U hät­ten ver­an­las­sen kön­nen, ent­spre­chend mög­li­cher Wei­sun­gen des Be­klag­ten zu han­deln.

Dar­über hin­aus ist nicht er­sicht­lich, wel­che Prü­fung der vor­geb­li­che Be­kann­te an der Uhr vor­neh­men soll­te und war­um er die­se nur an ei­nem an­de­ren Ort un­ter Aus­schluss des Be­klag­ten vor­neh­men konn­te. Ei­ne Prü­fung der Echt­heit oder Me­cha­nik der Uhr hät­te je­weils auch im Bei­sein des Be­klag­ten statt­fin­den kön­nen. Hat ein Ver­käu­fer aber ei­nen der­art wert­vol­len Ge­gen­stand in ge­nannt fahr­läs­si­ger Wei­se aus der Hand ge­ge­ben, gibt es kei­ne Ver­kehrs­an­schau­ung, die ihm nach der Über­ga­be und dem Ver­las­sen des räum­li­chen Be­reichs durch den nicht nä­her be­kann­ten Käu­fer noch ei­ne Wei­sungs­be­fug­nis oder tat­säch­li­che Ein­wir­kungs­mög­lich­keit zu­bil­li­gen wür­de.

(3) Zu­letzt be­steht auch kei­ne Ver­an­las­sung, § 855 BGB über die be­reits ge­schil­der­ten Fall­grup­pen hin­aus auf den vor­lie­gen­den Fall aus­zu­deh­nen. Die Norm dient näm­lich je­den­falls auch da­zu, ei­nen Be­sitz­schutz des Be­sitz­die­ners ge­gen­über dem Be­sitz­herrn ge­mäß §§ 859, 861, 862 BGB aus­zu­schlie­ßen (Pa­landt/Herr­ler, a. a. O., § 855 Rn. 1; Stau­din­ger/Gut­zeit, a. a. O., § 855 Rn. 5). Dies be­ruht auf dem Ge­dan­ken, dass Be­sitz­herr und Be­sitz­die­ner in der Re­gel aus ei­nem La­ger stam­men und gleich­ge­rich­te­te In­ter­es­sen ver­fol­gen bzw. der Wil­le des Be­sitz­herrn den Wil­len des Be­sitz­die­ners wie im Fal­le von Ge­fäl­lig­keits­ver­hält­nis­sen gleich­sam über­la­gert. Der Be­klag­te als Ver­käu­fer und U als ver­meint­li­cher Käu­fer ver­folg­ten je­doch ge­gen­läu­fi­ge In­ter­es­sen, die sich in ih­rer Ge­wich­tig­keit auch nicht über­tra­fen.

(4) Die Über­las­sung stell­te auch kei­ne blo­ße Be­sitz­lo­cke­rung dar, da der Be­klag­te spä­tes­tens, als U das Ho­tel ver­ließ, kei­ne Ein­wir­kungs­mög­lich­keit mehr auf die Uhr hat­te. Nichts an­de­res er­gibt sich aus § 856 II BGB, der § 854 BGB le­dig­lich kon­kre­ti­siert und Fäl­le ei­ner vor­über­ge­hen­den Ver­hin­de­rung in der Aus­übung der tat­säch­li­chen Ge­walt re­gelt (MünchKomm-BGB/Joost, 7. Aufl. [2017], § 856 Rn. 1). Die Norm kann je­doch Fäl­le ei­ner ge­woll­ten Be­sitz­über­tra­gung nicht er­fas­sen, da an­sons­ten auch je­der Ver­mie­ter, Ver­lei­her, Hin­ter­le­ger etc. un­mit­tel­ba­rer Be­sit­zer der Sa­che blie­be.

b) Der Be­klag­te konn­te zur Wi­der­le­gung des § 1006 II BGB auch nicht be­wei­sen, dass der Klä­ger kein Ei­gen­tum an der Uhr er­wor­ben hat (vgl. BGH, Urt. v. 20.09.2004– II ZR 318/02, ju­ris Rn. 21; Urt. v. 16.10.2003 – IX ZR 55/02, ju­ris Rn. 30). So­weit er sich dar­auf be­ru­fen hat, dass der Klä­ger bei dem Er­werb der Uhr bös­gläu­big ge­we­sen sei, ist dies zur Wi­der­le­gung der Er­werbs­vor­aus­set­zun­gen nicht aus­rei­chend. Die Be­ru­fung hier­auf setzt näm­lich im­pli­zit vor­aus, dass D selbst als Nicht­be­rech­tig­te ver­füg­te. Man­gels Ab­han­den­kom­mens der Uhr greift die Ei­gen­tums­ver­mu­tung des § 1006 II BGB je­doch auch zu­guns­ten des D. Da der Be­klag­te nichts zur Wi­der­le­gung die­ser Ver­mu­tung vor­ge­tra­gen hat, ist da­von aus­zu­ge­hen, dass der Klä­ger von D als Be­rech­tig­ter er­warb und ei­ne et­wai­ge Bös­gläu­big­keit da­mit ir­re­le­vant wä­re.

Selbst wenn man zu­guns­ten des Be­klag­ten un­ter­stellt, dass D als Nicht­be­rech­tig­ter ver­füg­te, er­warb der Klä­ger das Ei­gen­tum an der Uhr, da er nicht bös­gläu­big i. S. des § 932 II BGB war, ihn ins­be­son­de­re kei­ne gro­be Fahr­läs­sig­keit im Sin­ne der Norm traf. Das von Be­klag­ten­sei­te in die­sem Zu­sam­men­hang ins Feld ge­führ­te Ar­gu­ment des Feh­lens der Ga­ran­tie­kar­te konn­te kei­ne Bös­gläu­big­keit be­grün­den, da die Kar­te im Un­ter­schied zur Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II je­den­falls ab dem Zweit­ver­kauf kei­ne Aus­sa­ge mehr über die Ver­fü­gungs­be­rech­ti­gung an der Uhr trifft. Dass un­strei­tig ein re­le­van­ter Markt für Lu­xus­uh­ren auch oh­ne Ga­ran­tie­kar­te be­steht, un­ter­streicht den Be­fund feh­len­der Bös­gläu­big­keit des Klä­gers, da nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den kann, dass sich ei­ne grö­ße­re An­zahl von Per­so­nen der Ge­fahr ei­nes ge­schei­ter­ten Ei­gen­tums­er­werbs aus­setzt.

II. Die gel­tend ge­mach­ten vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 524,67 € sind nicht er­satz­fä­hig.

Es er­gibt sich ins­be­son­de­re kein An­spruch aus Ver­zug ge­mäß §§ 280 I, II, 286 BGB, da der Be­klag­te erst mit Ab­lauf der in der Mah­nung ge­setz­ten Frist zur Be­wil­li­gung der Her­aus­ga­be der Uhr am 06.03.2017 in Ver­zug kam. Die Kos­ten für die ver­zugs­be­grün­den­de Erst­mah­nung sind je­doch nicht er­satz­fä­hig, da im Zeit­punkt der maß­geb­li­chen Leis­tungs­hand­lung ge­ra­de noch kein Ver­zug vor­lag (BGH, Urt. v. 13.12.2012 – I ZR 150/11, ju­ris Rn. 25; MünchKomm-BGB/Ernst, 7. Aufl. [2016], § 286 Rn. 159; Pa­landt/Grü­ne­berg, a. a. O., § 286 Rn. 44).

Da es bei An­sprü­chen aus § 812 BGB le­dig­lich um die Ab­schöp­fung un­ge­recht­fer­tigt zu­ge­flos­se­ner Ver­mö­gens­vor­tei­le geht, fal­len vor­ge­richt­li­che Rechts­an­walts­kos­ten, wel­che zur Durch­set­zung ei­nes sol­chen An­spruchs ent­stan­den sind, auch nicht in den Schutz­be­reich die­ser Norm (vgl. Pa­landt/Grü­ne­berg, a. a. O., § 249 Rn. 57).

III. Die Wi­der­kla­ge ist spie­gel­bild­lich zur Kla­ge in der Haupt­sa­che un­be­grün­det, da nicht der Be­klag­te, son­dern der Klä­ger Ei­gen­tü­mer der Uhr ist.

IV. Die pro­zes­sua­len Ne­ben­ent­schei­dun­gen fol­gen aus § 91 I ZPO i. V. mit § 43 I GKG so­wie § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

V. Die Vor­aus­set­zun­gen für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on lie­gen nicht vor (§ 543 II ZPO). Die Rechts­sa­che hat we­der grund­sätz­li­che Be­deu­tung, noch er­for­dern die Fort­bil­dung des Rechts oder die Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung ei­ne Ent­schei­dung des Re­vi­si­ons­ge­richts. Der Se­nat hat den Fall ins­be­son­de­re im Ein­klang mit der Recht­spre­chung des BGH zu den An­for­de­run­gen an die Be­sitz­die­ner­ei­gen­schaft ent­schie­den. Es ist auch nicht er­kenn­bar, dass die Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung die Zu­las­sung der Re­vi­si­on er­for­dert. Das OLG Köln be­grün­de­te sei­ne Ent­schei­dung im Fall der Pro­be­fahrt ei­nes Kfz zur An­bah­nung ei­nes Kauf­ver­trags aus­drück­lich mit der be­ste­hen­den Ver­kehrs­auf­fas­sung, ei­ne ver­gleich­ba­re Ver­kehrs­auf­fas­sung ist beim Kauf ge­brauch­ter Lu­xus­uh­ren je­doch nicht er­kenn­bar.

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