Bei der Prü­fung, ob die Par­tei­en nach dem Ver­trag ei­ne be­stimm­te Ver­wen­dung der Kauf­sa­che vor­aus­ge­setzt ha­ben, sind nicht nur der Ver­trags­in­halt, son­dern auch die Ge­samt­um­stän­de zu be­rück­sich­ti­gen (Be­stä­ti­gung und Fort­füh­rung von Se­nat, Urt. v. 26.04.2017 – VI­II ZR 80/16, NJW 2017, 2817 Rn. 16 m. w. Nachw.).

BGH, Ur­teil vom 06.12.2017 – VI­II ZR 219/16

Sach­ver­halt: Die Be­klag­te, ei­ne Her­stel­le­rin von Far­ben und La­cken, und die Klä­ge­rin, ei­ne Her­stel­le­rin von Ad­di­ti­ven, die in an­de­re Werk­stof­fe ein­ge­bracht wer­den und dort an­ti­mi­kro­bi­ell wir­ken sol­len, schlos­sen im Ok­to­ber 2008 ei­nen „Ko­ope­ra­ti­ons­ver­trag“ (im Fol­gen­den: Ver­trag). Die­ser sieht vor, dass auf der Ba­sis der be­son­ders be­stän­di­gen In­nen­raum­far­be K der Be­klag­ten in Kom­bi­na­ti­on mit „an­ti­mi­kro­bi­ell wir­ken­den“ Ad­di­ti­ven der Klä­ge­rin – hier dem Ad­di­tiv S (im Fol­gen­den: Ad­di­tiv) –, „die die­se Ei­gen­schaf­ten auch nach der Ver­ar­bei­tung des Werk­stof­fes in de­fi­nier­ter Wei­se be­hal­ten“, „ei­ne an­ti­mi­kro­bi­ell wirk­sa­me Far­be für hy­gie­nisch sehr an­spruchs­vol­le An­wen­dungs­be­rei­che“ ent­wi­ckelt, pro­du­ziert und ver­trie­ben wer­den soll (Zif­fer 1.1).

Nach Zif­fer 4.1 des Ver­trags über­trägt die Klä­ge­rin der Be­klag­ten den Al­lein­ver­trieb der aus den Pro­duk­ten der Par­tei­en her­zu­stel­len­den oben ge­nann­ten „an­ti­mi­kro­bi­ell wir­ken­den In­nen­raum­far­be“, wo­bei die Be­klag­te im ei­ge­nen Na­men und auf ei­ge­ne Rech­nung zu kau­fen und zu ver­kau­fen hat (Zif­fer 4.2). Ge­mäß Zif­fer 9 des Ver­trags ist die Be­klag­te zur Ab­nah­me fol­gen­der Min­dest­men­gen des Ad­di­tivs ver­pflich­tet: 30 kg so­fort, wei­te­re 70 kg bis zum 31.12.2008 so­wie 400 kg bis zum 31.12.2009 – da­von je­weils 100 kg bis zum En­de ei­nes je­den Quar­tals. Dem­entspre­chend be­trug die ab­zu­neh­men­de Min­dest­men­ge auch in den Fol­ge­jah­ren 2010 und 2011 – un­strei­tig – 400 kg.

Als Preis für das von der Klä­ge­rin zu lie­fern­de Ad­di­tiv ver­ein­bar­ten die Par­tei­en ei­nen Be­trag von 350 € pro Ki­lo­gramm (Zif­fer 10.1 i. V. mit An­la­ge E des Ver­trags). Nach Zif­fer 13.1 be­trägt die Ver­trags­dau­er zu­nächst zwei Jah­re und ver­län­gert sich der Ver­trag um zwei wei­te­re Jah­re, wenn nicht spä­tes­tens zwei Mo­na­te vor Ab­lauf der Ver­trags­dau­er ge­kün­digt wird.

Vor Ab­schluss des Ver­trags hat­te die Klä­ge­rin der Be­klag­ten nda­sh; un­strei­tig – ei­nen Pro­dukt­pro­spekt und ein tech­ni­sches Merk­blatt über­ge­ben. In dem Pro­dukt­pro­spekt heißt es un­ter an­de­rem:

Ste­riO­ne GmbH & Co. KG [= die Klä­ge­rin] ent­wi­ckelt und ver­treibt sehr wirk­sa­me und in­dus­trietaug­li­che an­ti­bak­te­ri­el­le Ad­di­ti­ve. […] Un­ser Un­ter­neh­men greift auf in­ter­na­tio­na­le Pa­ten­te und mehr als 15 Jah­re Ent­wick­lungs­ar­beit zu­rück, die ih­re Wur­zeln in der Me­di­zin hat. Da­bei ent­stand ei­ne Fa­mi­lie höchst wirk­sa­mer an­ti­bak­te­ri­el­ler Ad­di­ti­ve – die S. Die­se ste­hen heu­te zur Ver­fü­gung, um na­he­zu je­den Ge­gen­stand dau­er­haft von Bak­te­ri­en, Pil­zen und sons­ti­gen Schäd­lin­gen zu be­frei­en. […]

S sind […] na­nos­ka­li­ge Mo­le­kü­le, die durch ih­ren Auf­bau und Re­ak­ti­vi­tät Bak­te­ri­en und Schäd­lin­ge ver­nich­ten. Die per­ma­nent ge­bil­de­ten Io­nen der S sind für Bak­te­ri­en von ver­nich­ten­der Wir­kung, für den Men­schen aber un­ge­fähr­lich. Als Ad­di­tiv wer­den S in La­cke, Kunst­stoff­ge­mi­sche, Fa­sern und an­de­re Werk­stof­fe ein­ge­bracht. Die an­ti­bak­te­ri­el­le Wir­kung der Ad­di­ti­ve bleibt in dem neu­en Ma­te­ri­al­ge­misch er­hal­ten und die Pro­duk­to­ber­flä­che da­durch dau­er­haft an­ti­mi­kro­bi­ell. Je nach Do­sie­rung der Ad­di­ti­ve ist die Wir­kung in­ten­si­ver oder schwä­cher. Die Wir­kung bleibt über vie­le Jah­re er­hal­ten.

[…]

Die Nut­zung des Be­griffs ‚an­ti­bak­te­ri­ell‘ ist grund­sätz­lich frei. Dies wird von vie­len Her­stel­lern aus­ge­nutzt. Um si­cher­zu­stel­len, dass es sich tat­säch­lich um die un­ver­gleich­li­che Qua­li­tät und Wir­kung der S han­delt, ha­ben wir ein ei­ge­nes Gü­te­sie­gel ent­wi­ckelt. […] Da­bei wer­den fol­gen­de Qua­li­täts­merk­ma­le ga­ran­tiert:

1. Wirk­sam­keits­dau­er min­des­tens 10 Jah­re.

2. Be­sei­ti­gung von mehr als 1 Mio. Kei­men pro Stun­de.

3. Ein­satz ei­nes durch [die Klä­ge­rin] be­treu­ten Qua­li­täts­si­che­rungs­sys­tems.

Je­des Part­ner­un­ter­neh­men, das S bei der Pro­duk­ti­on ein­setzt und die ge­nann­ten Kri­te­ri­en er­füllt, darf die­ses Gü­te­sie­gel ver­wen­den.“

In dem oben ge­nann­ten tech­ni­schen Merk­blatt der Klä­ge­rin heißt es un­ter an­de­rem:

„[…] Bei­spiels­rech­nung

[…] Die­se Be­rech­nun­gen zei­gen, dass die Mas­se auch in­ner­halb von Jahr­zehn­ten bei ma­xi­mal denk­ba­rer Io­nen­ab­ga­be kaum re­du­ziert wird. Um­ge­kehrt blei­ben ge­nü­gend wei­te­re Ato­me üb­rig, um wei­te­re Jahr­zehn­te Io­nen zu bil­den und die Funk­ti­on der an­ti­bak­te­ri­el­len Wir­kung zu er­fül­len.

Wei­te­re Ein­flüs­se auf die Wir­kungs­dau­er

1. Ver­tei­lung der S im Prüf­kör­per

[…] Das be­deu­tet, dass an der für die Hy­gie­ne­be­trach­tung re­le­van­ten Ober­flä­che des Kör­pers im­mer aus­rei­chend Io­nen vor­han­den sein wer­den.

2. Aus­fäl­len der Par­ti­kel aus dem Trä­ger

[…] S sind kom­plex kon­stru­ier­te Mo­le­kü­le, die die Na­no­ma­te­ria­li­en in Par­ti­kel deut­lich grö­ße­ren Vo­lu­mens bin­den und so die Wan­de­rung der Ad­di­ti­ve im Trä­ger voll­stän­dig ver­mei­den. Da­durch ist ei­ne Ver­füg­bar­keit der Io­nen­bil­dung über vie­le Jah­re ge­währ­leis­tet. […]“

Die Be­klag­te nahm im Jahr 2008 nur 10 kg, im Jahr 2009 nur 30 kg und im Jahr 2010 nur 40 kg des Ad­di­tivs ab. Seit dem Jahr 2011 stell­te sie die Ab­nah­me gänz­lich ein. Sie be­ruft sich dar­auf, das von der Klä­ge­rin ge­lie­fer­te Ad­di­tiv er­fül­le nicht die ver­trag­lich ver­ein­bar­ten An­for­de­run­gen, so­dass sie den Ver­kauf der von ihr im Jahr 2009 un­ter Ver­wen­dung die­ses Ad­di­tivs her­ge­stell­ten Far­be F ha­be ein­stel­len müs­sen. Das Ad­di­tiv der Be­klag­ten ha­be – vor al­lem in tro­cke­nen Räu­men – kei­ne an­ti­mi­kro­bi­el­le Lang­zeit­wirk­sam­keit, son­dern wir­ke aus­weis­lich ei­nes von der Klä­ge­rin durch­ge­führ­ten La­bor­tests le­dig­lich 18 Stun­den lang und wei­se auch nach La­bor­tests, die von der Be­klag­ten in Auf­trag ge­ge­ben wor­den sei­en, we­der ei­ne an­ti­mi­kro­bi­el­le Lang­zeit­wir­kung noch ei­ne ef­fek­ti­ve­re Ab­tö­tung von Mi­kro­bak­te­ri­en als durch markt­her­kömm­li­che Ad­di­ti­ve auf. Ein von der Be­klag­ten mit­hil­fe ei­nes Kran­ken­haus­be­trei­bers durch­ge­führ­ter Pra­xis­test ha­be be­stä­tigt, dass ei­ne mit den Ad­di­ti­ven der Klä­ge­rin ver­se­he­ne Far­be kei­ne ef­fek­ti­ve­re Wir­kung bei der Eli­mi­nie­rung von Kran­ken­haus­kei­men auf­wei­se als her­kömm­li­che La­tex-Wand­far­be oh­ne jeg­li­che Zu­satz­stof­fe.

Die Klä­ge­rin ver­lang­te mit Rech­nung vom 22.12.2011 von der Be­klag­ten die Zah­lung von 516.000 € net­to für die im Zeit­raum 2008–2011 – un­strei­tig – nicht ab­ge­nom­me­nen Min­dest­men­gen des Ad­di­tivs, ins­ge­samt 1.220 kg. Die Be­klag­te lehn­te die Zah­lung mit Schrei­ben vom 09.01.2012 ab.

Mit der vor­lie­gen­den Kla­ge ver­langt die Klä­ge­rin von der Be­klag­ten für die vor­be­zeich­ne­ten nicht ab­ge­nom­me­nen Min­dest­men­gen des Ad­di­tivs die Zah­lung ei­nes – der Hö­he nach un­strei­ti­gen – Be­trags von 508.130 € brut­to nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen die Lie­fe­rung von 1.220 kg des Ad­di­tivs. Au­ßer­dem be­gehrt sie die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten. Das Land­ge­richt hat zu­nächst die Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens zu der Fra­ge be­schlos­sen, ob das streit­ge­gen­ständ­li­che Ad­di­tiv bei Mi­schung mit der im Ver­trag ge­nann­ten Far­be der Be­klag­ten ei­ne In­nen­raum­far­be mit an­ti­bak­te­ri­el­ler Lang­zeit­wir­kung für hy­gie­nisch sehr an­spruchs­vol­le An­wen­dungs­be­rei­che bil­de. Es hat so­dann den Be­weis­be­schluss auf­ge­ho­ben und der Kla­ge – bis auf ei­nen ge­ring­fü­gi­gen Teil der Zins­for­de­rung – statt­ge­ge­ben. Das Kam­mer­ge­richt hat die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung der Be­klag­ten zu­rück­ge­wie­sen. Auf de­ren Re­vi­si­on wur­de das Be­ru­fungs­ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che an ei­nen an­de­ren Se­nat des Be­ru­fungs­ge­richts zu­rück­ver­wie­sen.

Aus den Grün­den: [10]   I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung, so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von Be­deu­tung, im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[11]   Die Kla­ge sei aus § 433 II BGB i. V. mit Zif­fer 9 und An­la­ge E des Ver­trags der Par­tei­en be­grün­det. Die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur Be­zah­lung und Ab­nah­me der im Ver­trag vor­ge­se­he­nen Min­dest­men­gen be­ste­he für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum von Ok­to­ber 2008 bis ein­schließ­lich des Jah­res 2011 fort. Der Ver­trag ha­be sich man­gels Kün­di­gung je­den­falls bis 2012 ver­län­gert. Aus den vor­lie­gen­den Un­ter­la­gen kön­ne am ehes­ten in dem Schrei­ben der Be­klag­ten vom 09.01.2012 die schlüs­sig er­klär­te Ver­trags­kün­di­gung ent­nom­men wer­den. Für den Zeit­raum da­vor sei we­der ei­ne Rück­tritts­er­klä­rung der Be­klag­ten noch ei­ne auch nur schlüs­sig er­klär­te ein­ver­nehm­li­che Ver­trags­auf­he­bung er­sicht­lich.

[12]   Die Min­dest­ab­nah­me sei we­der aus im Ver­trag selbst an­ge­leg­ten Grün­den noch we­gen der Um­stän­de bei Ver­trags­schluss aus­ge­schlos­sen. Die im Ver­trag ent­hal­te­nen Sank­tio­nen für den Fall ei­ner Un­ter­schrei­tung der ver­ein­bar­ten Min­dest­ab­nah­me­men­ge – Er­lö­schen des Al­lein­ver­triebs­rechts bei ei­ner Un­ter­schrei­tung von mehr als fünf Pro­zent und Kün­di­gungs­recht bei ei­ner Un­ter­schrei­tung von mehr als zehn Pro­zent – zeig­ten die we­sent­li­che Be­deu­tung der Ab­nah­me­ver­pflich­tung. Sinn und Zweck ei­ner der­ar­ti­gen Sank­ti­on kön­ne es nicht sein, zu­gleich ei­ne Rester­fül­lung der Ab­nah­me­ver­pflich­tung auf­zu­he­ben.

[13]   Nach §§ 133, 157 BGB kön­ne auch nicht an­ge­nom­men wer­den, dass die Ab­nah­me­ver­pflich­tung ei­nen Er­folg des Ver­trags vor­aus­set­ze, viel­mehr sei die Ab­nah­me­pflicht al­lein zeit­be­zo­gen. Ihr Äqui­va­lent sei nicht ei­ne er­folg­rei­che Ver­trags­durch­füh­rung, son­dern das Al­lein­ver­triebs- und Ge­winn­recht der Be­klag­ten an dem aus der ei­ge­nen Far­be und den Ad­di­ti­ven der Klä­ge­rin zu­sam­men­ge­füg­ten Pro­dukt. Die Ab­nah­me­pflicht hät­te dem­nach zwar ent­fal­len kön­nen, wenn es gar nicht zu ei­nem im An­satz markt­fä­hi­gen Pro­dukt ge­kom­men wä­re. Das sei aber nicht der Fall. Die Be­klag­te sei je­den­falls 2009/2010 mit der Far­be F am Markt auf­ge­tre­ten.

[14]   Die Be­klag­te kön­ne ih­rer ver­trag­li­chen Kauf­preis­ver­pflich­tung auch nicht Pflicht­ver­let­zun­gen der Klä­ge­rin ent­ge­gen­hal­ten, die für sie ei­ne Er­fül­lung der Min­dest­ab­nah­me­ver­pflich­tung un­zu­mut­bar mach­ten. We­der ei­ne Wir­kungs­lo­sig­keit des Ad­di­tivs noch ein Un­ter­las­sen von not­wen­di­gen Mit­wir­kungs­hand­lun­gen der Klä­ge­rin kön­ne fest­ge­stellt wer­den. Das Ad­di­tiv ha­be je­den­falls zur Her­stel­lung ei­nes ver­kaufs­fä­hi­gen Pro­dukts ver­wen­det wer­den kön­nen. Auch sei das Ad­di­tiv, wie sich aus dem von der Klä­ge­rin vor­ge­leg­te Be­stim­mungs­gut­ach­ten des In­sti­tuts G er­ge­be, we­der für sich noch in der In­nen­far­be F an­ti­mi­kro­bi­ell wir­kungs­los. Die Be­klag­te ha­be nicht deut­lich ge­macht, wel­che Prüf­ge­sichts­punk­te, Prü­fungs­me­tho­den oder Prü­fungs­be­wer­tun­gen die­sem Er­geb­nis ent­ge­gen­ste­hen soll­ten. Sie kon­zen­trie­re sich viel­mehr auf die Be­haup­tung, das Ad­di­tiv ha­be in Ver­bin­dung mit der In­nen­far­be in der An­wen­dung kei­ne lang­fris­ti­ge, lang­jäh­ri­ge an­ti­bak­te­ri­el­le Wir­kung, je­den­falls sei die­se von der Klä­ge­rin nicht nach­ge­wie­sen.

[15]   Es kön­ne of­fen­blei­ben, ob dies zu­tref­fe. Ei­ne Be­weis­auf­nah­me zu die­ser Fra­ge sei auch ab­seits der von der Be­klag­ten be­reits nicht ge­klär­ten Pro­ble­ma­tik, was ei­gent­lich „lang­fris­tig“ bzw. „lang­jäh­rig“ be­deu­ten sol­le, nicht ver­an­lasst. Denn die von der Be­klag­ten ver­miss­te lang­fris­ti­ge, lang­jäh­ri­ge Wir­kung sei nicht Ge­gen­stand des schrift­li­chen Ver­trags der Par­tei­en. Sie kön­ne des­halb kein Maß­stab für die Be­ur­tei­lung ei­ner be­stim­mungs­ge­mä­ßen Brauch­bar­keit der bei Min­dest­ab­nah­me zu lie­fern­den Ad­di­ti­ve sein. In dem schrift­li­chen Ver­trag ein­schließ­lich der An­la­gen sei von dem jetzt von der Be­klag­ten als ent­schei­dend an­ge­führ­ten Lang­zeit­fak­tor in ei­ner auch nur an­satz­wei­se be­stimm­ten Art nicht die Re­de. Aus dem Ver­trag her­aus er­wei­se sich auch aus die­ser Sicht die An­nah­me des Land­ge­richts als rich­tig, dass die Be­klag­te das Ent­wick­lungs­ri­si­ko zu tra­gen ha­be.

[16]   In Über­ein­stim­mung mit dem Land­ge­richt kön­ne auch nicht fest­ge­stellt wer­den, dass die Klä­ge­rin sons­ti­gen ei­ge­nen Ver­trags­pflich­ten, ins­be­son­de­re Mit­wir­kungs­hand­lun­gen, nicht nach­ge­kom­men sei. Schon we­gen der ex­ak­ten Zeit­be­stim­mun­gen bei den Ab­nah­me­ver­pflich­tun­gen sei ein Zu­sam­men­hang mit den üb­ri­gen Vor­stel­lun­gen der Par­tei­en über den Ab­lauf der Ver­trags­be­zie­hung nicht her­zu­stel­len.

[17]   Durch­grei­fen­de Ge­gen­rech­te der Be­klag­ten ge­gen die Zah­lungs­pflicht und Ab­nah­me­ver­pflich­tung könn­ten auch dann nicht fest­ge­stellt wer­den, wenn zu­guns­ten der Be­klag­ten un­ter­stellt wer­de, dass der Pro­dukt­pro­spekt und das tech­ni­sche Merk­blatt der Klä­ge­rin über den Ver­trags­wort­laut hin­aus Ver­trags­be­stand­teil ge­wor­den sei­en. Denn die Wir­kungs­be­schrei­bung des Pro­spekts sei im Gan­zen nur als ei­ne wer­ben­de An­prei­sung in zeit­lich ganz un­be­stimm­ter Form auf­zu­fas­sen. Erst bei dem im Pro­spekt ge­nann­ten Gü­te­sie­gel wer­de es hin­sicht­lich der Tat­sa­chen kon­kre­ter, in­dem ei­ne Wirk­sam­keits­dau­er von min­des­tens zehn Jah­ren und die Be­sei­ti­gung von mehr als ei­ner Mil­li­on Kei­men pro Stun­de auf­ge­führt wer­de. Die­ses Sie­gel set­ze nach dem Text je­doch un­miss­ver­ständ­lich vor­aus, dass die ge­nann­ten kon­kre­ten Kri­te­ri­en bei dem Her­stel­ler des End­pro­dukts er­füllt wür­den. Lang­zeit­wir­kung und Keim­be­sei­ti­gung hin­gen al­so letzt­lich von der Zu­sam­men­set­zung dort ab und wür­den da­mit ge­ra­de nicht un­ab­hän­gig vom End­pro­dukt be­reits im Be­reich des Ein­satz­stoffs der Klä­ge­rin als ei­ne qua­si von vorn­her­ein und im­mer be­ste­hen­de un­ver­lier­ba­re Ei­gen­heit ga­ran­tiert. Ei­ne Ver­wen­dung des Sie­gels sei im Üb­ri­gen nicht ver­ein­bart.

[18]   Dem tech­ni­schen Merk­blatt der Klä­ge­rin kön­ne ei­ne ver­bind­li­che Be­schrei­bung ei­ner ge­ne­rel­len Lang­zeit­wir­kung nach Ver­ar­bei­tung eben­falls nicht ent­nom­men wer­den. Es han­de­le sich viel­mehr bei den dar­in ent­hal­te­nen An­ga­ben zur an­ti­bak­te­ri­el­len Wir­kung le­dig­lich um ei­ne un­ver­bind­li­che Wer­be­an­prei­sung.

[19]   II. Die­se Be­ur­tei­lung hält recht­li­cher Nach­prü­fung in we­sent­li­chen Punk­ten nicht stand. Mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­ge­be­nen Be­grün­dung kön­nen der von der Klä­ge­rin ge­gen die Be­klag­te gel­tend ge­mach­te An­spruch auf Zah­lung des Kauf­prei­ses von 508.130 € (§ 433 II BGB) nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen die Lie­fe­rung der in den Jah­ren 2008 bis 2011 nicht ab­ge­nom­me­nen Min­dest­men­gen von ins­ge­samt 1.220 kg des streit­ge­gen­ständ­li­chen Ad­di­tivs, so­wie der An­spruch auf Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten nicht be­jaht wer­den. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat – wie auch das Land­ge­richt – be­reits im Aus­gangs­punkt rechts­feh­ler­haft an­ge­nom­men, die Be­klag­te kön­ne dem Kauf­preis­an­spruch der Klä­ge­rin schon des­halb nicht die von ihr be­haup­te­te Man­gel­haf­tig­keit des Ad­di­tivs ent­ge­gen­hal­ten, weil das Ad­di­tiv in der Farb­mi­schung je­den­falls nicht gänz­lich wir­kungs­los und ei­ne lang­jäh­ri­ge an­ti­mi­kro­bi­el­le Wir­kung der Farb­mi­schung nicht Ge­gen­stand des schrift­li­chen Ver­trags der Par­tei­en sei, son­dern viel­mehr al­lein die Be­klag­te das Ri­si­ko ei­ner sol­chen Wir­kung zu tra­gen ha­be.

[20]   Hier­durch hat sich das Be­ru­fungs­ge­richt rechts­feh­ler­haft den Blick da­für ver­schlos­sen, dass die von den Par­tei­en nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB) des Ad­di­tivs ge­ra­de dar­in be­stand, durch des­sen Bei­mi­schung in ei­ne be­son­ders be­stän­di­ge Far­be der Be­klag­ten dau­er­haft, je­den­falls aber lang­jäh­rig ei­ne an­ti­mi­kro­bi­el­le Wir­kung für hy­gie­nisch sehr an­spruchs­vol­le An­wen­dungs­be­rei­che zu ent­fal­ten. Da das Ad­di­tiv nach dem re­vi­si­ons­recht­lich zu un­ter­stel­len­den Sach­vor­trag der Be­klag­ten die­sen An­for­de­run­gen nicht ent­spricht, hät­te das Be­ru­fungs­ge­richt, wie die Re­vi­si­on mit Recht rügt, vor ei­ner Ent­schei­dung über die Kla­ge­an­sprü­che zu­nächst Be­weis hier­über – ins­be­son­de­re durch Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens – er­he­ben müs­sen.

[21]   1. Oh­ne Rechts­feh­ler und von den Par­tei­en im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren in­so­weit auch nicht an­ge­grif­fen hat das Be­ru­fungs­ge­richt al­ler­dings den von der Klä­ge­rin gel­tend ge­mach­ten Zah­lungs­an­spruch nach den ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen über den Kauf­ver­trag (§§ 433 ff. BGB) be­ur­teilt.

[22]   Bei dem Ver­trag der Par­tei­en han­delt es sich, wo­von auch das Be­ru­fungs­ge­richt – un­aus­ge­spro­chen – aus­ge­gan­gen ist, un­ge­ach­tet der von den Par­tei­en ge­wähl­ten Be­zeich­nung als „Ko­ope­ra­ti­ons­ver­trag“ um ei­nen (ein­heit­li­chen) Kauf­ver­trag ge­mäß § 433 BGB in Ge­stalt ei­nes so­ge­nann­ten (ech­ten) Suk­zes­siv­lie­fe­rungs­ver­trags (vgl. hier­zu Se­nat, Urt. v. 01.12.1971 – VI­II ZR 143/70, NJW 1972, 246 [un­ter II 2]; Urt. v. 06.10.1976 – VI­II ZR 66/75, NJW 1977, 35 [un­ter III 1]; Urt. v. 28.03.1979 – VI­II  ZR 15/78, WM 1979, 674 [un­ter II 2]; Urt. v. 26.10.1994 – VI­II ZR 150/93, NJW-RR 1995, 240 [un­ter II 2 b aa (3)]; Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 76. Aufl., vor § 311 Rn. 27 ff.; MünchKomm-BGB/Gai­er, 7. Aufl., § 314 Rn. 8) über das streit­ge­gen­ständ­li­che Ad­di­tiv der Klä­ge­rin, er­gänzt im We­sent­li­chen um ein Al­lein­ver­triebs­recht der Be­klag­ten und Ne­ben­pflich­ten der Par­tei­en bei der Ver­mark­tung der von der Be­klag­ten un­ter Ver­wen­dung des Ad­di­tivs her­zu­stel­len­den Farb­mi­schung. Ge­gen die­se auf ei­ner in­so­weit rechts­feh­ler­frei­en tatrich­ter­li­chen Ver­trags­aus­le­gung (vgl. hier­zu Se­nat, Urt. v. 06.02.1985 – VI­II ZR 15/84, NJW 1986, 124 [un­ter 2]; Urt. v. 12.07.1995 – VI­II ZR 219/94, NJW-RR 1995, 1327 [un­ter III 1] m. w. Nachw. [je­weils zum Suk­zes­siv­lie­fe­rungs­ver­trag]) be­ru­hen­de recht­li­che Ein­ord­nung des Ver­trags wen­den sich die Par­tei­en im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren nicht.

[23]   Durch ei­nen sol­chen Suk­zes­siv­lie­fe­rungs­ver­trag wer­den un­mit­tel­bar An­sprü­che auf Lie­fe­rung der ab­zu­neh­men­den Teil­men­gen und auf de­ren Be­zah­lung be­grün­det (Se­nat, Urt. v. 04.12.1996 – VI­II ZR 360/95, NJW 1997, 933 [un­ter II A 2 a]). Die Klä­ge­rin muss­te da­her nicht zu­nächst auf den Ab­schluss von Kauf­ver­trä­gen über die je­weils quar­tals­wei­se ver­ein­bar­te Min­dest­men­ge kla­gen (vgl. hier­zu Se­nat, Urt. v. 12.07.1995 – VI­II ZR 219/94, NJW-RR 1995, 1327 [un­ter III 3]), son­dern konn­te die Be­klag­te un­mit­tel­bar auf Zah­lung des Kauf­prei­ses Zug um Zug ge­gen Lie­fe­rung der nicht ab­ge­nom­me­nen Min­dest­men­gen des Ad­di­tivs in An­spruch neh­men. So­wohl die der Kla­ge zu­grun­de lie­gen­de Be­rech­nung die­ser Min­dest­men­gen als auch die Be­rech­nung des hier­für zu zah­len­den Prei­ses sind nach den von der Re­vi­si­on in­so­weit nicht an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig.

[24]   2. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat je­doch rechts­feh­ler­haft ver­kannt, dass nach dem – re­vi­si­ons­recht­lich man­gels nä­he­rer Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts zu un­ter­stel­len­den – Sach­vor­trag der Be­klag­ten das Ad­di­tiv der Klä­ge­rin für die von den Par­tei­en ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung nicht ge­eig­net und des­halb ge­mäß § 434 I 2 Nr. 1 BGB man­gel­haft ist, wes­halb die Be­klag­te wei­te­re Men­gen die­ses Ad­di­tivs nicht ab­neh­men und be­zah­len muss­te (§ 320 I 1 BGB, § 273 I BGB) und dem­entspre­chend auch nicht in An­nah­me­ver­zug ge­ra­ten ist (§ 293 BGB). Die Re­vi­si­on rügt mit Recht, dass das Be­ru­fungs­ge­richt kei­ne Fest­stel­lun­gen zur an­ti­mi­kro­bi­el­len Wirk­sam­keit des Ad­di­tivs, ins­be­son­de­re zu ei­ner dau­er­haf­ten, zu­min­dest aber lang­jäh­ri­gen an­ti­mi­kro­bi­el­len Wir­kung der un­ter Bei­mi­schung des Ad­di­tivs her­ge­stell­ten Far­be ge­trof­fen und ins­be­son­de­re nicht den hier­zu be­an­trag­ten Sach­ver­stän­di­gen­be­weis er­ho­ben hat.

[25]   a) Es kann da­hin­ste­hen, ob die Par­tei­en hin­sicht­lich der vor­be­zeich­ne­ten Wir­kung des Ad­di­tivs ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung nach § 434 I 1 BGB ge­trof­fen ha­ben, was das Be­ru­fungs­ge­richt nicht ge­prüft hat und wor­an stren­ge An­for­de­run­gen zu stel­len sind, da nach neu­em Schuld­recht ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung nicht mehr „im Zwei­fel“, son­dern nur noch in ein­deu­ti­gen Fäl­len in Be­tracht kommt (vgl. nur Se­nat, Urt. v. 15.06.2016 – VI­II ZR 134/15, NJW 2016, 2874 Rn. 16; Urt. v. 27.09.2017 – VI­II ZR 271/16, ZIP 2017, 2153 Rn. 18; Urt. v. 18.10.2017 – VI­II ZR 32/16, ju­ris Rn. 16; je­weils m. w. Nachw.). Ei­ne sol­che Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung macht auch die Re­vi­si­on nicht gel­tend. Sie rügt viel­mehr, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be ver­kannt, dass es sich bei den oben wie­der­ge­ge­be­nen An­ga­ben in dem Pro­dukt­pro­spekt der Klä­ge­rin, na­ment­lich bei der dau­er­haf­ten, je­den­falls aber lang­jäh­ri­gen an­ti­mi­kro­bi­el­len Wir­kung, um Ei­gen­schaf­ten han­de­le, die ge­mäß § 434 I 3 BGB zu der Be­schaf­fen­heit der Sa­che nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB ge­hör­ten (vgl. hier­zu Se­nat, Urt. v. 27.09.2017 – VI­II ZR 271/16, ZIP 2017, 2153 Rn. 24).

[26]   b) Das von der Klä­ge­rin zu lie­fern­de Ad­di­tiv ist un­ab­hän­gig hier­von aber be­reits des­halb nicht frei von Sach­män­geln, weil die Par­tei­en ge­mäß § 434 I 2 Nr. 1 BGB (vgl. hier­zu im Ein­zel­nen Se­nat, Urt. v. 26.04.2017 – VI­II ZR 80/16, NJW 2017, 2817 Rn. 16 m. w. Nachw.) ver­trag­lich ei­ne Ver­wen­dung in der Wei­se vor­aus­ge­setzt ha­ben, dass das Ad­di­tiv zu ei­ner Far­be der Be­klag­ten hin­zu­ge­fügt und die so ent­stan­de­ne Mi­schung in hy­gie­nisch sehr an­spruchs­vol­len An­wen­dungs­be­rei­chen, ins­be­son­de­re als Wand­an­strich in ent­spre­chen­den Räu­men, mit ei­ner dau­er­haf­ten, zu­min­dest aber lang­jäh­ri­gen an­ti­mi­kro­bi­el­len Wir­kung ver­wen­det wer­den soll­te, das Ad­di­tiv die­se An­for­de­rung je­doch nach dem re­vi­si­ons­recht­lich zu­grun­de zu le­gen­den Sach­vor­tag der Be­klag­ten nicht er­füllt. Die­ser Sach­vor­trag der Be­klag­ten ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts auch aus­rei­chend sub­stan­zi­iert. Ei­ne Par­tei ge­nügt bei ei­nem von ihr – wie hier – zur Rechts­ver­tei­di­gung ge­hal­te­nen Sach­vor­trag ih­ren Sub­stan­zi­ie­rungs­pflich­ten, wenn sie Tat­sa­chen vor­trägt, die in Ver­bin­dung mit ei­nem Rechts­satz ge­eig­net sind, das von der an­de­ren Sei­te gel­tend ge­mach­te Recht als nicht be­ste­hend er­schei­nen zu las­sen (vgl. hier­zu im Ein­zel­nen Se­nat, Beschl. v. 21.10.2014 – VI­II ZR 34/14, NZM 2015, 492 Rn. 20 f. m. w. Nachw.). Die­sen An­for­de­run­gen ge­nügt das Vor­brin­gen der Be­klag­ten oh­ne je­den Zwei­fel.

[27]   aa) Al­ler­dings kann die Aus­le­gung ei­ner In­di­vi­du­al­ver­ein­ba­rung – wie hier des Ver­trags der Par­tei­en ein­schließ­lich des die­sem zu­grun­de lie­gen­den Pro­dukt­pro­spekts und des tech­ni­schen Merk­blatts – durch den Tatrich­ter vom Re­vi­si­ons­ge­richt nur ein­ge­schränkt dar­auf­hin über­prüft wer­den, ob ge­setz­li­che oder all­ge­mein an­er­kann­te Aus­le­gungs­re­geln, die Denk­ge­set­ze oder all­ge­mei­ne Er­fah­rungs­sät­ze ver­letzt sind oder we­sent­li­cher Aus­le­gungs­stoff au­ßer Acht ge­las­sen wor­den ist oder die Aus­le­gung auf mit der Re­vi­si­on ge­rüg­ten Ver­fah­rens­feh­lern be­ruht (st. Rspr.; Se­nat, Urt. v. 03.12.2014 – VI­II ZR 224/13, NZM 2015, 79 Rn. 37 m. w. Nachw.; Urt. v. 10.06.2015 – VI­II ZR 99/14, NJW 2015, 2324 Rn. 13; Urt. v. 13.04.2016 – VI­II ZR 198/15, NZM 2016, 673 Rn. 16 m. w. Nachw.; Urt. v. 12.10.2016 – VI­II ZR 55/15, BGHZ 212, 248 Rn. 35). Der­ar­ti­ge Rechts­feh­ler fal­len dem Be­ru­fungs­ge­richt hier je­doch zur Last.

[28]   bb) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat we­der den In­halt der zwi­schen den Par­tei­en ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­rung voll­stän­dig aus­ge­schöpft noch al­le Um­stän­de des Streit­falls be­rück­sich­tigt. Zu­dem hat es den Grund­satz ei­ner nach bei­den Sei­ten hin in­ter­es­sen­ge­rech­ten Aus­le­gung ver­letzt.

[29]   (1) Bei der Aus­le­gung der Ver­ein­ba­rung der Par­tei­en ist das Be­ru­fungs­ge­richt zwar im An­satz zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass nach den an­er­kann­ten Grund­sät­zen für die Aus­le­gung ei­ner In­di­vi­du­al­ver­ein­ba­rung der Wort­laut der Ver­ein­ba­rung den Aus­gangs­punkt ei­ner nach §§ 133, 157 BGB vor­zu­neh­men­den Aus­le­gung bil­det, gleich­zei­tig hier­bei aber auch gilt, dass ein über­ein­stim­men­der Par­tei­wil­le dem Wort­laut und je­der an­de­ren In­ter­pre­ta­ti­on vor­geht, selbst wenn er im In­halt der Er­klä­rung kei­nen oder nur ei­nen un­voll­kom­me­nen Aus­druck ge­fun­den hat (vgl. nur Se­nat, Beschl. v. 11.11.2014 – VI­II ZR 302/13, NJW 2015, 409 Rn. 11 m. w. Nachw.). In­so­weit hat das Be­ru­fungs­ge­richt noch zu­tref­fend zum Zwe­cke der Er­mitt­lung des über­ein­stim­men­den Par­tei­wil­lens ne­ben dem schrift­li­chen Ver­trag auch den Pro­dukt­pro­spekt und das tech­ni­sche Merk­blatt der Klä­ge­rin her­an­ge­zo­gen.

[30]   Es hat je­doch bei der Wür­di­gung sämt­li­cher vor­be­zeich­ne­ter Schrift­stü­cke de­ren In­halt nicht voll­stän­dig aus­ge­schöpft. Zu­dem hat das Be­ru­fungs­ge­richt bei die­ser Wür­di­gung die wei­te­ren an­er­kann­ten Aus­le­gungs­grund­sät­ze ver­letzt, dass bei der Aus­le­gung zu­sätz­lich auch die Ge­samt­um­stän­de (s. nur BGH, Beschl. v. 30.04.2014 – XII ZR 124/12, ju­ris Rn. 17; Urt. v. 13.04.2016 – VI­II ZR 198/15, NZM 2016, 673 Rn. 21 m. w. Nachw.) und der mit der Ver­ein­ba­rung ver­folg­te Zweck (vgl. Se­nat, Urt. v. 13.04.2016 – VI­II ZR 198/15, NZM 2016, 673 Rn. 21) zu be­rück­sich­ti­gen sind und ei­ne nach bei­den Sei­ten hin in­ter­es­sen­ge­rech­te Aus­le­gung vor­zu­neh­men ist (vgl. nur BGH, Urt. v. 22.02.2012 – VI­II ZR 34/11, WM 2012, 2061 Rn. 25; Urt. v. 13.04.2016 – VI­II ZR 198/15, NZM 2016, 673 Rn. 22; Urt. v. 07.03.2017 – EnZR 56/15, ju­ris Rn. 17; je­weils m. w. Nachw.).

[31]   Da­mit ist der Se­nat an das Aus­le­gungs­er­geb­nis des Be­ru­fungs­ge­richts nicht ge­bun­den und kann, da wei­te­re tat­säch­li­che Fest­stel­lun­gen in­so­weit nicht zu er­war­ten sind, die Aus­le­gung selbst vor­neh­men (vgl. BGH, Urt. v. 22.02.2012 – VI­II ZR 34/11, WM 2012, 2061 Rn. 25; Urt. v. 13.04.2016 – VI­II ZR 198/15, NZM 2016, 673 Rn. 22).

[32]   (2) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts spricht be­reits der Wort­laut des Ver­trags da­für, dass die ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB) sich nicht – wie das Be­ru­fungs­ge­richt rechts­ir­rig an­ge­nom­men hat – dar­auf be­schränkt, dass das Ad­di­tiv für sich ge­nom­men und in der Far­be der Be­klag­ten an­ti­mi­kro­bi­ell nicht gänz­lich wir­kungs­los ist, son­dern viel­mehr dar­in be­steht, ei­ne dau­er­haf­te, zu­min­dest aber lang­jäh­ri­ge an­ti­mi­kro­bi­el­le Wir­kung in der Far­be der Be­klag­ten zu er­zie­len. Die in der Be­schrei­bung des Ver­trags­ge­gen­stands (Zif­fer 1.1) ent­hal­te­ne An­ga­be, wo­nach auf der Ba­sis ei­ner „be­son­ders be­stän­di­gen“ In­nen­raum­far­be der Be­klag­ten in Kom­bi­na­ti­on mit „an­ti­mi­kro­bi­ell wir­ken­den“ Ad­di­ti­ven der Klä­ge­rin, die „die­se Ei­gen­schaf­ten auch nach der Ver­ar­bei­tung des Werk­stof­fes in de­fi­nier­ter Wei­se be­hal­ten“, „ei­ne an­ti­mi­kro­bi­ell wirk­sa­me Far­be für hy­gie­nisch sehr an­spruchs­vol­le An­wen­dungs­be­rei­che“ ent­wi­ckelt, pro­du­ziert und ver­trie­ben wer­den soll, kann – auch oh­ne ei­ne kon­kre­te Zeit­an­ga­be – nicht an­ders als da­hin ver­stan­den wer­den, dass ei­ne an der nor­ma­len Le­bens­dau­er ei­nes mit ei­ner sol­chen In­nen­raum­far­be durch­ge­führ­ten Wand­an­strichs aus­ge­rich­te­te – mit­hin ei­ne zu­min­dest lang­jäh­ri­ge – an­ti­mi­kro­bi­el­le Wir­kungs­dau­er er­zielt wer­den soll­te.

[33]   (3) Die­se ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung wird durch die im Rah­men der Aus­le­gung des Ver­trags zu be­rück­sich­ti­gen­den Ge­samt­um­stän­de be­kräf­tigt, na­ment­lich durch den In­halt des Pro­dukt­pro­spekts und des tech­ni­schen Merk­blatts der Klä­ge­rin. Ent­ge­gen der von der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat ver­tre­te­nen Auf­fas­sung wä­ren die­se Un­ter­la­gen selbst dann zu be­rück­sich­ti­gen, wenn sie – wie die Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung meint – nicht Ver­trags­ge­gen­stand ge­wor­den sein soll­ten. Denn im Rah­men des § 434 I 2 Nr. 1 BGB sind nicht nur der Ver­trags­in­halt, son­dern al­le Um­stän­de zu be­rück­sich­ti­gen, die ei­ne mög­li­che nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung er­hel­len kön­nen.

[34]   In bei­den vor­be­zeich­ne­ten Un­ter­la­gen, die die Klä­ge­rin der Be­klag­ten vor Ab­schluss des Ver­trags un­strei­tig über­ge­ben hat­te, wird die auch nach Ein­brin­gung des Ad­di­tivs in ein Ma­te­ri­al­ge­misch über vie­le Jah­re hin­weg bzw. so­gar dau­er­haft vor­han­de­ne an­ti­mi­kro­bi­el­le Wir­kung her­vor­ge­ho­ben. Bei die­sen An­ga­ben, die Teil ei­ner de­tail­lier­ten Be­schrei­bung der Wir­kungs­wei­se der Ad­di­ti­ve der Klä­ge­rin sind, han­delt es sich ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts nicht le­dig­lich um wer­ben­de An­prei­sun­gen in un­ver­bind­li­cher Form (vgl. hier­zu Se­nat, Urt. v. 25.05.1983 – VI­II ZR 55/82, BGHZ 87, 302, 305 f.; Urt. v. 13.06.2007 – VI­II ZR 236/06, NJW 2007, 3057 Rn. 17), son­dern um Tat­sa­chen­an­ga­ben, auf die die Be­klag­te als Käu­fe­rin – un­ab­hän­gig da­von, ob die Par­tei­en die Ver­wen­dung des in dem Pro­dukt­pro­spekt der Klä­ge­rin zu­sätz­lich ge­nann­ten Gü­te­sie­gels ver­ein­bart ha­ben – ver­trau­en durf­te und die bei ob­jek­ti­ver Be­trach­tung in den über­ein­stim­men­den Ver­trags­wil­len der Par­tei­en in Ge­stalt der von ih­nen ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­ten Ver­wen­dung ein­ge­flos­sen sind.

[35]   (4) Die die­se Ge­sichts­punk­te au­ßer Acht las­sen­de Deu­tung des Be­ru­fungs­ge­richts ver­stößt ge­gen den Grund­satz der nach bei­den Sei­ten hin in­ter­es­sen­ge­rech­ten Aus­le­gung. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat mit der An­nah­me, die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur Ab­nah­me der im Ver­trag ver­ein­bar­ten Min­dest­men­gen sei al­lein zeit­be­zo­gen und hän­ge von kei­nen wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen ab, so­fern nur das Ad­di­tiv nicht völ­lig wir­kungs­los sei und mit die­sem Ad­di­tiv ein im An­satz markt­fä­hi­ges Pro­dukt ha­be her­ge­stellt wer­den kön­nen, ein­sei­tig nur die In­ter­es­sen­la­ge der Klä­ge­rin be­rück­sich­tigt, die In­ter­es­sen­la­ge der Be­klag­ten hin­ge­gen aus dem Blick ver­lo­ren. Denn bei ob­jek­ti­ver Be­trach­tung ist kein ver­nünf­ti­ger Grund da­für zu er­ken­nen, war­um die Be­klag­te sich zur Ab­nah­me ei­ner nicht un­be­trächt­li­chen Min­dest­men­ge des streit­ge­gen­ständ­li­chen Ad­di­tivs ge­gen Zah­lung ei­nes er­heb­li­chen Geld­be­trags un­ab­hän­gig da­von ver­pflich­tet ha­ben soll­te, ob die­ses Ad­di­tiv bei Ver­mi­schung mit ei­ner In­nen­raum­far­be über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum und nicht nur – wie nach der Be­haup­tung der Be­klag­ten der Fall – kurz­zei­tig ei­ne an­ti­mi­kro­bi­el­le Wir­kung hat.

[36]   Ei­ne sol­che, von den Vor­in­stan­zen rechts­feh­ler­haft an­ge­nom­me­ne al­lei­ni­ge Ri­si­ko­tra­gung der Be­klag­ten kann ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts auch nicht mit dem Ar­gu­ment als in­ter­es­sen­ge­recht an­ge­se­hen wer­den, das Äqui­va­lent für die Min­dest­ab­nah­me­ver­pflich­tung der Be­klag­ten sei die Über­tra­gung des Al­lein­ver­triebs­rechts und nicht der Er­folg des Ver­trags. Zwar hat der Se­nat in ei­ner äl­te­ren Ent­schei­dung zu ei­nem Händ­ler-Ver­triebs­ver­trag im Zu­sam­men­hang mit der Be­stim­mung des Ver­trags­typs aus­ge­führt, bei händ­ler­ver­trags­ty­pi­scher Aus­le­gung stel­le die Über­nah­me ei­ner Min­dest­be­zugs­ver­pflich­tung in der Re­gel die Ge­gen­leis­tung des Händ­lers für das ihm vom Her­stel­ler über­tra­ge­ne Al­lein­ver­triebs­recht dar (Se­nat, Urt. v. 12.07.1995 – VI­II ZR 219/94, NJW-RR 1995, 1327 [un­ter III 2]). Die­se Über­le­gun­gen las­sen sich auf die hier vor­lie­gen­de Fall­ge­stal­tung je­doch schon des­halb nicht über­tra­gen, weil es sich bei dem Ver­trag der Par­tei­en nicht um ei­nen Händ­ler­ver­trag han­delt und die Be­klag­te aus dem ge­lie­fer­ten Ad­di­tiv zu­nächst selbst ein Pro­dukt her­stel­len muss, des­sen Wir­kungs­wei­se und wirt­schaft­li­chen Er­folg sie bei Ver­trags­ab­schluss mit der Klä­ge­rin noch nicht si­cher be­ur­tei­len konn­te. Das der Be­klag­ten über­tra­ge­ne Al­lein­ver­triebs­recht ist wert­los, wenn – wie hier zu un­ter­stel­len ist – das von der Klä­ge­rin ge­lie­fer­te Pro­dukt nicht die ver­ein­bar­te Wirk­sam­keit ent­fal­tet.

[37]   cc) Nach dem re­vi­si­ons­recht­lich zu­grun­de zu le­gen­den Vor­trag der Be­klag­ten eig­net sich das Ad­di­tiv, des­sen Ab­nah­me und Be­zah­lung die Klä­ge­rin von ihr ver­langt, nicht für die nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung, in ei­ner In­nen­raum­far­be der Be­klag­ten ei­ne dau­er­haf­te, zu­min­dest aber lang­jäh­ri­ge an­ti­mi­kro­bi­el­le Wir­kung zu er­zeu­gen. Nach dem Vor­trag der Be­klag­ten ent­fal­tet das Ad­di­tiv der Be­klag­ten viel­mehr – vor al­lem in tro­cke­nen Räu­men – kei­ne an­ti­mi­kro­bi­el­le Lang­zeit­wirk­sam­keit, son­dern wirkt le­dig­lich 18 Stun­den lang und be­wirkt auch nicht ei­ne ef­fek­ti­ve­re Ab­tö­tung von Mi­kro­bak­te­ri­en als durch markt­her­kömm­li­che Ad­di­ti­ve, viel­mehr hat ei­ne mit den Ad­di­ti­ven der Klä­ge­rin ver­se­he­ne Far­be nach der Dar­stel­lung der Be­klag­ten kei­ne ef­fek­ti­ve­re Wir­kung bei der Eli­mi­nie­rung von Kran­ken­haus­kei­men als ei­ne her­kömm­li­che La­tex-Wand­far­be oh­ne jeg­li­che Zu­satz­stof­fe.

[38]   Das Be­ru­fungs­ge­richt hät­te des­halb Be­weis, ins­be­son­de­re durch Ein­ho­lung des von der Klä­ge­rin an­ge­bo­te­nen Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens, über die im Streit ste­hen­de Fra­ge er­he­ben müs­sen, ob das Ad­di­tiv sich für die oben ge­nann­te nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung eig­net. Dies wird nach­zu­ho­len sein. Da­bei wird das Be­ru­fungs­ge­richt auch zu be­rück­sich­ti­gen ha­ben, dass die Eig­nung ei­ner Sa­che für ei­ne be­stimm­te – nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setz­te – Ver­wen­dung nicht erst dann zu ver­nei­nen ist, wenn die Taug­lich­keit der Kauf­sa­che zu die­sem Ge­brauch ganz auf­ge­ho­ben ist, son­dern be­reits dann, wenn sie le­dig­lich ge­min­dert ist (Se­nat, Urt. v. 26.04.2017 – VI­II ZR 80/16, NJW 2017, 2817 Rn. 16, 18 m. w. Nachw.).

[39]   c) Bei Vor­lie­gen des – hier zu un­ter­stel­len­den – Sach­man­gels nach § 434 I 2 Nr. 1 BGB muss die Be­klag­te die mit der Kla­ge gel­tend ge­mach­te Rest­men­ge des Ad­di­tivs (der­zeit) we­der ab­neh­men noch be­zah­len (§ 433 II BGB).

[40]   aa) Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob dies be­reits dar­aus folgt, dass die Be­klag­te, wie die Re­vi­si­on – an­ders als die Be­klag­te noch in den Tat­sa­chen­in­stan­zen – gel­tend macht, mit ih­rem Schrei­ben vom 09.01.2012, spä­tes­tens aber mit der Kla­ge­er­wi­de­rung kon­klu­dent we­gen des Sach­man­gels den Rück­tritt vom Ver­trag er­klärt hät­te. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat hier­zu – mit Aus­nah­me der Be­mer­kung, aus den vor­lie­gen­den Un­ter­la­gen kön­ne „ehes­tens“ dem vor­ste­hend ge­nann­ten Schrei­ben der Be­klag­ten „die schlüs­sig er­klär­te Ver­trags­kün­di­gung“ ent­nom­men wer­den – kei­ne Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen. Eben­so hat es, von sei­nem Rechts­stand­punkt aus fol­ge­rich­tig, Fest­stel­lun­gen da­zu für ent­behr­lich ge­hal­ten, ob die Be­klag­te der Klä­ge­rin vor ei­ner mög­li­chen Er­klä­rung des Rück­tritts (er­folg­los) ei­ne nach §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 323 I BGB grund­sätz­lich er­for­der­li­che Frist zur Nach­er­fül­lung ge­setzt hat oder ob hier­auf aus­nahms­wei­se nach den Be­stim­mun­gen in § 323 II BGB und § 440 BGB ver­zich­tet wer­den durf­te (vgl. Se­nat, Urt. v. 26.10.2016 – VI­II ZR 240/15, NJW 2017, 153 Rn. 17). In die­sem Zu­sam­men­hang hat­te das Be­ru­fungs­ge­richt – das schon kei­ne Fest­stel­lun­gen zum Vor­lie­gen des oben ge­nann­ten Sach­man­gels ge­trof­fen hat – bis­her auch kei­nen An­lass zu prü­fen, ob es sich ge­ge­be­nen­falls um ei­nen nicht be­heb­ba­ren Man­gel han­delt und es des­halb ei­nes Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gens nicht be­durf­te (vgl. Se­nat, Urt. v. 15.06.2016 – VI­II ZR 134/15, NJW 2016, 2874 Rn. 19).

[41]   bb) Da das Ad­di­tiv, des­sen Ab­nah­me und Be­zah­lung die Klä­ge­rin er­strebt, nach dem re­vi­si­ons­recht­lich zu­grun­de zu le­gen­den Sach­ver­halt im Hin­blick auf die im Ver­trag vor­ge­se­he­ne Ver­wen­dung (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB) nicht frei von Sach­män­geln ist (§ 433 I 2 BGB), ist die Be­klag­te ge­mäß § 320 I 1 BGB be­rech­tigt, den ver­ein­bar­ten Kauf­preis ins­ge­samt bis zur man­gel­frei­en Lie­fe­rung ein­zu­be­hal­ten und die Ab­nah­me des man­gel­haf­ten Ad­di­tivs (§ 433 II BGB) ge­mäß § 273 I BGB zu ver­wei­gern.

[42]   (1) Nach § 320 I 1 BGB kann im Rah­men ei­nes – hier vor­lie­gen­den – ge­gen­sei­ti­gen Ver­trags je­de Ver­trags­par­tei, so­fern sie nicht zur Vor­leis­tung ver­pflich­tet ist, die ihr ob­lie­gen­de Leis­tung bis zur Be­wir­kung der Ge­gen­leis­tung ver­wei­gern. Die­ses Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht, das die Be­klag­te, wie den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts zu ent­neh­men ist, zu­min­dest still­schwei­gend gel­tend ge­macht hat, in­dem sie un­ter Be­ru­fung auf die Man­gel­haf­tig­keit des Ad­di­tivs die Ab­nah­me wei­te­rer Lie­fe­run­gen ab­ge­lehnt hat, be­steht bis zur Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Ad­di­tivs und er­fasst die ge­sam­te For­de­rung (vgl. Se­nat, Urt. v. 26.10.2016 – VI­II ZR 211/15, NJW 2017, 1100 Rn. 17).

[43]   Nach § 433 I 2 BGB ist die Klä­ge­rin ver­pflich­tet, die Sa­che frei von Sach- und Rechts­män­geln zu ver­schaf­fen. Zah­lung des ver­ein­bar­ten Kauf­prei­ses für die ver­ein­bar­ten, von der Be­klag­ten noch nicht ab­ge­nom­me­nen Min­dest­men­gen kann die Klä­ge­rin mit­hin nur Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Ad­di­tivs in ei­nem man­gel­frei­en Zu­stand ver­lan­gen (vgl. Se­nat, Urt. v. 26.10.2016 – VI­II ZR 211/15, NJW 2017, 1100 Rn. 17). Das im Ver­trag der Par­tei­en ge­nann­te und von der Klä­ge­rin zur Lie­fe­rung an­ge­bo­te­ne Ad­di­tiv ist je­doch nach dem re­vi­si­ons­recht­lich zu­grun­de zu le­gen­den Sach­ver­halt nicht man­gel­frei. Da das Be­ru­fungs­ge­richt bis­her – von sei­nem Rechts­stand­punkt aus fol­ge­rich­tig – kei­ne Fest­stel­lun­gen zur Be­heb­bar­keit des Man­gels ge­trof­fen hat, ist für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren da­von aus­zu­ge­hen, dass der Klä­ge­rin ei­ne Er­fül­lung des Kauf­ver­trags je­doch wei­ter­hin mög­lich ist.

[44]   (2) Die Be­klag­te ist im Rah­men des von ihr gel­tend ge­mach­ten Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­rechts auch be­rech­tigt, ge­mäß § 273 I BGB die von der Klä­ge­rin ge­for­der­te Ab­nah­me der von ihr an­ge­bo­te­nen (wei­te­ren) Min­dest­men­gen des Ad­di­tivs we­gen des­sen Man­gel­haf­tig­keit zu ver­wei­gern (vgl. hier­zu im Ein­zel­nen Se­nat, Urt. v. 26.10.2016 – VI­II ZR 211/15, NJW 2017, 1100 Rn. 29 ff).

[45]   III. Nach al­le­dem kann das Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts kei­nen Be­stand ha­ben; es ist da­her auf­zu­he­ben (§ 562 I ZPO). Die nicht ent­schei­dungs­rei­fe Sa­che ist zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 563 I 1 ZPO). Da­bei macht der Se­nat von der Mög­lich­keit des § 563 I 2 ZPO Ge­brauch.

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