Art. 5 I und Art. 7 I Un­ter­ab­satz 2 der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter sind da­hin aus­zu­le­gen, dass sie der Re­ge­lung ei­nes Mit­glied­staats ent­ge­gen­ste­hen, die es er­laubt, dass die Ver­jäh­rungs­frist für die Kla­ge ei­nes Ver­brau­chers ei­ne kür­ze­re Dau­er als zwei Jah­re ab Lie­fe­rung des Gu­tes be­trägt, wenn die­ser Mit­glied­staat von der in der zwei­ten die­ser Be­stim­mun­gen der Richt­li­nie er­öff­ne­ten Mög­lich­keit Ge­brauch ge­macht hat, und wenn der Ver­käu­fer und der Ver­brau­cher für das be­tref­fen­de ge­brauch­te Gut ei­ne Haf­tungs­frist des Ver­käu­fers ver­ein­bart ha­ben, die kür­zer als zwei Jah­re, näm­lich ein Jahr, ist.

EuGH (Fünf­te Kam­mer), Ur­teil vom 13.07.2017 – C-133/16 (Fe­ren­schild/JPC Mo­tor SA)

Das vor­lie­gen­de Ur­teil be­trifft die Aus­le­gung von Art. 5 I und Art. 7 I Un­ter­ab­satz 2 der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter (ABl. 1999 L 171, 12). Es er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen Herrn Chris­ti­an Fe­ren­schild und der JPC Mo­tor SA, in dem Herr Fe­ren­schild von der JPC Mo­tor SA un­ter an­de­rem den Er­satz des Scha­dens for­dert, den er auf­grund der Ver­trags­wid­rig­keit ei­nes von der JPC Mo­tor SA er­wor­be­nen Fahr­zeugs er­lit­te­nen hat.

Sach­ver­halt: Am 21.09.2010 er­warb Herr Fe­ren­schild, ein nie­der­län­di­scher Staats­an­ge­hö­ri­ger mit Wohn­sitz in Bel­gi­en, von der JPC Mo­tor SA ein Ge­braucht­fahr­zeug zum Preis von 14.000 €.

Die Zu­las­sung die­ses Fahr­zeugs wur­de am 22.09.2010 von der Ab­tei­lung für Fahr­zeug­zu­las­sung (Bel­gi­en) ver­wei­gert, weil der Pkw im Schen­ge­ner In­for­ma­ti­ons­sys­tem (SIS) als ge­stoh­len ge­mel­det war. So­mit wur­de ei­ne Ver­trags­wid­rig­keit des Fahr­zeugs fest­ge­stellt.

Am 07.10.2010 wies der Ver­si­che­rer, bei dem Herr Fe­ren­schild ei­ne Rechts­schutz­ver­si­che­rung ab­ge­schlos­sen hat­te, die JPC Mo­tor SA auf die­se Ver­trags­wid­rig­keit hin. Der Ver­si­che­rer be­rief sich mit der Be­grün­dung, dass das Fahr­zeug ei­nen ver­steck­ten Funk­ti­ons­man­gel auf­wei­se, auf ei­ne Haf­tung des Ver­käu­fers und for­der­te ihn auf, das Fahr­zeug zu­rück­zu­neh­men und den Kauf­preis vor­be­halt­lich et­wai­ger zwi­schen dem Zeit­punkt des Ver­kaufs und dem künf­ti­gen Zeit­punkt der Auf­he­bung die­ses Ver­kaufs ent­stan­de­ner Kos­ten oder er­lit­te­ner Ver­lus­te zu­rück­zu­zah­len.

Nach­for­schun­gen der JPC Mo­tor SA er­ga­ben, dass die Fahr­zeug­pa­pie­re – und nicht das Fahr­zeug selbst – ge­stoh­len wor­den wa­ren, um ein ähn­li­ches, aus ei­ner Straf­tat stam­men­des Au­to in Ita­li­en zu „ver­ber­gen“. So­mit konn­te das von Herrn Fe­ren­schild er­wor­be­ne Fahr­zeug am 07.01.2011 von der Ab­tei­lung für Fahr­zeug­zu­las­sung ord­nungs­ge­mäß zu­ge­las­sen wer­den.

Am 21.10.2011 for­der­te der Rechts­bei­stand von Herrn Fe­ren­schild die JPC Mo­tor SA zum Er­satz der Schä­den auf, die sei­nem Man­dan­ten auf­grund der Ver­trags­wid­rig­keit des Fahr­zeugs ent­stan­den sei­en. Nach­dem die JPC Mo­tor SA die Scha­dens­er­satz­for­de­rung un­ter Be­ru­fung auf ih­re ver­spä­te­te Gel­tend­ma­chung be­strit­ten hat­te, er­hob Herr Fe­ren­schild am 12.03.2012 beim Tri­bu­nal de com­mer­ce de Mons (Han­dels­ge­richt Mons, Bel­gi­en) Kla­ge auf Er­satz der auf­grund der Ver­trags­wid­rig­keit des in Re­de ste­hen­den Fahr­zeugs er­lit­te­nen Schä­den. Er ver­lang­te – nebst Ver­zugs- und Pro­zess­zin­sen seit dem 07.10.2010 – die Er­stat­tung der Kos­ten für die An­mie­tung ei­nes Er­satz­fahr­zeugs und der auf­ge­wen­de­ten Ver­wal­tungs­kos­ten so­wie ei­ne Min­de­rung des Kauf­prei­ses für den Wert­ver­lust des er­wor­be­nen Fahr­zeugs.

Mit Ur­teil vom 09.01.2014 wies das Tri­bu­nal de com­mer­ce de Mons (Han­dels­ge­richt Mons, Bel­gi­en) die Kla­ge von Herrn Fe­ren­schild ab. Am 03.04.2014 leg­te Herr Fe­ren­schild bei der Cour d’ap­pel de Mons (Ap­pel­la­ti­ons­ge­richt Mons, Bel­gi­en) Be­ru­fung ge­gen die­ses Ur­teil ein. Am 08.06.2015 ent­schied die Cour d’ap­pel de Mons (Ap­pel­la­ti­ons­ge­richt Mons, Bel­gi­en), dass das ver­kauf­te Fahr­zeug ver­trags­wid­rig i. S. der Art. 1649bis ff. des Zi­vil­ge­setz­buchs ge­we­sen, die Ver­trags­wid­rig­keit aber durch die Zu­las­sung des Fahr­zeugs auf­ge­löst wor­den sei. Den­noch wur­de von Amts we­gen die Wie­der­er­öff­nung der münd­li­chen Ver­hand­lung be­schlos­sen, um den Par­tei­en Ge­le­gen­heit zu ge­ben, un­ter an­de­rem zur Ver­jäh­rung der Kla­ge­for­de­rung Stel­lung zu neh­men.

Zur Ver­jäh­rung der Kla­ge­for­de­rung führt das vor­le­gen­de Ge­richt ers­tens aus, dass zwi­schen der „Ga­ran­tie­frist“ und der „Ver­jäh­rungs­frist“ zu un­ter­schei­den sei. Hier­zu prä­zi­siert es zum ei­nen, dass die in Art. 1649quater § 1 des Zi­vil­ge­setz­buchs vor­ge­se­he­ne Ga­ran­tie­frist zwei Jah­re ab Lie­fe­rung des Gu­tes be­tra­ge. Die­se Frist kön­ne nach Un­ter­ab­satz 3 die­ser Be­stim­mung durch ei­ne Ver­ein­ba­rung der Par­tei­en des Kauf­ver­trags für ge­brauch­te Gü­ter auf ei­ne Min­dest­dau­er von ei­nem Jahr ver­kürzt wer­den. Die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens hät­ten von die­ser Mög­lich­keit zur Ver­kür­zung der Ga­ran­tie­frist auf ein Jahr Ge­brauch ge­macht. Zum an­de­ren be­tra­ge die in Art. 1649quater § 3 des Zi­vil­ge­setz­buchs vor­ge­se­he­ne Ver­jäh­rungs­frist ein Jahr ab dem Tag, an dem die Ver­trags­wid­rig­keit vom Ver­brau­cher fest­ge­stellt wor­den sei, wo­bei die­se Frist nicht vor dem En­de der in § 1 die­ses Ar­ti­kels vor­ge­se­he­nen zwei­jäh­ri­gen Frist ab­lau­fen dür­fe. Das vor­le­gen­de Ge­richt stellt zwei­tens fest, dass die Kla­ge im vor­lie­gen­den Fall am 12.03.2012 ein­ge­reicht wor­den sei, mit­hin mehr als ein Jahr nach der Lie­fe­rung des in Re­de ste­hen­den Fahr­zeugs am 21.09.2010 und der Fest­stel­lung der Ver­trags­wid­rig­keit die­ses Fahr­zeugs am 22.09.2010. In die­sem Zu­sam­men­hang stel­le sich die Fra­ge der Aus­le­gung von Art. 1649qua­ter § 3 des Zi­vil­ge­setz­buchs zur Ver­jäh­rungs­frist in ei­ner Si­tua­ti­on wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den, in der die Ga­ran­tie­frist per Ver­ein­ba­rung auf die Dau­er von ei­nem Jahr ver­kürzt wor­den sei. Ge­nau­er ge­sagt möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob die in die­ser Be­stim­mung ge­nann­te Ver­jäh­rungs­frist in ei­ner sol­chen Si­tua­ti­on bis zum Ab­lauf der in Art. 1649quater § 1 vor­ge­se­he­nen zwei­jäh­ri­gen Ga­ran­tie­frist ver­län­gert wer­den muss.

Hier­zu macht JPC Mo­tor SA un­ter an­de­rem gel­tend, dass die Ver­län­ge­rung der Ver­jäh­rungs­frist bis zum Ab­lauf der zwei­jäh­ri­gen Frist in An­be­tracht des Ge­set­zes­zwecks von Art. 1649quater § 3 des Zi­vil­ge­setz­buchs – der ver­mei­den sol­le, dass die An­sprü­che ei­nes Ver­brau­chers vor Ab­lauf der Ga­ran­tie­frist ver­jähr­ten – dann nicht ge­recht­fer­tigt sei, wenn die Ga­ran­tie­frist zu­läs­si­ger­wei­se auf die Dau­er von ei­nem Jahr ver­kürzt wor­den sei. In ei­ner sol­chen Si­tua­ti­on sei die­se Be­stim­mung da­hin aus­zu­le­gen, dass die Ver­jäh­rungs­frist für ei­ne ge­richt­li­che Kla­ge, die vom Ver­brau­cher er­ho­ben wer­den kön­ne, vor dem En­de der zwei­jäh­ri­gen Frist ab der Lie­fe­rung des ge­brauch­ten Gu­tes ab­lau­fen kön­ne. Herr Fe­ren­schild be­ruft sich sei­ner­seits ins­be­son­de­re dar­auf, dass Art. 5 I so­wie Art. 7 I Un­ter­ab­satz 2 der Richt­li­nie 1999/44/EG den Mit­glied­staa­ten nicht er­lau­be, für die Kla­ge ei­nes Ver­brau­chers be­zo­gen auf den Ver­kauf ei­nes ge­brauch­ten Gu­tes ei­ne kür­ze­re Ver­jäh­rungs­frist als zwei Jah­re ab Lie­fe­rung des Gu­tes vor­zu­se­hen.

Das vor­le­gen­de Ge­richt gibt zu be­den­ken, Art. 1649quater § 3 des Zi­vil­ge­setz­buchs könn­te da­hin aus­ge­legt wer­den, dass die Ver­jäh­rungs­frist für die Kla­ge des Ver­brau­chers vor dem En­de der zwei­jäh­ri­gen Frist nach Lie­fe­rung des ge­brauch­ten Gu­tes ab­lau­fe. Da­her stel­le sich die Fra­ge der Ver­ein­bar­keit der Be­stim­mun­gen des bel­gi­schen Rechts mit der Richt­li­nie 1999/44/EG und ins­be­son­de­re de­ren Art. 5 I so­wie Art. 7 I Un­ter­ab­satz 2. Un­ter die­sen Um­stän­den hat die Cour d’ap­pel de Mons (Ap­pel­la­ti­ons­ge­richt Mons, Bel­gi­en) be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem Ge­richts­hof die fol­gen­de Fra­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen:

Ist Art. 5 I i. V. mit Art. 7 I Un­ter­ab­satz 2 der Richt­li­nie 1999/44/EG da­hin aus­zu­le­gen, dass er ei­ner Be­stim­mung des na­tio­na­len Rechts ent­ge­gen­steht, die da­hin aus­ge­legt wird, dass sie es bei ge­brauch­ten Gü­tern zu­lässt, dass die Ver­jäh­rungs­frist für die An­sprü­che des Ver­brau­chers vor dem En­de der Frist von zwei Jah­ren nach der Lie­fe­rung des ver­trags­wid­ri­gen Ver­brauchs­guts ab­läuft, wenn der Ver­käu­fer und der Ver­brau­cher ei­ne Ga­ran­tie­frist von we­ni­ger als zwei Jah­ren ver­ein­bart ha­ben?

Der EuGH hat die­se Fra­ge wie aus dem Leit­satz er­sicht­lich be­ant­wor­tet.

Aus den Grün­den: [32]   Mit sei­ner Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 5 I und Art. 7 I Un­ter­ab­satz 2 der Richt­li­nie 1999/44/EG da­hin aus­zu­le­gen sind, dass sie der Re­ge­lung ei­nes Mit­glied­staats ent­ge­gen­ste­hen, die es er­laubt, dass die Ver­jäh­rungs­frist für die Kla­ge ei­nes Ver­brau­chers we­ni­ger als zwei Jah­re ab Lie­fe­rung des Gu­tes be­trägt, wenn die­ser Mit­glied­staat von der in der zwei­ten die­ser Be­stim­mun­gen der Richt­li­nie er­öff­ne­ten Mög­lich­keit Ge­brauch ge­macht hat und Ver­käu­fer und Ver­brau­cher für das be­tref­fen­de ge­brauch­te Gut ei­ne Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers ver­ein­bart ha­ben, die kür­zer als zwei Jah­re, näm­lich ein Jahr, ist.

[33]   Um dem vor­le­gen­den Ge­richt ei­ne sach­ge­rech­te Ant­wort zu ge­ben, ist ers­tens dar­auf hin­zu­wei­sen, dass nach Art. 5 („Fris­ten“) Abs. 1 der Richt­li­nie 1999/44/EG zwi­schen zwei Ar­ten von Fris­ten zu un­ter­schei­den ist, von de­nen je­de ei­ne un­ter­schied­li­che Ziel­set­zung ver­folgt.

[34]   Es han­delt sich zum ei­nen um die in Art. 5 I 1 die­ser Richt­li­nie ge­nann­te Frist, das heißt die Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers, die sich auf den Zeit­raum be­zieht, in dem das Auf­tre­ten ei­ner Ver­trags­wid­rig­keit des in Re­de ste­hen­den Gu­tes die in Art. 3 der Richt­li­nie vor­ge­se­he­ne Haf­tung des Ver­käu­fers aus­löst und so­mit zur Ent­ste­hung der Rech­te führt, die die­ser zu­letzt ge­nann­te Ar­ti­kel zu­guns­ten des Ver­brau­chers vor­sieht. Die­se Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers be­trägt grund­sätz­lich zwei Jah­re ab Lie­fe­rung des Gu­tes.

[35]   Zum an­de­ren han­delt es sich bei der Frist, auf die sich Art. 5 I 2 der Richt­li­nie be­zieht, um ei­ne Ver­jäh­rungs­frist, die dem Zeit­raum ent­spricht, in dem der Ver­brau­cher sei­ne Rech­te, die wäh­rend der Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers ent­stan­den sind, tat­säch­lich ge­gen­über die­sem aus­üben kann.

[36]   Zwei­tens über­lässt es Art. 5 I der Richt­li­nie 1999/44/EG – wie der Ge­ne­ral­an­walt in Nr. 52 sei­ner Schluss­an­trä­ge fest­ge­stellt hat –, auch wenn er die Ein­füh­rung ei­ner Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers vor­schreibt, de­ren Min­dest­dau­er grund­sätz­lich zwei Jah­re ab der Lie­fe­rung des Gu­tes be­trägt, den na­tio­na­len Ge­setz­ge­bun­gen, über die Ein­füh­rung ei­ner Ver­jäh­rungs­frist für ei­ne Kla­ge des Ver­brau­chers zu ent­schei­den.

[37]   Aus dem Wort­laut von Art. 5 I 2 die­ser Richt­li­nie er­gibt sich al­ler­dings in Ver­bin­dung mit ih­rem 17. Er­wä­gungs­grund, dass ei­ne Ver­jäh­rungs­frist – so­weit ei­ne sol­che im na­tio­na­len Recht ein­ge­führt wur­de – nicht wäh­rend der zwei Jah­re ab­lau­fen darf, die auf die Lie­fe­rung des be­tref­fen­den Gu­tes fol­gen, und zwar auch dann, wenn die­se Frist nach dem na­tio­na­len Recht nicht mit dem Zeit­punkt der Lie­fe­rung die­ses Gu­tes zu lau­fen be­ginnt.

[38]   Aus den vor­ste­hen­den Er­wä­gun­gen er­gibt sich, dass zur Ge­währ­leis­tung ei­nes ein­heit­li­chen Ver­brau­cher­schutz-Min­dest­ni­veaus im Rah­men des Bin­nen­markts ge­mäß ins­be­son­de­re Art. 1 I der Richt­li­nie 1999/44/EG mit ih­rem Art. 5 I zwei ver­schie­de­ne Fris­ten ein­ge­führt wur­den, näm­lich ei­ne Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers und ei­ne Ver­jäh­rungs­frist. Die­se bei­den Fris­ten ha­ben grund­sätz­lich ei­ne un­ab­ding­ba­re Min­dest­dau­er von zwei Jah­ren ab der Lie­fe­rung des be­tref­fen­den Gu­tes.

[39]   Die Un­ab­ding­bar­keit die­ser grund­sätz­li­chen Min­dest­dau­er wird durch den Wort­laut von Art. 7 I Un­ter­ab­satz 1 die­ser Richt­li­nie in Ver­bin­dung mit ih­rem sieb­ten Er­wä­gungs­grund be­stä­tigt, da die Par­tei­en nach die­ser Be­stim­mung grund­sätz­lich nicht durch ei­ne Ver­ein­ba­rung von ihr ab­wei­chen dür­fen und die Mit­glied­staa­ten auf ih­re Ein­hal­tung ach­ten müs­sen (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 04.06.2015 – C-497/13, EU:C:2015:357 Rn. 55 – Fa­ber).

[40]   Drit­tens lässt – wie der Ge­ne­ral­an­walt in Nr. 53 sei­ner Schluss­an­trä­ge her­vor­ge­ho­ben hat – schon der Wort­laut von Art. 5 I der Richt­li­nie 1999/44/EG den Schluss zu, dass die Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers und die Dau­er ei­ner et­wai­gen Ver­jäh­rungs­frist nicht mit­ein­an­der ver­knüpft sind. In Art. 5 I 2 die­ser Richt­li­nie wird näm­lich nicht auf den ers­ten Satz die­ser Be­stim­mung ver­wie­sen. Die­se Be­stim­mung macht so­mit ent­ge­gen den Aus­füh­run­gen ins­be­son­de­re der bel­gi­schen Re­gie­rung in ih­ren schrift­li­chen Er­klä­run­gen die Dau­er ei­ner et­wai­gen Ver­jäh­rungs­frist nicht von der Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers ab­hän­gig.

[41]   In An­be­tracht der vor­ste­hen­den Ge­sichts­punk­te ist zum ei­nen fest­zu­stel­len, dass die Ver­jäh­rungs­frist von min­des­tens zwei Jah­ren ab der Lie­fe­rung des Gu­tes ei­nen wich­ti­gen As­pekt des von der Richt­li­nie 1999/44/EG ge­währ­leis­te­ten Ver­brau­cher­schut­zes dar­stellt, und zum an­de­ren, dass die Dau­er die­ser Frist nicht von der Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers ab­hängt.

[42]   Vier­tens ist da­von aus­zu­ge­hen, dass Art. 7 I Un­ter­ab­satz 2 die­ser Richt­li­nie, nach dem es den Mit­glied­staa­ten frei­steht, im Fall von ge­brauch­ten Gü­tern vor­zu­se­hen, dass der Ver­käu­fer und der Ver­brau­cher sich dar­auf ei­ni­gen kön­nen, dass der Ver­käu­fer we­ni­ger lan­ge haf­tet als in Art. 5 I der Richt­li­nie vor­ge­se­hen – wo­bei die­se Frist nicht un­ter ei­nem Jahr lie­gen darf –, kei­ne an­de­re Aus­le­gung recht­fer­tigt.

[43]   In­so­weit ist zu­nächst dar­auf hin­zu­wei­sen, dass sich Art. 7 I Un­ter­ab­satz 2 der Richt­li­nie 1999/44/EG nicht auf die Ver­jäh­rungs­frist be­zieht, son­dern aus­schließ­lich auf die Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers, wie sie in Art. 5 I 1 die­ser Richt­li­nie ge­nannt wird. Ver­schie­de­ne Sprach­fas­sun­gen der Richt­li­nie, un­ter an­de­rem die Fas­sun­gen in spa­ni­scher, eng­li­scher, fran­zö­si­scher und ita­lie­ni­scher Spra­che, be­zie­hen sich näm­lich in Art. 7 I Un­ter­ab­satz 2 auf die Haf­tung des Ver­käu­fers.

[44]   Fer­ner ist der Wort­laut von Art. 7 I Un­ter­ab­satz 2 der Richt­li­nie 1999/44/EG in sei­ner deut­schen Sprach­fas­sung in­so­weit noch kla­rer. Wäh­rend die­se Be­stim­mung im ers­ten Satz näm­lich die Mög­lich­keit vor­sieht, für ge­brauch­te Gü­ter den Zeit­raum zu be­gren­zen, in dem der Ver­käu­fer nach Art. 5 I die­ser Richt­li­nie haf­tet („der Ver­käu­fer we­ni­ger lan­ge haf­tet als in Art. 5 I vor­ge­se­hen“), wird in ih­rem zwei­ten Satz klar aus­ge­führt, dass sich die­se Mög­lich­keit auf die Dau­er der Haf­tung des Ver­käu­fers be­zieht („[d]ie­se kür­ze­re Haf­tungs­dau­er“).

[45]   Ei­ne sol­che Aus­le­gung wird dar­über hin­aus vom 16. Er­wä­gungs­grund be­stä­tigt, in dem es heißt, dass die Mit­glied­staa­ten den Par­tei­en ge­stat­ten kön­nen, für ge­brauch­te Gü­ter ei­ne kür­ze­re „Haf­tungs­dau­er“ zu ver­ein­ba­ren.

[46]   So­dann ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass – wie be­reits in Rn. 39 des vor­lie­gen­den Ur­teils aus­ge­führt wur­de – die Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers von zwei Jah­ren ab der Lie­fe­rung des Gu­tes, wie sie in Art. 5 I 1 der Richt­li­nie 1999/44/EG ge­nannt wird, ei­ne zwin­gen­de Frist dar­stellt, die die Ver­trags­par­tei­en grund­sätz­lich nicht ab­be­din­gen kön­nen. Da­her stellt Art. 7 I Un­ter­ab­satz 2 die­ser Richt­li­nie, der den Mit­glied­staa­ten ge­stat­tet, im Fall ge­brauch­ter Gü­ter vor­zu­se­hen, dass die Par­tei­en ei­ne kür­ze­re Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers mit ei­ner Min­dest­dau­er von ei­nem Jahr ver­ein­ba­ren kön­nen, wie der Ge­ne­ral­an­walt in den Nrn. 74 und 75 sei­ner Schluss­an­trä­ge aus­ge­führt hat, ei­ne Aus­nah­me­re­ge­lung dar, die eng aus­zu­le­gen ist (vgl. ent­spre­chend EuGH, Urt. v. 01.03.2012 – C-166/11, EU:C:2012:119 Rn. 26 – González Alon­so – und die dort an­ge­führ­te Recht­spre­chung).

[47]   Die den Mit­glied­staa­ten ein­ge­räum­te Mög­lich­keit, im Fall ge­brauch­ter Gü­ter vor­zu­se­hen, dass die Par­tei­en die Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers auf ein Jahr ab der Lie­fe­rung des Gu­tes be­gren­zen dür­fen, ver­leiht ih­nen da­her kei­ne Be­fug­nis, auch zu be­stim­men, dass die Par­tei­en die Dau­er der in Art. 5 I 2 der Richt­li­nie ge­nann­ten Ver­jäh­rungs­frist be­gren­zen dür­fen.

[48]   Ab­schlie­ßend ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Mit­glied­staa­ten das von der Richt­li­nie 1999/44/EG vor­ge­se­he­ne Min­dest­schutz­ni­veau zu be­ach­ten ha­ben. So­mit kön­nen sie zwar ge­mäß Art. 8 II die­ser Richt­li­nie in Ver­bin­dung mit ih­rem 24. Er­wä­gungs­grund in dem von der Richt­li­nie ge­re­gel­ten Be­reich stren­ge­re Be­stim­mun­gen zur Ge­währ­leis­tung ei­nes noch hö­he­ren Ver­brau­cher­schutz­ni­veaus er­las­sen oder bei­be­hal­ten, dür­fen aber nicht die vom Uni­ons­ge­setz­ge­ber vor­ge­se­he­nen Ga­ran­ti­en be­ein­träch­ti­gen (vgl. in die­sem Sin­ne EuGH, Urt. v. 17.04.2008 – C-404/06, EU:C:2008:231 Rn. 36 – Quel­le).

[49]   Ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de, die es er­mög­licht, dass die Be­gren­zung der Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers auf ein Jahr ei­ne Ver­kür­zung der für den Ver­brau­cher be­ste­hen­den Ver­jäh­rungs­frist mit sich bringt, wür­de zu ei­nem ge­rin­ge­ren Schutz­ni­veau für die­sen füh­ren und wür­de die Ga­ran­ti­en be­ein­träch­ti­gen, die er nach der Richt­li­nie 1999/44/EG ge­nießt. Wie der Ge­ne­ral­an­walt in Nr. 93 sei­ner Schluss­an­trä­ge her­vor­ge­ho­ben hat, wür­de der Ver­brau­cher dann noch vor Ab­lauf von zwei Jah­ren nach der Lie­fe­rung des Gu­tes – ei­nes Zeit­raums, der ihm je­doch nach dem Wort­laut von Art. 5 I 2 die­ser Richt­li­nie ga­ran­tiert wird – gänz­lich sei­nes Rechts­schut­zes be­raubt.

[50]   Nach al­le­dem ist auf die Vor­la­ge­fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 5 I und Art. 7 I Un­ter­ab­satz 2 der Richt­li­nie 1999/44/EG da­hin aus­zu­le­gen sind, dass sie der Re­ge­lung ei­nes Mit­glied­staats ent­ge­gen­ste­hen, die es er­laubt, dass die Ver­jäh­rungs­frist für die Kla­ge ei­nes Ver­brau­chers ei­ne kür­ze­re Dau­er als zwei Jah­re ab Lie­fe­rung des Gu­tes be­trägt, wenn die­ser Mit­glied­staat von der in der zwei­ten die­ser Be­stim­mun­gen der Richt­li­nie er­öff­ne­ten Mög­lich­keit Ge­brauch ge­macht hat, und wenn der Ver­käu­fer und der Ver­brau­cher für das be­tref­fen­de ge­brauch­te Gut ei­ne Haf­tungs­frist des Ver­käu­fers ver­ein­bart ha­ben, die kür­zer als zwei Jah­re, näm­lich ein Jahr, ist.

Hin­weis zum bel­gi­schen Recht: Im bel­gi­schen Recht wur­de die Richt­li­nie 1999/44/EG mit dem am 01.01.2005 in Kraft ge­tre­te­nen Ge­setz vom 01.09.2004 über den Schutz der Ver­brau­cher beim Ver­kauf von Ver­brauchs­gü­tern im Code ci­vil (Zi­vil­ge­setz­buch) um­ge­setzt.

Art. 1649quater des Zi­vil­ge­setz­buchs be­stimmt:

„§ 1 – Ver­käu­fer haf­ten Ver­brau­chern ge­gen­über für Ver­trags­wid­rig­kei­ten, die bei Lie­fe­rung des Ver­brauchs­gu­tes be­ste­hen und in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Jah­ren nach der vor­er­wähn­ten Lie­fe­rung of­fen­bar wer­den. … In Ab­wei­chung von Ab­satz 1 kön­nen Ver­käu­fer und Ver­brau­cher für ge­brauch­te Gü­ter ei­ne Frist von we­ni­ger als zwei Jah­ren ver­ein­ba­ren, die al­ler­dings ein Jahr nicht un­ter­schrei­ten darf. …

§ 3 – An­sprü­che von Ver­brau­chern ver­jäh­ren in ei­nem Jahr ab Fest­stel­lung ei­ner Ver­trags­wid­rig­keit, wo­bei die­se Frist nicht vor der in § 1 vor­ge­se­he­nen Frist von zwei Jah­ren ab­lau­fen darf. …“

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