Ein An­spruch des Käu­fers ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Neu­wa­gens auf Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Fahr­zeugs (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB) be­steht ge­mäß § 275 I BGB nicht, wenn er ein Fahr­zeug mit ei­nem be­stimm­ten Mo­tor be­stellt hat, das so nicht mehr her­ge­stellt wird. Ins­be­son­de­re muss der Ver­käu­fer dem Käu­fer in die­sem Fall kein Fahr­zeug aus der ak­tu­el­len Pro­duk­ti­on lie­fern; denn die Fahr­zeu­ge aus der ak­tu­el­le Pro­duk­ti­on ge­hö­ren nicht der­sel­ben Gat­tung an wie das dem Käu­fer ur­sprüng­lich ge­lie­fer­te (man­gel­haf­te) Fahr­zeug.

LG Darm­stadt, Ur­teil vom 27.03.2017 – 13 O 543/16

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­stell­te bei der be­klag­ten SE­AT-Ver­trags­händ­le­rin am 11.09.2013 ver­bind­lich ei­nen SE­AT Al­ham­bra mit Ta­ges­zu­las­sung. Im Be­stell­for­mu­lar ist der Fahr­zeug­typ wie folgt be­zeich­net: „SE­AT Al­ham­bra Style Sal­sa 2.0 TDI Start&Stop 130 kW“.

Die Be­stel­lung er­folg­te un­ter Be­zug­nah­me auf die Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen des Volks­wa­gen-Kon­zerns. Die­se be­stim­men un­ter IV 6:

„Kon­struk­ti­ons- oder Form­än­de­run­gen, Ab­wei­chun­gen im Farb­ton so­wie Än­de­run­gen des Lie­fer­um­fangs sei­tens des Her­stel­lers blei­ben wäh­rend der Lie­fer­zeit vor­be­hal­ten, so­fern die Än­de­run­gen oder Ab­wei­chun­gen un­ter Be­rück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen des Ver­käu­fers für den Käu­fer zu­mut­bar sind. So­fern der Ver­käu­fer oder der Her­stel­ler zur Be­zeich­nung der Be­stel­lung oder des be­stell­ten Kauf­ge­gen­stands Zei­chen oder Num­mern ge­braucht, kön­nen al­lein dar­aus kei­ne Rech­te her­ge­lei­tet wer­den.“

An­ge­bahnt wur­de der Ver­kauf des Fahr­zeugs über das In­ter­net; ein Ver­kaufs­ge­spräch fand nicht statt, und die Be­klag­te hän­dig­te dem Klä­ger auch kein In­for­ma­ti­ons­ma­te­ri­al aus.

Un­ter dem 27.01.2014 stell­te die Be­klag­te dem Klä­ger für das ab­hol­be­rei­te Fahr­zeug 31.451,65 € in Rech­nung. Nach­dem der Klä­ger die­sen Kauf­preis ge­zahlt hat­te, wur­de ihm der SE­AT Al­ham­bra am 31.01.2014 über­ge­ben.

Das Fahr­zeug ist mit ei­nem Die­sel­mo­tor der Bau­rei­he EA189 aus­ge­stat­tet und des­halb vom so­ge­nann­ten VW-Ab­gas­skan­dal (auch als „Ab­gas­af­fä­re“ oder – be­son­ders in der Pres­se – als „Die­sel­ga­te“ be­zeich­net) be­trof­fen. Das heißt, dass ei­ne sei­tens des Her­stel­lers in­stal­lier­te, für die Ab­gas­kon­troll­an­la­ge zu­stän­di­ge Soft­ware an­hand ei­nes „un­na­tür­li­chen Fahr­ver­hal­tens“ (ho­he Rad­dreh­zah­len oh­ne Be­we­gung des Fahr­zeugs) er­kennt, ob sich das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand be­fin­det. In ei­ner sol­chen Test­si­tua­ti­on ist die Ab­gas­auf­be­rei­tung so op­ti­miert, dass mög­lichst we­nig Stick­oxid (NOX) ent­steht. Im nor­ma­len Fahr­be­trieb wer­den da­ge­gen Tei­le der Ab­gas­kon­troll­an­la­ge au­ßer Be­trieb ge­setzt, wes­halb die NOX-Emis­sio­nen dann er­heb­lich hö­her sind. Die auf dem Prüf­stand ge­mes­se­nen Emis­si­ons­wer­te las­sen sich da­her auch bei an­sons­ten ver­gleich­ba­rer Fahr­si­tua­ti­on (Dreh­zahl, Um­ge­bungs­tem­pe­ra­tur usw.) im rea­len Fahr­be­trieb nicht er­rei­chen. Welt­weit sind knapp elf Mil­lio­nen Die­sel­fahr­zeu­ge der Mar­ken Volks­wa­gen, Au­di, SE­AT und ŠKO­DA von sol­chen Ma­ni­pu­la­tio­nen be­trof­fen; in Deutsch­land sind es 2.460.876 Fahr­zeu­ge, dar­un­ter 104.197 Fahr­zeu­ge der Mar­ke SE­AT (vgl. zu al­le­dem: https://​de.​wikipedia.​org/​wiki/​Abgasskandal m. w. Nachw. [ab­ge­ru­fen am 23.03.2017]).

Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 15.01.2016 ließ der Klä­ger die Be­klag­te auf­for­dern, ihm bis zum 26.02.2016 ge­gen Rück­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs ei­nen „nach ak­tu­el­len Vor­schrif­ten zu­las­sungs­fä­hi­gen, man­gel­frei­en und ver­trags­ge­mä­ßen Neu­wa­gen“ zu lie­fern und ihm bis zum 29.01.2016 den vor­aus­sicht­li­chen Lie­fer­ter­min mit­zu­tei­len. Mit Schrei­ben vom 26.01.2016 er­wi­der­te die Be­klag­te, dass sie in Be­zug auf et­wai­ge „Sach­män­gel­haf­tungs­an­sprü­che“ im Zu­sam­men­hang mit der Soft­ware des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs bis zum 31.12.2016 auf die Ein­re­de der Ver­jäh­rung ver­zich­te, so­weit An­sprü­che nicht be­reits ver­jährt sei­en, da die Sach­la­ge bis­lang nicht ab­schlie­ßend ge­klärt sei. Al­lein we­gen ei­ner Ab­wei­chung zwi­schen auf dem Prüf­stand ge­mes­se­nen Emis­si­ons­wer­ten und den im rea­len Fahr­be­trieb er­mit­tel­ten Emis­si­ons­wer­ten lie­ge noch kein Man­gel vor.

Die Her­stel­le­rin des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs, die am Rechts­streit nicht be­tei­lig­te SE­AT, S.A., leg­te ein Soft­ware­up­date zur Neu­tra­li­sie­rung der Ab­schalt­ein­rich­tung vor. Die­ses gab das Kraft­fahrt-Bun­des­amt mit Schrei­ben vom 20.06.2016 frei. Die Fahr­zeug­her­stel­le­rin führ­te im Ja­nu­ar 2017, al­so nach An­hän­gig­keit der Kla­ge, ei­ne Rück­ruf­ak­ti­on für die vom Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Pkw des Typs SE­AT Al­ham­bra durch. Die Hal­ter die­ser Fahr­zeu­ge wur­den ge­be­ten , sich mit ei­nem SE­AT-Ver­trags­händ­ler in Ver­bin­dung zu set­zen, um ihr Fahr­zeug nach­bes­sern zu las­sen. Die Nach­bes­se­rung wer­de zwi­schen 30 Mi­nu­ten und ei­ner Stun­de dau­ern und für die Hal­ter kos­ten­los sein. Auch wer­de bei Be­darf ei­ne in­di­vi­du­ell auf die Be­dürf­nis­se des Kun­den zu­ge­schnit­te­ne an­ge­mes­se­ne Er­satz­mo­bi­li­tät kos­ten­frei zur Ver­fü­gung ge­stellt. Der Klä­ger mach­te von die­sem An­ge­bot kei­nen Ge­brauch.

Der Klä­ger be­haup­tet, er ha­be sich nach reif­li­cher Über­le­gung be­wusst ge­ra­de für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ent­schie­den, weil er für das The­ma Schad­stoff­emis­sio­nen be­son­ders sen­si­bi­li­siert sei. Die sei­tens der Her­stel­le­rin an­ge­ge­be­nen Emis­si­ons­wer­te wür­den aber nur er­zielt, wenn die in sei­nem Fahr­zeug zum Ein­satz kom­men­de Soft­ware den Schad­stoff­aus­stoß un­zu­läs­sig be­ein­flus­se; die Her­stel­le­rin – so meint der Klä­ger – ha­be die Emis­si­ons­wer­te folg­lich vor­sätz­lich falsch an­ge­ge­ben.

Der Klä­ger hält sein Fahr­zeug für man­gel­haft, weil es im ge­gen­wär­ti­gen Zu­stand we­der die ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit noch ei­ne Zu­las­sungs­eig­nung auf­wei­se. Die mitt­ler­wei­le an­ge­bo­te­ne Nach­bes­se­rung durch ein Soft­ware­up­date die­ne al­lein der Ein­hal­tung öf­fent­lich-recht­li­cher Vor­schrif­ten, füh­re für den Ver­brau­cher aber ins­be­son­de­re zu ei­nem hö­he­ren Kraft­stoff­ver­brauch und ei­ner ge­rin­ge­ren Mo­tor­leis­tung. Oh­ne Nach­bes­se­rung sei das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug prak­tisch un­ver­käuf­lich; auch nach der Nach­bes­se­rung sei in­des mit ei­nem dau­er­haf­ten mer­kan­ti­len Min­der­wert von min­des­tens 10 %, mög­li­cher­wei­se bis zu 25 % zu rech­nen.

Vor die­sem Hin­ter­grund müs­se er – der Klä­ger – sich nicht auf ei­ne Nach­bes­se­rung ver­wei­sen las­sen. Die­se sei viel­mehr un­mög­lich (§§ 275 I, 326 V 1 BGB), weil sie zu neu­en Män­geln füh­re und zu­dem ein er­heb­li­cher mer­kan­ti­ler Min­der­wert ver­blei­be. Er – der Klä­ger – ha­be des­halb An­spruch auf Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Neu­fahr­zeugs (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB). Ei­ne Er­satz­lie­fe­rung sei der Be­klag­ten nicht i. S. von § 275 I BGB un­mög­lich. Der SE­AT Al­ham­bra wer­de noch na­he­zu so pro­du­ziert, wie er – der Klä­ger – das Fahr­zeug be­stellt ha­be. Fahr­zeu­ge der ak­tu­el­len Bau­rei­he un­ter­schie­den sich von zu­vor pro­du­zier­ten Fahr­zeu­gen zwar im We­sent­li­chen da­durch, dass sie die Ab­gas­norm „Eu­ro 6“ statt der Ab­gas­norm „Eu­ro 5“ er­füll­ten und ge­ring­fü­gig leis­tungs­stär­ker sei­en. Sie ge­hör­ten des­halb aber nicht zu ei­ner an­de­ren Gat­tung i. S. von § 243 I BGB.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug, wel­ches un­strei­tig vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen ist, dürf­te wohl al­ler Vor­aus­sicht nach als man­gel­be­haf­tet an­zu­se­hen sein. Al­ler­dings steht dem Klä­ger im Er­geb­nis kein An­spruch auf Nach­lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Neu­wa­gens zu, da ein sol­cher An­spruch ob­jek­tiv dau­er­haft un­mög­lich und da­mit ge­mäß § 275 I BGB aus­ge­schlos­sen wä­re.

Bei dem Kauf ei­nes zu­vor un­ter An­ga­be der tech­ni­schen Ei­gen­schaf­ten abs­trakt be­stell­ten Neu­fahr­zeugs han­delt es sich um ei­nen Gat­tungs­kauf (vgl. Stau­din­ger/Schie­mann, BGB, Neu­be­arb. 2015, § 243 Rn. 9; vgl. fer­ner OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 08.06.2005 – I-3 U 12/04, OLGR 2005, 627). Beim Gat­tungs­kauf er­lischt der An­spruch auf Nach­lie­fe­rung ge­mäß § 275 I BGB we­gen ob­jek­ti­ver Un­mög­lich­keit, wenn die ge­sam­te Gat­tung un­ter­ge­gan­gen ist und nicht mehr her­ge­stellt wird bzw. auf dem Markt nicht mehr ver­füg­bar ist (vgl. Stau­din­ger/Cas­pers, BGB, Neu­be­arb. 2014, § 275 Rn. 19; Jau­er­nig/Stad­ler, BGB, 16. Aufl. [2015], § 275 Rn. 13; ju­risPK-BGB/Seich­ter, 8. Aufl. [2017], § 275 Rn. 20). Das ist hier der Fall. Es ist so­wohl aus der all­ge­mei­nen Be­richt­er­stat­tung als auch aus an­de­ren Ver­fah­ren ge­richts­be­kannt, dass Fahr­zeu­ge mit den von dem Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Mo­to­ren in­zwi­schen nicht mehr her­ge­stellt wer­den. Es mö­gen noch Rest­be­stän­de mit dem im Klä­ger­fahr­zeug ver­bau­ten Mo­tor­typ vor­han­den sein, sol­che Fahr­zeu­ge wä­ren aber schon auf­grund der zwi­schen­zeit­li­chen Stand­zei­ten nicht mehr als „fa­brik­neu“ an­zu­se­hen.

Ein Fahr­zeug aus der ak­tu­el­len Pro­duk­ti­on kann der Klä­ger nicht ver­lan­gen. Es wird nicht ver­kannt, dass durch­aus noch Pkw des Typs SE­AT Al­ham­bra mit 2,0-Li­ter-Tur­bo­die­sel­mo­to­ren her­ge­stellt wer­den und dass die­se Fahr­zeu­ge (trotz zwi­schen­zeit­lich er­folg­ter Mo­dell­pfle­ge­maß­nah­men) kei­ner gänz­lich neu­en Fahr­zeug­gene­ra­ti­on an­ge­hö­ren. Die Fahr­zeu­ge aus ak­tu­el­ler Pro­duk­ti­on ge­hö­ren je­doch nicht mehr der­sel­ben Gat­tung i. S. von § 243 BGB an wie das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug.

Bei ei­ner durch Rechts­ge­schäft be­grün­de­ten Gat­tungs­schuld ist es Sa­che der Par­tei­en, die Gat­tung durch ei­ne be­lie­bi­ge An­zahl von Merk­ma­len be­lie­big eng oder weit zu de­fi­nie­ren (vgl. Stau­din­ger/Schie­mann, a. a. O., § 243 Rn. 8; MünchKomm-BGB/Em­me­rich, 7. Aufl. [2016], § 243 Rn. 6; ju­risPK-BGB/Tous­saint, 8. Aufl. [2017], § 243 Rn. 3; al­le m. w. Nachw.). Hier hat der Klä­ger in sei­ner Be­stel­lung den Fahr­zeug­typ be­stimmt als „SE­AT Al­ham­bra Style Sal­sa 2.0 TDI Start&Stop 130 kW“, al­so als Fahr­zeug mit ei­nem Die­sel­mo­tor mit Di­rekt­ein­sprit­zung und Tur­bo­auf­la­dung („TDI“) mit zwei Li­tern Hub­raum („2.0“) und ei­ner Höchst­leis­tung von 130 kW. Auf­grund die­ser Merk­ma­le lässt sich der be­stell­te Mo­tor ein­deu­tig der Mo­tor­bau­rei­he VW EA189 zu­ord­nen. Mo­to­ren die­ses Typs wer­den seit Mai 2015 nicht mehr im SE­AT Al­ham­bra ver­baut, son­dern sol­che der Mo­tor­bau­rei­he VW EA288, die sich hin­sicht­lich di­ver­ser Leis­tungs­merk­ma­le, Ver­brauch und Ab­gas­norm von dem be­stell­ten Mo­tor­typ wie folgt un­ter­schei­den:

  Klä­ger­fahr­zeug ak­tu­el­le Pro­duk­ti­on
Mo­tor­bau­rei­he VW EA189 VW EA288
Mo­tor­kenn­buch­sta­ben CF­GC CU­WA
Bau­zeit­raum 01/2013–05/2015 seit 05/2015
max. Leis­tung bei min-1 130 kW/4200 135 kW/3500–4000
max. Dreh­mo­ment bei min-1 380 Nm/1750–2500 380 Nm/1750–3000
ma­xi­ma­le Zu­la­dung 641–645 kg 671–712 kg
Be­schleu­ni­gung 0–100 km/h 9,3–9,6 s 8,9 s
Höchst­ge­schwin­dig­keit 206–208 km/h 211–215 km/h
Kraft­stoff­ver­brauch auf 100 km (kom­bi­niert) 5,8–5,9 l Die­sel 5,3–5,8 l Die­sel
CO2-Emis­si­on (kom­bi­niert) 152–154 g/km 138–152 g/km
Ab­gas­norm nach EU-Klas­si­fi­ka­ti­on: Eu­ro 5 Eu­ro 6

(vgl. zu al­le­dem die An­ga­ben zum na­he­zu bau­glei­chen VW Sha­ran II un­ter https://​de.​wikipedia.​org/​wiki/​VW_​Sharan_​II [ab­ge­ru­fen am 23.03.2017]).

Es mag sein, dass die­se Ab­wei­chun­gen auf den ers­ten Blick un­be­deu­tend wir­ken, den­noch han­delt es sich bei der Mo­tor­bau­rei­he VW EA288 ge­richts­be­kann­ter­ma­ßen nicht um ei­ne blo­ße Über­ar­bei­tung des in der Be­stel­lung ge­nann­ten Mo­tors, son­dern um ei­ne gänz­lich neu ent­wi­ckel­te Bau­rei­he, den so­ge­nann­ten mo­du­la­ren Die­sel­bau­kas­ten (MDB). Da in der Be­stel­lung aus­drück­lich ei­ne kon­kre­te Mo­to­ri­sie­rung ge­nannt ist, die­se aber seit Mai 2015 nicht mehr her­ge­stellt wird, ist die be­gehr­te Lie­fe­rung ei­nes Neu­fahr­zeugs der ver­ein­bar­ten Gat­tung ob­jek­tiv dau­er­haft nicht mehr mög­lich.

Die von der Klä­ger­sei­te auf­ge­führ­te Klau­sel zum Leis­tungs­be­stim­mungs­recht für den Ver­käu­fer aus Ab­schnitt IV Nr. 6 der Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen führt zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Es wird nicht ver­kannt, dass die ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen der Par­tei­en über die Gat­tung ge­mäß §§ 133, 157 BGB grund­sätz­lich der er­gän­zen­den Aus­le­gung of­fen­ste­hen. Al­ler­dings hat die ge­nann­te Klau­sel al­lein ein Leis­tungs­be­stim­mungs­recht für den Ver­käu­fer zum Ge­gen­stand. Ein spie­gel­bild­li­cher An­spruch des Käu­fers auf Lie­fe­rung ei­nes Fahr­zeugs, wel­ches von der ver­ein­bar­ten Gat­tung ab­weicht, lässt sich dar­aus nicht her­lei­ten. Ins­be­son­de­re lässt sich dar­aus nicht der Schluss zie­hen, dass sich der Käu­fer im Fal­le ei­ner zwi­schen­zeit­li­chen Um­stel­lung der Pro­duk­ti­on nicht mehr auf die Lie­fe­rung ei­nes Fahr­zeugs mit den von ihm aus­drück­lich be­stell­ten Merk­ma­len ver­wei­sen las­sen müs­se.

Der Gat­tungs­be­griff kann nicht un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­auf­fas­sung auf die ak­tu­el­le Pro­duk­ti­on aus­ge­dehnt wer­den. Ha­ben die Par­tei­en – wie hier – die Gat­tung rechts­ge­schäft­lich de­fi­niert, kann für die Be­stim­mung der Gat­tung in­so­weit nicht an ei­ne even­tu­ell ab­wei­chen­de all­ge­mei­ne Ver­kehrs­auf­fas­sung an­ge­knüpft wer­den (vgl. Stau­din­ger/Schie­mann, a. a. O., § 243 Rn. 8; Jau­er­nig/Ber­ger, BGB, 16. Aufl. [2015], § 243 Rn. 3; MünchKomm-BGB/Em­me­rich, a. a. O., § 243 Rn. 6; Be­ckOK-BGB/Sut­schet, Stand: 01.11.2016, § 243 Rn. 5; al­le m. w. Nachw.). Gat­tun­gen i. S. von § 243 I BGB sind näm­lich nicht durch die Ver­kehrs­an­schau­ung vor­ge­ge­ben, son­dern kön­nen durch ei­ne be­lie­big gro­ße Zahl von Merk­ma­len in un­be­grenz­ter Zahl ge­bil­det wer­den (vgl. ju­risPK-BGB/Tous­saint, a. a. O., § 243 Rn. 3 m. w. Nachw.), wie es hier in Be­zug auf die Mo­to­ri­sie­rung ge­sche­hen ist. Der Klä­ger kann sich da­her in­so­weit nicht dar­auf be­ru­fen, dass der SE­AT Al­ham­bra aus der ak­tu­el­len Pro­duk­ti­on in der all­ge­mei­nen Wahr­neh­mung noch als das­sel­be Mo­dell wie das von ihm be­stell­te Fahr­zeug an­ge­se­hen wer­de.

So­weit die Klä­ger­sei­te die An­wen­dung von § 275 I BGB vor dem Hin­ter­grund der oben ge­nann­ten Leis­tungs­be­stim­mungs­klau­sel als treu­wid­rig be­wer­tet, ver­kennt die­se An­sicht, dass es sich bei der ob­jek­ti­ven dau­er­haf­ten Un­mög­lich­keit ge­mäß § 275 I BGB nicht um ei­ne Ein­re­de han­delt, son­dern um ei­ne ech­te Ein­wen­dung, die von Amts we­gen zu be­rück­sich­ti­gen ist (vgl. Stau­din­ger/Cas­pers, a. a. O., § 275 Rn. 124), so­dass für die Prü­fung ei­ner Treu­wid­rig­keit kein Raum ist.

Die Ver­sa­gung der Er­satz­lie­fe­rung ei­nes Fahr­zeugs aus der ak­tu­el­len Pro­duk­ti­on er­scheint im Er­geb­nis nicht un­bil­lig. Es ist ein ge­fes­tig­ter Grund­satz des deut­schen Zi­vil­rechts, im Rah­men des Ge­währ­leis­tungs- und Scha­dens­er­satz­rechts mög­lichst ge­nau den Zu­stand her­zu­stel­len, der ge­herrscht hät­te, wenn sich die an­de­re Sei­te von An­fang an ver­trags­treu ver­hal­ten hät­te. Dar­über hin­aus soll aber kei­ne Par­tei be­lohnt oder be­straft wer­den, wes­halb sich ins­be­son­de­re Ver­glei­che mit der vor ei­nem gänz­lich an­de­ren recht­li­chen Hin­ter­grund statt­fin­den­den Auf­ar­bei­tung des Ab­gas­skan­dals in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka ver­bie­ten. Hät­te der Klä­ger im Ja­nu­ar 2014 ein Fahr­zeug oh­ne Soft­ware­ma­ni­pu­la­tio­nen er­hal­ten, wel­ches ex­akt sei­ner Be­stel­lung ent­spro­chen hät­te, so wä­re dies ein SE­AT Al­ham­bra des Mo­dell­jahrs 2014 mit der Ab­gas­norm Eu­ro 5 und den ent­spre­chen­den Leis­tungs­da­ten ge­we­sen, nicht aber ein SE­AT Al­ham­bra aus der über­ar­bei­te­ten Pro­duk­ti­on des Jah­res 2017 mit der Ab­gas­norm Eu­ro 6. Der Klä­ger wä­re im Fal­le der von ihm be­gehr­ten Er­satz­lie­fe­rung al­so er­heb­lich bes­ser ge­stellt als im Fal­le der ur­sprüng­li­chen Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Fahr­zeugs wie be­stellt. Ei­ne sol­che Bes­ser­stel­lung ist von Sinn und Zweck des Ge­währ­leis­tungs­rechts nicht mehr er­fasst. Auch die für Die­sel­fahr­zeu­ge am Wohn­ort des Klä­gers dro­hen­den Fahr­ver­bo­te füh­ren zu kei­ner an­de­ren Ab­wä­gung. Denn mit der ver­trag­lich ge­schul­de­ten Ein­hal­tung der Ab­gas­norm Eu­ro 5 wä­re der Klä­ger ganz un­ab­hän­gig vom Ab­gas­skan­dal in je­dem Fall von den … ge­plan­ten Fahr­ver­bo­ten für Die­sel­fahr­zeu­ge be­trof­fen, von de­nen laut all­ge­mei­ner Be­richt­er­stat­tung al­lein Fahr­zeu­ge aus­ge­nom­men wer­den sol­len, wel­che die Ab­gas­norm Eu­ro 6 er­fül­len. Die Ein­hal­tung der Ab­gas­norm Eu­ro 6 ist die Be­klag­te dem Klä­ger aber nicht schul­dig. Auch über­ge­ord­ne­te all­ge­mei­ne In­ter­es­sen wie der Um­welt­schutz oder die Volks­ge­sund­heit füh­ren im Er­geb­nis zu kei­ner an­de­ren Ab­wä­gung, denn es dürf­te von der Ge­samt­öko­bi­lanz her si­gni­fi­kant güns­ti­ger sein, das un­strei­tig fahr­taug­li­che Klä­ger­fahr­zeug (ge­ge­be­nen­falls nach ei­ner Ak­tua­li­sie­rung der Mo­tor­soft­ware) nor­mal wei­ter­zu­nut­zen, statt es durch ein un­ter er­heb­li­chem Ein­satz von Roh­stof­fen und En­er­gie erst noch zu pro­du­zie­ren­des Fahr­zeug zu er­set­zen. Oh­ne­hin wirkt der Vor­trag des Klä­gers, ihm sei ein um­welt­freund­li­cher und spar­sa­mer Be­trieb sei­nes Fahr­zeugs be­son­ders wich­tig ge­we­sen und er ha­be sich aus Grün­den des Um­welt­schut­zes und der Res­sour­cen­scho­nung be­wusst ge­ra­de für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ent­schie­den, zu­min­dest er­staun­lich. Denn der Klä­ger hat sich bei sei­ner Be­stel­lung für die da­ma­li­ge Spit­zen­mo­to­ri­sie­rung un­ter den Die­sel­mo­to­ren für den SE­AT Al­ham­bra ent­schie­den, der auch mit schwä­che­ren Mo­to­ren mit ent­spre­chend nied­ri­ge­rem Ver­brauch und ge­rin­ge­rem Schad­stoff­aus­stoß an­ge­bo­ten wur­de und wird. Da­her lässt sich aus der kon­kre­ten Kauf­ent­schei­dung des Klä­gers kein ob­jek­ti­ver An­halts­punkt für ein be­son­de­res In­ter­es­se des Klä­gers am Um­welt­schutz her­lei­ten.

Da so­mit kein Er­satz­lie­fe­rungs­an­spruch be­steht, be­fin­det sich die Be­klag­te auch nicht in An­nah­me­ver­zug in Be­zug auf die Rück­nah­me des ur­sprüng­lich ge­lie­fer­ten Fahr­zeugs.

Gleich­zei­tig steht dem Klä­ger da­mit kein An­spruch auf Frei­stel­lung von sei­nen vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten zu. Hin­zu kommt, dass die gel­tend ge­mach­ten vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten je­den­falls über­höht sein dürf­ten. Die Kanz­lei des Klä­ger­ver­tre­ters ver­tritt nach ei­ge­nen An­ga­ben in der öf­fent­li­chen Be­richt­er­stat­tung mehr als 35.000 vom Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ne Kun­den. Es ist da­her da­von aus­zu­ge­hen, dass bei der vor­ge­richt­li­chen (und ge­richt­li­chen) Be­ar­bei­tung die­ser Fäl­le weit­ge­hend auf vor­ge­fer­tig­te Text­bau­stei­ne zu­rück­ge­grif­fen wird, die le­dig­lich in ein­zel­nen Punk­ten an den kon­kre­ten Ein­zel­fall an­ge­passt wer­den. Vor dem Hin­ter­grund die­ses weit­ge­hend stan­dar­di­sier­ten Vor­ge­hens dürf­te hier wohl je­den­falls nicht mehr als die 1,3-fa­che Schwer­punkt­ge­bühr ge­mäß Nr. 2300 VV RVG ver­dient wor­den sein.

Im Üb­ri­gen spricht vie­les da­für, dass in dem Fall, dass ei­ne Nach­lie­fe­rung grund­sätz­lich noch mög­lich sein soll­te, die­se je­den­falls als un­ver­hält­nis­mä­ßig i. S. des § 439 III BGB an­zu­se­hen wä­re, so­dass der Klä­ger wohl je­den­falls ge­hal­ten wä­re, die an­ge­bo­te­ne Nach­bes­se­rung im We­ge der Nach­er­fül­lung als mil­de­res Mit­tel ent­ge­gen­zu­neh­men. An­ders wä­re dies wohl nur dann, wenn, wie von Klä­ger­sei­te be­haup­tet, die an­ge­bo­te­ne Nach­bes­se­rung un­taug­lich wä­re, zu ei­nem man­gel­frei­en Fahr­zeug zu ge­lan­gen.

Im Fal­le der Nach­lie­fe­rung müss­te die Be­klag­te dem Klä­ger ei­nen Neu­wa­gen über­eig­nen und er­hiel­te den streit­ge­gen­ständ­li­chen, gut drei Jah­re al­ten Wa­gen zu­rück. Die­ser hat un­ab­hän­gig von sei­nem kon­kre­ten Zu­stand schon al­lein durch den Zeit­ab­lauf er­heb­lich an Wert ver­lo­ren. In Hö­he der Dif­fe­renz zwi­schen dem Wert bei­der Fahr­zeu­ge ent­stün­de der Be­klag­ten so­mit ein be­trächt­li­cher Scha­den, weil der Klä­ger als Ver­brau­cher wohl nicht zu ei­ner Her­aus­ga­be der Nut­zun­gen bzw. Wert­er­satz ver­pflich­tet wä­re. Im Ge­gen­satz da­zu kann die In­stal­la­ti­on ei­nes blo­ßen Soft­ware­up­dates der Be­klag­ten kei­ne er­heb­li­chen Kos­ten ver­ur­sa­chen. Ent­ge­gen der An­sicht des Klä­gers kommt es auf die ver­mut­lich äu­ßerst er­heb­li­chen Kos­ten, wel­che dem Her­stel­ler für die Ent­wick­lung die­ses Up­dates ent­stan­den sein mö­gen, im Ver­hält­nis zwi­schen den Par­tei­en nicht an.

Fer­ner wä­re zu prü­fen, ob auf die Nach­bes­se­rung oh­ne er­heb­li­che Nach­tei­le für den Klä­ger zu­rück­ge­grif­fen wer­den kann. Dies wä­re ver­mut­lich zu be­ja­hen. Der Klä­ger hat nicht be­haup­tet, in sei­ner tat­säch­li­chen Nut­zung des Fahr­zeugs ein­ge­schränkt zu sein. Auch hat der Her­stel­ler des Fahr­zeugs zu­ge­si­chert, sämt­li­che Kos­ten für die Nach­bes­se­rung zu über­neh­men und auch „Er­satz­mo­bi­li­tät“ zur Ver­fü­gung stel­len.

We­gen der un­ein­ge­schränk­ten Nutz­bar­keit des Wa­gens ist auch nicht er­sicht­lich, dass dem Klä­ger das län­ge­re Zu­war­ten bis zu der Nach­bes­se­rung un­zu­mut­bar wä­re. Un­er­heb­lich dürf­te in die­sem Zu­sam­men­hang auch die Dar­stel­lung ei­nes be­son­de­ren Ver­trau­ens­ver­lus­tes durch den Klä­ger sein. So nach­voll­zieh­bar in­so­weit ei­ne Ent­täu­schung, ja Ver­är­ge­rung des Klä­gers ist, so müss­te je­den­falls im Ver­hält­nis zwi­schen den Par­tei­en be­rück­sich­tigt wer­den, dass der­zeit kei­ne An­halts­punk­te für ein arg­lis­ti­ges Ver­hal­ten der Be­klag­ten er­kenn­bar sind. Viel­mehr dürf­te die­se wohl eben­so als Op­fer der Soft­ware­ma­ni­pu­la­tio­nen an­zu­se­hen sein wie die be­trof­fe­nen Kun­den. Ein arg­lis­ti­ges Ver­hal­ten von­sei­ten von Mit­ar­bei­tern des Her­stel­lers oder gar von des­sen Zu­lie­fe­rern ist der Be­klag­ten als Ver­trags­händ­ler je­den­falls nicht zu­zu­rech­nen (vgl. OLG Cel­le, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16, MDR 2016,1016; LG Fran­ken­thal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, VersR 2016, 1516).

So­weit der Klä­ger be­haup­tet, die Soft­ware­ak­tua­li­sie­rung wür­de sich nach­tei­lig auf Le­bens­dau­er, Ver­brauch und Leis­tungs­fä­hig­keit des Fahr­zeugs aus­wir­ken und es wür­de ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert ver­blei­ben, könn­ten die­se strei­ti­gen Be­haup­tun­gen an dem kon­kre­ten Fahr­zeug zu­dem wohl erst dann über­prüft wer­den, wenn die an­ge­kün­dig­te Soft­ware­instal­la­ti­on tat­säch­lich er­folgt ist.

An­de­re As­pek­te, wel­che die An­trä­ge des Klä­gers be­grün­den könn­ten, sind nicht er­sicht­lich. Die Kla­ge ist da­her ab­zu­wei­sen. …

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