Ein Anspruch des Käufers eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens auf Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB) besteht gemäß § 275 I BGB nicht, wenn er ein Fahrzeug mit einem bestimmten Motor bestellt hat, das so nicht mehr hergestellt wird. Insbesondere muss der Verkäufer dem Käufer in diesem Fall kein Fahrzeug aus der aktuellen Produktion liefern; denn die Fahrzeuge aus der aktuelle Produktion gehören nicht derselben Gattung an wie das dem Käufer ursprünglich gelieferte (mangelhafte) Fahrzeug.
LG Darmstadt, Urteil vom 27.03.2017 – 13 O 543/16
Sachverhalt: Der Kläger bestellte bei der beklagten SEAT-Vertragshändlerin am 11.09.2013 verbindlich einen SEAT Alhambra mit Tageszulassung. Im Bestellformular ist der Fahrzeugtyp wie folgt bezeichnet: „SEAT Alhambra Style Salsa 2.0 TDI Start&Stop 130 kW“.
Die Bestellung erfolgte unter Bezugnahme auf die Neuwagen-Verkaufsbedingungen des Volkswagen-Konzerns. Diese bestimmen unter IV 6:
„Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers bleiben während der Lieferzeit vorbehalten, sofern die Änderungen oder Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind. Sofern der Verkäufer oder der Hersteller zur Bezeichnung der Bestellung oder des bestellten Kaufgegenstands Zeichen oder Nummern gebraucht, können allein daraus keine Rechte hergeleitet werden.“
Angebahnt wurde der Verkauf des Fahrzeugs über das Internet; ein Verkaufsgespräch fand nicht statt, und die Beklagte händigte dem Kläger auch kein Informationsmaterial aus.
Unter dem 27.01.2014 stellte die Beklagte dem Kläger für das abholbereite Fahrzeug 31.451,65 € in Rechnung. Nachdem der Kläger diesen Kaufpreis gezahlt hatte, wurde ihm der SEAT Alhambra am 31.01.2014 übergeben.
Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA189 ausgestattet und deshalb vom sogenannten VW-Abgasskandal (auch als „Abgasaffäre“ oder – besonders in der Presse – als „Dieselgate“ bezeichnet) betroffen. Das heißt, dass eine seitens des Herstellers installierte, für die Abgaskontrollanlage zuständige Software anhand eines „unnatürlichen Fahrverhaltens“ (hohe Raddrehzahlen ohne Bewegung des Fahrzeugs) erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befindet. In einer solchen Testsituation ist die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenig Stickoxid (NOX) entsteht. Im normalen Fahrbetrieb werden dagegen Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb gesetzt, weshalb die NOX-Emissionen dann erheblich höher sind. Die auf dem Prüfstand gemessenen Emissionswerte lassen sich daher auch bei ansonsten vergleichbarer Fahrsituation (Drehzahl, Umgebungstemperatur usw.) im realen Fahrbetrieb nicht erreichen. Weltweit sind knapp elf Millionen Dieselfahrzeuge der Marken Volkswagen, Audi, SEAT und ŠKODA von solchen Manipulationen betroffen; in Deutschland sind es 2.460.876 Fahrzeuge, darunter 104.197 Fahrzeuge der Marke SEAT (vgl. zu alledem: https://de.wikipedia.org/wiki/Abgasskandal m. w. Nachw. [abgerufen am 23.03.2017]).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.01.2016 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, ihm bis zum 26.02.2016 gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen „nach aktuellen Vorschriften zulassungsfähigen, mangelfreien und vertragsgemäßen Neuwagen“ zu liefern und ihm bis zum 29.01.2016 den voraussichtlichen Liefertermin mitzuteilen. Mit Schreiben vom 26.01.2016 erwiderte die Beklagte, dass sie in Bezug auf etwaige „Sachmängelhaftungsansprüche“ im Zusammenhang mit der Software des streitgegenständlichen Fahrzeugs bis zum 31.12.2016 auf die Einrede der Verjährung verzichte, soweit Ansprüche nicht bereits verjährt seien, da die Sachlage bislang nicht abschließend geklärt sei. Allein wegen einer Abweichung zwischen auf dem Prüfstand gemessenen Emissionswerten und den im realen Fahrbetrieb ermittelten Emissionswerten liege noch kein Mangel vor.
Die Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs, die am Rechtsstreit nicht beteiligte SEAT, S.A., legte ein Softwareupdate zur Neutralisierung der Abschalteinrichtung vor. Dieses gab das Kraftfahrt-Bundesamt mit Schreiben vom 20.06.2016 frei. Die Fahrzeugherstellerin führte im Januar 2017, also nach Anhängigkeit der Klage, eine Rückrufaktion für die vom Abgasskandal betroffenen Pkw des Typs SEAT Alhambra durch. Die Halter dieser Fahrzeuge wurden gebeten , sich mit einem SEAT-Vertragshändler in Verbindung zu setzen, um ihr Fahrzeug nachbessern zu lassen. Die Nachbesserung werde zwischen 30 Minuten und einer Stunde dauern und für die Halter kostenlos sein. Auch werde bei Bedarf eine individuell auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnittene angemessene Ersatzmobilität kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Kläger machte von diesem Angebot keinen Gebrauch.
Der Kläger behauptet, er habe sich nach reiflicher Überlegung bewusst gerade für das streitgegenständliche Fahrzeug entschieden, weil er für das Thema Schadstoffemissionen besonders sensibilisiert sei. Die seitens der Herstellerin angegebenen Emissionswerte würden aber nur erzielt, wenn die in seinem Fahrzeug zum Einsatz kommende Software den Schadstoffausstoß unzulässig beeinflusse; die Herstellerin – so meint der Kläger – habe die Emissionswerte folglich vorsätzlich falsch angegeben.
Der Kläger hält sein Fahrzeug für mangelhaft, weil es im gegenwärtigen Zustand weder die vereinbarte Beschaffenheit noch eine Zulassungseignung aufweise. Die mittlerweile angebotene Nachbesserung durch ein Softwareupdate diene allein der Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften, führe für den Verbraucher aber insbesondere zu einem höheren Kraftstoffverbrauch und einer geringeren Motorleistung. Ohne Nachbesserung sei das streitgegenständliche Fahrzeug praktisch unverkäuflich; auch nach der Nachbesserung sei indes mit einem dauerhaften merkantilen Minderwert von mindestens 10 %, möglicherweise bis zu 25 % zu rechnen.
Vor diesem Hintergrund müsse er – der Kläger – sich nicht auf eine Nachbesserung verweisen lassen. Diese sei vielmehr unmöglich (§§ 275 I, 326 V 1 BGB), weil sie zu neuen Mängeln führe und zudem ein erheblicher merkantiler Minderwert verbleibe. Er – der Kläger – habe deshalb Anspruch auf Lieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB). Eine Ersatzlieferung sei der Beklagten nicht i. S. von § 275 I BGB unmöglich. Der SEAT Alhambra werde noch nahezu so produziert, wie er – der Kläger – das Fahrzeug bestellt habe. Fahrzeuge der aktuellen Baureihe unterschieden sich von zuvor produzierten Fahrzeugen zwar im Wesentlichen dadurch, dass sie die Abgasnorm „Euro 6“ statt der Abgasnorm „Euro 5“ erfüllten und geringfügig leistungsstärker seien. Sie gehörten deshalb aber nicht zu einer anderen Gattung i. S. von § 243 I BGB.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Das streitgegenständliche Fahrzeug, welches unstreitig vom VW-Abgasskandal betroffen ist, dürfte wohl aller Voraussicht nach als mangelbehaftet anzusehen sein. Allerdings steht dem Kläger im Ergebnis kein Anspruch auf Nachlieferung eines mangelfreien Neuwagens zu, da ein solcher Anspruch objektiv dauerhaft unmöglich und damit gemäß § 275 I BGB ausgeschlossen wäre.
Bei dem Kauf eines zuvor unter Angabe der technischen Eigenschaften abstrakt bestellten Neufahrzeugs handelt es sich um einen Gattungskauf (vgl. Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2015, § 243 Rn. 9; vgl. ferner OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.06.2005 – I-3 U 12/04, OLGR 2005, 627). Beim Gattungskauf erlischt der Anspruch auf Nachlieferung gemäß § 275 I BGB wegen objektiver Unmöglichkeit, wenn die gesamte Gattung untergegangen ist und nicht mehr hergestellt wird bzw. auf dem Markt nicht mehr verfügbar ist (vgl. Staudinger/Caspers, BGB, Neubearb. 2014, § 275 Rn. 19; Jauernig/Stadler, BGB, 16. Aufl. [2015], § 275 Rn. 13; jurisPK-BGB/Seichter, 8. Aufl. [2017], § 275 Rn. 20). Das ist hier der Fall. Es ist sowohl aus der allgemeinen Berichterstattung als auch aus anderen Verfahren gerichtsbekannt, dass Fahrzeuge mit den von dem Abgasskandal betroffenen Motoren inzwischen nicht mehr hergestellt werden. Es mögen noch Restbestände mit dem im Klägerfahrzeug verbauten Motortyp vorhanden sein, solche Fahrzeuge wären aber schon aufgrund der zwischenzeitlichen Standzeiten nicht mehr als „fabrikneu“ anzusehen.
Ein Fahrzeug aus der aktuellen Produktion kann der Kläger nicht verlangen. Es wird nicht verkannt, dass durchaus noch Pkw des Typs SEAT Alhambra mit 2,0-Liter-Turbodieselmotoren hergestellt werden und dass diese Fahrzeuge (trotz zwischenzeitlich erfolgter Modellpflegemaßnahmen) keiner gänzlich neuen Fahrzeuggeneration angehören. Die Fahrzeuge aus aktueller Produktion gehören jedoch nicht mehr derselben Gattung i. S. von § 243 BGB an wie das streitgegenständliche Fahrzeug.
Bei einer durch Rechtsgeschäft begründeten Gattungsschuld ist es Sache der Parteien, die Gattung durch eine beliebige Anzahl von Merkmalen beliebig eng oder weit zu definieren (vgl. Staudinger/Schiemann, a. a. O., § 243 Rn. 8; MünchKomm-BGB/Emmerich, 7. Aufl. [2016], § 243 Rn. 6; jurisPK-BGB/Toussaint, 8. Aufl. [2017], § 243 Rn. 3; alle m. w. Nachw.). Hier hat der Kläger in seiner Bestellung den Fahrzeugtyp bestimmt als „SEAT Alhambra Style Salsa 2.0 TDI Start&Stop 130 kW“, also als Fahrzeug mit einem Dieselmotor mit Direkteinspritzung und Turboaufladung („TDI“) mit zwei Litern Hubraum („2.0“) und einer Höchstleistung von 130 kW. Aufgrund dieser Merkmale lässt sich der bestellte Motor eindeutig der Motorbaureihe VW EA189 zuordnen. Motoren dieses Typs werden seit Mai 2015 nicht mehr im SEAT Alhambra verbaut, sondern solche der Motorbaureihe VW EA288, die sich hinsichtlich diverser Leistungsmerkmale, Verbrauch und Abgasnorm von dem bestellten Motortyp wie folgt unterscheiden:
Klägerfahrzeug | aktuelle Produktion | |
---|---|---|
Motorbaureihe | VW EA189 | VW EA288 |
Motorkennbuchstaben | CFGC | CUWA |
Bauzeitraum | 01/2013–05/2015 | seit 05/2015 |
max. Leistung bei min-1 | 130 kW/4200 | 135 kW/3500–4000 |
max. Drehmoment bei min-1 | 380 Nm/1750–2500 | 380 Nm/1750–3000 |
maximale Zuladung | 641–645 kg | 671–712 kg |
Beschleunigung 0–100 km/h | 9,3–9,6 s | 8,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 206–208 km/h | 211–215 km/h |
Kraftstoffverbrauch auf 100 km (kombiniert) | 5,8–5,9 l Diesel | 5,3–5,8 l Diesel |
CO2-Emission (kombiniert) | 152–154 g/km | 138–152 g/km |
Abgasnorm nach EU-Klassifikation: | Euro 5 | Euro 6 |
(vgl. zu alledem die Angaben zum nahezu baugleichen VW Sharan II unter https://de.wikipedia.org/wiki/VW_Sharan_II [abgerufen am 23.03.2017]).
Es mag sein, dass diese Abweichungen auf den ersten Blick unbedeutend wirken, dennoch handelt es sich bei der Motorbaureihe VW EA288 gerichtsbekanntermaßen nicht um eine bloße Überarbeitung des in der Bestellung genannten Motors, sondern um eine gänzlich neu entwickelte Baureihe, den sogenannten modularen Dieselbaukasten (MDB). Da in der Bestellung ausdrücklich eine konkrete Motorisierung genannt ist, diese aber seit Mai 2015 nicht mehr hergestellt wird, ist die begehrte Lieferung eines Neufahrzeugs der vereinbarten Gattung objektiv dauerhaft nicht mehr möglich.
Die von der Klägerseite aufgeführte Klausel zum Leistungsbestimmungsrecht für den Verkäufer aus Abschnitt IV Nr. 6 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen führt zu keinem anderen Ergebnis. Es wird nicht verkannt, dass die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien über die Gattung gemäß §§ 133, 157 BGB grundsätzlich der ergänzenden Auslegung offenstehen. Allerdings hat die genannte Klausel allein ein Leistungsbestimmungsrecht für den Verkäufer zum Gegenstand. Ein spiegelbildlicher Anspruch des Käufers auf Lieferung eines Fahrzeugs, welches von der vereinbarten Gattung abweicht, lässt sich daraus nicht herleiten. Insbesondere lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, dass sich der Käufer im Falle einer zwischenzeitlichen Umstellung der Produktion nicht mehr auf die Lieferung eines Fahrzeugs mit den von ihm ausdrücklich bestellten Merkmalen verweisen lassen müsse.
Der Gattungsbegriff kann nicht unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung auf die aktuelle Produktion ausgedehnt werden. Haben die Parteien – wie hier – die Gattung rechtsgeschäftlich definiert, kann für die Bestimmung der Gattung insoweit nicht an eine eventuell abweichende allgemeine Verkehrsauffassung angeknüpft werden (vgl. Staudinger/Schiemann, a. a. O., § 243 Rn. 8; Jauernig/Berger, BGB, 16. Aufl. [2015], § 243 Rn. 3; MünchKomm-BGB/Emmerich, a. a. O., § 243 Rn. 6; BeckOK-BGB/Sutschet, Stand: 01.11.2016, § 243 Rn. 5; alle m. w. Nachw.). Gattungen i. S. von § 243 I BGB sind nämlich nicht durch die Verkehrsanschauung vorgegeben, sondern können durch eine beliebig große Zahl von Merkmalen in unbegrenzter Zahl gebildet werden (vgl. jurisPK-BGB/Toussaint, a. a. O., § 243 Rn. 3 m. w. Nachw.), wie es hier in Bezug auf die Motorisierung geschehen ist. Der Kläger kann sich daher insoweit nicht darauf berufen, dass der SEAT Alhambra aus der aktuellen Produktion in der allgemeinen Wahrnehmung noch als dasselbe Modell wie das von ihm bestellte Fahrzeug angesehen werde.
Soweit die Klägerseite die Anwendung von § 275 I BGB vor dem Hintergrund der oben genannten Leistungsbestimmungsklausel als treuwidrig bewertet, verkennt diese Ansicht, dass es sich bei der objektiven dauerhaften Unmöglichkeit gemäß § 275 I BGB nicht um eine Einrede handelt, sondern um eine echte Einwendung, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. Staudinger/Caspers, a. a. O., § 275 Rn. 124), sodass für die Prüfung einer Treuwidrigkeit kein Raum ist.
Die Versagung der Ersatzlieferung eines Fahrzeugs aus der aktuellen Produktion erscheint im Ergebnis nicht unbillig. Es ist ein gefestigter Grundsatz des deutschen Zivilrechts, im Rahmen des Gewährleistungs- und Schadensersatzrechts möglichst genau den Zustand herzustellen, der geherrscht hätte, wenn sich die andere Seite von Anfang an vertragstreu verhalten hätte. Darüber hinaus soll aber keine Partei belohnt oder bestraft werden, weshalb sich insbesondere Vergleiche mit der vor einem gänzlich anderen rechtlichen Hintergrund stattfindenden Aufarbeitung des Abgasskandals in den Vereinigten Staaten von Amerika verbieten. Hätte der Kläger im Januar 2014 ein Fahrzeug ohne Softwaremanipulationen erhalten, welches exakt seiner Bestellung entsprochen hätte, so wäre dies ein SEAT Alhambra des Modelljahrs 2014 mit der Abgasnorm Euro 5 und den entsprechenden Leistungsdaten gewesen, nicht aber ein SEAT Alhambra aus der überarbeiteten Produktion des Jahres 2017 mit der Abgasnorm Euro 6. Der Kläger wäre im Falle der von ihm begehrten Ersatzlieferung also erheblich besser gestellt als im Falle der ursprünglichen Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs wie bestellt. Eine solche Besserstellung ist von Sinn und Zweck des Gewährleistungsrechts nicht mehr erfasst. Auch die für Dieselfahrzeuge am Wohnort des Klägers drohenden Fahrverbote führen zu keiner anderen Abwägung. Denn mit der vertraglich geschuldeten Einhaltung der Abgasnorm Euro 5 wäre der Kläger ganz unabhängig vom Abgasskandal in jedem Fall von den … geplanten Fahrverboten für Dieselfahrzeuge betroffen, von denen laut allgemeiner Berichterstattung allein Fahrzeuge ausgenommen werden sollen, welche die Abgasnorm Euro 6 erfüllen. Die Einhaltung der Abgasnorm Euro 6 ist die Beklagte dem Kläger aber nicht schuldig. Auch übergeordnete allgemeine Interessen wie der Umweltschutz oder die Volksgesundheit führen im Ergebnis zu keiner anderen Abwägung, denn es dürfte von der Gesamtökobilanz her signifikant günstiger sein, das unstreitig fahrtaugliche Klägerfahrzeug (gegebenenfalls nach einer Aktualisierung der Motorsoftware) normal weiterzunutzen, statt es durch ein unter erheblichem Einsatz von Rohstoffen und Energie erst noch zu produzierendes Fahrzeug zu ersetzen. Ohnehin wirkt der Vortrag des Klägers, ihm sei ein umweltfreundlicher und sparsamer Betrieb seines Fahrzeugs besonders wichtig gewesen und er habe sich aus Gründen des Umweltschutzes und der Ressourcenschonung bewusst gerade für das streitgegenständliche Fahrzeug entschieden, zumindest erstaunlich. Denn der Kläger hat sich bei seiner Bestellung für die damalige Spitzenmotorisierung unter den Dieselmotoren für den SEAT Alhambra entschieden, der auch mit schwächeren Motoren mit entsprechend niedrigerem Verbrauch und geringerem Schadstoffausstoß angeboten wurde und wird. Daher lässt sich aus der konkreten Kaufentscheidung des Klägers kein objektiver Anhaltspunkt für ein besonderes Interesse des Klägers am Umweltschutz herleiten.
Da somit kein Ersatzlieferungsanspruch besteht, befindet sich die Beklagte auch nicht in Annahmeverzug in Bezug auf die Rücknahme des ursprünglich gelieferten Fahrzeugs.
Gleichzeitig steht dem Kläger damit kein Anspruch auf Freistellung von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Hinzu kommt, dass die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten jedenfalls überhöht sein dürften. Die Kanzlei des Klägervertreters vertritt nach eigenen Angaben in der öffentlichen Berichterstattung mehr als 35.000 vom Abgasskandal betroffene Kunden. Es ist daher davon auszugehen, dass bei der vorgerichtlichen (und gerichtlichen) Bearbeitung dieser Fälle weitgehend auf vorgefertigte Textbausteine zurückgegriffen wird, die lediglich in einzelnen Punkten an den konkreten Einzelfall angepasst werden. Vor dem Hintergrund dieses weitgehend standardisierten Vorgehens dürfte hier wohl jedenfalls nicht mehr als die 1,3-fache Schwerpunktgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG verdient worden sein.
Im Übrigen spricht vieles dafür, dass in dem Fall, dass eine Nachlieferung grundsätzlich noch möglich sein sollte, diese jedenfalls als unverhältnismäßig i. S. des § 439 III BGB anzusehen wäre, sodass der Kläger wohl jedenfalls gehalten wäre, die angebotene Nachbesserung im Wege der Nacherfüllung als milderes Mittel entgegenzunehmen. Anders wäre dies wohl nur dann, wenn, wie von Klägerseite behauptet, die angebotene Nachbesserung untauglich wäre, zu einem mangelfreien Fahrzeug zu gelangen.
Im Falle der Nachlieferung müsste die Beklagte dem Kläger einen Neuwagen übereignen und erhielte den streitgegenständlichen, gut drei Jahre alten Wagen zurück. Dieser hat unabhängig von seinem konkreten Zustand schon allein durch den Zeitablauf erheblich an Wert verloren. In Höhe der Differenz zwischen dem Wert beider Fahrzeuge entstünde der Beklagten somit ein beträchtlicher Schaden, weil der Kläger als Verbraucher wohl nicht zu einer Herausgabe der Nutzungen bzw. Wertersatz verpflichtet wäre. Im Gegensatz dazu kann die Installation eines bloßen Softwareupdates der Beklagten keine erheblichen Kosten verursachen. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es auf die vermutlich äußerst erheblichen Kosten, welche dem Hersteller für die Entwicklung dieses Updates entstanden sein mögen, im Verhältnis zwischen den Parteien nicht an.
Ferner wäre zu prüfen, ob auf die Nachbesserung ohne erhebliche Nachteile für den Kläger zurückgegriffen werden kann. Dies wäre vermutlich zu bejahen. Der Kläger hat nicht behauptet, in seiner tatsächlichen Nutzung des Fahrzeugs eingeschränkt zu sein. Auch hat der Hersteller des Fahrzeugs zugesichert, sämtliche Kosten für die Nachbesserung zu übernehmen und auch „Ersatzmobilität“ zur Verfügung stellen.
Wegen der uneingeschränkten Nutzbarkeit des Wagens ist auch nicht ersichtlich, dass dem Kläger das längere Zuwarten bis zu der Nachbesserung unzumutbar wäre. Unerheblich dürfte in diesem Zusammenhang auch die Darstellung eines besonderen Vertrauensverlustes durch den Kläger sein. So nachvollziehbar insoweit eine Enttäuschung, ja Verärgerung des Klägers ist, so müsste jedenfalls im Verhältnis zwischen den Parteien berücksichtigt werden, dass derzeit keine Anhaltspunkte für ein arglistiges Verhalten der Beklagten erkennbar sind. Vielmehr dürfte diese wohl ebenso als Opfer der Softwaremanipulationen anzusehen sein wie die betroffenen Kunden. Ein arglistiges Verhalten vonseiten von Mitarbeitern des Herstellers oder gar von dessen Zulieferern ist der Beklagten als Vertragshändler jedenfalls nicht zuzurechnen (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16, MDR 2016,1016; LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, VersR 2016, 1516).
Soweit der Kläger behauptet, die Softwareaktualisierung würde sich nachteilig auf Lebensdauer, Verbrauch und Leistungsfähigkeit des Fahrzeugs auswirken und es würde ein merkantiler Minderwert verbleiben, könnten diese streitigen Behauptungen an dem konkreten Fahrzeug zudem wohl erst dann überprüft werden, wenn die angekündigte Softwareinstallation tatsächlich erfolgt ist.
Andere Aspekte, welche die Anträge des Klägers begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Klage ist daher abzuweisen. …