1. Ein Ver­käu­fer darf sich auch dann dar­auf be­ru­fen, dass An­sprü­che des Käu­fers we­gen ei­nes Man­gels ver­jährt sei­en, wenn der Man­gel dar­in be­steht, dass der Kauf­sa­che ei­ne i. S. des § 434 I 1 BGB ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit fehlt. Denn mit ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung ist aus Sicht ei­nes ver­stän­di­gen Käu­fers nicht die Be­reit­schaft des Ver­käu­fers ver­bun­den, auf den Ein­wand der Ver­jäh­rung zu ver­zich­ten und folg­lich für das Feh­len der ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit län­ger zu haf­ten als ge­setz­lich vor­ge­se­hen. Et­was an­ders folgt auch nicht aus der – auf die­se Kon­stel­la­ti­on nicht über­trag­ba­ren – Recht­spre­chung des BGH, wo­nach ein pau­scha­ler Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss nicht für Män­gel i. S. des § 434 I 1 BGB, son­dern nur für Män­gel i. S. des § 434 I 2 BGB gilt.
  2. Ein Fahr­zeug­her­stel­ler ist nicht Ge­hil­fe des Kfz-Händ­lers bei der Er­fül­lung der Pflicht zu man­gel­frei­er Lie­fe­rung (§ 434 I 2 BGB) ge­gen­über dem Fahr­zeug­käu­fer. Ein arg­lis­ti­ges Ver­hal­ten des Her­stel­lers ist dem Händ­ler des­halb nicht zu­zu­rech­nen.

OLG Hamm, Be­schluss vom 05.01.2017 – 28 U 201/16
(vor­an­ge­hend: LG Bo­chum, Ur­teil vom 08.09.2016 – 2 O 192/16)

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin ver­langt von der Be­klag­ten als Rechts­nach­fol­ge­rin der L-GmbH & Co. KG die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen Neu­wa­gen, der ihr am 18.02.2011 über­ge­ben wur­de. Das Fahr­zeug ist mit ei­nem EA189-Die­sel­mo­tor aus­ge­stat­tet und nach Dar­stel­lung der Klä­ge­rin – zu der sich die Be­klag­te mit Nicht­wis­sen er­klärt hat – vom so­ge­nann­ten VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen.

Nach­dem die Klä­ge­rin von die­sem Um­stand durch ei­ne im In­ter­net zu­gäng­li­che In­for­ma­ti­on im Sep­tem­ber 2015 Kennt­nis er­langt hat­te, er­klär­te sie mit An­walts­schrei­ben vom 03.11.2015 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung. Sie warf der Kfz-Ver­käu­fe­rin vor, sie über den wah­ren Schad­stoff­aus­stoß des Fahr­zeugs ge­täuscht zu ha­ben. Tat­säch­lich sei der Stick­oxid­aus­stoß er­heb­lich hö­her und ver­brau­che das Fahr­zeug mehr Kraft­stoff als an­ge­ge­ben, so­dass der Fahr­zeug­wert ge­min­dert sei. Die Klä­ge­rin ver­lang­te vor die­sem Hin­ter­grund die Er­stat­tung des Kauf­prei­ses nebst Zin­sen so­wie den Er­satz vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten und setz­te da­für ei­ne Frist bis zum 17.11.2015. Das Schrei­ben vom 03.11.2015 von ei­ner L-GmbH an die Be­klag­te als Rechts­nach­fol­ge­rin der Kfz-Ver­käu­fe­rin wei­ter­ge­lei­tet.

Mit der vor­lie­gen­den Kla­ge ver­langt die Klä­ge­rin die Rück­ab­wick­lung des Kfz-Kauf­ver­tra­ges und den Er­satz di­ver­ser Auf­wen­dun­gen.

Sie ver­tritt den Stand­punkt, der Kfz-Kauf­ver­trag sei un­wirk­sam, weil er un­ter der auf­schie­ben­den Be­din­gung ge­schlos­sen wor­den sei, dass dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug die Be­triebs­er­laub­nis er­teilt wer­de. Dar­an feh­le es, so­lan­ge das Fahr­zeug nicht – wie vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt ver­langt – „emis­si­ons­ge­recht auf­be­rei­tet“ wer­de. Im Üb­ri­gen sei das Fahr­zeug je­den­falls des­halb man­gel­haft, weil es ei­nen hö­he­ren als den ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Stick­oxid­aus­stoß ha­be und die Eu­ro-5-Emis­si­ons­grenz­wer­te nicht ein­hal­te.

Die Klä­ge­rin meint, sie ha­be der Be­klag­ten kei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung set­zen müs­sen, weil ihr ei­ne Nach­bes­se­rung un­ter Be­rück­sich­ti­gung al­ler Um­stän­de und des Grund­sat­zes von Treu und Glau­ben so­wie un­ter dem Ge­sichts­punkt des Ver­brau­cher­schut­zes un­zu­mut­bar sei. Die Be­klag­te – so meint die Klä­ge­rin wei­ter – müs­se sich das arg­lis­ti­ge Han­deln der Fahr­zeug­her­stel­le­rin zu­rech­nen las­sen. Im Üb­ri­gen sei un­klar, ob und ge­ge­be­nen­falls wann ei­ne Män­gel­be­sei­ti­gung über­haupt mög­lich sei. Dar­über hin­aus sei zu er­war­ten, dass ei­ne Um­rüs­tung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs zu ei­nem er­höh­ten Kraft­stoff­ver­brauch füh­re.

Nach Auf­fas­sung der Klä­ge­rin kann sich die Be­klag­te nicht – wie ge­sche­hen – dar­auf be­ru­fen, dass Män­gel­an­sprü­che der Klä­ge­rin ver­jährt sei­en. Viel­mehr ge­he es hier um ei­nen Man­gel, der dar­in be­ste­he, dass dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ei­ne ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit feh­le (§ 434 I 1 BGB). Es müs­se da­her Ent­spre­chen­des gel­ten wie bei ei­nem Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss, auf den sich der Ver­käu­fer nach der Recht­spre­chung des BGH bei ei­nem der­ar­ti­gen Man­gel auch nicht be­ru­fen kön­ne.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, dass der Rück­tritt der Klä­ge­rin ge­mäß § 218 I 1 BGB un­wirk­sam sei, weil ein Nach­er­fül­lungs­an­spruch der Klä­ge­rin ver­jährt sei und die Be­klag­te sich dar­auf be­ru­fen ha­be. Dar­über hin­aus ste­he ei­nem Rück­tritt der Klä­ge­rin § 323 V 2 BGB ent­ge­gen, weil ein et­wai­ger Man­gel ih­res Fahr­zeugs un­er­heb­lich sei. Schließ­lich schei­te­re ein Rück­tritt dar­an, dass die Klä­ge­rin der Be­klag­ten kei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung ge­setzt ha­be, ob­wohl ihr ei­ne Nach­bes­se­rung zu­mut­bar sei und ei­ne Frist­set­zung da­her nicht ent­behr­lich ge­we­sen sei.

Das OLG Hamm hat die Klä­ge­rin dar­auf hin­ge­wie­sen, dass be­ab­sich­tigt sei, ih­re Be­ru­fung durch ein­stim­mi­gen Be­schluss nach § 522 II ZPO zu­rück­zu­wei­sen, weil das Rechts­mit­tel of­fen­sicht­lich kei­ne Aus­sicht auf Er­folg ha­be.

Aus den Grün­den: II. … Die Kla­ge ist un­be­grün­det.

Die Klä­ge­rin kann von der Be­klag­ten nicht die Rück­ab­wick­lung des Fahr­zeug­kaufs vom 24.09.2010/18.02.2011 ver­lan­gen, wes­halb auch die üb­ri­gen Kla­ge­an­sprü­che nicht be­ste­hen.

1. Der Zah­lungs­an­spruch der Klä­ge­rin lässt sich nicht auf die §§ 346 I, 323, 437 Nr. 2 Fall 1, 434 I BGB stüt­zen.

Der mit An­walts­schrei­ben vom 03.11.2015 er­klär­te Rück­tritt vom Kauf ist je­den­falls des­halb un­wirk­sam, weil ein et­wai­ger Nach­er­fül­lungs­an­spruch der Klä­ge­rin ver­jährt ist und sich die Be­klag­te dar­auf be­ru­fen hat.

Für den Ge­währ­leis­tungs­an­spruch gilt die zwei­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist des § 438 I Nr. 3 BGB, die mit der Über­ga­be des Fahr­zeugs am 18.02.2011 be­gon­nen hat. Die­se Frist war be­reits im Fe­bru­ar 2013 ab­ge­lau­fen, al­so weit vor Er­klä­rung des Ver­trags­rück­tritts am 03.11.2015.

a) Die An­nah­me der Klä­ge­rin, bei ei­nem Sach­man­gel in Form ei­ner Ab­wei­chung von ei­ner ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit (§ 434 I 1 BGB) kön­ne sich die Ver­käu­fe­rin eben­so we­nig wie auf ei­nen pau­schal ver­ein­bar­ten Ge­währ­leis­tungs­schluss auf die Ein­re­de der Ver­jäh­rung be­ru­fen, ist als ver­fehlt zu­rück­zu­wei­sen.

Es lässt sich schon nicht fest­stel­len, dass die Kauf­ver­trags­par­tei­en die Ein­hal­tung be­stimm­ter Emis­si­ons­wer­te zum Ge­gen­stand ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. des § 434 I 1 BGB er­ho­ben ha­ben. Hier­zu reicht das durch die ei­ge­ne Par­tei­an­hö­rung un­ter Be­weis ge­stell­te Vor­brin­gen der Klä­ge­rin, sie ha­be mit dem Ver­käu­fer nur über um­welt­freund­li­che Die­sel­fahr­zeu­ge und die dies­be­züg­li­chen Emis­sio­nen ge­spro­chen, nicht aus. Die dem Kauf­ver­trag zu­grun­de lie­gen­de ver­bind­li­che Be­stel­lung ist von der Klä­ge­rin nicht vor­ge­legt wor­den. Der Ver­weis der Klä­ge­rin auf den In­halt der Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil I ist in die­sem Zu­sam­men­hang schon des­halb nicht trag­fä­hig, weil die­se zur Zeit des Ver­trags­ab­schlus­ses nicht vor­lag.

Im Üb­ri­gen be­inhal­te­te ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung über die Ein­hal­tung be­stimm­ter Emis­si­ons­wer­te – er­sicht­lich – kei­ne still­schwei­gen­de Ver­län­ge­rung oder gar Ab­be­din­gung der Ge­währ­leis­tungs­frist und kei­nen Ver­zicht der Ver­käu­fe­rin, sich we­gen die­ses Man­gels auf die Ein­re­de der Ver­jäh­rung zu be­ru­fen.

Die Recht­spre­chung, nach der dann, wenn in ei­nem Kauf­ver­trag zu­gleich ei­ne be­stimm­te Be­schaf­fen­heit der Kauf­sa­che und ein pau­scha­ler Aus­schluss der Sach­män­gel­haf­tung ver­ein­bart sind, dies re­gel­mä­ßig da­hin aus­zu­le­gen ist, dass der Haf­tungs­aus­schluss nicht für das Feh­len der ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit, son­dern nur für Män­gel i. S. des § 434 I 2 BGB gel­ten soll (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VI­II ZR 92/06, NJW 2007, 1346 Rn. 31), kann die Klä­ge­rin für ih­re An­sicht nicht frucht­bar ma­chen.

Sind sich die Kauf­ver­trags­par­tei­en bei Ver­trags­schluss ei­nig, dass der ver­kauf­te Ge­gen­stand ei­ne be­stimm­te Be­schaf­fen­heit auf­wei­sen soll, ist dies aus der Sicht ei­nes ver­stän­di­gen Käu­fers nicht da­hin zu ver­ste­hen, dass der Ver­käu­fer für die­se Be­schaf­fen­heit zeit­lich län­ger ein­ste­hen will, als das Ge­setz es vor­sieht. Ei­ne Aus­sa­ge über die Dau­er der vom Ver­käu­fer über­nom­me­nen Ge­währ­leis­tung ist da­mit schlicht nicht ver­bun­den.

b) Der Gel­tung der zwei­jäh­ri­gen Ver­jäh­rungs­frist ge­mäß § 438 I Nr. 3 BGB steht im vor­lie­gen­den Fall auch nicht die Re­ge­lung des § 438 III 1 BGB ent­ge­gen, wo­nach im Fall des arg­lis­ti­gen Ver­schwei­gens ei­nes Man­gels die Re­gel­ver­jäh­rungs­frist ge­mäß den §§ 195199 BGB gilt.

Un­ter­stellt, die Ma­ni­pu­la­ti­on der Soft­ware bei der Mes­sung der Stick­oxid­wer­te im Prüf­stand be­grün­det ei­nen Sach­man­gel i. S. des § 434 I BGB, ist nicht fest­stell­bar, dass die Ver­käu­fe­rin der Klä­ge­rin die­sen Man­gel arg­lis­tig ver­schwie­gen hat. Dass die Ver­käu­fe­rin Kennt­nis von die­ser Ma­ni­pu­la­ti­on hat­te, be­haup­tet die Klä­ge­rin selbst nicht. Das Wis­sen der Fahr­zeug­her­stel­le­rin muss sich die Ver­käu­fe­rin – und die Be­klag­te als de­ren Rechts­nach­fol­ge­rin – nicht zu­rech­nen las­sen, weil die­se nach ge­fes­tig­ter Recht­spre­chung nicht ih­re Er­fül­lungs­ge­hil­fin bei der Er­fül­lung der Pflicht zu man­gel­frei­er Lie­fe­rung ist (BGH, Urt. v. 02.04.2014 – VI­II ZR 46/13, NJW 2014, 2183 Rn. 31 m. w. Nachw.; s. auch Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 13. Aufl., Rn. 1247).

c) Ent­ge­gen der Ein­schät­zung der Klä­ge­rin gibt es auch kei­nen Grund, es als un­bil­lig oder treu­wid­rig zu wer­ten, dass sich die Be­klag­te auf die Ver­jäh­rungs­ein­re­de be­ruft.

2. Der Kla­ge­an­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses er­gibt sich auch nicht aus den §§ 812 I 1 Fall 1, 818 BGB.

Die Be­klag­te hat den Kauf­preis nicht aus dem Ge­sichts­punkt der un­ge­recht­fer­tig­ten Be­rei­che­rung her­aus­zu­ge­ben, weil ih­re Rechts­vor­gän­ge­rin, von der die Klä­ge­rin das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ge­kauft hat, die­sen nicht oh­ne Rechts­grund er­langt hat.

Der Kauf­ver­trag ist nicht von vorn­her­ein nich­tig ge­we­sen.

Auf die Fra­ge, wel­che Be­deu­tung die von der Klä­ge­rin mo­nier­te Ma­ni­pu­la­ti­on der Soft­ware der Emis­si­ons­wer­te für die Be­triebs­er­laub­nis hat, kommt es in­so­weit nicht an. Die Wirk­sam­keit des Kau­sal­ge­schäfts bleibt von et­wai­gen Leis­tungs­hin­der­nis­sen un­be­rührt (§ 311a I BGB).

Die Klä­ge­rin hat den Kauf­ver­trag auch nicht wirk­sam an­ge­foch­ten, weil es an ei­nem An­fech­tungs­grund fehlt; ins­be­son­de­re lässt sich – wie aus­ge­führt – ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung durch die Ver­käu­fe­rin nicht aus­ma­chen. …

Hin­weis: Die Be­ru­fung wur­de zu­rück­ge­nom­men.

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