1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ner Ge­braucht­wa­gen, bei dem ei­ne „Ab­schalt­soft­ware“ er­kennt, dass das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand ei­nem Emis­si­ons­test un­ter­zo­gen wird, und des­halb den Stick­oxid­aus­stoß re­du­ziert, ist i. S. des § 434 I 2 Satz 2 BGB man­gel­haft. Denn we­der ist der Ein­satz ei­ner ent­spre­chen­den Soft­ware in ver­gleich­ba­ren Fahr­zeu­gen an­de­rer Her­stel­ler be­kann­ter­ma­ßen üb­lich, noch er­war­tet ein Durch­schnitts­käu­fer, dass die ge­setz­lich vor­ge­ge­be­nen Emis­si­ons­grenz­wer­te nur schein­bar ein­ge­hal­ten wer­den. Dar­über hin­aus eig­net sich ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nes Fahr­zeug nicht zur ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dung, weil es im Rah­men ei­ner Rück­ruf­ak­ti­on um­ge­rüs­tet wer­den muss, um den Auf­la­gen des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes zu ge­nü­gen und nicht den Ver­lust der All­ge­mei­nen Be­triebs­er­laub­nis zu ris­kie­ren.
  2. Die Be­weis­last da­für, dass die ihm vor­zu­wer­fen­de Pflicht­ver­let­zung i. S. des § 323 V 2 BGB un­er­heb­lich ist und des­halb ei­nen Rück­tritt vom Kauf­ver­trag nicht recht­fer­tigt, trifft den Rück­tritts­geg­ner.
  3. Der Man­gel, der ei­nem vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeug an­haf­tet, ist schon des­halb nicht i. S. des § 323 V 2 BGB ge­ring­fü­gig, weil das Kraft­fahrt-Bun­des­amt die zur Man­gel­be­sei­ti­gung vor­ge­se­he­nen Maß­nah­men prü­fen und ge­neh­mi­gen muss. Au­ßer­dem führt be­reits das Ri­si­ko, dass trotz ord­nungs­ge­mä­ßer Nach­bes­se­rung ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert da­zu, dass der Man­gel nicht als ge­ring­fü­gig an­ge­se­hen wer­den kann.

LG Re­gens­burg, Ur­teil vom 21.11.2016 – 6 O 409/16 (3)

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kfz-Kauf­ver­tra­ges, den er mit der Be­klag­ten ge­schlos­sen hat.

Die Par­tei­en schlos­sen am 22.01.2015 ei­nen Kauf­ver­trag über ei­nen ge­brauch­ten VW Tou­ran 1.6 TDI. Den Kauf­preis in Hö­he von 20.745 € ent­rich­te­te der Klä­ger, in­dem er sei­nen Ge­braucht­wa­gen für 4.500 € bei der Be­klag­ten in Zah­lung gab und den rest­li­chen Rest­kauf­preis zahl­te. Als der streit­ge­gen­ständ­li­che VW Tou­ran dem Klä­ger über­ge­ben wur­de, wies er ei­ne Lauf­leis­tung von 7.100 km auf.

Das Fahr­zeug ist mit ei­nem Die­sel­mo­tor vom Typ EA189 aus­ge­stat­tet. In ihm kommt ei­ne Soft­ware („Ab­schalt­soft­ware“) zum Ein­satz, die er­kennt, dass sich das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand be­fin­det, und dann den Aus­stoß von Stick­oxi­den re­du­ziert. Im nor­ma­len Fahr­be­trieb sind des­halb die Stick­oxid­emis­sio­nen hö­her als wäh­rend ei­nes Emis­si­ons­tests auf dem Prüf­stand und ins­be­son­de­re hö­her als von der Fahr­zeug­her­stel­le­rin öf­fent­lich an­ge­ge­be­nen.

Der Klä­ger sieht dar­in ei­nen Man­gel und for­der­te die Be­klag­te mit An­walts­schrei­ben vom 16.12.2015 zu des­sen Be­sei­ti­gung auf. Hier­für setz­te er der Be­klag­ten ei­ne Frist bis zum 08.01.2016. Gleich­zei­tig wur­de die Be­klag­te „zur Ver­mei­dung ge­richt­li­cher Schrit­te“ auf­ge­for­dert, bis zum 31.12.2016 dar­auf zu ver­zich­ten, die Ein­re­de der Ver­jäh­rung zu er­he­ben.

Die­se Er­klä­rung gab die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 17.12.2015 ab.

Mit Schrei­ben vom 03.02.2016 for­der­te der Klä­ger die Be­klag­te er­neut zur Nach­bes­se­rung auf und setz­te ihr dies­mal ei­ne Frist bis zum 12.02.2016.

Ei­ne Nach­bes­se­rung ist bis­lang nicht er­folgt. Der Be­ginn der Rück­ruf­ak­ti­on für den Mo­tor, mit dem auch das Fahr­zeug des Klä­gers aus­ge­stat­tet ist, ist für die 50. Ka­len­der­wo­che des Jah­res 2016 ge­plant. Ei­ne Frei­ga­be des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes liegt je­doch noch nicht vor.

Nach An­sicht des Klä­gers ist sein Fahr­zeug we­gen der „Ab­schalt­soft­ware“ und des­halb man­gel­haft, weil der VW Tou­ran tat­säch­lich mehr Schad­stof­fe aus­stößt als er­laubt. Wei­ter ab­zu­war­ten, bis sein Fahr­zeug im Rah­men der ge­plan­ten Rück­ruf­ak­ti­on über­ar­bei­tet wird, hält der Klä­ger für un­zu­mut­bar. Er be­haup­tet au­ßer­dem, dass die ge­plan­te Nach­bes­se­rung oh­ne­hin nicht zu ei­ner voll­stän­di­gen Man­gel­be­sei­ti­gung füh­ren wür­de, schon weil bei ei­nem Wei­ter­ver­kauf des Fahr­zeugs mit ho­hen fi­nan­zi­el­len Ein­bu­ßen zu rech­nen sei.

Die Be­klag­te be­haup­tet dem­ge­gen­über, dass ei­ne voll­stän­di­ge Nach­bes­se­rung da­durch mög­lich sei, dass di­rekt vor dem Luft­mas­sen­mes­ser ein so­ge­nann­ter Strö­mungs­trans­for­ma­tor be­fes­tigt und ein Soft­ware­up­date auf­ge­spielt wer­de. Dies sei vor­aus­sicht­lich mit ei­nem Zeit­auf­wand von we­ni­ger als ei­ner Stun­de und ei­nem Kos­ten­auf­wand von rund 100 € ver­bun­den. Mit Blick dar­auf, so meint die Be­klag­te, schei­te­re ein Rück­tritt des Klä­gers vom Kauf­ver­trag an § 323 V 2 BGB, weil der dem VW Tou­ran an­haf­ten­de Man­gel je­den­falls ge­ring­fü­gig sei. Im Üb­ri­gen ist die Be­klag­te der Auf­fas­sung, dass dem Klä­ger ein wei­te­res Ab­war­ten zu­zu­mu­ten sei, weil er sein Fahr­zeug bis zu ei­ner Nach­bes­se­rung un­ein­ge­schränkt nut­zen kön­ne.

Die im We­sent­li­chen auf Zah­lung von 18.586,07 € und den Er­satz vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten (1.100,51 €) nebst Zin­sen ge­rich­te­te Kla­ge hat­te zum weit über­wie­gen­den Teil Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Dem Klä­ger steht ge­gen­über der Be­klag­ten ein An­spruch auf Zah­lung von 17.029,86 € Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs … ge­mäß §§ 434 I 2 Nr. 2, 437 Nr. 2, 323 I, 346 BGB zu. Im Üb­ri­gen war die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Klä­ger ist wirk­sam vom Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten. Ge­mäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 323 BGB kann der Käu­fer vom Kauf­ver­trag durch Er­klä­rung zu­rück­tre­ten, wenn die Kauf­sa­che man­gel­haft ist, dem Ver­käu­fer ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Nach­er­fül­lung ge­setzt wur­de und es sich nicht um ei­nen un­er­heb­li­chen Man­gel han­delt. Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen … hier … vor.

1. Die im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug in­stal­lier­te Soft­ware zur Be­ein­flus­sung der Schad­stoff­emis­si­on im Test­be­trieb stellt ei­nen Sach­man­gel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar.

Nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist der Kauf­ge­gen­stand frei von Sach­män­geln, wenn er sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, wel­che bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann. Die im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ein­ge­bau­te „Ab­schalt­soft­ware“ ist kei­ne Be­schaf­fen­heit, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach Art der Sa­che auch er­war­ten kann. Die In­stal­la­ti­on und Ver­wen­dung ei­ner so­ge­nann­ten Ab­schalt­soft­ware ist bei Fahr­zeu­gen an­de­rer Her­stel­ler in ei­ner ver­gleich­ba­ren Fahr­zeug­klas­se je­den­falls nicht be­kann­ter­ma­ßen üb­lich (so auch LG Braun­schweig, Urt. v. 12.10.2016 – 4 O 202/16). Auch er­war­tet ein Durch­schnitts­käu­fer nicht, dass die ge­setz­lich vor­ge­ge­be­nen Ab­gas­wer­te nur des­halb ein­ge­hal­ten und ent­spre­chend at­tes­tiert wer­den, weil ei­ne Soft­ware in­stal­liert wor­den ist, die da­für sorgt, dass der Prüf­stand­lauf er­kannt und über ent­spre­chen­de Pro­gram­mie­rung der Mo­tor­steue­rung in ge­setz­lich un­zu­läs­si­ger Wei­se ins­be­son­de­re der Stick­oxid­aus­stoß re­du­ziert wird. In­so­weit re­sul­tiert die Man­gel­haf­tig­keit nicht et­wa dar­aus, dass die un­ter La­bor­be­din­gun­gen ge­mes­se­nen Wer­te im all­täg­li­chen Stra­ßen­ver­kehr nicht ein­ge­hal­ten wer­den, son­dern ba­siert dar­auf, dass der Mo­tor die Vor­ga­ben im Prüf­stand­lauf nur auf­grund der ma­ni­pu­lier­ten Soft­ware ein­hält (LG Müns­ter, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15; LG Ol­den­burg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16).

Auch eig­net sich das Fahr­zeug nicht zur ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dung. Zwar ist der Be­klag­ten­sei­te zu­zu­ge­ste­hen, dass der Klä­ger der­zeit das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug un­ein­ge­schränkt nut­zen kann. Al­ler­dings muss das Fahr­zeug un­strei­tig im Rah­men ei­ner Rück­ruf­ak­ti­on um­ge­rüs­tet wer­den, um den ent­spre­chen­den Auf­la­gen des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes zu ge­nü­gen und nicht den Ver­lust der All­ge­mei­nen Be­triebs­er­laub­nis zu ris­kie­ren. Wenn es dem Klä­ger al­so nicht frei­steht, dem Rück­ruf sei­nes Fahr­zeugs Fol­ge zu leis­ten und des­sen Zu­las­sung Im Stra­ßen­ver­kehr zu er­hal­ten, dann kann nicht von ei­ner ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dungs­mög­lich­keit des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs aus­ge­gan­gen wer­den (LG Ol­den­burg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16).

2. Der Klä­ger hat der Be­klag­ten auch ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Nach­er­fül­lung ge­mäß § 323 I BGB ge­setzt. Zwar ist die Frist­set­zung aus dem Schrei­ben des Klä­ger­ver­tre­ters vom 16.12.2015 bis zum 08.01.2016 ge­ra­de im Hin­blick auf die an­ste­hen­den Fei­er­ta­ge und den Jah­res­wech­sel als zu kurz und da­her nicht an­ge­mes­sen an­zu­se­hen. Auch die Nach­frist­set­zung mit Schrift­satz vom 03.02.2016 bis zum 12.02.2016 ist im vor­lie­gen­den Streit­fall als zu kurz be­mes­sen an­zu­se­hen, ins­be­son­de­re auch im Hin­blick auf den von der Be­klag­ten er­klär­ten Ver­zicht auf die Ver­jäh­rungs­ein­re­de bis zum 31.12.2006.

Zu be­rück­sich­ti­gen ist aber, dass durch die Frist­set­zung über­haupt ei­ne ob­jek­tiv an­ge­mes­se­ne Frist in Gang ge­setzt wird (Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 75. Aufl. [2016], § 323 Rn. 14). Ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist ist zum Zeit­punkt der münd­li­chen Ver­hand­lung be­reits ab­ge­lau­fen.

Bei der Be­stim­mung der An­ge­mes­sen­heit der Frist ist auf den Sinn und Zweck der Frist­set­zung ab­zu­stel­len. Die Frist soll dem Schuld­ner ei­ne letz­te Ge­le­gen­heit zur Ver­trags­er­fül­lung er­öff­nen. Dem Klä­ger ist es bei Zu­grun­de­le­gung al­ler Um­stän­de des Ein­zel­falls nicht mehr zu­mut­bar, die ge­plan­te Rück­ruf­ak­ti­on ab­zu­war­ten. Zwi­schen ers­ter Frist­set­zung und Zu­gang der Kla­ge­schrift, wel­che als Rück­tritts­er­klä­rung i. S. des § 349 BGB aus­zu­le­gen ist, ver­gin­gen be­reits mehr als drei Mo­na­te, bis zum Zeit­punkt der münd­li­chen Ver­hand­lung am 17.10.2016 so­gar zehn Mo­na­te, oh­ne dass bis­lang ei­ne Nach­bes­se­rung sei­tens der Be­klag­ten er­folgt ist. Je­den­falls bis zum Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung wur­de der Be­klag­ten ei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung ge­währt, die auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung der von der Be­klag­ten an­ge­führ­ten Ge­samt­ko­or­di­na­ti­on der Rück­ruf­ak­ti­on und der Viel­zahl der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge als an­ge­mes­sen an­ge­se­hen wer­den muss, zu­mal nach ei­ge­nem Vor­trag der Be­klag­ten und der Streit­hel­fe­rin die Nach­bes­se­rungs­ar­bei­ten an sich so­wohl vom er­for­der­li­chen Zeit­maß als auch von den Kos­ten als ge­ring ein­zu­stu­fen sind. In­so­weit ist nicht nach­voll­zieh­bar, war­um bis­lang für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Mo­tor­typ im­mer noch die Frei­ga­be durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt fehlt.

Zwar muss be­rück­sich­tigt wer­den, dass auf Be­trei­ben des Klä­gers die Be­klag­te bis zum 31.12.2016 auf die Ein­re­de der Ver­jäh­rung ver­zich­tet hat. Dies wur­de aus­drück­lich vom Klä­ger ge­for­dert, um das Be­schrei­ten ge­richt­li­cher Schrit­te zu ver­mei­den. Hier­in ist aber kei­nes­falls ein Ver­zicht auf die Gel­tend­ma­chung der Ge­währ­leis­tungs­rech­te bis zum 31.12.2016 zu se­hen. Viel­mehr spielt die­ser As­pekt ei­ne Rol­le bei der Ent­schei­dung – wie oben be­reits dar­ge­stellt –, ob vom Klä­ger vor Ein­rei­chung der Kla­ge be­reits ei­ne an­ge­mes­se­ne Nach­er­fül­lungs­frist ge­setzt wur­de, was zu ver­nei­nen ist. Zum Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung stellt sich die Si­tua­ti­on je­doch so dar, dass die Streit­hel­fe­rin nicht zu­si­chern kann, dass bis zum 31.12.2016 das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug an der er­for­der­li­chen Rück­ruf­ak­ti­on teil­neh­men wird. Die Frei­ga­be durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt, die in keins­ter Wei­se im Ein­fluss­be­reich der Streit­hel­fe­rin bzw. der Be­klag­ten steht, steht noch aus, so­dass le­dig­lich Pla­nun­gen für den Be­ginn der Rück­ruf­ak­ti­on ab 50. Ka­len­der­wo­che ge­macht wer­den kön­nen.

Ab­ge­se­hen da­von, dass es sich le­dig­lich um ei­ne Pla­nung han­delt, de­ren Durch­füh­rung zum jet­zi­gen Zeit­punkt noch völ­lig un­si­cher ist, ist es auch im Hin­blick auf die dann an­ste­hen­den Weih­nachts­fei­er­ta­ge und den Jah­res­wech­sel äu­ßerst zwei­fel­haft, dass ei­ne Um­rüs­tung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs noch im Jahr 2016 er­folgt. Auf­grund die­ser Per­spek­ti­ve und Pro­gno­se war es dem Klä­ger zu­min­dest zum Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung trotz des er­folg­ten Ver­zichts auf die Ver­jäh­rungs­ein­re­de nicht mehr zu­mut­bar, wei­ter ab­zu­war­ten, so­dass ei­ne ob­jek­tiv an­ge­mes­se­ne Frist zu die­sem Zeit­punkt ab­ge­lau­fen war.

3. Das Rück­tritts­recht des Klä­gers ist auch nicht ge­mäß § 323 V 2 BGB aus­ge­schlos­sen, da der vor­lie­gen­de Man­gel nicht un­er­heb­lich ist.

Ge­mäß § 323 V 2 BGB ist der Rück­tritt aus­ge­schlos­sen, wenn der Schuld­ner ei­ne Schlecht­leis­tung er­bracht hat, die Pflicht­ver­let­zung je­doch un­er­heb­lich ist. Be­weis­be­las­tet hier­für ist die Be­klag­te als Rück­trltts­geg­ne­rin (MünchKomm-BGB/Ernst, 7. Aufl. [2016], § 323 Rn. 254).

Nach der Recht­spre­chung des BGH ist für die Ent­schei­dung der Fra­ge, ob die Pflicht­ver­let­zung un­er­heb­lich ist, ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung auf der Grund­la­ge der Um­stän­de des Ein­zel­falls vor­zu­neh­men. Ist der Man­gel be­heb­bar, ist in der In­ter­es­sen­ab­wä­gung ins­be­son­de­re auf das Ver­hält­nis der Be­sei­ti­gungs­kos­ten zum Kauf­preis ab­zu­stel­len. Bei ei­nem be­heb­ba­ren Man­gel ist im Rah­men der ge­bo­te­nen In­ter­es­sen­ab­wä­gung von ei­ner Ge­ring­fü­gig­keit des Man­gels und da­mit von ei­ner Un­er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung je­den­falls nicht mehr aus­zu­ge­hen, wenn der Man­gel­be­sei­ti­gungs­auf­wand ei­nen Be­trag von fünf Pro­zent des Kauf­prei­ses über­steigt (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VI­II ZR 94/13 Rn. 30 ff.).

Im vor­lie­gen­den Fall ist der streit­ge­gen­ständ­li­che Man­gel grund­sätz­lich be­heb­bar. Nach dem Vor­trag der Be­klag­ten er­for­dert die Nach­bes­se­rung le­dig­lich das Auf­spie­len ei­ner neu­en Soft­ware so­wie den Ein­bau ei­nes so­ge­nann­ten Strö­mungs­trans­for­ma­tors di­rekt vor dem Luft­mas­sen­mes­ser. Dies er­for­de­re le­dig­lich ei­ne Ar­beits­zeit von we­ni­ger als ei­ner Stun­de und Kos­ten in Hö­he von cir­ca 100 €. Im vor­lie­gen­den FaII wür­de da­her un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Ver­hält­nis­ses zwi­schen Man­gel­be­sei­ti­gungs­auf­wand und Kauf­preis nach dem Vor­trag der Be­klag­ten kei­ne er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung vor­lie­gen.

Dem An­trag der Be­klag­ten auf Er­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens hier­zu war je­doch nicht nach­zu­kom­men, da nach der Recht­spre­chung des BGH nicht al­lei­ne das Ver­hält­nis des Man­gel­be­sei­ti­gungs­auf­wan­des zum Kauf­preis für die Er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung ent­schei­dend ist, son­dern viel­mehr ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung sämt­li­cher Um­stän­de des Ein­zel­falls durch­zu­füh­ren ist. Selbst bei Un­ter­stel­lung der Rich­tig­keit des Be­klag­ten­vor­trags führt die­se um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung im vor­lie­gen­den Streit­fall je­doch da­zu, dass die Pflicht­ver­let­zung der Be­klag­ten als er­heb­lich an­zu­se­hen ist.

Zu­guns­ten der Be­klag­ten ist bei die­ser um­fas­sen­den Ab­wä­gung im Ge­gen­satz zu dem vom LG Mün­chen I (Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15) zu ent­schei­den­den Fall zu be­rück­sich­ti­gen, dass der Be­klag­ten ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung nicht vor­zu­wer­fen ist. Die Be­klag­te ist kei­ne Ver­trags­händ­le­rin der Streit­hel­fe­rin, so­dass ihr die An­ga­ben zum Schad­stoff­aus­stoß so­wie der Ein­bau der „Ab­schalt­soft­ware“ durch die Streit­hel­fe­rin nicht zu­ge­rech­net wer­den kön­nen.

Zu­las­ten der Be­klag­ten ist je­doch ins­be­son­de­re zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Be­sei­ti­gung des vor­lie­gen­den Man­gels tat­säch­lich nicht in ab­seh­ba­rer Zeit durch­ge­führt wer­den kann. Hier­bei ver­kennt das Ge­richt nicht, dass die Fra­ge des frucht­lo­sen Frist­ab­laufs hin­sicht­lich der Nach­er­fül­lung ei­ne ge­son­der­te ge­setz­li­che Vor­aus­set­zung für die Ent­ste­hung und Aus­übung ei­nes ge­setz­li­chen Rück­tritts­rechts dar­stellt (§ 323 I BGB). Im vor­lie­gen­den Streit­fall kommt die­sem Kri­te­ri­um je­doch Re­le­vanz auch hin­sicht­lich der Fra­ge zu, ob die Pflicht­ver­let­zung un­er­heb­lich ist. Zwar be­darf bei Un­ter­stel­lung der Rich­tig­keit des Be­klag­ten­vor­trags die Durch­füh­rung der Nach­bes­se­rung le­dig­lich ei­nes ge­rin­gen Zeit­auf­wands, Dies kann je­doch nicht iso­liert be­trach­tet wer­den. Nach den ei­ge­nen An­ga­ben der Be­klag­ten und der Streit­hel­fe­rin ist für die tech­ni­sche Vor­be­rei­tung der be­ab­sich­tig­ten Man­gel­be­sei­ti­gung nun­mehr ein Vor­lauf von mehr als ei­nem Jahr er­for­der­lich. Erst dann soll der Man­gel in­ner­halb ei­ner Stun­de be­ho­ben wer­den kön­nen. Es kann sich da­her vor­lie­gend nicht um ei­ne ein­fa­che tech­ni­sche Maß­nah­me, die kurz­fris­tig und oh­ne wei­te­re Vor­be­rei­tun­gen hät­te vor­ge­nom­men wer­den kön­nen, han­deln. Hin­zu kommt, dass die Man­gel­be­sei­ti­gung nicht im Be­lie­ben der Be­klag­ten steht. Nach ei­ge­nem Vor­trag der Be­klag­ten kann sie die Nach­bes­se­rung nur nach Rück­spra­che und Frei­ga­be durch den Her­stel­ler vor­neh­men, der wie­der­um ei­ner Ge­neh­mi­gung durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt be­darf. Ei­ne Man­gel­be­sei­ti­gungs­maß­nah­me, die der vor­he­ri­gen be­hörd­li­chen Prü­fung und Ge­neh­mi­gung be­darf, kann nicht als un­er­heb­lich an­ge­se­hen wer­den. Hin­zu kommt, dass im vor­lie­gen­den Fall die Frei­ga­be durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt zum Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung auch noch nicht vor­lag. Auch konn­te die Streit­hel­fe­rin nicht an­ge­ben, wann mit ei­ner sol­chen Frei­ga­be zu­ver­läs­sig zu rech­nen ist. Le­dig­lich die Pla­nun­gen der Streit­hel­fe­rin lau­fen da­hin ge­hend, dass be­züg­lich des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs die Rück­ruf­ak­ti­on ge­gen 50. Ka­len­der­wo­che die­ses Jah­res er­fol­gen kann.

Des­wei­te­ren ist zu­las­ten der Be­klag­ten zu be­rück­sich­ti­gen, dass nicht si­cher ist, ob die ge­plan­ten tech­ni­schen Maß­nah­men tat­säch­lich er­folg­reich und oh­ne Ne­ben­wir­kun­gen sein wer­den. Wä­re dem tat­säch­lich so ein­fach, wie von der Be­klag­ten und der Streit­hel­fe­rin vor­ge­tra­gen, so ist nicht nach­zu­voll­zie­hen, war­um meh­re­re Mo­na­te nach Auf­de­ckung des VW-Ab­gas­skan­dals noch im­mer kei­ne Ent­fer­nung der zum Man­gel füh­ren­den Soft­ware mög­lich ist (so auch LG Ol­den­burg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16). Dar­über hin­aus ist der­zeit nicht ab­seh­bar, ob und in wel­chem Um­fang sich auf­grund des Man­gels bzw. des so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dals ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs rea­li­sie­ren wird. Der so­ge­nann­te Ab­gas­skan­dal ist Ge­gen­stand wei­ter öf­fent­li­cher Wahr­neh­mung und Dis­kus­si­on, ein­schließ­lich der Nach­bes­se­rungs­ver­su­che von Her­stel­ler­sei­te. Be­reits das Be­ste­hen ei­nes na­he­lie­gen­den Ri­si­kos ei­nes blei­ben­den mer­kan­ti­len Min­der­werts führt aber da­zu, dass der Man­gel nicht als un­er­heb­lich an­ge­se­hen wer­den kann (so auch LG Ol­den­burg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16, LG Mün­chen I (LG Mün­chen I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15).

Zwar ver­mag der Klä­ger das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug der­zeit noch oh­ne Ein­schrän­kun­gen zu be­nut­zen; die oben dar­ge­stell­ten Um­stän­de zu­las­ten der Be­klag­ten über­wie­gen je­doch er­heb­lich, so­dass ein Aus­schluss des Rück­tritts­rechts ge­mäß § 323 V 2 BGB hier nicht ein­greift.

4. Mit Ein­rei­chung der Kla­ge­schrift am 02.03.2016 und Zu­stel­lung am 02.04.2016 hat der Klä­ger  kon­klu­dent den Rück­tritt er­klärt (§ 349 BGB).

5. Dem Klä­ger steht der gel­tend ge­mach­te Zah­lungs­an­spruch je­doch nicht in vol­lem Um­fang zu. Der Klä­ger hat auf­grund der von dem Kauf­preis ab­zu­zie­hen­den Nut­zungs­ent­schä­di­gung in Hö­he von 3.715,14 € le­dig­lich An­spruch auf Zah­lung von 17.029,86 €.

Nach § 346 I BGB ist Rechts­fol­ge des Rück­tritts die Rück­ge­währ emp­fan­ge­ner Leis­tun­gen und die Her­aus­ga­be ge­zo­ge­ner Nut­zun­gen. Die Be­klag­te muss da­her den er­lang­ten Kauf­preis in Hö­he von 20.745 € Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs zu­rück­zah­len.

Un­strei­tig … ist … der Kauf­preis voll­stän­dig durch Zah­lung und ln­zah­lung­ga­be des ge­brauch­ten Fahr­zeugs des Klä­gers er­füllt wor­den … So­weit die Streit­hel­fe­rin den Wert des in Zah­lung ge­ge­be­nen Fahr­zeugs mit 4.500 € mit Nicht­wis­sen be­strei­tet, ist dies hier nicht zu be­rück­sich­ti­gen, da sie sich mit die­sem Vor­trag in Wi­der­spruch zur Haupt­par­tei setzt (§ 67 ZPO). Von dem Kauf­preis in Hö­he von 20.745 € ist je­doch ein Wert­er­satz­an­spruch für die Nut­zung des Fahr­zeugs ab­zu­zie­hen. Der Wert der Nut­zung des er­wor­be­nen Pkw durch den Klä­ger ist an­hand des Brut­to­kauf­prei­ses, der Fahr­stre­cke und der zu er­war­ten­den Rest­lauf­leis­tung auf Grund­la­ge li­nea­rer Wert­min­de­rung zu er­rech­nen (MünchKomm-BGB/Gai­er, 7. Aufl. [2016], § 346 Rn. 27). Zwi­schen den Par­tei­en ist un­strei­tig, dass der Pkw zum Zeit­punkt der Über­ga­be an den Klä­ger ei­ne Lauf­leis­tung von 7.100 km auf­wies und mit ei­ner Ge­samt­lauf­leis­tung von 250.000 km zu rech­nen ist. Un­be­strit­ten blieb auch die An­ga­be des Klä­gers in der münd­li­chen Ver­hand­lung, dass zum 17.10.2016 das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ei­ne Lauf­leis­tung von 43.500 km auf­wies. Die­se Wer­te be­rück­sich­ti­gend er­gibt sich ein Nut­zungs­vor­teil von 3.715,14 €

\left({\frac{\text{20.745,00 €}\times\text{43.500 km}}{\text{(250.000 km − 7.100 km)}}}\right).

Dem Klä­ger steht da­nach ein Kauf­preis­rück­zah­lungs­an­spruch in Hö­he von 17.029,86 € zu. Im Üb­ri­gen war die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

II. Der Klä­ger kann in Pro­zess­stand­schaft die Zah­lung der vor­ge­richtll­chen An­walts­kos­ten in Hö­he von 1.100,51 € ge­mäß §§ 433, 434 I 2 Nr. 2, 437 Nr. 3, 280 I, 325 BGB ver­lan­gen …

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