1. Ein Ge­braucht­wa­gen­händ­ler, der le­dig­lich als Ver­mitt­ler ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen – auf ihn selbst zu­ge­las­se­nen – Ge­braucht­wa­gen auf­tritt, kann sich nach dem Rechts­ge­dan­ken des § 179 I BGB als Ver­käu­fer des Fahr­zeugs be­han­deln las­sen müs­sen, wenn die als Ver­käu­fer ge­nann­te Per­son un­ter der an­ge­ge­be­nen An­schrift nicht ge­mel­det ist und auch nicht ge­mel­det war.
  2. Muss sich ein Kfz-Händ­ler nach dem Rechts­ge­dan­ken des § 179 I BGB als Ver­käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens be­han­deln las­sen, dann ver­stößt ein ver­trag­li­cher Aus­schluss der Sach­män­gel­haf­tung ge­gen § 475 I BGB, wenn der Käu­fer den Kauf­ver­trag als Ver­brau­cher ge­schlos­sen hat und des­halb ein Ver­brauchs­gü­ter­kauf i. S. des § 474 I 1 BGB vor­liegt.

LG Han­no­ver, Ur­teil vom 19.05.2016 – 8 O 172/14

Sach­ver­halt: Der Klä­ger macht als Käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens Zah­lungs­an­sprü­che nach er­klär­ter Min­de­rung gel­tend.

Der Be­klag­te be­treibt in L. bei H. ei­nen Ge­braucht­wa­gen­han­del. Im Ju­li 2012 er­warb der Klä­ger dort ei­nen 2006 erst­zu­ge­las­se­nen Ge­braucht­wa­gen zum Preis von 16.500 €. Ob der Be­klag­te der Ver­käu­fer die­ses – auf ihn zu­ge­las­se­nen – Fahr­zeugs war oder ob er le­dig­lich den Kauf­ver­trag ver­mit­tel­te, ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Über den Fahr­zeug­kauf gibt es ei­ne mit „Ver­mitt­lungs­ge­schäft“ über­schrie­be­ne und auf den 24.07.2012 da­tier­te Ur­kun­de, in der der Be­klag­te als Ver­mitt­ler, der Klä­ger als Käu­fer und ein V aus L. als Ver­käu­fer be­zeich­net wird und in der es vor­for­mu­liert heißt: „Das Kraft­fahr­zeug wird un­ter Aus­schluss der Sach­män­gel­haf­tung ver­kauft.“

Am 17.11.2012 war der Klä­ger in ei­nen Un­fall ver­wi­ckelt, bei dem der Pkw im Heck­be­reich be­schä­digt wur­de. Die T-KG er­stell­te im Auf­trag des Klä­gers am 27.12.2013 ein Gut­ach­ten. Dar­in heißt es, dass das Fahr­zeug Un­fall­schä­den un­ter an­de­rem in den Be­rei­chen der Fahr­zeug­front und der Bei­fah­rer­tür er­lit­ten ha­be, die nicht fach­ge­recht re­pa­riert wor­den sei­en. In ei­nem wei­te­ren Gut­ach­ten vom 21.03.2014 schätz­te die T-KG, den Markt­wert des Fahr­zeugs zur Zeit des Kaufs auf cir­ca 11.000 €.

Der Klä­ger mach­te mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 29.07.2013 ge­gen­über dem Be­klag­ten (un­be­zif­fer­te) Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che gel­tend und for­der­te sie zur Stel­lung­nah­me auf. Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 10.05.2014 ver­lang­te der Klä­ger ge­stützt auf § 441 IV BGB die Zah­lung von 4.000 € nebst An­walts- und Sach­ver­stän­di­gen­kos­ten.

Ei­ne An­fra­ge des Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers bei der Stadt L. vom 10.07.2014 er­gab, dass ein V dort nicht ge­mel­det ist und auch nicht ge­mel­det war.

Der Klä­ger be­haup­tet, der Mit­ar­bei­ter M des Be­klag­ten ha­be so­wohl im ers­ten Ver­kaufs­ge­spräch als auch ei­ni­ge Ta­ge spä­ter bei der Ab­ho­lung und Be­zah­lung des Fahr­zeugs auf sei­ne – des Klä­gers – ent­spre­chen­de Fra­ge aus­drück­lich er­klärt, dass das Fahr­zeug zu kei­nem Zeit­punkt bei ei­nem Un­fall be­schä­digt wor­den sei. Die­se Ant­wort – so meint der Klä­ger – sei ent­we­der ab­sicht­lich falsch oder ei­ne Er­klä­rung „ins Blaue hin­ein“ ge­we­sen, denn der Be­klag­te ha­be als ge­werb­li­cher Kfz-Händ­ler er­kannt, dass das Fahr­zeug min­des­tens ei­nen er­heb­li­chen Un­fall­scha­den auf­ge­wie­sen ha­be.

Die im We­sent­li­chen auf Zah­lung von 5.500 € nebst Zin­sen und An­walts­kos­ten ge­rich­te­te Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Dem Klä­ger steht ge­gen den Be­klag­ten kein Min­de­rungs­an­spruch ge­mäß § 437 Nr. 2 Fall 2, §§ 441, 434 I BGB zu.

1. Der Be­klag­te ist pas­siv­le­gi­ti­miert. Er muss sich ana­log § 179 I BGB als Ver­käu­fer be­han­deln las­sen. Der Be­klag­te hat als Ver­käu­fer des Fahr­zeugs ei­ne Per­son an­ge­ge­ben, die un­ter der ge­nann­ten An­schrift gar kei­ne Woh­nung hat und de­ren la­dungs­fä­hi­ge An­schrift noch nicht ein­mal über die für je­ne Adres­se zu­stän­di­ge Be­hör­de er­mit­telt wer­den kann.

2. Da sich der Be­klag­te nach dem Rechts­ge­dan­ken des § 179 I BGB als Qua­si-Ver­käu­fer des Fahr­zeugs be­han­deln las­sen muss, kann er sich auf die im „Ver­mitt­lungs­ver­trag“ ent­hal­te­ne Aus­schluss­klau­sel nicht be­ru­fen. Die Ver­ein­ba­rung ei­nes Ge­währ­leis­tungs­aus­schlus­ses ist ge­mäß § 475 I BGB un­be­acht­lich. Das Er­werbs­ge­schäft ist als Ver­brauchs­gü­ter­kauf i. S. des § 474 I 1 BGB an­zu­se­hen.

3. Vor Gel­tend­ma­chung der Min­de­rungs­an­sprü­che war das Set­zen ei­ner Frist zur Nach­er­fül­lung ge­mäß § 441 I 1, § 440 Satz 1, § 281 I 1 Halb­satz 2 BGB ent­behr­lich. Das be­haup­te­te Feh­len der Un­fall­frei­heit ist ein nicht be­heb­ba­rer Man­gel.

4. Nach Durch­füh­rung der Be­weis­auf­nah­me steht je­doch nicht mit der er­for­der­li­chen Ge­wiss­heit fest, dass das Fahr­zeug be­reits im Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs we­gen feh­len­der Un­fall­frei­heit man­gel­haft war, wes­halb auch da­hin­ste­hen kann, wel­che An­ga­ben der Mit­ar­bei­ter M bei An­kauf ge­macht hat.

Der Sach­ver­stän­di­ge S, an des­sen Sach­kun­de das Ge­richt auch auf­grund wei­te­rer Be­auf­tra­gun­gen in an­de­ren Ver­fah­ren kei­nen An­lass hat zu zwei­feln, kommt in sei­nem Gut­ach­ten nach­voll­zieh­bar zu dem Schluss, dass sich kei­ne hin­rei­chend si­che­re Fest­stel­lung da­hin tref­fen lässt, dass das Fahr­zeug be­reits vor dem An­kauf durch den Klä­ger im Ju­li 2012 ei­nen Un­fall­scha­den er­lit­ten hat­te. Der Sach­ver­stän­di­ge hat zwar im Be­reich von Dach­holm und Fahr­zeug­front bei Durch­füh­rung ei­ner Sicht­prü­fung un­fall­be­ding­te Be­schä­di­gun­gen so­wie Re­pa­ra­tur­spu­ren und La­ckier­feh­ler fest­ge­stellt. Er hat je­doch auch deut­lich ge­macht, dass der Zeit­punkt der Durch­füh­rung der La­ckier­ar­bei­ten nicht be­stimmt wer­den kön­ne. So­weit der Sach­ver­stän­di­ge bei De­mon­ta­ge der vor­de­ren Stoß­fän­ger­ver­klei­dung so­wie der In­nen­ver­klei­dung des rech­ten Dach­holms an­hand der auf ein­zel­nen Bau­tei­len auf­ge­brach­ten Prä­ge­stem­pel die Jah­res­zahl 2006 fest­ge­stellt hat, lässt dies kei­nen hin­rei­chend si­che­ren Schluss da­hin zu, dass un­fall­be­ding­te Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten vor dem Er­werb durch den Klä­ger er­folgt sein müs­sen. Wo, wann und von wem et­wai­ge Ar­bei­ten aus­ge­führt wur­den, ist nicht er­sicht­lich. Es kann nicht hin­rei­chend si­cher aus­ge­schlos­sen wer­den, dass der Ein­bau der Er­satz­tei­le ei­ni­ge Zeit nach Her­stel­lung und et­wai­ger La­ge­rung so­wie nach dem Er­werb durch den Klä­ger er­folgt ist. Schließ­lich hat der Sach­ver­stän­di­ge in sei­nem Er­gän­zungs­gut­ach­ten plau­si­bel dar­ge­stellt, dass Schmutz­an­haf­tun­gen in der Schutz­hül­le der Lamb­da­son­de we­der Rück­schlüs­se auf den Zeit­punkt ei­ner Be­schä­di­gung noch auf den Zeit­punkt ei­ner Re­pa­ra­tur zu­las­sen. …

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