- Tritt der Verkäufer wirksam vom Kaufvertrag zurück, weil der Käufer den Kaufpreis teilweise nicht gezahlt hat, darf er weder den bereits empfangenen Teil des Kaufpreises behalten, noch steht dem Verkäufer Schadensersatz statt der Leistung in Höhe des Restkaufpreises zu. Denn wegen des Rücktritts ist der Kaufvertrag rückabzuwickeln, sodass der Verkäufer – der ja die Kaufsache zurückerhält – nur dann einen Schaden erleidet, wenn er beim Verkauf einen Gewinn erzielt hätte.
- Ein Gläubiger, der dem Schuldner nach § 323 I BGB eine Frist zur Leistung oder zur Nacherfüllung setzt, kann zugleich den Rücktritt vom Vertrag für den Fall erklären, dass die Leistung bzw. die Nacherfüllung ausbleibt.
OLG Naumburg, Urteil vom 24.08.2015 – 1 U 37/15
Sachverhalt: Der Kläger verkaufte dem Beklagten am 16.02.2014 einen am 27.02.2007 erstzugelassenen Audi S6 zum Preis von 17.000 €. Der schriftliche Kaufvertrag, in dem die Haftung des Klägers für Sachmängel ausgeschlossen wurde, entspricht inhaltlich einem vom Kläger vorbereiteten Formular, das der Beklagte allerdings nicht unterzeichnen wollte. Den Kaufpreis zahlte der Beklagte, nachdem er eine Probefahrt unternommen hatte, in bar.
Nachdem seitens der Bank des Klägers am 17.02.2014 festgestellt worden war, das einige der Geldscheine falsch waren, erstattete der Kläger Strafanzeige gegen den Beklagten. Dieser wurde in der Folgezeit angeklagt, aber freigesprochen.
Der Kläger ließ den Beklagten mit der Begründung, er habe im Umfang von 8.800 € Falschgeld von ihm erhalten, mit Anwaltsschreiben vom 17.03.2014 zur Zahlung dieses Betrages auffordern. In dem Schreiben erklärte der Bevollmächtigte des Klägers für den Fall, dass der Betrag nicht bis zum 27.03.2014 eingehen werde, den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Das Landgericht hat der Klage weitestgehend stattgegeben und den Beklagten verurteilt, an den Kläger 8.800 € nebst Zinsen sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 808,13 € zu zahlen.
Die Berufung des Beklagten hatte teilweise Erfolg.
Aus den Gründen: II. Das angefochtene Urteil des Landgerichts beruht auf Rechtsverletzungen i. S. von § 513 I ZPO. Die vom Senat nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen die Aufrechterhaltung der Entscheidung vom 18.03.2015 nur im Umfang der zuerkannten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten des Klägers (808,13 € aus §§ 280 I, 325 BGB). Den weitergehenden Betrag von 8.800 € kann der Kläger nicht als Erfüllung nach § 433 II BGB oder Schadensersatz i. S. von §§ 280 I, III, 281 I 1, 325 BGB beanspruchen, nachdem er vorprozessual vom Gebrauchtwagenkaufvertrag zurücktrat (§§ 323 I, 349, 346 I BGB) und sich nicht die Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vor dem Senat zu eigen machte, der Beklagte sei nicht mehr in der Lage, das während eines Sturms stark beschädigte und deshalb weiterverkaufte Fahrzeug an den Kläger zurückzugeben (vgl. hierzu § 346 II 1 Nr. 2, II 2 BGB).
1. Der Einzelrichter hat der Klage wegen der Forderung von 8.800 € stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Kläger könne vom Beklagten diesen in Form von Falschgeld übergebenen Kaufpreisteil trotz des Rücktritts nach §§ 280 I, III; 281, 325 BGB als kleinen Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Der Schuldner habe den Gläubiger wie bei gehöriger Erfüllung zu stellen. Damit sei der ausgebliebene Teil des Kaufpreises zu ersetzen. Unstreitig handele es sich bei dem vom Kläger den Ermittlungsbehörden übergebenen Betrag von 8.800 € um Falschgeld. Damit habe der Beklagte den Kaufvertrag in dieser Höhe nicht erfüllt. Die Beweislast für die Erfüllung trage der Beklagte. Daran ändere sich auch im Rahmen eines Schadensersatzanspruches nichts. Die Entgegennahme der Geldscheine durch den Kläger führe nicht über § 363 BGB zu einer anderen Beweislastverteilung. Dies hätte die Übergabe von gültigen Zahlungsmitteln vorausgesetzt. Der Beklagte habe keinen Beweis angetreten und gegenüber dem Gericht zur Sache keine Angaben gemacht, was zu seinen Lasten gehe.
Die hält einer Überprüfung durch den Senat nicht stand.
2. Der Kläger hat neben dem Rücktritt keinen Anspruch gegen den Beklagten auf den bereits in erster Instanz hilfsweise geltend gemachten kleinen Schadensersatz statt der Leistung.
Im Ausgangspunkt verweisen sowohl der Kläger als auch das Landgericht zutreffend auf § 325 BGB. Diese Norm hat die vor der Schuldrechtsreform häufig als unbefriedigend empfundene Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz beseitigt. Der Gläubiger kann jetzt die Rücktrittserklärung und den hierdurch nicht verloren gehenden Schadensersatz miteinander kombinieren … Hierbei muss allerdings auf die Rechtsfolgen des Rücktritts, nämlich die Umwandlung des Vertrags in ein Abwicklungsverhältnis (womit der Erfüllungsanspruch des Klägers aus § 433 II BGB unterging) und die aus § 346 I BGB folgenden Rückgewährpflichten Rücksicht genommen werden. Diese entfallen nicht, wenn der Gläubiger nach dem Rücktritt Schadensersatz statt der Leistung verlangt (so aber wohl Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 281 Rn. 45, § 325 Rn. 2, jeweils m. w. Nachw.). Der Rücktritt lässt sich nicht widerrufen und schafft auf der Schuldnerseite unabhängig von der konkreten Schutzwürdigkeit einen auf Abwicklung des Vertrages gerichteten Vertrauenstatbestand (Staudinger/Schwarze, BGB, Neubearb. 2015, § 325 Rn. 24 ff., 30; MünchKomm-BGB/Ernst, 6. Aufl., § 325 Rn. 23; Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 323 Rn. 33). Der Schadensersatzanspruch besteht also nur neben der Rückabwicklung (BGH, Urt. v. 14.04.2010 – VIII ZR 145/09, MDR 2010, 804). Dies lässt keinen Raum für das Behalten des bereits erlangten Kaufpreisteils durch den Kläger, das Belassen des Fahrzeugs beim Beklagten und das Liquidieren des ausstehenden Restkaufpreises vom Beklagten, um im Wege des kleinen Schadensersatzes so gestellt zu werden, als wäre der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden. Der Kläger muss sich schadensmindernd anrechnen lassen, dass er nach dem Rücktritt das Fahrzeug zurückverlangen kann. Dies entzieht der Surrogation und damit dem aus § 281 BGB folgenden Wahlrecht die Grundlage und zwingt den Kläger, seinen Schaden nach der Differenzmethode zu ermitteln (so auch OLG Oldenburg, Urt. v. 23.08.2011 – 13 U 59/11, juris; Staudinger/Schwarze, a. a. O., § 325 Rn. 21, 24, 30; MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 325 Rn. 6, 9, 11, 17, 21; Erman/H. P. Westermann, BGB, 14. Aufl., § 325 Rn. 2; BeckOK-BGB/Schmidt, Stand: 01.05.2015, § 325 Rn. 6, 8; jurisPK-BGB/Alpmann, 7. Aufl., § 325 Rn. 7).
So gesehen verfügt der Kläger neben dem herauszugebenden Fahrzeug nur dann über einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung, wenn er mit dem Verkauf an den Beklagten einen Gewinn erzielt hat. Ein günstiges Geschäft des Klägers ist indes weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Gegenteil, der Kläger behauptet im Zusammenhang mit den Mangelvorwürfen des Beklagten, lediglich einen dem Wert des Audi S6 entsprechenden Kaufpreis erzielt zu haben. Erhält der Kläger auf den Rücktritt das Fahrzeug zurück, hat er durch den Verlust des Kaufpreises keinen Schaden erlitten.
3. Die anspruchsausschließende Berücksichtigung der Rücktrittsfolgen käme nur dann nicht in Betracht, wenn feststünde, dass der Kläger vom Beklagten das Fahrzeug nicht wieder zurückerlangen kann. Der Kläger hätte einen Wertersatzanspruch in Höhe des vereinbarten Kaufpreises von 17.000 € aus § 346 II 1 Nrn. 2, 3, II 2 BGB, wovon 8.800 € ausstünden. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat auf die Frage des Senats, ob der Beklagte das Fahrzeug herausgebe, erklärt, der Wagen sei vom Sturm erheblich beschädigt und vom Beklagten weiterverkauft worden. Dies hat sich der Kläger nicht zu eigen gemacht. Vielmehr hat sein Prozessbevollmächtigter das Vorbringen mit Nichtwissen bestritten. Damit ist der Beklagte nach wie vor als zur Rückgabe des Fahrzeugs verpflichtet anzusehen, was dem Kläger den Schaden nimmt.
4. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 17.03.2014 enthielt die rechtserhebliche Rücktrittserklärung (§§ 323 I, 349, 433 II BGB).
a) Nach dem Klagevorbringen hat der Beklagte den vereinbarten Kaufpreis von 17.000 € im Umfang von 8.800 € nicht bezahlt; das bar übergebene Geld enthielt falsche Banknoten, die im Umfang der Klageforderung ohne Wert waren. In einem solchen Fall lässt sich der Rücktritt unter anderem erklären, wenn dem Schuldner, hier dem Beklagten, zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung gesetzt wurde (§ 323 I BGB). Eine solche Frist enthielt das Schreiben des vorprozessual beauftragten Rechtsanwalts vom 17.03.2014. Es war in diesem Zusammenhang ohne Weiteres möglich, schon mit der Fristsetzung den Rücktritt für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs zu erklären (Staudinger/Schwarze, a. a. O., § 323 Rn. D 15; MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 148; Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 323 Rn. 33).
b) Die Erklärung hat den Vertrag tatsächlich in ein Abwicklungsverhältnis gewandelt, denn der Beklagte hatte und hat den Kaufpreis in Höhe von 8.800 € nicht gezahlt.
Die Berufung rügt zwar zutreffend eine unrichtige Sicht des Landgerichts zur Beweislast in Bezug auf die Hingabe der (teils falschen) Banknoten zum Zwecke der Kaufpreiszahlung. Der gemäß § 363 BGB beweispflichtige Kläger (vgl. Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 363 Rn. 2; MünchKomm-BGB/Fetzer, 6. Aufl., § 363 Rn. 3) hat allerdings den Beweis der unvollständigen Leistung des Beklagten geführt. Der Senat ist im Ergebnis der auf § 141 I 1 ZPO beruhenden Anhörung des Klägers und nach dem Ausbleiben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass der Kläger vom Beklagten am 16.02.2014 statt des Kaufpreises im Umfang von 8.800 € teilweise Falschgeld erhielt.
Der Kläger hat dem Senat glaubhaft den von ihm im Prozess dargelegten Sachverhalt geschildert. Dazu gehörten auch die der Geldübergabe folgenden Umstände, wie der Versuch, Teile des erhaltenen Kaufpreises bei der Bank einzuzahlen, die damit verbundene Feststellung des Falschgeldes und die Übergabe des Restkaufpreises an die Polizei, die 8.800 € an nachgemachten Banknoten ermittelte. Dieser, vom Inhalt der beigezogenen Ermittlungsakten mitgetragene Geschehensablauf ist glaubhaft. Das Verhalten des Klägers ließe sich nicht erklären, wenn er vom Beklagten für das Fahrzeug den vollen Kaufpreis erhalten hätte. Der Kläger musste damit rechnen, dass der Beklagte beispielsweise durch die ihn begleitende Frau beweisen könnte, den Kaufpreis bezahlt zu haben. Von vornherein kam der Kläger zudem als erster Verdächtiger von Straftaten nach §§ 146, 147 StGB in Betracht. In Bezug auf den Beklagten wäre zusätzlich eine Straftat vorgetäuscht worden. Wer in Besitz von Falschgeld ist, vermeidet normalerweise die mit solchen Vorwürfen verbundenen Ermittlungen und geht nicht zur Bank und zur Polizei, um dann den Käufer seines Fahrzeugs zu belasten, noch dazu wenn das Geschäft ordnungsgemäß abgewickelt wurde. Gründe, die ein solches Verhalten plausibel erscheinen ließen, vermag der Senat nicht zu sehen. Der Kläger, der die Vorgänge spontan, natürlich, ohne jeden Hinweis auf eine Schilderung fiktiver Tatsachen flüssig darstellte, machte auf den Senat nicht ansatzweise den Eindruck, als wäre er in der Lage, derart kaltschnäuzig vorzugehen.
Dagegen hat sich der Beklagte nunmehr wiederholt einer Äußerung vor Gericht entzogen. Mögen sich in erster Instanz hieraus zu ziehende nachteilige Schlüsse noch durch den Hinweis des Beklagten auf das laufende Strafverfahren verboten haben. Spätestens nach dem rechtskräftigen Freispruch des Beklagten gibt es keinen Anlass mehr, von einer freien und vorliegend nachteiligen Würdigung seines Prozessverhalten (vgl. §§ 286 I 1, 446, 453, 454 ZPO; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 141 Rn. 11) abzusehen. Wenn die Schilderung des Klägers nicht zuträfe, bestünde für den Beklagten keine Veranlassung, im Termin des Senats nicht zu erscheinen. Zunächst wäre es ihm sicher ein persönliches Bedürfnis, seinen Ärger über die falsche Anschuldigung und die damit verbundenen Gerichtsverfahren zum Ausdruck zu bringen. Außerdem musste der Beklagten davon ausgehen, dass sein Prozesserfolg von der Darstellung seiner Sicht der Dinge abhängen würde. Der Klage wurde in erster Instanz stattgegeben. Das Landgericht hatte den Beklagten für beweispflichtig gehalten und durchblicken lassen, dass die Ablehnung einer Befragung durch das Gericht dem Beklagten zum Nachteil gereichte. Sein Prozessbevollmächtigter hatte dem Beklagten erklärtermaßen vor dem Senatstermin deutlich vor Augen geführt, es komme auf seine Anwesenheit an. Erscheint der Beklagte nach alldem dennoch nicht, lässt das den Schluss auf seine fehlende Bereitschaft, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, zu. Der Beklagte will weder zugeben noch abstreiten, dem Kläger Falschgeld übergeben zu haben. Dies macht nach Abschluss des Strafprozesses nur Sinn, wenn der Beklagte befürchten muss, sich wegen seines Prozessverhaltens erneut vor einem Strafgericht verantworten zu müssen. Davon kann aber nur dann die Rede sein, wenn die Version des Klägers zutrifft.
5. Dem Kläger steht infolgedessen zumindest der Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten aus §§ 280 I, 325 BGB zu, wie sie das Landgericht in Höhe von 808,13 &euro zutreffend zugesprochen hat.
Die Vertragsuntreue des Beklagten hat den Kläger dazu veranlasst, sich anwaltlichen Beistands zu versichern. Das an den Rechtsanwalt zu zahlende Honorar ist ein Schaden, der nach § 280 I BGB neben dem Rücktritt zu ersetzen ist. Unstreitig hat der Kläger die Kosten bezahlt. Eine vermeintlich fehlerhafte Rechnungslegung durch den Bevollmächtigten hinderte die mit Erledigung des Auftrags bzw. dessen Beendigung eingetretene Fälligkeit des Honorars (§ 8 I 1 RVG) nicht. Wurde die Rechnung nicht beanstandungsfrei erteilt, hat der Mandant keinen Rückzahlungsanspruch. Er kann gemäß § 10 III RVG im Verhältnis zum Rechtsanwalt nur die Mitteilung der Berechnung fordern.
6. Soweit sich dem Vorbringen des Beklagten zur Mangelhaftigkeit des Fahrzeuges trotz des unstreitigen Gewährleistungsausschlusses über § 444 BGB der Wille zur Aufrechnung oder zur Geltendmachung eines Leistungsverweigerungsrechts entnehmen lässt, schließt § 393 BGB eine derartige Rechtsverteidigung des Beklagten aus. Das Aufrechnungsverbot kann nicht durch Ausweichen auf ein Zurückbehaltungsrecht umgangen werden (MünchKomm-BGB/Schlüter, 6. Aufl., § 393 Rn. 1; BeckOK-BGB/Dennhardt, Stand: 01.05.2015, § 393 Rn. 2). Auf den Charakter der Gegenforderung des Beklagten kommt es nicht an (BGH, Urt. v. 15.09.2009 – VI ZA 13/09, MDR 2009, 1338 [1339]; Erman/Wagner, BGB, 14. Aufl., § 393 Rn. 2c) …