1. Bei ei­nem Ge­braucht­wa­gen­kauf ist die Nach­er­fül­lung durch Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Fahr­zeugs (§ 439 I Fall 2 BGB) zwar nicht stets aus­ge­schlos­sen. Ei­ne Er­satz­lie­fe­rung kommt aber je­den­falls dann nicht in Be­tracht, wenn sich der Käu­fer erst auf­grund des bei ei­ner Be­sich­ti­gung ge­won­ne­nen Ge­samt­ein­drucks da­für ent­schie­den hat, ein be­stimm­tes Fahr­zeug zu kau­fen. Denn in die­sem Fall ist das Fahr­zeug in der Ge­samt­heit sei­ner Ei­gen­schaf­ten nicht ge­gen ein an­de­res – gleich­ar­ti­ges und gleich­wer­ti­ges – Fahr­zeug aus­tausch­bar (im An­schluss an BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VI­II ZR 209/05, ju­ris Rn. 23 ff.).
  2. Ficht der Käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens sei­ne auf den Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung (§ 123 I Fall 1 BGB) an und be­ruft er sich dar­auf, der Ver­trag sei des­halb als von An­fang an nich­tig an­zu­se­hen, ist ei­ne gleich­zei­tig „vor­sorg­lich“ er­klär­te Auf­for­de­rung zur Nach­er­fül­lung we­gen wi­der­sprüch­li­chen Ver­hal­tens un­wirk­sam.

OLG Dres­den, Be­schluss vom 19.05.2015 – 10 U 1617/14
(nach­fol­gend: OLG Dres­den, Be­schluss vom 03.06.2015 – 10 U 1617/14)

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­stell­te bei der Be­klag­ten am 06.05.2013 ver­bind­lich ein Ca­brio­let für 9.700 €. In dem Be­stell­for­mu­lar heißt es un­ter an­de­rem: „Un­fall­frei lt. Vor­be­sit­zer: nein“, und auch in ei­nem dem Klä­ger bei Uuml;berg­a­be des Fahr­zeugs am 11.05.2013 aus­ge­hän­dig­ten „Über­ga­be­zer­ti­fi­kat“ wur­de fest­ge­hal­ten: „Un­fall­frei lt. Vor­be­sit­zer: nein“.

Mit an die Be­klag­te ge­rich­te­tem An­walts­schrei­ben vom vom 25.07.2013 focht der Klä­ger sei­ne Be­stel­lung vom 06.2013 we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung mit der Be­grün­dung an, die Be­klag­te ha­be Un­fall­schä­den des Fahr­zeugs ver­harm­lost. Gleich­zei­tig er­klär­te der Klä­ger sei­nen Rück­tritt von dem mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag, den er auf Män­gel am Geb­trie­be und am Ver­deck des Fahr­zeugs stütz­te.

Der Klä­ger hat be­haup­tet, im Rah­men der mit der Be­klag­ten ge­führ­ten Ver­trags­ver­hand­lun­gen ha­be ihm de­ren Ver­käu­fe­rin V er­klärt, dass das Ca­brio­let ei­nen Un­fall­scha­den in Form ei­nes leich­ten Blech­scha­dens im vor­de­ren Be­reich auf­wei­se und wei­te­re Schä­den nicht vor­han­den sei­en. Nach­träg­lich ha­be er, der Klä­ger, je­doch fest­ge­stellt, dass das Fahr­zeug deut­lich mehr als ei­nen leich­ten Blech­scha­den er­lit­ten ha­be. So sei die Mo­tor­hau­be ge­tauscht wor­den, und na­he­zu über die ge­sam­te Flä­che des Fahr­zeugs, ins­be­son­de­re im lin­ken Sei­ten­be­reich, lie­ßen sich Spu­ren von In­stand­set­zungs­ar­bei­ten und Nachla­ckie­run­gen fest­stel­len. Die­se Ar­bei­ten sei­en in­des we­der fach­män­nisch durch­ge­führt wor­den, noch sei­en da­bei ori­gi­na­le Er­satz­tei­le ver­wen­det wor­den.

Dar­über hin­aus sei es bei Ver­su­chen des Fahr­zeugs, das Ver­deck elek­trisch zu öff­ne und wie­der zu schlie­ßen, zu Aus­set­zern ge­kom­men, so­dass das das Ver­deck ma­nu­ell ha­be be­dient wer­den müs­sen. Beim An­fah­ren und bei der Be­wäl­ti­gung von Stei­gun­gen sei­en au­ßer­dem ab­rup­te Leis­tungs­ab­fäl­le zu ver­zeich­nen ge­we­sen. Auch sei fest­ge­stellt wor­den, dass die Kupp­lung so ver­schlis­sen sei, dass ein Ge­trie­be­scha­den vor­lie­ge. Hier­von – so hat der Klä­ger be­haup­tet – ha­be die Be­klag­te Kennt­nis ge­habt; ei­ne Nach­er­fül­lung ha­be die Be­klag­te je­doch ab­ge­lehnt.

Das Land­ge­richt (LG Dres­den, Urt. v. 06.10.2014 – 10 O 2642/13) hat die im We­sent­li­chen auf Zah­lung von 9.700 € nebst Zin­sen ge­rich­te­te Kla­ge ab­ge­wie­sen, nach­dem es die Ver­käu­fe­rin V als Zeu­gin ver­nom­men hat­te. Zur Be­grün­dung hat es un­ter an­de­rem aus­ge­führt: Die von dem Klä­ger un­ter dem 25.07.2013 er­klär­te An­fech­tung sei un­wirk­sam, weil die Be­klag­te – ver­tre­ten durch die Ver­käu­fe­rin V – den Klä­ger nicht arg­lis­tig ge­täuscht ha­be. Viel­mehr ha­be der Klä­ger ge­wusst, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug zu ei­nem nicht nä­her be­stimm­ten Zeit­punkt ei­nen Un­fall er­lit­ten hat­te („Un­fall­frei lt. Vor­be­sit­zer: nein“). Zu dem Scha­den, den das Fahr­zeug da­bei da­von­ge­tra­gen ha­be, ha­be der Klä­ger von V al­le In­for­ma­tio­nen er­hal­ten, die auch der Be­klag­ten zur Ver­fü­gung ge­stan­den hät­ten. Die­ser sei, nach­dem sie selbst das Fahr­zeug von ei­nem Groß­händ­ler er­wor­ben ha­be, nicht be­kannt ge­we­sen, wel­che Be­schä­di­gun­gen das Ca­brio­let bei dem Un­fall im Ein­zel­nen er­lit­ten ha­be. Die Be­klag­te ha­be aber auf­grund ei­ge­ner Mes­sun­gen der Lack­schich­ten­di­cke ge­wusst und V ha­be dem Klä­ger auch ge­zeigt, an wel­chen Stel­len das Fahr­zeug nachla­ckiert wor­den war. Sie ha­be dem Klä­ger in­des nicht mit­ge­teilt, bei dem Vor­scha­den han­de­le es sich nur um ei­nen „leich­ten Blech­scha­den“. Auch der vom Klä­ger un­ter dem 25.07.2013 er­klär­te Rück­tritt sei un­wirk­sam. Denn der Klä­ger ha­be der Be­klag­ten kei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung ge­setzt, und ei­ne Frist­set­zung sei auch nicht aus­nahms­wei­se ent­behr­lich ge­we­sen.

Das OLG Dres­den als Be­ru­fungs­ge­richt hat mit Be­schluss vom 19.05.2015 dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es be­ab­sich­ti­ge, die Be­ru­fung des Klä­gers nach § 522 II ZPO oh­ne münd­li­che Ver­hand­lung zu­rück­zu­wei­sen, weil sie of­fen­sicht­lich kei­ne Aus­sicht auf Er­folg ha­be.

Aus den Grün­den: Die Ent­schei­dung des Land­ge­richts ist nach Ak­ten­la­ge recht­lich nicht zu be­an­stan­den.

1. Das Land­ge­richt hat ei­nen An­spruch des Klä­gers ge­mäß § 812 I 2 Fall 1 BGB mit zu­tref­fen­der Be­grün­dung ver­neint. Der Klä­ger hat nicht nach­ge­wie­sen, dass die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne An­fech­tung sei­ner auf Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges ge­rich­te­ten Wil­lens­er­klä­rung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung nach § 123 I BGB ge­ge­ben sind.

In der Ur­kun­de vom 06.05.2013 über die „ver­bind­li­che Be­stel­lung“ des in Re­de ste­hen­den Fahr­zeugs hat die Be­klag­te an­ge­ge­ben, dass das Fahr­zeug nicht un­fall­frei ist. Zum Be­weis für die Rich­tig­keit sei­ner Be­haup­tung, im Rah­men der ge­führ­ten Ver­kaufs­ver­hand­lun­gen ha­be ihn die Ver­kaufs­mit­ar­bei­te­rin der Be­klag­ten da­von in Kennt­nis ge­setzt, dass bei dem Fahr­zeug ein Un­fall­scha­den in Form ei­nes „leich­ten Blech­scha­dens im vor­de­ren rech­ten Be­reich“ vor­ge­le­gen ha­be und kei­ne wei­te­ren Schä­den vor­han­den sei­en, hat sich der Klä­ger auf das Zeug­nis von V be­ru­fen. Das Land­ge­richt hat die Zeu­gin ver­nom­men. Da die­se die Rich­tig­keit der Be­haup­tung des Klä­gers nicht be­stä­tigt hat, ist er in­so­weit be­weis­fäl­lig ge­blie­ben.

2. Auch die Auf­fas­sung des Land­ge­richts, dem Klä­ger ste­he we­gen ver­schie­de­ner an­geb­lich vor­han­de­ner Fahr­zeug­män­gel kein An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges ge­mäß §§ 437 Nr. 2, 433, 434, 323, 440 BGB zu, ist recht­lich nicht zu be­an­stan­den.

Zu­tref­fend hat das Land­ge­richt an­ge­nom­men, dass da­hin­ge­stellt blei­ben kann, ob die an­geb­li­chen Män­gel tat­säch­lich vor­lie­gen, weil es an den wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen für das Be­ste­hen von Sach­män­gel­ge­währ­leis­tungs­rech­ten fehlt. Der Klä­ger hat es ver­säumt, der Be­klag­ten vor der Rück­tritts­er­klä­rung wirk­sam ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Leis­tung oder Nach­er­fül­lung zu set­zen (§ 323 I BGB).

Für sei­ne – sei­tens der Be­klag­ten be­strit­te­ne – Be­haup­tung, er ha­be die Be­klag­te mehr­fach per E-Mail zur Nach­er­fül­lung auf­ge­for­dert, hat der Klä­ger kei­nen Be­weis an­ge­tre­ten.

Das Schrei­ben sei­nes Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 17.04.2014 ent­hält kei­ne wirk­sa­me Auf­for­de­rung zur Nach­er­fül­lung. Zum ei­nen liegt ei­ne wirk­sa­me Auf­for­de­rung zur Nach­er­fül­lung be­reits des­halb nicht vor, weil in dem Schrei­ben gleich­zei­tig er­klärt wird, der Klä­ger stüt­ze sei­nen Kla­ge­an­spruch „in ers­ter Li­nie auf die er­klär­te An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung“. Be­ruft sich ein Käu­fer vor­ran­gig dar­auf, ein Kauf­ver­trag sei un­wirk­sam, ist sei­ne gleich­zei­tig „vor­sorg­lich“ er­klär­te Auf­for­de­rung zur Nach­er­fül­lung we­gen wi­der­sprüch­li­chen Ver­hal­tens un­wirk­sam. Zum an­de­ren stand dem Klä­ger ge­gen die Be­klag­te kein An­spruch auf Nach­er­fül­lung durch Lie­fe­rung ei­nes bau­glei­chen an­de­ren Fahr­zeugs zu. Un­strei­tig hat der Klä­ger nach Be­sich­ti­gung des hier in Re­de ste­hen­den Ge­braucht­fahr­zeugs ent­schlos­sen, die­ses kon­kre­te Fahr­zeug zu kau­fen. Bei die­ser Sach­la­ge ist – wor­auf der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te der Be­klag­ten in der Be­ru­fungs­er­wi­de­rung zu­tref­fend hin­ge­wie­sen hat – ein An­spruch des Klä­gers auf Lie­fe­rung ei­nes gleich­wer­ti­gen Er­satz­fahr­zeugs aus­ge­schlos­sen (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VI­II ZR 209/05, ju­ris Rn. 23 ff.). Viel­mehr hät­te es dem Klä­ger ob­le­gen, die Be­klag­te un­ter Frist­set­zung zur Be­sei­ti­gung der im Ein­zel­nen kon­kret be­zeich­ne­ten Män­gel auf­zu­for­dern. Um­stän­de, die ei­ne ent­spre­chen­de Auf­for­de­rung aus­nah­me­wei­se als ent­behr­lich er­schei­nen las­sen könn­ten, sind nicht er­sicht­lich.

Hin­weis: Die Be­ru­fung des Klä­gers wur­de mit Be­schluss vom 03.06.2015 – 10 U 1617/14 – zu­rück­ge­wie­sen. In die­sem Be­schluss heißt es un­ter an­de­rem:

„Zur Be­grün­dung wird auf die Hin­wei­se im Be­schluss des Se­nats vom 19.05.2015 Be­zug ge­nom­men, an de­nen der Se­nat fest­hält. Die mit Schrift­satz vom 02.06.2015 er­folg­te Stel­lung­nah­me des Klä­gers hier­zu führt zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Der Se­nat ver­tritt nicht die Auf­fas­sung, dass die Lie­fe­rung ei­nes an­de­ren – funk­tio­nell und ver­trags­mä­ßig gleich­wer­ti­gen – Ge­braucht­wa­gens bei ei­nem Stück­kauf ‚stets‘ aus­schei­det. Viel­mehr kommt ei­ne Er­satz­lie­fe­rung hier des­halb nicht in Be­tracht, weil sich der Klä­ger nach Be­sich­ti­gung des in Re­de ste­hen­den Ge­braucht­fahr­zeugs ent­schlos­sen hat, die­ses kon­kre­te Fahr­zeug zu kau­fen. Bei die­ser Sach­la­ge ist das Fahr­zeug in der Ge­samt­heit sei­ner Ei­gen­schaf­ten nicht ge­gen ein an­de­res aus­tausch­bar. Dass ei­ne sol­che Sicht­wei­se beim Kauf ge­brauch­ter Sa­chen re­gel­mä­ßig sach­ge­recht ist, hat der BGH in der zi­tier­ten Ent­schei­dung aus­drück­lich be­stä­tigt (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VI­II ZR 209/05, ju­ris Rn. 24) …“

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